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Burschenschaftliche Blätter 2014 - 4

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<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

4/<strong>2014</strong><br />

129. Jahrgang ISSN 0341-5352 www.burschenschaftliche-blaetter.de<br />

Es lebe der Sport<br />

Unter dem Motto „Frisch, fromm, fröhlich, frei“ blicken wir<br />

nicht nur auf sportliche Verbandsbrüder, sondern auch auf<br />

die Bedeutung der körperlichen Ertüchtigung.


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Impressum / Inhaltsverzeichnis<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong> <strong>Blätter</strong><br />

www.burschenschaftliche-blaetter.de<br />

Zeitschrift für den deutschen Burschenschafter. Begründet im Januar 1887<br />

von G. H. Schneider (Germania Jena), 129. Jahrgang, Heft 4, 4. Quartal <strong>2014</strong><br />

Impressum<br />

Herausgeber: Vorsitzende Burschenschaft<br />

der Deutschen Burschenschaft<br />

Aachen-Dresdener Burschenschaft Cheruscia<br />

Eisenstuckstraße 50<br />

D-01069 Dresden<br />

Verlag:<br />

Im Selbstverlag der Deutschen Burschenschaft.<br />

Schriftleiter, Anzeigen:<br />

Dirk Taphorn, M.A.<br />

(Normannia-Nibelungen Bielefeld)<br />

Postanschrift:<br />

Dirk Taphorn<br />

Postfach 32 02 07, D-01014 Dresden<br />

Telefon: +49 (0)351 16063872<br />

bbl-schriftleitung@burschenschaft.de<br />

BBl-Anschriftenverwaltung:<br />

C. F. Lindemann (Cruxia Leoben)<br />

Postanschrift:<br />

BBl-Anschriftenverwaltung<br />

Postfach 101232, D-20008 Hamburg<br />

bbl-anschriftenverwaltung@burschenschaft.de<br />

Gesamtherstellung und Vertrieb:<br />

Gieseking Print- und Verlagsservices GmbH<br />

Deckertstraße 30, 33617 Bielefeld<br />

Telefon +49 / (0)521 / 961496-55<br />

Telefax +49 / (0)521 / 98890439<br />

Erscheinungsweise:<br />

Viermal im Jahr<br />

Auflage: 7.000<br />

Bezugspreis:<br />

Für Bezieher, die der Herausgeberin angehören, ist dieser<br />

im Verbandsbeitrag enthalten. Für Bezieher, die nicht<br />

der Herausgeberin angehören, jährlich 21 Euro bei Lieferung<br />

frei Haus im Inland, 26 Euro ins Ausland. Einzelhefte<br />

im Inland 6,50 Euro, zuzüglich MwSt., inkl. Porto und<br />

Verpackung, Bestellungen beim Schatz meister. Auslands -<br />

bezug 8,50 Euro zuzüglich MwSt. und Versandkosten.<br />

Das Abonnement verlängert sich stillschweigend um ein<br />

Jahr, wenn es nicht schriftlich bis zum 30. September des<br />

laufenden Jahres gekündigt wird.<br />

Blattlinie:<br />

Mit dem Namen des Verfassers versehene Beiträge<br />

stellen nicht immer die Meinung des Herausgebers, des<br />

Schriftleiters oder der Burschenschaft des Verfassers dar.<br />

Die Verantwortung für die in diesen Artikeln zum Ausdruck<br />

gebrachte Meinung trägt ausschließlich der Verfasser.<br />

Sie bedeutet in keinem Falle eine amt liche Stellung -<br />

nahme des Verbandes.<br />

Nachdruck:<br />

Nachdruck nur mit genauer Quellenangabe („Burschen -<br />

schaftliche <strong>Blätter</strong>“, Jg., Heft, Seite, Verfasser) und mit<br />

Genehmigung des Schriftleiters gestattet.<br />

Beiträge:<br />

Wir erbitten die Zusendung aller Beiträge ausschließlich<br />

per E-Post in gängigen Digital-Formaten. Die Manuskript -<br />

richtlinien sind verbindlich und können bei der Schriftleitung<br />

angefordert werden. Handschrift liche Texte werden<br />

nicht berücksichtigt. Einsender von Bei trägen werden<br />

gebeten, sich vorher mit dem Schriftleiter in Verbindung<br />

zu setzen. Rezensionen dürfen maximal 3.000 Zeichen<br />

(inkl. Leerzeichen) umfassen. Ein Anspruch auf Abdruck<br />

von Manuskripten und zu einem bestimmten Termin<br />

besteht nicht. Für unverlangt eingesandte Manuskripte,<br />

Bilder und Besprechungsexemplare wird keine Haftung<br />

übernommen. Bei einer Nichtveröffentlichung handelt<br />

es sich nicht um Zensur. Die Verfasser, auch von Leserbriefen,<br />

fügen ihrem Namen ihre Burschenschaft und das<br />

Jahr des Eintritts hinzu. Die Schriftleitung behält sich ausdrücklich<br />

Streichungen und Kürzungen vor.<br />

Redaktionsschluß:<br />

Siehe unter Mitteilungen der Schriftleitung.<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Mitteilungen der Schriftleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111<br />

Demeter Dick: „Ironman Hawai – Weltmeisterschaft <strong>2014</strong>“ . . . . . . . . . 112<br />

Matthias Müller: „Härtetest der besonderen Art“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 114<br />

Gerhard Grassl: „Die DB-Skimeisterschaften“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116<br />

Jan Ackermann: „Jagd – Naturerlebnis und archaisches Handwerk“ . . 117<br />

Wilhelm E. Nordmeier: „Das Mensurwesen heute“ . . . . . . . . . . . . . . . . 120<br />

Bruno Burchhart: „Die Burschenturner“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121<br />

Harald Lönnecker: „Jahn und die Burschenschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . 123<br />

Aus dem <strong>Burschenschaftliche</strong>n Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />

Raphael Thiermann: „Vom schwierigen Unterfangen, in den Medien<br />

Recht zu bekommen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />

Helma Brunck: „Einheit und Freiheit – Vorgeschichte und Entwicklung<br />

der Grundrechte in Deutschland seit Beginn des 19. Jahrhunderts“ 130<br />

Wolfgang Gäbler: „Alle Erinnerung ist Gegenwart (Novalis)“ . . . . . . . . 138<br />

David Steinmann: „Die Zukunft des deutschen Konservatismus“ . . . . . 140<br />

Geschichte: „Rossinis Musik in revolutionären Geschehnissen<br />

des 19. Jahrhunderts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146<br />

Interview mit Vbr. Maximilian Krauss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148<br />

Leserbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149<br />

Personalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149<br />

Rezensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150<br />

Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153<br />

Unsere Toten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong> Amtsstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153<br />

Neues aus der BBl-Netzversion<br />

unter www.burschenschaftliche-blaetter.de:<br />

Armin Allmendinger:<br />

Alexander Czech:<br />

Johann Hagus:<br />

Armin Allmendinger:<br />

„52. Ulrichsberg-Gedenken in Kärnten“<br />

„Bericht vom DB-Südtirol-Seminar“<br />

„Werner Bräuningers Odeonplatz“<br />

„Die Deutsche Burschenschaft auf der Messe Zwischentag“<br />

110 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Mitteilungen der Schriftleitung<br />

Mitteilungen der Schriftleitung<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Sehr geehrte Herren Burschenschafter!<br />

