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Für die Entstehungsgeschichte <strong>de</strong>s Lachsacks hält Alberts mehrere Versionen<br />
bereit, <strong>de</strong>nn er ist inzwischen Medienprofi und weiß, was Menschen<br />
hören wollen. Natürlich weiß er auch, dass er sein ganzes Leben nicht<br />
schlagkräftig in einem Satz zusammenfassen kann, obwohl er das müsste,<br />
um die Frage nach <strong>de</strong>m Ursprung wahrheitsgemäß zu beantworten. Gerne<br />
erzählt er, dass <strong>de</strong>r Lachsack geboren wor<strong>de</strong>n wäre, um <strong>de</strong>n Englän<strong>de</strong>rn<br />
zu zeigen, dass wir Deutschen doch Humor haben. Manchmal sagt er<br />
auch, dass ihn <strong>de</strong>r beigefarbene Jutesack und die damit verbun<strong>de</strong>ne<br />
Rolle vor einem weiteren Suizid-Versuch bewahrt hätten. Doch nichts<br />
davon stimmt. Alberts ist kein Lügner im klassischen Sinne. Er kennt die<br />
Menschen und ihre Erwartungshaltung einfach zu gut, um die Wahrheit<br />
zu erzählen. Wer wür<strong>de</strong> ihn schon sympathisch fin<strong>de</strong>n, wenn er wüsste,<br />
„SIEBEN JAHRE HAT DIESE LEGALE DROGENZEIT GEDAUERT“,<br />
SAGT ER MIT BLICK IN DIE VERGANGENHEIT, „DOCH GEHOLFEN<br />
HAT ES KEIN STÜCK.“<br />
dass ihn eigentlich nur monetäre Absichten in das kartoffelsackartige<br />
Outfit trieben? Trotz<strong>de</strong>m ist Alberts Wan<strong>de</strong>l zu einem glücklichen Menschen<br />
eng mit <strong>de</strong>m Lachsack verwoben. 2009, kurz nach seinem letzten Suizidversuch,<br />
gewinnt er die für ihn bahnbrechen<strong>de</strong> Erkenntnis: Um glücklich<br />
zu sein, muss er je<strong>de</strong> Form von Wür<strong>de</strong> und Stolz über Bord werfen. Deswegen<br />
stören ihn heute das Getuschel und die verächtlichen Blicke nicht<br />
mehr. Doch <strong>de</strong>r Weg dorthin war ein weiter.<br />
Alles beginnt 1952 in Wachtendonk, wo Alberts zur Welt kommt. „Ich<br />
bin fast fundamentalistisch christlich erzogen wor<strong>de</strong>n“, erzählt Alberts gut<br />
gebräunt und fröhlich. „Meine Eltern haben uns antikörperlich erzogen,<br />
<strong>de</strong>n ersten Sex hatte ich mit En<strong>de</strong> 20.“ Alberts hat als junger Mann große<br />
Ziele, er möchte etwas Beson<strong>de</strong>res aus seinem Leben machen, besser<br />
sein als die an<strong>de</strong>ren. „Rückblickend war das wohl mein größter Fehler“,<br />
sagt er nach<strong>de</strong>nklich, „ich habe meine eigene Anspruchshaltung immer<br />
Titelthema //<br />
so hochgeschraubt, dass ich quasi scheitern musste.“ Erst studiert er<br />
Sport, legt mächtig Tempo vor und schafft drei Semester innerhalb eines<br />
Jahres. Doch dann wird er von massiven Depressionen heimgesucht, die<br />
ihn lähmen, zur Untätigkeit zwingen und nahezu auffressen. Er versucht<br />
alles, um sich aus <strong>de</strong>r Umklammerung <strong>de</strong>r Dunkelheit zu lösen, nimmt<br />
die damals noch in <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rschuhen stecken<strong>de</strong> Lösung <strong>de</strong>r Pharmaindustrie<br />
gegen Depressionen und hofft auf Besserung. „Sieben Jahre<br />
hat diese legale Drogenzeit gedauert“, sagt er mit Blick in die Vergangenheit,<br />
„doch geholfen hat es kein Stück. Ich habe nur 20 Kilo zugenommen<br />
und wur<strong>de</strong> noch unglücklicher.“ Zwar berichtet <strong>de</strong>r Mann mit<br />
<strong>de</strong>m vollen Haar und <strong>de</strong>n treuen braunen Augen immer wie<strong>de</strong>r, dass er<br />
mit <strong>de</strong>m ausgeprägten Katholizismus seiner Eltern nur wenig anfangen<br />
