Titelthema // <strong>KR</strong>-<strong>ONE</strong> // 6 NUR DER WICHT NIMMT SICH WICHTIG WIE AUS JOSEF ALBERTS EIN LACHSACK WURDE Sein nahezu wiehern<strong>de</strong>s Lachen kennt in Krefeld fast je<strong>de</strong>r. Der lebendige Lachsack ist Kult in <strong>de</strong>r Sei<strong>de</strong>nstadt. Egal, ob beim Spiel ohne Ranzen, während <strong>de</strong>r Fashionworld o<strong>de</strong>r zum Folklorefest, wo Josef Alberts auftaucht, steht er im Mittelpunkt. Doch viele Menschen <strong>de</strong>nken hinter <strong>de</strong>r kauzigen Fassa<strong>de</strong> <strong>de</strong>r auf Knopfdruck losprusten<strong>de</strong>n Witzfigur stecke ein Verrückter, jemand, <strong>de</strong>n sie zu früh aus <strong>de</strong>r Irrenanstalt entlassen hätten. Vielleicht wür<strong>de</strong> Alberts dieser Einschätzung in seiner unnachahmlichen Art sogar zustimmen, <strong>de</strong>nn er macht keinen Hehl aus seiner nach konventionellen Maßstäben verkorksten Biographie. Wenn er mit 60 Jahren Bilanz zieht, stehen <strong>unter</strong>m Strich immer wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong> Depressionen, drei Selbstmordversuche, ein an ihm verübter Mordversuch, drei gescheiterte Ehen und ein uneheliches Kind. Aber auch große Erfolge wie <strong>de</strong>r Aufbau <strong>de</strong>r UK Reiki Fe<strong>de</strong>ration. Eines lässt sich <strong>de</strong>m Krefel<strong>de</strong>r Enfant terrible trotz aller Fehltritte nur schwer <strong>unter</strong>stellen: Dummheit.
Für die Entstehungsgeschichte <strong>de</strong>s Lachsacks hält Alberts mehrere Versionen bereit, <strong>de</strong>nn er ist inzwischen Medienprofi und weiß, was Menschen hören wollen. Natürlich weiß er auch, dass er sein ganzes Leben nicht schlagkräftig in einem Satz zusammenfassen kann, obwohl er das müsste, um die Frage nach <strong>de</strong>m Ursprung wahrheitsgemäß zu beantworten. Gerne erzählt er, dass <strong>de</strong>r Lachsack geboren wor<strong>de</strong>n wäre, um <strong>de</strong>n Englän<strong>de</strong>rn zu zeigen, dass wir Deutschen doch Humor haben. Manchmal sagt er auch, dass ihn <strong>de</strong>r beigefarbene Jutesack und die damit verbun<strong>de</strong>ne Rolle vor einem weiteren Suizid-Versuch bewahrt hätten. Doch nichts davon stimmt. Alberts ist kein Lügner im klassischen Sinne. Er kennt die Menschen und ihre Erwartungshaltung einfach zu gut, um die Wahrheit zu erzählen. Wer wür<strong>de</strong> ihn schon sympathisch fin<strong>de</strong>n, wenn er wüsste, „SIEBEN JAHRE HAT DIESE LEGALE DROGENZEIT GEDAUERT“, SAGT ER MIT BLICK IN DIE VERGANGENHEIT, „DOCH GEHOLFEN HAT ES KEIN STÜCK.“ dass ihn eigentlich nur monetäre Absichten in das kartoffelsackartige Outfit trieben? Trotz<strong>de</strong>m ist Alberts Wan<strong>de</strong>l zu einem glücklichen Menschen eng mit <strong>de</strong>m Lachsack verwoben. 2009, kurz nach seinem letzten Suizidversuch, gewinnt er die für ihn bahnbrechen<strong>de</strong> Erkenntnis: Um glücklich zu sein, muss er je<strong>de</strong> Form von Wür<strong>de</strong> und Stolz über Bord werfen. Deswegen stören ihn heute das Getuschel und die verächtlichen Blicke nicht mehr. Doch <strong>de</strong>r Weg dorthin war ein weiter. Alles beginnt 1952 in Wachtendonk, wo Alberts zur Welt kommt. „Ich bin fast fundamentalistisch christlich erzogen wor<strong>de</strong>n“, erzählt Alberts gut gebräunt und fröhlich. „Meine Eltern haben uns antikörperlich erzogen, <strong>de</strong>n ersten Sex hatte ich mit En<strong>de</strong> 20.“ Alberts hat als junger Mann große Ziele, er möchte etwas Beson<strong>de</strong>res aus seinem Leben machen, besser sein als die an<strong>de</strong>ren. „Rückblickend war das wohl mein größter Fehler“, sagt er nach<strong>de</strong>nklich, „ich habe meine eigene Anspruchshaltung immer Titelthema // so hochgeschraubt, dass ich quasi scheitern musste.