Die Vorsitzende Burschenschaft der Deutschen<br />

Burschenschaft, die Aachen-Dresdner<br />

Burschenschaft Cheruscia, blickt auf ein<br />

schönes und erfreuliches Geschäftsjahr <strong>2014</strong><br />

zurück. Es war uns eine Ehre, der Deutschen<br />

Burschenschaft vorsitzen zu dürfen!<br />

Unser Verband ist auf einem guten Weg.<br />

Wer hätte das Ende 2012 gedacht? Wir, die<br />

wir der Deutschen Burschenschaft die<br />

Treue gehalten haben, haben daran fest<br />

geglaubt! Die Konsolidierungsphase nach<br />

der Austrittswelle ist abgeschlossen. Nachdem<br />

weltanschauliche oder auch persönliche<br />

Lagerkämpfe den Verband zumindest<br />

nicht mehr unmittelbar belasteten, konnten<br />

durch die freigesetzten Kräfte erste Rahmen<br />

gesetzt werden, auf denen sich die<br />

Deutsche Burschenschaft künftig bewegen<br />

wird.<br />

Es war gut und richtig, an den antiquierten<br />

und verkrusteten Strukturen anzusetzen.<br />

Mit Gedankengängen wie „das war schon<br />

immer so“ oder „das haben wir noch nie so<br />

gemacht“ wurde unser Verband in den vergangenen<br />

Jahren, wenn nicht Jahrzehnten,<br />

erfolgreich an die Wand gefahren. Die<br />

nächsten wichtigen Schritte zu einer gedeihlichen<br />

Zukunft haben Sie in Form zahlreicher<br />

Anträge bereits im Nachrichtenblatt<br />

323 nachlesen können. Sie befassen sich im<br />

Schwerpunkt mit einer Modernisierung der<br />

Finanzpolitik der Deutschen Burschenschaft.<br />

Im Nachrichtenblatt 324 werden<br />

noch weitere Anträge zur Erneuerung unserer<br />

Deutschen Burschenschaft folgen. Hierbei<br />

sei besonders der Antrag zur Gründung<br />

der „Akademie der deutschen Burschenschaften“<br />

hervorgehoben. Nach unserer,<br />

bereits im Geleitwort der BBl. 3+4 2013 visionierten<br />

Ansicht, ist der Aufbau einer derartigen<br />

Akademie ein guter und richtiger<br />

Weg, den wir gehen sollten. Die vom derzeitigen<br />

Bildungsbeauftragten mit großem<br />

Enthusiasmus und inhaltlichem Anspruch<br />

initiierten und organisierten Bildungsseminare<br />

sind hierbei nicht mit der burschenschaftlichen<br />

Akademie zu verwechseln. Das<br />

Konzept geht weit darüber hinaus und will<br />

vielmehr auch darauf hinwirken, der burschenschaftlichen<br />

Bewegung eine Basis zu<br />

liefern, wieder mehr in die deutsche Gesellschaft<br />

hineinzuwirken.<br />

Zu Beginn dieses Jahres setzten wir uns das<br />

Leitmotiv: „Wir müssen schneller und besser<br />

sein als diejenigen, die einen neuen<br />

Verband gründen wollen“. Dieses Ziel ist<br />

fast erreicht! Und im Jubiläumsjahr 2015<br />

wird dieses Ziel vollendet werden!<br />

Wir bedanken uns bei unseren Alten<br />

Herren, die uns unterstützten, sei es<br />

durch aktive Mitarbeit, sei es durch<br />

Präsenz bei Veranstaltungen oder auch in<br />

deren Wirken, der Vorsitzenden Burschenschaft<br />

den Rücken möglichst frei zu halten,<br />

was in der ersten Jahreshälfte zur erfolg -<br />

reichen Bewältigung von Verbandstagung<br />

und Burschentag maßgeblich beigetragen<br />

hat.<br />

Auch viele Verbandsbrüder haben uns<br />

geholfen, dieses Geschäftsjahr erfolgreich<br />

zu meistern. Ihnen gilt ebenso unser<br />

Dank.<br />

Das Zepter als Vorsitzende der Deutschen<br />

Burschenschaft geht nun an die Marburger<br />

Burschenschaft Germania über. Wir wünschen<br />

unserer Nachfolgerin eine glückliche<br />

Hand und viel Erfolg!<br />

Mit burschenschaftlichen Grüßen<br />

Gordon Engler<br />

(Aachen-Dresdner Burschenschaft Cheruscia)<br />

Sprecher der Deutschen Burschenschaft im<br />

Geschäftsjahr <strong>2014</strong><br />

Werte Verbandsbrüder,<br />

ich hoffe, Sie hatten ein angenehmes Weihnachtsfest<br />

sowie einen schönen Jahreswechsel.<br />

Nach den Feiertagen nehmen sich<br />

viele Menschen – und sicher auch genügend<br />

Verbandsbrüder – vor, wieder (mehr)<br />

Sport zu treiben. Daß körperliche Ertüchtigung<br />

ebenso zum burschenschaftlichen<br />

Anspruch gehört wie politisches Engagement,<br />

wird leider viel zu häufig vergessen.<br />

Vielleicht motiviert diese, etwas persön -<br />

licher gestaltete Ausgabe Sie zu mehr Bewegung.<br />

Denn im aktuellen Heft berichten<br />

Verbandsbrüder über ihren sportlichen Ehrgeiz<br />

– Sie müssen sich ja nicht gleich den<br />

„Ironman“ zum Ziel setzen. Doch körper -<br />

liche Ertüchtigung und Burschenschaft<br />

gehören zusammen, wie der geschichtliche<br />

Blick auf Turnvater Jahn zeigt.<br />

Jahn, einer der Wegbereiter der burschenschaftlichen<br />

Idee, wäre sicher stolz darauf,<br />

daß sich auch noch heute junge, deutsche<br />

Männer an seinem Wirken orientieren und<br />

für die Ideale „Ehre – Freiheit – Vaterland“<br />

begeistern. Das vor uns liegende Jahr 2015<br />

steht im Zeichen des großen Jubiläums<br />

„200 Jahre Burschenschaft“. Dazu möchte<br />

ich Sie an dieser Stelle noch einmal recht<br />

herzlich und zahlreich zum Burschentag<br />

nach Eisenach vom 28. bis 31. Mai 2015<br />

einladen.<br />

Treu auf!<br />

Dirk Taphorn<br />

(Burschenschaft Normannia-Nibelungen<br />

zu Bielefeld 2003/04)<br />

Titelbild<br />

Stilisiertes Turnerkreuz mit Jahn, Rad fahrer,<br />

Läufer und Mensurbild<br />

Bild: Braga<br />

Nächste Schwerpunkte<br />

Ausgabe 1/2015 steht unter dem Arbeits -<br />

titel „Nonkonformes Europa“<br />

Ausgabe 2/2015 wird sich dem Thema<br />

„200 Jahre Burschenschaft“ widmen.<br />

Redaktionsschluß<br />

Für die Ausgabe 1/2015: 28. Februar 2015<br />

Heft 4 - <strong>2014</strong> 111


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

IRONMAN Hawaii – Weltmeisterschaft <strong>2014</strong><br />

Schwerpunkt<br />

Von Demeter Dick<br />

Als US Navy Commander John Collins im<br />

Jahr 1977 mit Freunden darüber debattierte,<br />

welche der drei Sportarten –<br />

Schwimmen, Radfahren oder Laufen –<br />

denn nun die Härtere sei, beschloß er<br />

kurzerhand inspiriert von den drei bekanntesten<br />

Sportveranstaltungen Hawaiis<br />

– dem Waikiki Roughwater Swim<br />

(3,9 km), dem Around-Oahu Bike Race<br />

(180 km) und dem Honolulu-Marathon<br />

(42,2 km) – einen kombinierten Wettkampf<br />

ins Leben zu rufen. Der IRONMAN<br />

Hawaii war geboren.<br />

Am 18. Februar 1978 fiel der erste Startschuß<br />

mit stolzen 15 Teilnehmern und einer<br />

Siegerzeit von 11 Stunden und 46 Minuten.<br />

36 Jahre später zählt Triathlon weltweit zu<br />

einer der beliebtesten Ausdauersportarten.<br />

Die Weltmeisterschaft der IRONMAN-Serie<br />

findet jedoch weiterhin traditionell in Kona,<br />

Hawaii statt und lockt jedes Jahr die besten<br />

2000 Athleten aller Altersklassen auf „Big<br />

Island“.<br />

Als ich mich im Oktober 2011 aus einer<br />

Laune heraus zu meinem ersten Triathlon<br />

anmelde, besitze ich kein Fahrrad und kann<br />

keine 500 Meter weit Schwimmen. Mein<br />

einziges Kapital: Zwei schnelle Beine. Sechs<br />

Monate später stehe ich zum ersten Mal am<br />

Start eines Triathlons. Zwei weitere folgen<br />

im Jahr 2012. Im Jahr 2013 mein erster Sieg<br />

bei einer kleineren Veranstaltung in Havelberg,<br />

Sachsen-Anhalt. Aber erst im Jahr<br />

<strong>2014</strong> wage ich mich erstmals an die IRON-<br />

MAN-Langdistanz, während die vorangegangenen<br />

Wettbewerbe immer „nur“ über<br />

die halbe Distanz (1,9/90/21 km) ausgetragen<br />

wurden. Mein Debüt begehe ich dabei<br />

beim IRONMAN-Lanzarote – und zahle<br />

mein Lehrgeld. Zwei Monate später gelingt<br />

es mir jedoch beim IRONMAN-Austria mit<br />

einer Zeit von 9 Stunden und 9 Minuten unter<br />

3000 Athleten einen der 50 dort zur Verfügung<br />

stehenden Qualifikationsplätze für<br />

die Weltmeisterschaft zu erkämpfen.<br />

Sportlicher Ausnahmezustand<br />

Als ich in den 90er Jahren zum ersten Mal<br />

einen Bericht über den IRONMAN-Hawaii<br />

im Fernsehen verfolgte, stand für mich fest:<br />

Die Teilnehmer waren Sonderlinge. Genetische<br />

Launen der Natur mit kantigen Gesichtern<br />

und Lungen groß wie Ballone. So<br />

einen Wettkampf könne man doch unmöglich<br />

durchstehen. Aber man kann. Exakt<br />

drei Jahre nachdem ich mit dem Training<br />

für meinen ersten Triathlon begonnen<br />

habe, sitze ich im Flugzeug in Richtung Hawaii.<br />

Der Weg dorthin in Zahlen: 1.000 Kilometer<br />

Schwimmen, 27.000 Kilometer Rad<br />

und 11.000 Laufkilometer. Einmal rund um<br />

die Erde.<br />

Während sich in Kona das ganze Jahr über<br />

nur Fuchs und Hase gute Nacht sagen, ist<br />

der Rummel in den beiden Wochen um die<br />

Weltmeisterschaft unbeschreiblich. Es herrscht<br />

der sportliche Ausnahmezustand. Surrende<br />

Fahrräder, Athleten beim Schwimmund<br />

Lauftraining wohin man sieht. Darunter<br />

167 deutschsprachige Triathleten, die sich<br />

für das Jahr <strong>2014</strong> qualifizieren konnten. Die<br />

schillerndsten Namen der deutschen Profis:<br />

Andreas Raelert, Jan Frodeno und Sebastian<br />

Kienle. Zwei von ihnen werden auf<br />

dem Podest landen. Einer sogar als Weltmeister.<br />

Überhaupt zählen die deutschen<br />

Athleten hier jedes Jahr zu den Besten der<br />

Welt. Im Jahr 2013 befanden sich nicht weniger<br />

als sechs Deutsche in den Top 10.<br />

Eine Sportart, die nicht nur physische, sondern<br />

ganz besonders auch mentale Härte<br />

erfordert, scheint den Deutschen im Blut zu<br />

liegen.<br />

Am 11. Oktober ist es soweit. Seit 4 Uhr<br />

morgens herrscht im fahlen Licht der<br />

Scheinwerfer geschäftiges Treiben in der<br />

Wechselzone, die sich direkt auf dem Pier<br />

neben dem Schwimmstart befindet. Jeder<br />

überprüft das letzte Mal sein Fahrrad. Reifen<br />

werden aufgepumpt. Ketten geölt.<br />

Trinkflaschen gefüllt. Um 6 Uhr drängt sich<br />

das Feld in den Pazifik. 2.000 Athleten warten<br />

in vier Startwellen auf den Startschuß.<br />

Mit 3,9 Kilometern Schwimmen beginnt der Wettkampf.<br />

FinisherPix.com<br />

112 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Schwerpunkt<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

„You are an Ironman!“, empfängt mich der<br />

Sprecher mit den traditionellen Worten<br />

beim Zieleinlauf. Es ist geschafft. Knapp<br />

10.000 kcal sind verbrannt. Ich denke, da<br />

habe ich mir ein Bier verdient. Oder auch<br />

zwei.<br />

Die zweite Disziplin: 180 Kilometer am Rad.<br />

Das Wasser brodelt. Die Luft geschwängert<br />

von Adrenalin. Dann, um Punkt 6:30 Uhr,<br />

donnert der erste Kanonenschuß über die<br />

Bucht. Die Spiele beginnen.<br />

Kampf, Qual und Wille<br />

Hoher Wellengang und eine starke Strömung<br />

machen mir das Leben schwer,<br />

während ich durch das warme Salzwasser<br />

kraule als gäbe es kein Morgen. Nach über<br />

einer Stunde kehre ich zurück zum Pier und<br />

stürme in die Wechselzone, in der mein<br />

Zeitfahrrad auf mich wartet.<br />

Der zweite Teil des Rennens führt uns sodann<br />

180 Kilometer entlang der einsamen<br />

Lavaküste über den heißen Asphalt des<br />

Queen Ka'ahumanu Highway nach Hawi.<br />

Die Sonne brennt vom Himmel, und auch<br />

der Gegenwind zeigt sich am Wettkampftag<br />

unerbittlich. Dazu die Erzählungen der<br />

Veteranen im Hinterkopf: Der Wind wird<br />

drehen. Dies bedeutet im schlimmsten Fall,<br />

daß man nach der Wende in Hawi am Rückweg<br />

erneut mit Gegenwind konfrontiert<br />

wird. Mir sind am Weg zurück nach Kona<br />

rund 35 Kilometer Rückenwind vergönnt.<br />

Höchstgeschwindigkeit auf der Ebene (sic)<br />

70 km/h! Dann dreht der Wind wie befürchtet,<br />

und ich kämpfe mich mit aller Kraft<br />

zurück, ehe ich nach 5 Stunden erneut Kona<br />

erreiche.<br />

FinisherPix.com<br />

60 deutschsprachigen Triathleten gelingt<br />

eine Zeit von unter 10 Stunden. Sebastian<br />

Kienle wird Weltmeister, Jan Frodeno<br />

Dritter. Der längste Tag des Jahres<br />

geht zu Ende – und schreit nach Wieder -<br />

holung.<br />

Demeter Dick<br />

(Gothia Salzburg 1990, Arminia Czernowitz,<br />

Linz 1994)<br />

http://www.triathlondog.com<br />

Der Wechsel vom Rad in die Laufschuhe ist<br />

mithin einer der heftigsten Momente dieser<br />

Sportart. Nach 180 Kilometern am Rad in<br />

der sogenannten Aeroposition vermeint<br />

man nach dem Abstieg vom Sattel überhaupt<br />

nicht mehr gehen – geschweige<br />

denn laufen – zu können. Der erste Kilometer<br />

auf der Laufstrecke, bis sich der Körper<br />

wieder »öffnet«, eine Katastrophe. Aber ich<br />

finde schnell meinen Schritt und kann fast<br />

über die ganzen 42 Kilometer ein ordentliches<br />

Tempo halten. Die letzten 500 Meter<br />

am Ali'i Drive werde ich von der Menge getragen,<br />

und erreiche nach einer Marathonzeit<br />

von 3:13:12 nach insgesamt 9 Stunden,<br />

43 Minuten und 28 Sekunden das Ziel.<br />

Zieleinlauf in Kona nach dem abschließenden Marathon.<br />

FinisherPix.com<br />

Heft 4 - <strong>2014</strong> 113


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Härtetest der besonderen Art<br />

