Schulkonflikte - demokratisches sachsen
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5. „Als das Kind in den Brunnen Gefallen war!“ 5. „Als das Kind in den Brunnen Gefallen war!“<br />
Nachbereitung einer dramatischen Mobbing-Geschichte<br />
(11/2006)<br />
1. Die Vorbereitung<br />
Aus der intensiven Arbeit mit den Lehrerinnen zum Forum:Theater<br />
(siehe hier Kapitel 4 „Endlich Luft zum Atmen! – Lehrer entdecken<br />
vier Tage das Forum:Theater für sich“) wurde von der vom dramatischen<br />
Mobbingvorfall betroffenen Lehrerin die Frage an mich herangetragen,<br />
ob das Forum:Theater auch eine geeignete Form sei, um<br />
direkt mit der Klasse das aktuelle Thema zum Fall des Schülers Moritz<br />
(Name fiktiv), der einen anderen Mitschüler mit einem Messer verletzt<br />
hat, nachzubearbeiten.<br />
Gerne erklärte ich mich bereit, gemeinsam mit der Lehrerin, die gleichzeitig<br />
die Klassenlehrerin der betroffenen Klasse war, einen Projekttag<br />
zu diesem Thema an der Schule durchzuführen. Es war notwendig,<br />
das Thema ohne Zeitdruck zu bearbeiten, daher planten wir den<br />
Projekttag von 8.30-13.15Uhr. Eine Vorbesprechung mit der Klassenlehrerin<br />
und dem Schulleiter wurde von 8-8.30Uhr festgesetzt.<br />
Die 9. Klasse bestand aus 24 Schülern (19 Mittelschüler, 5 Hauptschüler).<br />
Der Schüler Moritz war von der Schule beurlaubt worden.<br />
Nun stand die Entscheidung an, ob Moritz wieder in die Klasse zurückkehren<br />
soll, bzw. ob er in eine andere Klasse gehen oder ob der<br />
Schulausschluss aufrechterhalten werden soll. Angesichts der Brisanz<br />
des Themas und meiner Verantwortung legte ich Wert auf eine präzise<br />
Planung des Projekttages. Folgende Ziele sollten erreicht werden:<br />
• Die Schüler erfahren, wie es zu dieser Eskalation gekommen<br />
ist.<br />
• Ablauf des Geschehens. Was geschah vorher? Was folgte<br />
danach?<br />
• Die Schüler erfahren, warum das geschehen konnte?<br />
• hinterfragen ihres Täter-/Opfer-Verständnisses<br />
• den eigenen Anteil am Konfliktverlauf erkennen; sehen, wo<br />
bin ich (mit) verantwortlich<br />
• Hätte der Konflikt auch anders verlaufen können?<br />
• Wo gab es Punkte, an denen ein anderes Verhalten, den<br />
Konflikt in eine andere Richtung hätten lenken können? Wo<br />
gab es Möglichkeiten der Intervention?<br />
• Was will die Klasse für die Zukunft? Was sind ihre Bedürfnis-<br />
se?<br />
• Was passiert mit dem Schüler Moritz in Zukunft?<br />
• Kann er wieder in die Klasse zurückkommen?<br />
• Was ist das Bedürfnis der Klasse?<br />
2. Der Projekttag – großes Interesse bei den Schülern<br />
Die Klasse arbeitete sehr gut mit. Überraschend war, dass sich alle an<br />
allen Phasen des Prozesses beteiligten. Jeder (!) brachte sich ein. Das<br />
zeigt, für wie brisant die Schüler das Thema einschätzten, wie es den<br />
Schülern zu schaffen machte und wie jeder Einzelne an einer Bearbeitung<br />
interessiert war. Keiner war an diesem Tag vom Prozess ausgeschlossen,<br />
was auch, gerade angesichts der Dauer des Projekttages,<br />
sehr erstaunlich ist. Wir machten lediglich einmal zwanzig Minuten<br />
und einmal fünf Minuten Pause. Es wurde annähernd fünf Zeitstunden<br />
durchgearbeitet.<br />
3. Erwärmungsphase<br />
Einmal mehr zeigte sich, dass die Erwärmungsphase das „Einstiegstor“<br />
in die Methodik des Forum:Theaters ist. Mit Bewegung, Spiel,<br />
Partner- und Gruppenübungen und der vorsichtigen Hinführung zu<br />
Ausdrucksformen des Theaters, wie z. B. die Standbildarbeit, wurden<br />
die Beteiligten neugierig auf den weiteren Prozess gemacht. Gerade<br />
bei diesem Thema war es wichtig, zwischendurch auch zu lachen und<br />
nicht alle Motivation, Lebensfreude und Fantasie mit einer eventuellen<br />
„Moralkeule“ zu erschlagen. Das Kind war in den Brunnen gefallen<br />
und nun war es wichtig, sich ihm liebevoll zuzuwenden. Wichtig<br />
für den Prozess ist, dass aufrichtige Gefühle zugelassen werden können<br />
und dass der Dozent Wert auf die Beachtung der Gefühle aller<br />
Beteiligten legt.<br />
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