Netzwerk Südbaden - Dezember 2015

Kultur
Auf ein Neues
Bestsellerliste
Aufgeheizt
Wer wie der Autor fünf Jahrzehnte in unterschiedlichen
Positionen als Journalist
tätig war, hat naturgemäß vieles erlebt. Wir
reden hier gar nicht von der veränderten Technik,
von der Revolution der Medien durch die
digital gestützte Information. Wir reden hier
über die Ereignisse, die ein Journalist begleitet.
Reden wir hier nicht von der großen Politik,
reden wir davon, was unseren Alltag in der Regel
beherrscht. Das Lokale. Da ist uns schon
allerhand untergekommen, zuletzt jener Dorfbürgermeister
im Hotzenwald, der nach Gerichtserkenntnis
selbst einen Anschlag auf sich
inszeniert hat. Und nun sind wir plötzlich selbst
mittendrin. Das Verwaltungsgericht Freiburg
hat die Bürgermeisterwahl in Neuenburg für
ungültig erklärt, weil kurz vor dieser Wahl ein
Artikel im Gemeindeblatt erschienen war, der
sich mit der Entwicklung des Standorts Neuenburg
befasst und durchaus lobende Worte
über den amtierenden Bürgermeister Joachim
Schuster findet. Diesen Artikel hat der Autor
dieser Glosse verfasst. Geschrieben worden war
er für netzwerk südbaden. In dem Magazin
werden regelmäßig Gemeinden in der Region
vorgestellt, der Bürgermeister wird gefragt und
viele Informationen über den jeweiligen Ort
präsentiert. Das gehört zum normalen Alltagsgeschäft
und ist in jeder Hinsicht unspektakulär.
So wäre es wohl auch geblieben, hätte nicht
das Neuenburger Stadtblatt – verantwortlich
für dessen Inhalt ist der Bürgermeister – den
Artikel nachgedruckt. Auch das ist keineswegs
unüblich, schließlich freut man sich in den
Rathäusern, wenn man in einem Medium erwähnt
wird. Dass der Inhalt auch übermittelte,
Bürgermeister Joachim Schuster mache einen
guten Job, entspricht und entsprach der Meinung
des Autors. Eine Wahlempfehlung war
natürlich nicht in der Geschichte enthalten,
was ja schon deshalb unsinnig gewesen wäre,
weil zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des
Artikels erst ein Kandidat feststand, eben der
amtierende Bürgermeister. Nun hat das Verwaltungsgericht
genau diesen Artikel, der ja nie
für das Gemeindeblatt vorgesehen war, zum
Anlass genommen, die Bürgermeisterwahl in
Neuenburg zu annullieren. Diese harmlose
Story als wahlentscheidend zu bewerten – was
hat die Juristen denn da geritten? Wir wissen
es nicht, aber das tut jetzt kaum noch etwas
zur Sache. Immerhin hat Bürgermeister Schuster
nach anfänglichem Zögern jetzt erklärt, er
werde sich wieder zur Wahl stellen. Eine gute
Entscheidung.
Jörg Hemmerich
Belletristik
Schami/Sophia oder Der Anfang aller Geschichten
1 Hanser
Moyes/Ein ganz neues Leben
2 Rowohlt
Bottini/Im weißen Kreis
3 Dumont
Sachbuch
Abdel-Samad/Mohamed
1 Droemer Knaur
Kermani/Wer ist Wir?
2
Beck´sche Verlagsbuchhandlung
Kermani/Ausnahmezustand
3 Beck‘sche Verlagsbuchhandlung
Biographien
Mankell/Treibsand
1 Zsolnay
Lahme/Die Manns
2 Fischer
Lindgren/Die Menschheit hat den Verstand verloren
3 Ullstein
Regionales
Freiburger Glückswichtel
1 JOJO
Gaymann/Typisch Badisch
2 Belser
Elsemann/Gaumenschmaus & Rachenputzer
3 Rombach
Taschenbücher Belletristik
Link/Die Betrogene
1 Goldmann
Neuhaus/Die Lebenden und die Toten
2
Ullstein
Strelecky/Das Café am Rande der Welt
3
dtv
DVDs
1
2
3
Das Salz der Erde
Euro Video
Verstehen Sie die Béliers?
