Schulkonflikte - demokratisches sachsen
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5. „Als das Kind in den Brunnen Gefallen war!“ 5. „Als das Kind in den Brunnen Gefallen war!“<br />
Ich frage nach: War er in diesen Szenen wirklich immer Täter? Was<br />
passierte denn vor der Tat, bevor er aggressiv reagierte?<br />
• Die Schüler geben zu, dass sie ihn oft provozieren.<br />
• Aber: Er trägt seinen Teil dazu bei, denn „er rastet immer gleich<br />
aus!“<br />
14. Forum:Theater<br />
Ich schlug den Schülern jetzt den Einsatz der Forum:Theater-Methode<br />
vor, d. h. wir spielten eine Szene und sie konnten als Zuschauer eingreifen,<br />
in dem sie in die Rolle eines der Spieler schlüpften und neue<br />
Handlungsvorschläge ausprobierten. Heiner Müller nennt dies in einem<br />
Buch ein „Laboratorium der sozialen Phantasie“. Die Schüler<br />
entschieden sich für die „Blumentopfszene“.<br />
• Die Szene wird einmal gespielt.<br />
• Die Szene wird das zweite Mal gespielt: Das neue Spielangebot<br />
betrifft Moritz’ Verhalten. Moritz zieht sich zurück, er lässt sich<br />
nicht provozieren, sondern brabbelt vor sich hin.<br />
• Die Szene wird das dritte Mal gespielt: Der Hauptprovokateur<br />
wird ausgewechselt, er provoziert Moritz nicht mehr. Die Szene<br />
eskaliert nicht.<br />
• Die Szene wird das vierte Mal gespielt: Die Gruppe schlichtet<br />
zwischen beiden, dadurch kommt es nicht zur Schlägerei.<br />
Die Schüler sehen an diesen Lösungsvorschlägen, wie ein bestimmtes<br />
Verhalten eine bestimmte Reaktion auslöst. So kommt es beispielsweise<br />
nicht zu einer Schlägerei, wenn nicht provoziert wird,<br />
oder die unbeteiligten Mitschüler müssen nicht die „Schafe“ sein,<br />
sondern können eingreifen. Mit diesen Lösungsansätzen entwickelt<br />
die Forum:Theater-Methode tatsächlich ein „Laboratorium der sozialen<br />
Phantasie“. Es mag ein Laboratorium in seinen Anfängen sein,<br />
aber es gibt Ansätze, die jetzt bei langfristiger Forum:Theater-Arbeit<br />
weiter verfolgt werden sollten.<br />
Wie sich der Einzelne entscheidet, bleibt ihm überlassen, aber er sieht<br />
zumindest sein Verhalten und sich selbst im Spiegel des anderen.<br />
Entscheidend dafür ist das visuelle Bild, welches er tatsächlich sieht<br />
und nicht nur hört bzw. darüber belehrt wird. Dadurch hat er – möglicherweise<br />
das erste Mal in seinem Leben – alternative Verhaltensweisen<br />
kennenlernen können. (Siehe hierzu auch Kapitel 8. „Wie<br />
Forum:Theater wirkt!“)<br />
15. Die Methode „Der Polizist im Kopf“<br />
Mir war es wichtig, dass die Schüler anhand eines anderen Bildes<br />
noch einmal sehen konnten, wie sehr Moritz auch Opfer war, z. B. in<br />
den Familienszenen, und welche innere Zerrissenheit damit einhergeht.<br />
Augusto Boal hat für die Darstellung dieser Problematik die Metapher<br />
„Polizist im Kopf“ gewählt. Häufig haben wir in Lebenssituationen<br />
mehrere „Polizisten“ in unserem Kopf, die verhindern, dass wir<br />
handeln und adäquat auf eine Situation reagieren. Ursache dafür ist,<br />
dass unterschiedliche Emotionen, Gedanken, Wünsche oder Ängste<br />
im Inneren des Menschen miteinander „im Kampf liegen“ und deshalb<br />
eine eindeutige Reaktion ausbleibt. Da ist etwas in uns, das verbietet!<br />
Dazu spielten wir noch einmal kurz die „Rummelplatzszene“, in der<br />
Moritz nicht mit dem Riesenrad mitfahren durfte. Jetzt „froren“ wir das<br />
Bild des allein wartenden Moritz ein. Welche inneren Gedanken und<br />
Gefühle sehen wir in dieser Situation in ihm? Die Zuschauer konnten<br />
mit einer klaren körperlichen Haltung und einem Satz darstellen, was<br />
sie sahen. Wichtig ist dabei, immer nur einen Gedanken, ein Gefühl<br />
auszudrücken. Es gab drei „Polizist-im-Kopf-Angebote“ aus der Gruppe:<br />
• „Ich bin nichts wert.“<br />
• „Mein ganzes Leben ist vollkommen sinnlos.“<br />
• „Ich bin total wütend.“<br />
Hier zeigte sich die resignierende, depressive, in Not befindliche Seite<br />
Moritz’, aber auch die gefährliche Seite des Täters Moritz.<br />
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