Der 10. Gore-Tex Transalpin-Run<br />

Schwerpunkt<br />

Von Matthias Müller<br />

Drei Monate an Vorbereitung lagen hinter<br />

mir, als ich Ende August aufbrach, um<br />

mich beim 10. Gore-Tex Transalpin Run<br />

einem Abenteuer der besonderen Art zu<br />

stellen: Einmal von Oberbayern über die<br />

Alpen bis runter nach Südtirol lautete die<br />

Devise. 293 Kilometer und knapp 13.000<br />

Höhenmeter in acht Tagen. Und dies in<br />

möglichst kurzer Zeit!<br />

Etliche Male war ich in den Wochen zuvor<br />

mit meinem Teampartner die heimatlichen<br />

Berge im Odenwald hoch und wieder runter<br />

gelaufen, um so viel wie möglich Höhenmeter<br />

in unsere Flachlandbeine zu bekommen.<br />

An der Ausdauer mangelte es uns als<br />

Straßen- und Marathonläufer dabei weniger.<br />

Was es zu trainieren galt, war vor allem<br />

das zügige und sichere Bergablaufen sowie<br />

die große Gesamtbelastung für Knochen,<br />

Bändern und Sehnen. Ein verlängertes Wochenende<br />

in den Zillertaler Alpen brachte<br />

zwei Wochen vor dem Start den letzten<br />

Feinschliff. Hier auf dem Berliner Höhenweg<br />

war bei Regen, Hagel und Neuschnee alles<br />

geboten, was uns in der Vorbereitung nur<br />

nützen konnte. Den 80 Kilometer langen<br />

Höhenweg in drei Tagen, dies schien uns<br />

eine gute Grundlage für den folgenden Härtetest<br />

beim Transalpin Run.<br />

In acht Tagen von Oberbayern<br />

bis nach Südtirol<br />

Am 30. August war es endlich soweit. Die<br />

vom Veranstalter vorgegebene Pflichtausrüstung<br />

war sauber im Rucksack verpackt.<br />

Immer wieder hatten wir auch im Training<br />

mit dem Rucksack trainiert. Neben der obligatorischen<br />

Wechselwäsche (Funktionshose,<br />

-hemd und Jacke), Mütze und Handschuhe,<br />

mußten darin neben der Verpflegung<br />

(2 Liter Wasser, Riegel und Energiegels)<br />

auch eine Rettungsdecke, ein Erste-<br />

Hilfe-Set, der Streckenplan sowie eine Signalpfeife<br />

und das Mobiltelefon (für Notfälle)<br />

verstaut werden. Denn auf die Sicherheit<br />

wurde seitens des Veranstalters ein besonderes<br />

Augenmerk gelegt. Schließlich können<br />

die Wetterumschwünge im Hochgebirge<br />

sehr plötzlich kommen und Minusgrade<br />

sind auf den Gipfeln dann auch im<br />

Hochsommer nicht ausgeschlossen.<br />

Entsprechend bepackt standen wir schließlich<br />

im oberbayerischen Ruhpolding um 8<br />

Uhr morgens an der Startlinie. Der Wettergott<br />

meinte es nicht gut mit uns. Es regnete<br />

– wie noch so oft in den folgenden Tagen –<br />

in Strömen. Doch dies tat unserer Motivation<br />

keinen Abbruch, sondern beförderte<br />

erst recht unsere steigende Erwartung.<br />

Jetzt sollte es endlich losgehen! Rund 300<br />

Zweier-Teams taten es uns gleich und gemeinsam<br />

zogen wir los, als endlich der<br />

Startschuß krachte.<br />

Bloß nicht zu schnell loslaufen! Der Wettkampf<br />

endet erst in acht Tagen und heute<br />

standen gleich 49 km auf dem Programm,<br />

sagten wir uns. Von Ruhpolding aus ging es<br />

durch das Herz der Chiemgauer Alpen. Ein<br />

langer und zäher Tag mit mehreren Anstiegen<br />

und rutschigen Bergab-Passagen erwartete<br />

uns. Alle 45 Minuten gönnten wir<br />

uns ein Energiegel um dem berühmten<br />

Hungerast vorzubeugen. Die Strecke war<br />

gerade im Gelände nicht einfach und sehr<br />

rutschig. Vor allem das letzte Bergabstück,<br />

1.000 Höhenmeter auf 3 Kilometer, hatte<br />

es in sich! Jede Wurzel, jeder Stein, jede<br />

Abbiegung erforderte höchste Konzentration!<br />

Doch am Ende wurde es wieder flacher.<br />

Nach 6,5 Stunden erreichten wir am<br />

Fuße des Wilden Kaisers erschöpft, aber<br />

glücklich das Ziel in St. Johann in Tirol.<br />

Gänzlich unerwartet liefen wir sogar als 5.<br />

Team ein. Was für ein Auftakt! Vor uns lediglich<br />

zwei weitere deutsche Teams sowie<br />

ein spanisches und ein schwedisches Duo.<br />

Der Gore-Tex Transalpin-Run –<br />

ein besonderer Teamwettkampf<br />

Nahrungsaufnahme, Regeneration,<br />

Streckenbriefing durch den Veranstalter,<br />

Abendessen, Studium der folgenden Etappenziele,<br />

Schlafen. Nach diesem Muster<br />

gestaltete sich in den folgenden Tagen unser<br />

festgelegter Ablauf nach den jeweiligen<br />

Etappenankünften. Ebenso der Abfolge<br />

am nächsten Morgen: 5 Uhr Aufstehen,<br />

6 Uhr Frühstück, 7:30 Uhr Ausrüstungskontrolle,<br />

8 Uhr Start. Unser ganzer<br />

Fokus richtete sich auf die kommenden<br />

Etappen, das Streckenprofil, die richtige<br />

Renneinteilung und unser Zusammenspiel<br />

im Team. Denn bei diesem Mehretappenrennen<br />

war die wechselseitige Motivation<br />

der entscheidende Faktor, da neben der<br />

Ausdauerleistung und der körperlichen<br />

Gesundheit vor allem mentale Stärke gefordert<br />

war.<br />

Der Gore-Tex Transalpin-Run ist ein Teamwettkampf<br />

und jedes Team muß hier die jeweiligen<br />

Kontrollstellen und das Ziel gemeinsam<br />

erreichen. Hintergrund für diese<br />

Ausgerüstet für den Transalpin-Run: schlechtes Wetter ist kein Hinderungsgrund.<br />

114 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Schwerpunkt<br />

Das kraftzerrende Wandern durch die Alpen bereitet dennoch Freude.<br />

Regelung ist der gerade im hochalpinen<br />

Gelände besonders geforderte Sicherheits -<br />

aspekt. Dies bedeutet wiederum, daß das<br />

Team bestens aufeinander abgestimmt<br />

sein und miteinander harmonieren muß –<br />

denn das Team ist nur gemeinsam stark. An<br />

Moral und Motivation mangelte es uns<br />

nicht und in den folgenden Tagen peitschten<br />

wir uns gegenseitig nach vorne. Unsere<br />

Ausgangsposition war mehr als verheißungsvoll.<br />

Auch bei der 2. und 3.<br />

Etappe landeten wir am Ende Vorne und<br />

erreichten inmitten der starken internationalen<br />

Phalanx jeweils als sechstes Team das<br />

Ziel. Ob das wohl gut geht?<br />

Die Losung nach der 4. Etappe:<br />

Einfach nur ankommen!<br />

Bereits der vierte Tag holte uns auf dem<br />

Boden der Tatsachen zurück. Die Etappe<br />

von Prettau über die 2.600 Meter hohe<br />

Bretterscharte bis nach Sand in Taufers mit<br />

knapp 2.000 Höhenmetern im Aufstieg und<br />

rund 2.400 Höhenmetern im Abstieg läutete<br />

den Wendepunkt ein. Nach dem Gipfel<br />

streikten meine Knie. Statt zügig bergab<br />

zu rennen konnte ich nur noch gehen. Jeder<br />

Schritt schmerzte. Wir verloren wertvolle<br />

Minuten und erreichten am Ende als<br />

17. Team das Ziel. Die Moral war im Keller.<br />

Doch es half nichts, es mußte ja irgendwie<br />

weiter gehen! Regeneration, Massage, Behandlung<br />

durch den Physio, Knieverband<br />

mit rosafarbenem Tape, Kompressionsstrümpfe.<br />

Jetzt wurden alle Register gezogen!<br />

Als äußeres Zeichen dessen: bei der<br />

nun folgenden 5. Etappe – ein Bergsprint<br />

über 1.000 Höhenmeter – gingen wir mit<br />

Stöcken an den Start, um uns auch mit den<br />

Armen nach oben zu schieben und so die<br />

Gelenke zu schonen.<br />

Unser Plan schien aufzugehen. Bei der 6.<br />

Etappe, wieder knapp 40 Kilometer mit<br />

über 2.000 Höhenmetern im Auf-und Abstieg<br />

– bissen wir nochmal kräftig auf die<br />

Zähne. Immer mehr Teams hatten in der<br />

vergangen Tagen aufgeben müssen. Sogar<br />

das bis dato in Führung liegende Team aus<br />

Schweden schied aufgrund einer Verletzung<br />

aus dem Rennen. Doch wir wollten<br />

den Transalpin Run auf jedem Fall schaffen<br />

und einfach nur noch ankommen! Nach einem<br />

heftigen Schlußanstieg über 1.400<br />

Höhenmetern hoch auf den Kronplatz<br />

folgte ein langes Bergabstück, das den<br />

Knochen wieder sehr zusetzte. Total erschöpft<br />

erreichten an diesem Tag das Ziel<br />

in St. Vigil. Wieder liefen wir als sechstes<br />

Team ein. Das erhoffte Comeback? Jetzt<br />

waren es noch zwei Etappen und 74 Kilometer<br />

bis zum Ziel.<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Im Wettstreit Alpen vs. Mensch<br />

siegte letztlich Mutter Natur<br />

Doch trotz aller Willensstärke und gegenseitiger<br />

Motivation war es letztlich die Natur,<br />

die mir zeigte, wo die Grenzen verliefen.<br />

Ausgerechnet die vorletzte von insgesamt<br />

acht Etappen war es, die mich verletzungsbedingt<br />

zum Aufgeben zwang. Nach<br />

mehr als 230 Kilometern und knapp 10.000<br />

Höhenmetern in sechs Tagen war Schluß.<br />

Die Knie streikten, der rechte Oberschenkel<br />

war gezerrt. Laufen war nicht mehr möglich,<br />

nur noch ein gebrechliches Gehumpel. Mit<br />

Sport hatte dies nichts mehr zu tun. Jetzt<br />

eine langwierige Verletzung riskieren? Das<br />

kann es nicht wert sein, sagte mir die Vernunft.<br />

Ich ließ meinen Teampartner ziehen.<br />

Das herrliche Panorama der Dolomiten –<br />

ich konnte es an diesem Tag nur aus der<br />

passiven Zuschauerperspektive genießen.<br />

Im sportlichen Wettstreit Alpen vs. Mensch<br />

siegte letztlich Mutter Natur. Und dies hatte<br />

wohl seine Richtigkeit.<br />

Geteiltes Leid gleich halbes<br />

Leid – geteilte Freude gleich<br />

doppelte Freude<br />

Mit diesem Schicksal war ich nicht alleine.<br />

Von 100 Männerteams in der Hauptkategorie<br />

erreichten am Ende gerade mal 49<br />

Teams zu zweit das Ziel in Sexten in Südtirol.<br />

Mein Teampartner lief auch bei der<br />

letzten 8. Etappe außerhalb der offiziellen<br />

Wertung weiter, um in Sexten die ersehnte<br />

Finisher-Medaille zu bekommen und diese<br />

stellvertretend für uns beide entgegenzunehmen.<br />

Oben an den berühmten Drei<br />

Zinnen der Dolomiten – ich war mit dem<br />

Begleitfahrzeugt vorgefahren und hatten<br />

die letzten Kilometer bis zum Paß als Wanderer<br />

zurückgelegt – feuerte ich meinen<br />

Teampartner lautstark an und motivierte<br />

auch alle weiteren Läufer, die diesen allerletzten<br />

Anstieg zu bezwingen hatten. Die<br />

Sonne strahlte. Nach etlichen Tagen im<br />

Regen und allen Widrigkeiten auf der<br />

Strecke wurden die Läufer heute für Ihre<br />

Strapazen entschädigt. Ich freut mich für<br />

jeden Einzelnen, der es bis hierhin geschafft<br />

und nun nur noch die wenigen Kilometer<br />

bergab bis nach Sexten zu laufen<br />

hatte.<br />

Und ich war nicht alleine. Weitere „Versehrte“<br />

waren extra nach oben gewandert,<br />

taten es mir gleich und gemeinsam<br />

peitschten wir die gesund gebliebenen<br />

Läufer des 10. Gore-Tex Transalpin Run<br />

nach vorne. Wir freuten uns gemeinsam<br />

mit ihnen über ihr geglücktes Abenteuer,<br />

das auch das unsrige war. Hier war geteilte<br />

Freude gleich doppelte Freude. Und<br />

neben der Erkenntnis, daß der Körper<br />

keine Maschine ist und die eigene Gesundheit<br />

vor dem sportlichen Erfolg zu<br />

stehen hat, war es im Nachhinein vor allem<br />

diese emotionale Erfahrung, die den<br />

Transalpin Run im Nachhinein für mich zu<br />

einem ganz besonderen Erlebnis gemacht<br />

hat.<br />

Matthias Müller<br />

(Dresdensia-Rugia Geißen 2005, Raczeks<br />

Breslau zu Bonn 2008)<br />

Heft 4 - <strong>2014</strong> 115


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Die DB-Skimeisterschaften<br />

