arzneimittelrecht - Berliner Heilpraktiker Nachrichten
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14<br />
Hahnemann und der Streit mit den Leipziger<br />
Ärzten und Apothekern<br />
Der Streit ums Heiße und ums Kalte<br />
Es blieb auch nach den großen Erfolgen im Kampf gegen die<br />
Cholera infolge des Napoleonischen Krieges für Hahnemann<br />
und seine homöopathische Schar schwer. Auf der anderen Seite<br />
aber nutzte er die Chance, die Vorlesungen fortzusetzen und<br />
die wichtigen Arzneimittelprüfungen mit seinen Jüngern, meist<br />
Studenten der Leipziger Universität, zu erweitern. Die Alten unter<br />
den Berufskollegen hat er so gut wie nicht gewonnen, dafür die<br />
Jungen, deren Neugier auf das ANDERE noch stark und reizvoll<br />
genug ist. Es hatte geradezu einer Stadt wie Leipzig bedurft,<br />
um im Homöopathie-Streit neue Richtungen und neue Kräfte<br />
hervorzubringen.<br />
Auch Hahnemanns ärztliche Praxis erweiterte sich. Man bat<br />
ihn mündlich wie schriftlich aus allen Gegenden um Rat, was<br />
offensichtlich das weit größere Ärgernis war als die reine Lehre<br />
der Homöopathie, auf deren Reinheit der streitbare Narr achtete<br />
und gerade deshalb und immer wieder mit seinen Berufskollegen<br />
kollidierte.<br />
Noch einmal muss er einem dieser Schlaumeier von Professoren,<br />
dem Hallenser Professor Dzondi, öffentlich den Kampf ansagen in<br />
einer Sache, die Hahnemann als junger Arzt in Gommern selber<br />
hat erfahren müssen: nämlich, dass eine Verbrennung nicht mit<br />
Kaltem sondern ähnlich Heißem gelindert, ja geheilt wird. Das ist<br />
30 Jahre her, als der junge Mediziner Hahnemann, noch ganz<br />
Allopath, aber dank seines neugierigen und forschenden Geistes<br />
beobachtete.<br />
Was macht Krankheit aus, was Gesundheit? Welcher Mittel<br />
bediente sich die herrschende Medizin und welcher das Volk?<br />
Jener Professor Dzondi behauptete in einem Büchlein, das er zu<br />
„3 Talern Kurant für 20 Exemplare“ marktschreierisch anpries:<br />
„ Es ist das kalte Wasser und einzig das kalte Wasser, welches<br />
zweckmäßig angewendet, - die Verbrennungen in jedem Grade,<br />
wenn irgendwelche Hilfe möglich ist ,- jederzeit schnell, sicher<br />
und schmerzlos heilt.“.<br />
Hahnemann antwortete:<br />
„Hat Dzondi vergleichende Versuche mit allen übrigen<br />
empfohlenen Mitteln angestellt, dass er nun mit Bestand der<br />
Wahrheit rühmen könnte: es sei das einzig sichere, beste…<br />
Doch es ist schon durch leicht zu wiederholende Erfahrungen<br />
entschieden, dass gerade das Gegenteil vom kalten Wasser die<br />
Verbrennungen am schnellsten heilt. Denn von Heilen sollte beim<br />
Menschenretter, dem Arzte, die Rede sein, nicht vom Lindern auf<br />
Augenblicke.“<br />
Richard Haehl, Hahnemanns ausführlichster Biograf, fasst<br />
dessen aufklärerische Antwort auf Dzondi zusammen:<br />
„Hahnemann weist darauf hin, dass ein Koch niemals bei<br />
Brandwunden sich des kalten Wassers bediene, sondern dass<br />
er seine verbrannte Hand dem heißen Schein glühender Kohlen<br />
nahe bringe, bis der Brandschmerz nachlasse und fast gänzlich<br />
verschwinde, worauf er wisse, dass keine Wasserblase, viel<br />
weniger eine Eiterung entstehe und die Wunde oft in einer<br />
viertel Stunde ohne Nachwehen heilen werde. Dasselbe sei bei<br />
“Lackirern und anderen Künstlern“ der Fall, die oft mit heißem<br />
Weingeist und ätherischen Ölen zu tun haben. Also die Erfahrung<br />
und Übung des täglichen Lebens: similia similibus. Und wie man<br />
weiterhin den Schnee bei erfrorenen Gliedern (und) kein warmes<br />
Wasser anwende, wie eine bis zum höchsten Fieber erhitzte, von<br />
unbändigem Durst gepeinigte wilde Tänzerin durch Entblößung<br />
in Zugluft und durch den Trunk eines Glases eiskalten Wassers,<br />
das im ersten Augenblick das höchste Labsal werde, sich Tod<br />
und Verderben holen würde- so sei für Verbrennungen nicht<br />
kaltes Wasser, sondern erwärmter Weingeist oder Terpentinöl<br />
zu gebrauchen. Hierbei weist er auch auf das Zeugnis zweier<br />