“ Erst studiert er Sport, legt mächtig Tempo vor und schafft drei Semester innerhalb eines Jahres. Doch dann wird er von massiven Depressionen heimgesucht, die ihn lähmen, zur Untätigkeit zwingen und nahezu auffressen. Er versucht alles, um sich aus <strong>de</strong>r Umklammerung <strong>de</strong>r Dunkelheit zu lösen, nimmt die damals noch in <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rschuhen stecken<strong>de</strong> Lösung <strong>de</strong>r Pharmaindustrie gegen Depressionen und hofft auf Besserung. „Sieben Jahre hat diese legale Drogenzeit gedauert“, sagt er mit Blick in die Vergangenheit, „doch geholfen hat es kein Stück. Ich habe nur 20 Kilo zugenommen und wur<strong>de</strong> noch unglücklicher.“ Zwar berichtet <strong>de</strong>r Mann mit <strong>de</strong>m vollen Haar und <strong>de</strong>n treuen braunen Augen immer wie<strong>de</strong>r, dass er mit <strong>de</strong>m ausgeprägten Katholizismus seiner Eltern nur wenig anfangen konnte trotz<strong>de</strong>m sucht er fortan immer wie<strong>de</strong>r halt in <strong>de</strong>r Spiritualität, wird Anhänger <strong>de</strong>r indischen Bhagwan-Sekte und versucht, durch Meditation sein Gefühlsleben in <strong>de</strong>n Griff zu bekommen. Vergeblich. Immer wie<strong>de</strong>r suchen ihn die dunklen Gedanken heim und zwingen ihn zum Abbruch <strong>de</strong>s ersten Studiums. Doch anstatt nun kleinere Brötchen zu backen, legt er die Latte noch ein wenig höher, möchte mit Anfang 30 Arzt wer<strong>de</strong>n. Bis zum Physikum hält er durch, obwohl er wegen seiner <strong>de</strong>pressiven Schübe immer mal wie<strong>de</strong>r ein Urlaubssemester einlegen muss. Gemessen an seinen vorherigen Erfahrungen ist er allerdings stabil. Bis zum Tag <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>r Bio-Klausur-Ergebnisse. „Ich konnte es einfach nicht fassen. Da stand ich wirklich auf <strong>de</strong>r Liste <strong>de</strong>r Durchgefallenen“, sagt er mit in Falten gelegter Stirn. „Ich konnte damit einfach nicht umgehen und habe einen folgenschweren Entschluss gefasst: Ich will sterben.“ Er lässt sich ein Bad ein, holt <strong>de</strong>n Föhn und lässt ihn fallen. Doch es passiert: nichts! „Es ist einfach die Sicherung rausgesprungen“, sagt er lachend. „Damals war das natürlich nicht lustig. Ich dachte: Jetzt bin ich auch noch zu blöd, um mich umzubringen.“ Doch wie so oft in seinem Leben folgt anschließend wie<strong>de</strong>r eine Phase <strong>de</strong>s Lichtes. Er rappelt sich auf, verän<strong>de</strong>rt sein Leben und verdient viel Geld als Gruppenleiter von Money-Trend und bei einer Timesharing-Agentur. „Manchmal habe ich in dieser Zeit bis zu 15.000 D-Mark verdient“, sagt er. Lange kann er diese Hochphasen jedoch nicht halten. Zu groß sind seine Selbstzweifel. Auch die Bhagwan-Lehre kann daran nichts än<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>swegen konvertiert er zum Islam, wird Sufi und betet und meditiert mehrere Stun<strong>de</strong>n am Tag. Selbst die Pilgerfahrt nach Mekka tritt er an, die er allerdings wenig später wie<strong>de</strong>r abbrechen muss, weil sein Vater im Sterben liegt. Seine stete Suche nach etwas, an <strong>de</strong>m er sich festhalten kann, führt allerdings nicht nur in Bezug auf Religionen in eine Sackgasse. Auch seine erste Ehe mit Karin steuert in dieselbe Richtung. „Diese Beziehung war zum Scheitern verurteilt“, sagt er heute, „ich <strong>de</strong>pressiv, sie alkoholabhängig, das musste irgendwann explodieren.“ Eines Tages rastet Karin aus, getrieben von Eifersucht will sie Alberts erstechen. Der wie<strong>de</strong>rum kann <strong>de</strong>r Messerattacke in <strong>de</strong>r heimischen Küche ausweichen, packt anschließend seine Sachen und verschwin<strong>de</strong>t nach Großbritannien. Nun sucht er in Findhorn, einem spirituellen Zentrum für Aussteiger, Zuflucht. Dort möchte er erleuchtet wer<strong>de</strong>n. Sein Hang zur Spiritualität ist über die Jahre immer mehr gewachsen, bereits in Deutschland ließ er sich zum Reiki-Lehrer ausbil<strong>de</strong>n. Die Lehre <strong>de</strong>r strömen<strong>de</strong>n Körperenergie gibt ihm Halt und seinem Leben einen Sinn. Doch er möchte noch tiefer eintauchen in das Übernatürliche und lässt sich in die „Living with light“- <strong>KR</strong>-<strong>ONE</strong> // 7