Bei gemischtem Wetter, jedoch dank<br />

Kunstschnee noch guten Schneeverhältnissen,<br />

fanden vom 14. bis 16. März <strong>2014</strong> die<br />

56. Skimeisterschaften der DB wie jedes<br />

zweite Jahr wieder in Jochberg bei Kitzbühel<br />

statt.<br />

Über 50 Teilnehmer kämpften in den Klassen<br />

„Aktive“ (bis 40 Jahre), „Alte Herren“<br />

(ab 40 Jahre) sowie „Kinder“ und „Damen“<br />

zwischen den Stangen um Sieg und Plätze.<br />

Die jeweils ersten Drei in der Klasse „Aktive“<br />

erhielten Teller und Becher aus Zinn; alle anderen<br />

wurden weitgehend mit Urkunden beziehungsweise<br />

Medaillen ausgezeichnet.<br />

Im Einzelnen sind folgende Sieger hervorzuheben:<br />

Den Langlauf gewann erneut<br />

Andreas Graf (Leder Leoben). Die alpinen<br />

Disziplinen dominierte Heiner Kruse (Thuringia<br />

Braunschweig), indem er im Riesentorlauf,<br />

im Slalom und in der Alpine Kombination<br />

DB-Meister wurde. Nur den Super-<br />

G-Titel holte sich Horst Pilz (Leder Leoben).<br />

In der Alte-Herren-Klasse ließ Thomas Sinnesbichler<br />

(Teutonia Wien) keinen Sieg aus<br />

und behauptete sich mit den „Aktiven“ auf<br />

gleicher Leistungsstufe.<br />

Die Schau stahlen den „Aktiven“ und „Alte<br />

Herren“ jedoch die außer Konkurrenz teilnehmenden<br />

Frauen und Junggäste, vor allem<br />

Laura Kruse mit Tagesbestzeiten im<br />

Riesentorlauf und mit Bestnote in der Alpinen<br />

Kombination, gefolgt von Gerfried<br />

Schmidt mit unter anderem der zweitbesten<br />

Kombinationsnote.<br />

In den Mannschaftswertungen holten sich<br />

die Wanderpokale für Riesentorlauf und Super-G<br />

die Burschenschaft Thuringia und für<br />

Slalom und Alpine Kombination die Burschenschaft<br />

Leder Leoben.<br />

Anmeldung und Informationen<br />

Burschenschaft Leder,<br />

Salzlände 19, A-8700 Leoben<br />

Tel.: +43 (0)3842 437640 /<br />

leder@unileoben.ac.at<br />

Schwerpunkt<br />

Den nächsten vom 13. bis 15. März in Bad<br />

Gastein stattfindenden Skimeisterschaften,<br />

veranstaltet von der Burschenschaft Leder<br />

Leoben, wünschen wir wieder ein gelungenes<br />

Fest und fordern alle Verbandsbrüder<br />

auf, sich für den Erhalt dieser Sportveranstaltung<br />

mit reicher Beteiligung einzusetzen.<br />

Gerhard Grassl<br />

(Cimbria München)<br />

Skifahrer-Statur – Symbolbild.<br />

Katharina Wieland Müller / pixelio.de<br />

116 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Schwerpunkt<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Jagd: Naturerlebnis und archaisches Handwerk<br />