Concorde Video
Honig im Kopf
Warner Home Video
Klassik-CDs
Jonas Kaufmann/Nessun Dorma-The Puccini Album
1 Sony Music
Carminho/Canto
2
Warner Music
Gerhaher, FBO / Mozart-Arias
3 Sony Music
Hörbuch
Kling/Die Känguru-Chroniken
1 Hoerbuch Hamburg
Vermes/Er ist wieder da
2 Lübb
Mankell/Mord im Herbst
3 DHV- der HÖR Verlag
Zusammengestellt von der Buchhandlung Rombach,
Freiburg
Alle Titel – auch online – erhältlich unter
www.buchhandlung-rombach.de
Im Schwarzwald hat es Ende November die
ersten heftigen Schneefälle gegeben, Lastwagen
im Höllental sind mit ihren Sommerreifen
liegenblieben. Winter eben, keine
Katastrophe. Es ist gleichwohl ein anderer
Winter als in all den Jahren: Flüchtlinge
müssen untergebracht werden, für Gemeinderäte,
die ansonsten im Dezember gerne
über die ausreichende Streusalzbevorratung
debattieren, ein bisher unbekanntes Thema.
„Alles wird anders“, hat kürzlich der
renommierte Sozialwissenschaftler Professor
Meinhard Miegel bei einem Kongress des
Baden-Württembergischen Sparkassen- und
Giroverbandes erklärt. Und der Freiburger
Professor Bernd Raffelhüschen lieferte in der
vergangenen Woche auch gleich nach, was
vor allem anders wird: 900 Milliarden Euro
werde der Flüchtlingszustrom innerhalb von
sechs Jahren kosten und das nur, wenn es
gut läuft. Die Integration der Flüchtlinge,
die meistens deutlich schlechter qualifiziert
seien als deutsche Arbeitnehmer, werde viele
Jahre in Anspruch nehmen. Und eben:
Flüchtlinge seien in vielen Fällen über Jahre
Transfergeldempfänger aus der Steuerkasse,
aber Steuern zahlten sie eher weniger. Der
Professor wird da Recht haben, ebenso wie
es stimmt, dass Deutschland ein Einwanderungsland
ist, aber bis heute keine Einwanderungsgesetze
kennt. Aber was ändern des
Professors Erkenntnisse? Wir fürchten, nicht
viel. Der Treck der Geschundenen und Heimatlosen
wird weiter in Richtung Europa
ziehen, Deutschland als Hauptwunschziel,
wie die Grenzen auch beschaffen sein mögen.
Dieser Winter wird die größte Herausforderung
werden, wieviel Schnee auch im
Schwarzwald fällt. In den Gemeinden wird
der Ton schärfer, bis in die tiefste Provinz.
Die Bürger von Wasenweiler, einem Teilort
von Ihringen gehen zum Beispiel auf die
Barrikaden – die ganze Flüchtlingslast lege
man ihnen auf, die Ihringer täten nichts.
So ähnlich geht’s auch anderwärts zu. Oder
ganz anders als in Herbolzheim. Hier hat
die Stadt in Windeseile feste Häuser für die
Asylbewerber gebaut – Menschen sollten
nicht in Zelten und Containern wohnen,
sagt der CDU-Bürgermeister, schon gar
nicht im Winter. Aber die Stimmung ist
aufgeheizt in diesem Winter. Die Antwort,
was Deutschland für ein Land sein wird,
wenn 2016 die ersten lauen Frühlingswinde
wehen, wagen wir nicht zu geben. hem
Jeder Mensch hat etwas, das ihn antreibt.
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