angesehener Ärzte, Heister und Benjamin Bell in England hin,<br />
welch letzteren er den größten Wundarzt seiner Zeit nennt.“<br />
Auf diesen Aufsatz Hahnemanns antwortete Professor Dzondi, er<br />
wette 100 Stück Pistolen oder 500 Taler in Gold, dass SEIN Mittel<br />
das bessere sei:<br />
„Jeder von uns werde mit einem rot glühenden Eisen an der Hand-<br />
etwa der rechten, welche die Feder führt- gebrannt und gebrauche<br />
dann sein Mittel, aber durchaus nicht das seines Gegners…. Jeder<br />
von uns bestimme 3 Zeugen, und jedem Wissbegierigen sei der<br />
Zutritt verstattet.“<br />
Die Jahrmarktsprobe fand nie statt. Stattdessen ging der Federkrieg<br />
weiter. Offensichtlich konnte auch R. Haehl die im Sande verlaufene<br />
Spur der Brandprobe nicht recherchieren, er weiß nur zu berichten,<br />
dass Hahnemann nicht auf Dzondis brutale Feuerprobe vor<br />
schaulustigem Publikum einging. Wir können uns das von ihm auch<br />
nicht anders vorstellen. Aber diese Herausforderung, so grob und<br />
ungehobelt sie im Munde eines ordentlichen Medizinprofessors<br />
klingen mag, so üblich war derartiges. Schaulustiges Gruseltheater<br />
allein durch zum Tode Verurteilte waren so etwas wie die „Sex and<br />
Crime“ - Connection heutiger digitaler Schaulust.<br />
Hahnemann konnte sicher sein, dass sein Verzicht auf solcherlei<br />
Beweis ihm als Verzichtenden angelastet wurde. Beide Seiten<br />
führten noch fast zwei Jahre lang den Streit ums Kalte oder Heiße<br />
bei Verbrennungen. Heute noch gilt diese Streiterei und ihre<br />
Überlieferung sowohl den Kritikern des Ähnlichkeitssatzes als auch<br />
uns, den Verfechtern der Ähnlichkeitslehre als Beweis für das Eine<br />
wie das Andere. So langlebig kann Überlieferung und Tradition<br />
sein, die eine Lobby findet und unterhält.<br />
Schließlich hatten auch die wohlwollensten Homöopathen und<br />
Hahnemannianer diesen Streit über und verübelten deshalb und<br />
vor allem dem alten Streitross Hahnemann dessen ständige<br />
Rechthaberei.<br />
So schlussfolgerte zum Beispiel ein Aufsatz von Professor Puchelt,<br />
einem ernsthaften Mitgänger in der Sache Hahnemanns, zum nicht<br />
enden wollenden Streit zwischen Dzondi und Hahnenmann:<br />
„So widersprechend es nun auf den ersten Blick erscheinen mag,<br />
Krankheiten durch Mittel heilen zu wollen, welche ursprünglich<br />
ähnliche Zufälle erregen, so muss man doch gestehen, dass sich<br />
der Widerspruch auflöst und verschwindet, wenn man Alles genaue<br />
in Erwägung zieht, als es die bis jetzt aufgetretenen Gegner der<br />
Homöopathie gewöhnlich getan haben. Ja, ich glaube, dass die<br />
ganze Lehre gar nicht den Widerspruch gefunden und dass sie im<br />
Gegenteil von mehreren Ärzten würde angenommen und benutzt<br />
worden seyn, wenn Hahnemann der ganzen übrigen Medizin nicht<br />
den offenbarsten Krieg erklärt hätte, von der denn doch ein jeder in<br />
ihr Lebende und durch sie Wirkende weiß, dass sie nicht so auf den<br />
Stand gebaut sey, als es Hahnemann behauptet“.<br />
Und an anderer Stelle schaut dieser Professor Puchelt auch auf<br />
Hahnemanns wohl ärgsten Charakterfehler, wenn er sagt:<br />
„In der feindseligen Stellung gegen die anderen Ärzte, die er sich<br />
selbst gegeben, gehört sogar einige Selbstverleugnung dazu, den<br />
Standpunkt zu erringen, von dem man ihn mit Billigkeit beurteilen<br />
und das Nutzbare herausnehmen kann; und man wird durch manche<br />
beleidigenden Ausfälle, welche zwar manche, aber doch wahrlich<br />
nicht alle denkenden Ärzte, gegen die sie gerichtet werden, verdient<br />
haben mögen, oft mit einem WIDERWILLEN gegen ihn erfüllt, den<br />
man wieder bekämpfen muss, um zu der Ruhe zu kommen, welche<br />
dem Forscher ziemt,- eine Kraft der Selbstbeherrschung, welche<br />
nicht alle haben, und am allerwenigsten diejenigen, welche der<br />
so oft erwähnte Tadel des leichtsinnigen Receptschreibens am<br />
meisten trifft.“<br />
Jener Professor Puchelt, ein wie wir hören wohlmeinender<br />
Kritiker Hahnemanns, macht in eben dieser Kritik auch auf ein<br />
viel wichtigeres Problem seiner Zeit aufmerksam: nämlich die