Gedanken zur Ausübung des Waidwerks<br />

Von Jan Ackermeier<br />

Der Wienerwald am frühen Morgen.<br />

Wer sich heute öffentlich als praktizierender<br />

Jäger bekennt, steht unter ständigem<br />

Rechtfertigungsdruck gegenüber<br />

kritischen Nichtjägern oder selbsternannten<br />

Natur- und Tierschützern. Da ergeht<br />

es dem Jäger heutzutage oftmals nicht<br />

anders, als dem Burschenschafter.<br />

Es scheint ein Spezifikum unserer Zeit zu<br />

sein, daß gewisse Lebenseinstellungen, sofern<br />

sie dem herrschenden Zeitgeist widersprechen,<br />

als ewiggestrig und überholt eingestuft<br />

werden. Dies zumeist von Zeitgenossen,<br />

die sich in der eigentlichen Materie<br />

nicht auskennen – oder nur über gefährliches<br />

Halbwissen verfügen. Auch hier lassen<br />

sich erstaunliche Parallelen zwischen der öffentlichen<br />

Wahrnehmung der Waffenstudenten<br />

und der Jäger finden. Im Grunde ist<br />

es immer dieselbe Reaktion mit einer Mischung<br />

aus Verwunderung, Abscheu und<br />

Ablehnung, aber auch gleichzeitiger Bewunderung<br />

und Interesse an den zahlreichen<br />

Facetten dieser ausgefallenen Beschäftigungen<br />

und Lebenseinstellungen.<br />

Doch soll in diesem Text nicht das Leid, die<br />

Passion für die Jagd ständig gegenüber<br />

allzu kritischen oder feindseligen Menschen<br />

verteidigen zu müssen, geklagt werden,<br />

sondern vielmehr soll im folgenden ein kurzer<br />

Abriß über das Jagdhandwerk und die<br />

Beweggründe für die Ausübung der Jagd<br />

gegeben werden, der keinen Anspruch auf<br />

Vollständigkeit erhebt und den individuellen<br />

Ansatz des Autors zum Waidwerk widerspiegelt.<br />

Die Jagd begleitet den Menschen<br />

bereits seit früher Urzeit<br />

Noch viele Jahrtausende bevor der Mensch<br />

seßhaft wurde, war er schon Jäger und<br />

Sammler. Die Jagd und das Beutemachen<br />

sind also bereits tief im menschlichen Erfahrungsschatz<br />

verankert, ähnlich wie die Bindungsfähigkeit<br />

des Hundes an den Menschen,<br />

der vermutlich als Jagdhelfer dem<br />

Menschen bereits seit grauer Urzeit Gesellschaft<br />

leistet. Jahrtausende hindurch war<br />

also die Jagd lebensnotwendig für unsere<br />

Spezies. Sie sicherte als Lieferant für Nahrung,<br />

Werkzeug und Kleidung das Überleben<br />

der Menschen.<br />

Jan Ackermeier<br />

Im Wandel der Jahrtausende ist die heutige<br />

Jagd eine nachhaltige, sinnvolle Nutzung<br />

natürlicher Ressourcen oder Reserven. Zusammen<br />

mit der Hege sichert sie in der Kulturlandschaft<br />

nicht nur die Lebensgrundlagen<br />

des Wildes, sondern aller freilebenden<br />

Tiere und die heutigen Jäger sind zudem<br />

Produzenten eines hochwertigen und ständig<br />

nachgefragten Lebensmittels: des<br />

Wildbrets in allen seinen Veredelungsvarianten.<br />

Die Nachfrage nach diesem überaus<br />

wertvollen Fleisch direkt aus der Natur –<br />

und damit garantiert biologisch – ist in den<br />

letzten Jahren stetig gestiegen und ist – neben<br />

allen anderen Argumenten – die positivste<br />

Begründung, warum auch heute noch<br />

die Jagd zu unserer mitteleuropäischen<br />

Kultur gehört. Der Jäger – als Vertreter vieler<br />

Natur- und Waldnutzer – nutzt eben,<br />

ähnlich wie der Forstwirt das Holz, mit den<br />

Wildtieren eine natürliche „Ressource“ und<br />

setzt sich auch aus diesem Grund für den<br />

Erhalt der heimischen Wildtiere ein. Dieser<br />

Einsatz kostet den Jäger oftmals nicht nur<br />

viel Geld, sondern auch Freizeit und Arbeitsaufwand.<br />

Zur Jagd gehört jedoch nicht nur das Beobachten<br />

und Hegen der Wildtiere, sondern<br />

auch das Erlegen. Dies bedeutet aber nicht<br />

das Ausleben einer „Lust am Töten“, son-<br />

Heft 3 - <strong>2014</strong> 117


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Schwerpunkt<br />

Jäger mit Hund.<br />

dern die Freude am jagdlichen Erfolg. Ein<br />

waidgerecht denkender und handelnder<br />

Jäger erfreut sich heute oftmals nicht mehr<br />

an der Stärke einer Trophäe, sondern an<br />

dem Erlebnis und an der Erinnerung, die er<br />

mit dieser Trophäe verbindet.<br />

Wandel und Bedeutung der<br />

Jagd<br />

Die Jagd wird in unserer modernen und<br />

technisierten Gesellschaft natürlich nicht<br />

mehr gebraucht, um die Ernährung des<br />

Menschen sicherzustellen – wir haben die<br />

eigene Agrarindustrie oder kaufen möglichst<br />

billig von ausländischen „Tierfabriken“<br />

und Plantagen mit allen preislichen<br />

Vorteilen, aber auch Gefahren. Jäger produzieren<br />

indes im Gegensatz dazu nicht nur<br />

ein hochwertiges Lebensmittel, sondern<br />

kümmern sich auch um unsere heimischen<br />

Wildarten, damit diese Lebensräume vorfinden,<br />

in denen es Junge zur Welt bringen<br />

kann und möglichst wenig Schaden in der<br />

heutigen Kulturlandschaft und in der Waldwirtschaft<br />

anrichtet. Die Tiere, die durch<br />

(natürliche) Sterblichkeitsfaktoren wie<br />

Krankheiten, Parasiten, Nahrungsmangel<br />

oder auch Straßenverkehr verenden würden,<br />

werden durch die Jagd oftmals bereits<br />

vorher aus dem Bestand entnommen,<br />

ebenso wie der „Überschuß“ der Population<br />

in dem jeweiligen Lebensraum.<br />

Besonders häufig stellt sich dem Jäger aus<br />

Kreisen der nicht-jagenden Bevölkerung<br />

die Frage nach der Ethik und Moral im Zusammenhang<br />

mit der Jagdausübung. Der<br />

Jäger bezeichnet diesen Themenkomplex<br />

als „Waidgerechtigkeit“. Die Worte Ethik<br />

und Moral in Verbindung mit der Jagd werden<br />

heutzutage vielfach vor allem in einem<br />

negativen Kontext gebraucht. Genährt wird<br />

dieser Umstand wieder durch Unwissenheit.<br />

Viele Zeitgenossen denken ernsthaft,<br />

daß es bei der Jagd nur um das einfache<br />

„Abknallen“ von Wildtieren geht. Ja, selbst<br />

das Andichten von Mordlust müssen Jäger<br />

sich von Zeit zu Zeit gefallen lassen. Aber<br />

das zur Jagdausübung so viel mehr gehört<br />

und daß die Art und Weise des Erlegens<br />

jeglicher Mordlust entbehrt, ist für viele<br />

scheinbar unverständlich.<br />

Bevor der Jäger sich zum Schuß entschließt,<br />

muß er eine Vielzahl von Faktoren<br />

prüfen: Was hat er für ein Tier vor sich? Ist<br />

es jung oder alt, weiblich oder männlich?<br />

Führt das Stück Jungtiere? Ist es erkennbar<br />

krank oder verletzt? Fällt das Wildtier unter<br />

eine gesetzliche Schonzeit? Diese umfassende<br />

Beurteilung des Wildtieres nennt der<br />

Jäger „Ansprechen“. Danach stellt er sich<br />

die Frage, ob eine sicherere Schußabgabe<br />

möglich ist und ob niemand durch den<br />

Jäger im Anschlag.<br />

brandlbracke.blogspot.com<br />

Schuß gefährdet wird. Nach dem Schuß ist<br />

es die moralische Pflicht des Jägers, dem<br />

Wildtier unnötiges Leid zu ersparen. Bei einem<br />

sauberen Schuß verendet das Wild am<br />

Anschuß und die Erleichterung des Jägers<br />

ist groß. Sollte das Wild aber verletzt worden<br />

sein und flüchten, kommt die Zusammenarbeit<br />

mit dem Jagdhund ins Spiel. Ein<br />

gut ausgebildeter Hund ist in der Lage, der<br />

Wundfährte eines angeschossenen Stück<br />

Wildes über weite Entfernungen zu folgen<br />

und den Jäger zum Stück zu führen, damit<br />

das Leid des Tieres so kurz, wie möglich gehalten<br />

werden kann. Die Ausbildung und<br />

Führung von Jagdhunden ist daher ebenfalls<br />

ein wichtiger Aspekt der Jagd.<br />

Pflege von Werten und<br />

Tradi tionen<br />

Auch der Respekt gegenüber der Kreatur<br />

spielt für den waidgerechten Jäger eine<br />

große Rolle. So wird das erlegte Stück mit<br />

der „Totenwache“ geehrt und bekommt<br />

den „letzten Bissen“ in den Äser (einen<br />

Tannenzweig in das Maul). Beides gehört<br />

zum jagdlichen Brauchtum, zu dem noch<br />

viele andere Brauchhandlungen nicht nur<br />

im Zusammenhang mit dem erlegten Wild<br />

gehören. So pflegen waidgerechte Jäger<br />

eine eigene Fachsprache, die für Nichtjäger<br />

oftmals unverständliche Begriffe benutzt.<br />

Auch diese Jägersprache wird bereits seit<br />

Jahrhunderten innerhalb der grünen Zunft<br />

weitergegeben. Somit ist die Waidmannszunft<br />

auch eine Gemeinschaft, die sehr viel<br />

Wert auf Traditionen und Brauchtum legt.<br />

Bei der Jagd geht es aber nicht nur um das<br />

Hegen und Erlegen von Wildtieren, sondern<br />

auch um das Naturerlebnis, das in der<br />

modernen Zeit so selten geworden ist. Der<br />

Jäger kann bei der Ausübung der Jagd<br />

ganz in die Natur eintauchen. Im Jagdrevier<br />

die Verbindung zur Natur zu genießen und<br />

den Lebensraum Wald zu erfahren, ist für<br />

alle Jäger ein willkommener Gegensatz zur<br />

hektischen und modernen Alltagswelt. Und<br />

es stehen vielerlei Arbeiten im Jahreskreis<br />

eines Jagdrevieres an: Bau und Ausbesserungsarbeiten<br />

von neuen Jagdeinrichtun-<br />

hunt-austria.at<br />

118 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Schwerpunkt<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Schlag zum Hirschjäger.<br />

vjagd.at<br />

Der Autor in Jägerkluft.<br />

Jan Ackermeier<br />

gen, wie Hochsitzen, Fütterungen usw.,<br />

Ausbesserungsarbeiten an der Jagdhütte,<br />

Brennholzverarbeitung, das Anlegen von<br />

Wildwiesen, im Winter die Fütterung des<br />

Rot- und Rehwildes und vieles mehr. Ein<br />

wenig handwerkliches Geschick und<br />

Freude daran, in der Natur zu arbeiten,<br />

sollte also jeder Jäger mitbringen.<br />

Mehr als ein teures Hobby<br />

Bleibt die Frage, wie man Jäger wird. Dazu<br />

gibt es mehrere Möglichkeiten: man kann<br />

sich zu einem mehrwöchigen Kurs in einer<br />

der zahlreichen Jagdschulen anmelden.<br />

Der Vorteil ist, daß die zeitliche Inanspruchnahme<br />

durch die Ausbildung relativ<br />

gering ist, dafür sind die Jagdschulen oftmals<br />

recht teuer und es wartet sehr viel<br />

Lernstoff in sehr kurzer Zeit auf den Aspiranten.<br />

Die zweite Möglichkeit ist die Ausbildung<br />

über die Landesjägerschaft des jeweiligen<br />

Bundeslandes, die zumeist den<br />

Jagdkurs über mehrere Monate als Abendund<br />

Wochenendkurs anbieten. Der Vorteil<br />

liegt hier an der Verteilung des Stoffes über<br />

einen längeren Zeitraum und den geringeren<br />

Preis. Die Stoffülle sollte man als angehender<br />

Jäger keinesfalls unterschätzen!<br />

Keines der einzelnen Fachgebiete in der<br />

Jagdausbildung stellt für jemanden, der in<br />

Besitz der Hochschulreife ist, eine intellektuelle<br />

Herausforderung dar, der Umfang<br />

des Lernstoffes jedoch sorgt nicht zu Unrecht<br />

für den Beinamen „Grünes Abitur“ für<br />

die Erlangung der Jagdkarte.<br />

Entsprechend vielfältig sind denn auch die<br />

Ausbildungsinhalte: Wildkunde mit Verhalten<br />

und Eigenschaften des heimischen Wildes,<br />

Hundewesen, Waffenkunde und Waffenhandhabung<br />

(inklusive Schießausbildung),<br />

Jagdrecht, Jagdliches Brauchtum<br />

und Jagdbetriebslehre werden während<br />

der Ausbildung vermittelt.<br />

Die eigentliche Herausforderung für den<br />

frischgebackenen Jungjäger beginnt aber<br />

erst nach der erfolgreichen Jagdprüfung.<br />

Ähnlich wie beim Erwerb des Autoführerscheins,<br />

der einen berechtigt, das Auto -<br />

fahren im öffentlichen Straßenverkehr zu<br />

erlernen, hat man mit der ersten Jagdkarte<br />

lediglich die Erlaubnis und die Grundlagen<br />

erworben, das Jagen „in der freien<br />

Wildbahn“ zu lernen. Glück hat derjenige<br />

Jungjäger, der von einem alten und erfahrenen<br />

Jäger „abgeführt“ und mit Geduld<br />

in die Praxis der Jagdausübung eingelernt<br />

wird. Immerhin liegt allen Jägern daran,<br />

daß ihr Handwerk, ihre Traditionen und ihr<br />

Brauchtum an die nächste Generation weitergegeben<br />

werden, damit die mittel -<br />

europäische Eigenart der waidgerechten<br />

Wildbewirtschaftung zukunftsfähig bleibt.<br />

Jeder, der sich für Wald und Wild interessiert,<br />

sich nicht scheut, sich die Hände bisweilen<br />

schmutzig zu machen und ein Mindestmaß<br />

an handwerklichem Geschick mitbringt<br />

und zudem die Weitergabe von<br />

waidgerechtem Brauchtum und Traditionen<br />

der „grünen Zunft“ vorantreiben will,<br />

ist in den Reihen der Waidkameraden willkommen.<br />

Jan Ackermeier<br />

(Normannia-Nibelungen Bielefeld 2005,<br />

Teutonia Wien 2007)<br />

Die Schriftleitung informiert:<br />

Adreßänderungen für den Bezug der „<strong>Burschenschaftliche</strong>n <strong>Blätter</strong>“ richten Sie bitte<br />

immer an: bbl-anschriftenverwaltung@burschenschaft.de<br />

oder postalisch an: BBl-Anschriftenverwaltung, Postfach 101232, 20008 Hamburg<br />