konnte trotz<strong>de</strong>m sucht er fortan immer wie<strong>de</strong>r halt in <strong>de</strong>r Spiritualität, wird<br />
Anhänger <strong>de</strong>r indischen Bhagwan-Sekte und versucht, durch Meditation<br />
sein Gefühlsleben in <strong>de</strong>n Griff zu bekommen. Vergeblich. Immer wie<strong>de</strong>r<br />
suchen ihn die dunklen Gedanken heim und zwingen ihn zum Abbruch<br />
<strong>de</strong>s ersten Studiums. Doch anstatt nun kleinere Brötchen zu backen,<br />
legt er die Latte noch ein wenig höher, möchte mit Anfang 30 Arzt wer<strong>de</strong>n.<br />
Bis zum Physikum hält er durch, obwohl er wegen seiner <strong>de</strong>pressiven<br />
Schübe immer mal wie<strong>de</strong>r ein Urlaubssemester einlegen muss. Gemessen<br />
an seinen vorherigen Erfahrungen ist er allerdings stabil. Bis zum Tag <strong>de</strong>r<br />
Bekanntgabe <strong>de</strong>r Bio-Klausur-Ergebnisse. „Ich konnte es einfach nicht<br />
fassen. Da stand ich wirklich auf <strong>de</strong>r Liste <strong>de</strong>r Durchgefallenen“, sagt er<br />
mit in Falten gelegter Stirn. „Ich konnte damit einfach nicht umgehen und<br />
habe einen folgenschweren Entschluss gefasst: Ich will sterben.“ Er lässt<br />
sich ein Bad ein, holt <strong>de</strong>n Föhn und lässt ihn fallen. Doch es passiert:<br />
nichts! „Es ist einfach die Sicherung rausgesprungen“, sagt er lachend.<br />
„Damals war das natürlich nicht lustig. Ich dachte: Jetzt bin ich auch noch<br />
zu blöd, um mich umzubringen.“<br />
Doch wie so oft in seinem Leben folgt anschließend wie<strong>de</strong>r eine Phase<br />
<strong>de</strong>s Lichtes. Er rappelt sich auf, verän<strong>de</strong>rt sein Leben und verdient viel<br />
Geld als Gruppenleiter von Money-Trend und bei einer Timesharing-Agentur.<br />
„Manchmal habe ich in dieser Zeit bis zu 15.000 D-Mark verdient“,<br />
sagt er. Lange kann er diese Hochphasen jedoch nicht halten. Zu groß<br />
sind seine Selbstzweifel. Auch die Bhagwan-Lehre kann daran nichts<br />
än<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>swegen konvertiert er zum Islam, wird Sufi und betet und meditiert<br />
mehrere Stun<strong>de</strong>n am Tag. Selbst die Pilgerfahrt nach Mekka tritt er<br />
an, die er allerdings wenig später wie<strong>de</strong>r abbrechen muss, weil sein Vater<br />
im Sterben liegt. Seine stete Suche nach etwas, an <strong>de</strong>m er sich festhalten<br />
kann, führt allerdings nicht nur in Bezug auf Religionen in eine Sackgasse.<br />
Auch seine erste Ehe mit Karin steuert in dieselbe Richtung. „Diese Beziehung<br />
war zum Scheitern verurteilt“, sagt er heute, „ich <strong>de</strong>pressiv, sie alkoholabhängig,<br />
das musste irgendwann explodieren.“ Eines Tages rastet<br />
Karin aus, getrieben von Eifersucht will sie Alberts erstechen. Der wie<strong>de</strong>rum<br />
kann <strong>de</strong>r Messerattacke in <strong>de</strong>r heimischen Küche ausweichen,<br />
packt anschließend seine Sachen und verschwin<strong>de</strong>t nach Großbritannien.<br />
Nun sucht er in Findhorn, einem spirituellen Zentrum für Aussteiger,<br />
Zuflucht. Dort möchte er erleuchtet wer<strong>de</strong>n. Sein Hang zur Spiritualität<br />
ist über die Jahre immer mehr gewachsen, bereits in Deutschland ließ er<br />
sich zum Reiki-Lehrer ausbil<strong>de</strong>n. Die Lehre <strong>de</strong>r strömen<strong>de</strong>n Körperenergie<br />
gibt ihm Halt und seinem Leben einen Sinn. Doch er möchte noch tiefer<br />
eintauchen in das Übernatürliche und lässt sich in die „Living with light“-<br />
<strong>KR</strong>-<strong>ONE</strong> // 7