Heft 3 - <strong>2014</strong> 119


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Das Mensurwesen heute<br />

Schwerpunkt<br />

Von Wilhelm E. Nordmeier<br />

„Die Mensur gehört zur burschenschaftlichen<br />

Tradition wie die Blume zu einem<br />

frisch gezapften Bier“, so erklärte es mir<br />

ein Alter Herr in meiner Fuxenzeit. Diese<br />

Metapher ist relativ platt ausgedrückt, jedoch<br />

schon von erster Zeit unserer Gründungsväter<br />

an, war die Mensur ein immanent<br />

wichtiger Teil des burschenschaftlichen<br />

Lebens und ist es auch noch heute.<br />

Die Mensur hat sich über die Zeit verändert,<br />

das ist bekannt und soll hier nicht näher erörtert<br />

werden, im Blickpunkt steht das Mensurwesen<br />

heute. Ein Mitglied des Verbandes<br />

der Fechtmeister (VdF) erzählte mir vor ein<br />

paar Jahren, daß heutzutage fast annähernd<br />

so viele Mensuren gefochten werden wie in<br />

den 1960ern, der einzige Unterschied dazu<br />

ist jedoch, daß weniger Paukanten diese Leistung<br />

vollbringen. Diese These habe ich<br />

über die vergangenen zehn Jahre verfolgt<br />

und muß meinem damaligen Gesprächspartner<br />

recht geben. Als junger Bursch erlebte<br />

ich wenig Verbands- und Waffenbrüder,<br />

die über eine zweistellige Partienanzahlen<br />

verfügten. Heutzutage ist es keine Seltenheit,<br />

mehr solcher Paukanten anzutreffen.<br />

Meines Wissens existierte im Jahre 2000 nur<br />

ein Verbandsbruder in der DB, der über 20<br />

ziehende Partien nach dem Krieg aufzuweisen<br />

hatte – heute sind es meines Kenntnisstandes<br />

nach schon fünf und einige aktive<br />

Fechter stehen kurz davor. Abzuwarten ist<br />

jetzt, ob die Einführung von Bachelor und<br />

Master diesem Trend ein Ende setzen kann,<br />

da die jungen Studenten in diesem System<br />

weniger Zeit haben.<br />

Auffallend ist auch, daß immer mehr junge<br />

Alte Herren zur Klinge greifen und noch auf<br />

Mensur stehen. Persönlich war zu meiner<br />

Aktivenzeit ein Mensuren schlagender AH<br />

eine echte Seltenheit. Heute gibt es unzählige<br />

Beispiele von jungen Philistern, die<br />

noch diverse Partien nach der Philistrierung<br />

geschlagen haben. Meist sind diese jungen<br />

Philister auch hochmensurige Fechter, wie<br />

ich es an meinem eigenen Werdegang<br />

selbst sehen kann. Woher dieser neue<br />

Trend stammt, weiß ich nicht; aber ich vermute,<br />

daß der Grund darin zu finden ist,<br />

daß viele Altaktive bei den schwindenden<br />

Mitgliederzahlen der Bünde auch öfters<br />

noch zum Einpauken der jungen Bundesbrüder<br />

gebeten werden und so den „normalen“<br />

Absprung nicht geschafft haben.<br />

Rückkehr zu alten Comments<br />

Ein weiterer Trend ist in den letzten Jahren<br />

ebenso zu beobachten, denn neuerdings<br />

werden auch wieder Partien auf ausgestorbenen<br />

Comments gefochten. So wurden<br />

zum Beispiel in den letzten zwei Jahren<br />

eine Partie auf dem<br />

originalen Königsberger<br />

Comment<br />

gefochten, eine auf<br />

den Vorkriegscomment<br />

Marburgs und<br />

zwei Partien auf<br />

dem Breslauer<br />

Schlägerbrauch.<br />

Geplant ist ebenso<br />

eine Partie auf dem<br />

alten Prager Comment<br />

von 1875. Die<br />

Hauptschwierigkeit<br />

stellt sich jedoch<br />

meist schon in der<br />

Auffindung des<br />

Comments selber<br />

dar. So war die Suche<br />

nach dem Breslauer<br />

Comment verbunden<br />

mit vielen<br />

epostalischen Anfragen<br />

bei diversen<br />

Archiven deutschlandweit.<br />

Die einzig<br />

erhaltene Version<br />

war nur noch im<br />

Bundesarchiv zu finden<br />

und wurde von<br />

Verbandsbrunder<br />

Lönnecker dankenswerterweise<br />

den<br />

Vbr. Nordmeier beim Höhenausgleich vor seiner 20. Mensur.<br />

Paukanten in Kopie zur Verfügung gestellt.<br />

Ebenso ist es schwierig einen ausgestorbenen<br />

Comment auszulegen, ihn mit Leben<br />

zu erfüllen, da meist die Zeitzeugen nicht<br />

mehr dazu in der Lage sind, so daß auf erfahrene<br />

Fechtmeister zurückgegriffen werden<br />

muß. Nichtsdestotrotz ist schön zu sehen,<br />

daß die jungen Aktiven der alten Vergangenheit<br />

wieder neuen Lebensodem<br />

einhauchen und somit ein wichtiges Stück<br />

burschenschaft licher Geschichte vor dem<br />

Vergessen bewahren.<br />

Als Fechtbeauftragter der Deutschen Burschenschaft<br />

habe ich damit begonnen, ein<br />

offizielles Commentarchiv in Dateiform aufzubauen,<br />

da immer wieder Fragen und Bitten<br />

an mich nach ortsfremden Comments<br />

herangetragen wurden. Dank der Mithilfe<br />

einiger engagierter Verbandsbrüder<br />

konnte so eine beachtliche Sammlung erstellt<br />

werden, die auch das Fundament der<br />

zukünftigen dachverbands-übergreifenden<br />

Commentsammlung der Arbeitsgemeinschaft<br />

Andernach der mensurbeflissenen<br />

Verbände (AGA) sein wird. Diese Sammlung<br />

enthält neben aktuellen Fechtcomments<br />

auch die Vorkriegscomments Breslaus,<br />

Königsbergs, Marburgs und Prags. Für<br />

jede weitere Zusendung aktueller und auch<br />

alter Comments ist der Fechtbeauftragte<br />

immer dankbar.<br />

Nichtsdestotrotz müssen sich in der heutigen<br />

Zeit viele schlagende Bünde verstärkt<br />

Kritik gefallen lassen, daß sie mit der Mensur<br />

archaischen Ritualen nachgehen würden.<br />

Gerade auf antifaschistischen Internetportalen<br />

der linksradikalen Szene wird<br />

hierüber in maßloser Art und Weise gehetzt.<br />

Sicherlich ist die Mensur ein Relikt einer<br />

längst vergangenen Epoche, das ist unbestreitbar.<br />

Jedoch ist dieses Relikt, das ich<br />

eher als Artefakt bezeichnen möchte, mehr<br />

denn je aktuell. Nicht nur, daß die Mensur<br />

Entschlußkraft, Schneid und Selbstbeherrschung<br />

fordert und fördert, sie ist unbestreitbar<br />

eines der besten Integrationsinstrumente<br />

einer Verbindung.<br />

Die nächsten Jahre und Jahrzehnte werden<br />

zeigen, welchen Weg die Mensur und mit<br />

ihr die Paukanten einschlagen werden. Aus<br />

heutiger Sicht kann ich nur attestieren, daß<br />

der in den letzten Jahren beschrittene Weg<br />

nicht der schlechteste ist.<br />

Wilhelm E. Nordmeier<br />

(Ghibellinia-Leipzig Hannover, Germania<br />

Leipzig, Raczeks Breslau zu Bonn)<br />

120 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Schwerpunkt<br />

Die Burschenturner<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Von Bruno Burchhart<br />

Zweifellos beeinflußte Friedrich Ludwig<br />

Jahn mit seinen Ideen sowohl die von<br />

ihm, am 19. Juni 1811 auf der Berliner<br />

Hasenheide, begründete Turnbewegung<br />

als auch die etwas später, am 12. Juni<br />

1815 in Jena ins Leben gerufene Burschenschaft.<br />

Für Turnwesen und Burschenschaft war<br />

eine Erneuerung der patriotischen Gesinnung<br />

ein wesentliches Anliegen. Da viele<br />

Studenten, damals Burschen genannt, das<br />

Turnen für wichtig erachteten, zum Teil sogar<br />

aus der Turnbewegung hervorgingen,<br />

übten sie dies auch während ihres Studiums<br />

aus. So bürgerte sich schon damals die Bezeichnung<br />

Burschenturner ein. Diese Verbindung<br />

hat sich bis heute in vielfältigster<br />

Art bewährt.<br />

Jahn hatte auf mannigfache Art seine Ideen<br />

erarbeitet und verbreitet. Wichtig war ihm<br />

in der Zeit der napoleonischen Fremdherrschaft<br />

nicht nur die Erringung der Freiheit<br />

seines Volkes. Besonderen Wert legte er<br />

auf die Heranbildung seiner Mitbürger zu<br />

selbstbewußten, geistig und körperlich<br />

tüchtigen Angehörigen des deutschen<br />

Volkes. In Wort und Tat hat er das dann zur<br />

Durchführung gebracht. In den Satzungen<br />

des, während der trüben Tage der Besatzung<br />

gegründeten Geheimbundes „ Deutscher<br />

Bund“ hatte Jahn schon festgehalten:<br />

„Zweck ist die Erhaltung des deutschen<br />

Volkes, Neubelebung der Deutschheit, Hinwirkung<br />

zur Einheit unsres zersplitterten<br />

Volkes“. Daraus reifte in ihm einerseits die<br />

Das von Georg Friedrich Kersting 1815 in Öl auf<br />

Leinwand gemalte Bild „Auf Vorposten“ zeigt<br />

Theodor Körner, Karl Friedrich Friesen und Heinrich<br />

Hartmann als Lützower Jäger.<br />

Idee, das allgemeine Turnen auch als Erziehungsmoment<br />

zu entwickeln, andererseits<br />

entwarf er mit seinem Mitstreiter Friedrich<br />

Friesen einen weiteren Plan. Niedergelegt<br />

ist dieser in der Denkschrift von 1810:<br />

„Ordnung und Einrichtung der deutschen<br />

Burschenschaften“.<br />

Mit ungeheurer, heute fast unvorstellbarer<br />

Begeisterung wurden von der Studentenschaft<br />

die damals wahrhaft revolutionären<br />

Ideen aufgenommen und weitergetragen,<br />

heutzutage bestenfalls vergleichbar mit<br />

den zerstörerischen 1968er Ideen. Jahn<br />

und Friesen aber riefen zur Erneuerung auf:<br />

Die Burschen-Studenten sollten sich – und<br />

das war neu – „frei und mit gleichem Recht<br />

zum deutschen Manne bilden, dessen heiligste<br />

Pflicht es ist, dereinst im bürgerlichen<br />

Leben für Volk und Vaterland kräftig zu wirken“.<br />

Dem sogenannten Pennalismus (der<br />

Jüngste hatte den Älteren Diener zu sein)<br />

und der streng landsmannschaftlichen Einordnung<br />

(Umgang ausschließlich mit den<br />

nächsten Landsleuten, zum Beispiel Sachsen,<br />

Bayern, usw.) wurde entgegengesetzt,<br />

daß „auf jedem Hochschulort nur eine einzige<br />

Studentenvertretung sein soll, eben<br />

die Burschenschaft. Beim Burschenleben in<br />

Freiheit und ohne Ständebeschränkung<br />

(damals Adel, Klerus, Bürger) müssen das<br />

deutsche Volk und das Sittengesetz über<br />

allem stehen“.<br />

Revolutionäre Geister<br />

Alle diese, für die kleinstaatlich zerrissenen<br />

deutschen Lande hochpolitischen Inhalte<br />

mußten deren Herrschern als Kampfansage<br />

erscheinen: Studenten-Einheit, oder gar<br />

der Gedanke an ein gemeinsames deutsches<br />

Volk würden ja zu einer Schmälerung<br />

ihres Einflusses führen. Die Denkschrift fand<br />

jedenfalls eine rasend schnelle Verbreitung<br />

an den Universitäten, wo sich nationale<br />

Freiheitsbewegungen zu entwickeln begannen.<br />

Auch Hochschullehrer verbreiteten<br />

solch nationale Ideen: Fichte mit den<br />

berühmten „Reden an die deutsche Nation“,<br />

Arndt mit seinen Vorlesungen, Luden<br />

mit seinen Schriften, wo er festhielt, daß es<br />

das „erste Streben jeden Volkes sein muß,<br />

seine Selbständigkeit zu erhalten, damit<br />

ihm nicht fremdes Volkes fremder Sinn aufgezwungen<br />

wird“: Moderner könnte man<br />

kaum formulieren!<br />

Der Durchsetzung dieser Ideen standen<br />

aber zunächst die Kriegsverläufe entgegen,<br />

war doch Napoleon nach der Rußland-Niederlage<br />

wieder zurück. Zur Abwehr wurden<br />

nicht nur die Fürsten-Armeen mobilisiert,<br />

sondern erstmals auch eine gesamtdeutsche<br />

Truppe, das Lützow’sche Freikorps:<br />

Burschenturner Hans Ferdinand Maßmann<br />

(1797–1874).<br />

Turner und Studenten aus allen deutschen<br />

Landen strömten herbei, vaterländisches<br />

Gedankengut wurde weitergetragen (Jahn<br />

war als Stellvertretende Kommandant<br />

ebenfalls dabei), das Schwarz-Rot-Gold der<br />

Lützower war Symbol dafür.<br />

Nach Besiegung des Fremdherrschers in<br />

den „Befreiungskriegen“ (hpts. Völkerschlacht<br />

bei Leipzig 18. Oktober 1813)<br />

wurde in den Hörsälen der Ruf nach vaterländisch-reformatorischen<br />

Bewegungen<br />

und Einrichtung einer „Burschenschaft“ immer<br />

lauter. Und jetzt wurde Jahn’s Idee umgesetzt:<br />

Sechs Tage vor Napoleons Waterloo<br />

kam es am 12. Juni 1815 in Jena zur<br />

Gründung der ersten Burschenschaft!<br />

Die Jahn-Jünger und Burschenturner, der<br />

Mediziner Wilhelm Kaffenberger und der<br />

Theologe Johann Heinrichs, beide alte Lützower,<br />

entwarfen eine „Verfassung der Jenaischen<br />

Burschenschaft“. Jahn’s Gedankengänge<br />

sind in dem 38-Seiten-Werk<br />

deutlich erkennbar, vor allem der vaterländische<br />

Geist, der auch im Wahlspruch<br />

„Freiheit, Ehre, Vaterland“ zum Ausdruck<br />

gebracht wurde. In dem Regelwerk werden<br />

alle möglichen Studentenbräuche, Wahlen<br />

und Studentenziele behandelt und festgehalten:<br />

„Zwar hat die Natur uns Deutsche in<br />

einzelne Stämme geteilt, aber ein gemeinsamer<br />

Geist soll alle Deutschen beleben,<br />

auch auf den Universitäten“. Wie der Burschenturner<br />

Robert Wesselhoeft berichtet,<br />

spielte das Turnen ebenso wie wissenschaftliche<br />

Studien und Sittenreinheit zur<br />

eigenen Ausbildung eine große Rolle:<br />

Heft 4 - <strong>2014</strong> 121


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Fechten und Turnen sollen Kraft, Gewandtheit,<br />

Gesundheit und Mut fördern.<br />

Nach der Gründung der Burschenschaft in<br />

der „Grünen Tanne“ in Jena erfolgten zahlreiche<br />

weitere. Die Burschenschaft wurde<br />

so zur ersten politischen Jugend- und Studentenbewegung<br />

in Europa und die Avantgarde<br />

einer deutschen Nationalbewegung.<br />

Ein erster Höhepunkt der Burschenschaftsgeschichte<br />

war sicher das bahnbrechende<br />

Wartburgfest vom 18. Oktober 1817. Die<br />

Vorbereitung dafür wurde entscheidend<br />

mitgeprägt von den Burschenturnern<br />

Eduard Dürre und Hans Ferdinand Maßmann.<br />

Hier wurden die Forderungen nach<br />

Verfassung, Gleichheit und Freiheit der Person,<br />

Rede-, Meinungs- und Presse-Freiheit,<br />

Versammlungsfreiheit, Glaubens- und Gewissensfreiheit,<br />

Lehr- und Lernfreiheit geboren,<br />

die dann in den Burschenschafts-Beschlüssen<br />

vom 18. Oktober 1818 endformuliert<br />

wurden: Eine geschichtsträchtige,<br />

zukunftsträchtige und zukunftsweisende<br />

Tat. Wurden diese Forderungen doch erst<br />

eine Generation später 1848 durch die Nationalversammlung<br />

der Delegierten aus<br />

dem gesamten deutschen Sprachraum in<br />

eine Verfassung gegossen und beschlossen.<br />

Leider scheiterte diese dann an der absolutistischen<br />

Fürsten-Restauration. Erst<br />

hundert Jahre später – 1918 – wurden die<br />

burschenschaftlichen Forderungen fast<br />

wortident demokratisch durch die Weimarer<br />

Republik und die Republik Deutsch-<br />

Österreich beschlossen und befinden sich<br />

heute im bundesdeutschen Grundgesetz<br />

und der Verfassung von Österreich. Heute –<br />

200 Jahre später – finden sich diese Forderungen<br />

ebenfalls in der Charta der Europäischen<br />

Union.<br />

Im Volk verankert<br />

Beim Wartburgfest selber spielten die Burschenturner<br />

in aller Öffentlichkeit ebenfalls<br />

eine Rolle, wie uns ein Zeitzeuge berichtet:<br />

„So kamen denn aus allen Gauen des Vaterlandes<br />

seine Söhne, des Vaterlandes<br />

Wiedergeburt zu feiern. Man wählte einen<br />

Burgvogt und vier Burgmänner für die gesamte<br />

Ordnung des Festes und Fahnenträger<br />

für die schwarz-rot-goldene Fahne. Ein<br />

Festzug zog auf die Wartburg bis in den Rittersaal,<br />

Festreden hielten Heinrich Arminius<br />

Riemann und Univ.-Prof. Jakob Friedrich<br />

Fries. Es erklangen Rufe: 'Es lebe die deutsche<br />

Freiheit!', 'Der löblichen Turnkunst<br />

und ihrem Meister!' und andere. Nach dem<br />

Gottesdienst zogen alle zum Marktplatz Eisenachs.<br />

Dann trat eine Burschenturner-<br />

Schar zusammen und turnte: Laufübungen,<br />

Bockspringen, Tauziehen, mehrere Kletterarten“.<br />

Auch in den Beschlüssen von 1817/18 ist<br />

die Bedeutung des Turnens festgehalten:<br />

Fand doch die Forderung von Turnvater<br />

Jahn, daß auf der Grundlage der Turnordnung<br />

auf demokratische Weise ein Turnrat<br />

einzurichten ist, der wiederum einen Turn-<br />

Vorsteher zu wählen hat, Eingang in die<br />

burschenschaftliche Verfassung. Darin wird<br />

die Einrichtung eines Vorstandes festgelegt,<br />

der wiederum einen Sprecher zu<br />

wählen hat und auch einen „Beisitzer des<br />

Turnwartes“. Somit hatte das Körper-Geist<br />

und Seele umfassende Turnen im Sinne des<br />

Turnerwahlspruches „Frisch, Fromm, Fröhlich,<br />

Frei“ weiterhin seine Bedeutung in der<br />

Burschenschaft. Auch wenn Metter -<br />

nich’sche Demagogenverfolgung und Turn -<br />

sperre infolge der Karlsbader Beschlüsse<br />

zunächst eine Weiterentwicklung verzögerten,<br />

blieben die Ideen im Volk verankert.<br />

Burschenturner zogen in das erstmals von<br />

allen, im deutschen Sprachraum Wohnenden<br />

gewählte Paulskirchen-Parlament<br />

1848, Jahn wurde sogar einer der Vizepräsidenten<br />

des „Burschenschafter-Parlamentes“.<br />

Trotz kurzfristigen Neoabsolutismus<br />

kam es im Zuge der Feiern anläßlich 100.<br />

Geburtstag des Freiheitsdichters Friedrich<br />

Schiller zu einem Aufleben der Nationalund<br />

Freiheitsidee, auch in der Donaumonarchie.<br />

Die gewollte Verbundenheit von<br />

Turnern und Burschenschaften, wie sie<br />

auch in den Turngesetzen und Verfassungen<br />

zum Ausdruck kommt, lebte in zahlreichen<br />

Neugründungen dieser Zeit, von<br />

Wien bis Laibach und Triest, unter anderem<br />

Die akademischen Burschenturner waren<br />

immer wieder maßgeblich an nationalen Einigkeitsbestrebungen<br />

und Durchsetzung<br />

Jahn’scher Ideen beteiligt.<br />

Burschenturner in Österreich<br />

Genannt sei hier zum Beispiel der Burschenschafter<br />

Dr. Hans Stingl, Mitglied des<br />

Turnvereins Krems und der Burschenschaft<br />

Teutonia Wien, der am Weimarer Turnertag<br />

Burschenturner in Aktion.<br />

1868 einen gesamtdeutschen Turnverband,<br />

die „Deutsche Turnerschaft“ mit<br />

ihren 15 Turnkreisen begründete, deren 15.<br />

der Turnkreis Deutsch-Österreich war.<br />

Burschenturner waren in schweren Weltkriegskämpfen<br />

gemeinsam an der Front,<br />

hatten zur Förderung des Deutschtums den<br />

Deutschen Schulverein gegen Panslawismus-Bestrebungen<br />

gegründet und standen<br />

im Abwehrkampf gegen slawischen Landraub<br />

1918/19 im Ringen um das Selbstbestimmungsrecht<br />

für die Einheit Kärntens zusammen.<br />

Auch nach dem „Begräbnis erster<br />

Klasse“, der Auflösung der Turnvereine<br />

und Burschenschaften im sogenannten<br />

Dritten Reich, erfolgte nach schwerer Nachkriegszeit<br />

wiederum und weiterhin ein erfolgreicher<br />

Einsatz der Burschenturner für<br />

die Stärkung und Erhaltung des Bewußtseins<br />

einer deutschen Volks- und Kulturnation.<br />

So können im Bereich des Österreichischen<br />

Turnerbundes (ÖTB) einige Persönlichkeiten<br />

beispielhaft genannt werden: Der ehemamlige<br />

Bundesobmann Ing. Roland König<br />

(Tv Landeck, Burschenschaft Markomannia<br />

Wien), Volksvertreter wie zum Beispiel im<br />

Wiener Landtag Mag. Helmuth Kowarik (Tv<br />

Sechshaus Wien, Burschenschaft Aldania<br />

Wien), der ehemalige Landeshauptmann<br />

Dr. Jörg Haider (Tv Bad Goisern, Burschenschaft<br />

Silvania Wien) oder im Parlament<br />

Lutz Weinzinger (Tv Schärding, Burschenschaft<br />

Bruna Sudetia Wien). Zahlreiche Turner<br />

sind in den Burschenschaften aktiv und<br />

geben ihr Bestes für die zeitlosen Ideen der<br />

Turnbewegung und der Burschenschaft.<br />

Bruno Burchhart<br />

(Olympia Wien 1960)<br />

Schwerpunkt<br />

122 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Schwerpunkt<br />

Jahn und die Burschenschaft<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Von Harald Lönnecker<br />

Bei der Einweihung der Jahn-Turnhalle<br />

1894 in Freyburg a. d. Unstrut waren<br />

zahlreiche studentische Verbindungen<br />

vertreten: Turnerschaften und Akademische<br />

Turnvereine, Burschenschaften und<br />

Landsmannschaften. Auch die 1868 gegründete<br />

Turnerschaft und spätere Burschenschaft<br />

Normannia zu Leipzig entsandte<br />

eine Abordnung und ihr Erstchargierter<br />

sprach einige Worte. Sie erregten<br />

in hohem Maße den Unwillen der anwesenden<br />

Burschenschaften: Die Burschenschaften<br />

hätten sich von Jahn abgewandt,<br />

seien zu Korporationen alten Stils<br />

geworden, erstickten in Farben- und<br />

Mensurfragen, die Jahn bekanntlich stets<br />

ablehnte. Den von den Burschenschaften<br />

niedergelegten Stab hätten die neuen<br />

akademischen Turner aufgenommen, sie<br />

bewahrten Jahns Erbe, nicht die Burschenschaften.<br />

Die Turnerschafter seien<br />

es, die Jahns Ideen an Deutschlands hohen<br />

Schulen mit den Prinzipien des Waffenstudenten<br />

– Farbentragen, unbedingte<br />

Satisfaktion, Mensur – verknüpften,<br />

nicht die verknöcherten und unzeitgemäßen<br />

Burschenschaften und Corps.<br />

Über den Ausgang der Sache heißt es:<br />

„Akademischerseits endete die Einweihung<br />

mit einem Missklang.“<br />

Ähnliches wie aus dem Munde des Erstchargierten<br />

findet sich in der „Cartell-Turnzeitung“<br />

bereits 1886 aus der Feder Hermann<br />

Zabels, des Gründers der Leipziger<br />

Verbindung. Vom „überwundenen Standpunkt“<br />

der Burschenschaften ist dort die<br />

Rede. <strong>Blätter</strong>t man das Verbandsorgan der<br />

Turner und die Nachfolgerin, die „Akademische<br />

Turnzeitung“, durch, so häufen sich<br />

derartige Äußerungen. Aus ihnen spricht<br />

der Anspruch der akademischen Turner auf<br />

Anerkennung ihrer Gleichwertigkeit in der<br />

immer größer werdenden und immer mehr<br />

Korporationen hervorbringenden Studentenschaft<br />

des Kaiserreichs, eine Anerkennung,<br />

die für sie sozialen Aufstieg bedeutete<br />

und sich doch nur durch die Nachahmung<br />

einer für traditionell gehaltenen Repräsentationsform<br />

bewerkstelligen ließ. Krisenbewußtsein,<br />

akademische Überfüllung<br />

und Statusängste waren charakteristisch für<br />

diese Studentengenerationen.<br />

Die Korporationen waren keineswegs<br />

gleich. Es gab eine „heimliche Hierarchie“<br />

mit den alten Waffenverbindungen an der<br />

Spitze und Turner- und Sängervereinen<br />

bzw. -verbindungen am unteren Ende. Vielfach<br />

erschallte aus ihren Reihen die Forderung,<br />

man müsse das Waffenprinzip egalisieren<br />

und den alten Verbänden entwinden,<br />

wobei mit der Annahme des Prinzips<br />

der unbedingten<br />

Satisfaktion und eigener<br />

Waffen gerade<br />

die Gegnerschaft<br />

der Turner<br />

etwa zu den Burschenschaften<br />

betont<br />

wurde, denen<br />

man doch tatsächlich<br />

nacheiferte.<br />

Man wollte eine<br />

„normale“ Korporation<br />

sein, nicht zum<br />

scheel angesehenen<br />

akademischen<br />

Proletariat gehören,<br />

eigene Waffen<br />

führen und „Unabhängigkeit<br />

und<br />

Achtung“ genießen.<br />

Die angegebenen<br />

Gründe für diesen<br />

Wandel, für Satisfaktion<br />

und Waffen „Turnvater“ Jahn: Geistiger Wegbereiter der Burschenschaft.<br />

variieren bei allen<br />

Turnervereinen nur geringfügig. Zunächst<br />

steht in der Argumentation fast immer der<br />

Sport, die „gute körperliche Übung“, im Mittelpunkt.<br />

Diese jedoch nicht um ihrer selbst<br />

willen, sondern als Ausdruck des wehrhaftwahrhaften<br />

deutschen Mannes, wie ihn<br />

schon Jahn im „Deutschen Volksthum“ und<br />

in seinen Schriften zur „Turngemeinde“ forderte.<br />

Ist die Diskussion erst einmal entbrannt,<br />

verschwinden sportlich-turnerische<br />

Überlegungen sogleich zu Gunsten gesellschaftlich-sozialer.<br />

Deutlich manifestiert sich<br />

hier: mittels des Turnens war in akademischen<br />

Kreisen um 1900 im Gegensatz zur<br />

Zeit um 1810 kein Ansehen zu gewinnen.<br />

Dem Turnen ermangelte die<br />

akademische Exklusivität<br />

Wie hatte sich das Verständnis so wandeln<br />

können? Das Turnwesen gehörte zu den<br />

Mitinitiatoren der deutschen Nationalbewegung<br />

und ihrer Avantgarde, der Burschenschaft.<br />

Jahn sah sich in seiner Rede<br />

vor der Nationalversammlung in Frankfurt<br />

a. M. am 15. Januar 1849 als ihr geistiger<br />

Vater: „Ich habe mich auf den Hochschulen,<br />

das werden mir meine alten Kameraden<br />

bezeugen, jeder Zeit von den [...] Paukereien<br />

fern gehalten. In diesem Geiste<br />

habe ich nachher die Turnerei hervorgerufen<br />

und die Burschenschaft, wovon ich<br />

1798 zuerst gesprochen und 1811 die Ordnung<br />

und Einrichtung einer allgemeinen<br />

Burschenschaft in Deutschland umhergesendet,<br />

bis sie 1815 in Jena ins Leben getreten<br />

ist. Ehrenmitglied von der Burschenschaft<br />

bin ich nie gewesen, ich habe mich<br />

davon fern gehalten, um jüngere Herren<br />

nicht in ihrem Treiben zu beschränken als<br />

ein Leiter, oder um eine Oberleitung über<br />

sie zu haben.“<br />

Ebenso sahen Jahn die um ihre Souveränität<br />

fürchtenden Regierungen: E. T. A.<br />

Hoffmann, bekannter als Dichter und<br />

Schriftsteller denn als 1820 die Untersuchung<br />

gegen Jahn führender Berliner Kammergerichtsrat,<br />

schrieb in seinem Gutachten,<br />

die Burschenschaften auf den deutschen<br />

Universitäten seien in ihrer „ursprünglichen<br />

Tendenz lobenswert und auf<br />

die Moralität der Studenten wohltätig einwirkend<br />

zu nennen“. Am 8. Februar 1811<br />

sei im Deutschen Bunde zu Berlin darüber<br />

verhandelt worden. Der Zweck der Burschenschaft<br />

(der Begriff bedeutete eigentlich<br />

nicht mehr als die Gemeinschaft aller<br />

Studenten, erst nach 1815 bezeichnete er<br />

einen bestimmten Korporationstypus) sei<br />

nach dem zur Beratung vorgelegten Entwurf<br />

Friedrich Friesens – der sich wiederum<br />

auf Gedanken Jahns stützte – dahin gegangen,<br />

das Studentenleben moralisch zu verbessern<br />

und den deutschen Sinn zu beleben.<br />

Trotz aller Bemühungen sei aber noch<br />

keine Verbindung mit der Berliner oder<br />

einer anderen Hochschule zustande<br />

gekommen. Trotzdem sei der Entwurf<br />

unter den Studenten verbreitet gewesen<br />

und sein Einfluß auf die später Wirklichkeit<br />

gewordene Burschenschaft sei unverkennbar.<br />

Heft 4 - <strong>2014</strong> 123


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Gerichtsnotorisch wurde Jahns Urheberschaft<br />

durch das Urteil des Oberlandesgerichts<br />

Breslau vom 21. November 1833,<br />

durch das er zu einer zweijährigen Festungsstrafe<br />

verurteilt wurde. Im April hatten<br />

Heidelberger Burschenschafter den Frankfurter<br />

Wachensturm inszeniert, um eine<br />

deutsche Revolution mit dem Ziel eines einigen<br />

und freien Deutschland auszulösen.<br />

Nach dem Scheitern des Unternehmens<br />

galt es die „Demagogen“ und „Revolutionäre“<br />

dingfest zu machen. Jahn geriet in<br />

den Verfolgungsstrudel und zur Last gelegt<br />

wurde ihm die „Gründung der Burschenschaften<br />

auf den Universitäten Deutschlands“.<br />

Weiter hieß es, man habe unter seinen<br />

Papieren den Entwurf für eine Heidelberger<br />

Burschenschaft mit dem Titel „Über<br />

Ordnung und Einrichtungen der deutschen<br />

Burschenschaften“ gefunden. Außerdem<br />

habe Jahn mit dem Rektor der Berliner Universität,<br />

Johann Gottlieb Fichte, bereits<br />

1811 über die Gründung einer Burschenschaft<br />

gesprochen und verhandelt. Im gegenwärtigen<br />

Falle sei ihm zwar keine<br />

Schuld nachzuweisen, aber als geistiger Urheber<br />

der Burschenschaften sei Jahn sicherlich<br />

anzusprechen: „Wenn also auch<br />

aus einzelnen Briefen und Papieren von<br />

Mitgliedern der Burschenschaften Data zu<br />

entnehmen sind, daß Inkulpat [= Jahn, H.<br />

L.] sich für die Einführung und weitere Verbreitung<br />

der Burschenschaften auf den Universitäten<br />

Deutschlands interessiert und<br />

mit mehreren eifrigen Mitgliedern dieser<br />

Burschenschaften in Bekanntschaft gestanden,<br />

so ist dadurch noch nicht der Tatbestand<br />

eines begangenen Verbrechens gegen<br />

ihn festgestellt“. Dies gelte aber nur<br />

für den konkreten Heidelberger Fall, nicht<br />

für die vielen anderen Burschenschaften auf<br />

den deutschen Hochschulen, als deren geistiger<br />

Urheber Jahn gelten müsse.<br />

Jahn als geistiger Wegbereiter<br />

der Burschenschaft<br />

Jahn war einer der geistigen Väter jener<br />

Studentenbewegung, die als Burschenschaft<br />

im 19. Jahrhundert Geschichte<br />

machte. Über den von ihm mitgegründeten<br />

Berliner Deutschen Bund wirkten Jahn,<br />

Friesen und andere maßgeblich auf die<br />

Studenten ein. Besonders in Jena, wo viele<br />

Hochschüler im gerade vergangenen Krieg<br />

mitgekämpft hatten, war man empfänglich<br />

für ihre Ideen. Hier entstand im Winter<br />

1814/15 eine „Wehrschaft“, eine Art akademischer<br />

Landsturm, der eifrig körperliche<br />

Übungen trieb und auch eine Turnanstalt<br />

unterhielt. Als aus ihren Reihen am 12.<br />

Juni 1815 die erste Burschenschaft hervorging,<br />

stützte sich ihre Konstitution auf eine<br />

Ausarbeitung der Studenten Johann Carl<br />

Heinrichs und Wilhelm Peter Kaffenberger.<br />

Sie hatten Jahns Ratschläge nicht nur beachtet,<br />

sondern teilweise sogar wortwörtlich<br />

übernommen. Der Anteil und die Anteilnahme<br />

Jahns ist auch daran zu ermessen,<br />

daß er 1816 seine Lieblingsschüler<br />

Eduard Dürre und Hans Ferdinand Massmann<br />

nach Jena sandte, um nicht nur als<br />

Vorturner den neuen Turnplatz einzu -<br />

richten und das Turnen zu leiten, sondern<br />

auch um in der „noch auf schwachen<br />

Füßen stehenden ‚Burschenschaft‘ tätig zu<br />

sein“.<br />

Schwerpunkt<br />

Das Wartburgfest von 1817, das erste<br />

deutsche überregionale Nationalfest überhaupt,<br />

richtete die Jenaer Burschenschaft<br />

aus. Dürre propagierte es bereits 1816 als<br />

ersten Schritt zur Einigung der deutschen<br />

Studenten, der Wissen und Leistung kumulierenden<br />

künftigen Akademiker. Gedacht<br />

war dabei an eine Vorwegnahme<br />

der deutschen Einheit in Freiheit, denn<br />

wenn die künftige Elite – Rechtsanwälte<br />

und Richter, Ärzte, Pfarrer, Lehrer und Professoren<br />

– ein einiges und freies Deutschland<br />

erstrebte, konnte sich diesem Ansinnen<br />

niemand ernsthaft widersetzen. Jahn<br />

hatte Dürre bestärkt, auch wenn sich<br />

Massmann später die Idee zum Fest zuschrieb.<br />

Dürre schrieb dazu: „Gleich viel,<br />

wer den Gedanken zuerst gehabt, er ist<br />

nur die Folge des Einheitsstrebens, das in<br />

Jahn so lebhaft wirkte und von ihm sich auf<br />

seine Schüler übertrug.“ Der Burschenschafter<br />

Heinrich Leo behauptete sogar,<br />

der Gedanke des Festes sei nicht in Jena<br />

entstanden, sondern in Jahns Umfeld in<br />

Berlin.<br />

Auf dem Wartburgfest wurde Jahns gedacht.<br />

Beim Festmahl brachte man ein<br />

Hoch aus auf die „Lehrer der deutschen Jugend:<br />

Arndt, Friesen und Jahn“ und ehrte<br />

Jahn besonders durch eines auf „die löbliche<br />

Turnkunst und ihren Meister“. Schriften<br />

der Jahn-Gegner Franz Daniel Friedrich<br />

Wadzeck und Wilhelm Scheerer „und aller<br />

anderen schreibenden, schreienden und<br />

schweigenden Feinden der löblichen Turnkunst“<br />

wurden auf dem Wartenberg bei Eisenach<br />

zusammen mit anderen burschen-<br />

In der Aula der Friedrich-Schiller-Universität in Jena hängt das Bild „Aufbruch der Jenenser Studenten in den Freiheitskrieg 1813“, gemalt von Ferdinand Hodler.<br />

124 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Schwerpunkt<br />

schaftsfeindlichen Büchern dem Feuer<br />

übergeben.<br />

Turnen und Burschenschaft war<br />

anfangs identisch<br />

Die Burschenschaft hatte in den Freiheitskriegen<br />

ihre Wurzeln, in der unter dem Einfluß<br />

von Jahns, Fichtes und Ernst Moritz<br />

Arndts Volkstumslehre, christlicher Erweckung<br />

und patriotischer Freiheitsliebe<br />

stehenden antinapoleonischen Kampf<br />

deutscher Studenten. Diese Studenten begriffen<br />

die Freiheitskriege gegen Napoleon<br />

als einen Zusammenhang von innerer Reform,<br />

innenpolitischem Freiheitsprogramm<br />

und Sieg über die Fremdherrschaft und<br />

stellten sich bewußt in die Traditionen der<br />

Mannhaftigkeit und Kampfbereitschaft. Zugleich<br />

wurden sie dadurch besonders hervorgehobene<br />

Bewahrer und Fortsetzer der<br />

deutschen Nation. Dieser Beginn der Nationalbewegung,<br />

die Burschenschaft, war<br />

die erste gesamtnationale Organisation<br />

des deutschen Bürgertums überhaupt, deren<br />

Breite sich ermessen läßt vor dem Hintergrund,<br />

daß ihr mit bis zu 3.000 Mitgliedern<br />

1818/19 etwa ein Drittel der Studentenschaft<br />

Deutschlands angehörte.<br />

Als die ehemaligen Freikorpskämpfer und<br />

nunmehrigen Studenten nach 1815 ihr nationales<br />

Engagement in neue soziale Lebensformen<br />

umsetzten und die neue, zur<br />

nationalen Militanz neigende Burschenschaft<br />

gründeten, waren Turnen und Burschenschaft<br />

weitgehend identisch: ein turnender<br />

Student war Burschenschafter und<br />

umgekehrt. Nationale Einheit, Freiheit und<br />

sogar soziale Egalisierung waren eins. Der<br />

Burschenschafter Robert Wesselhöft<br />

schrieb in seiner 1828 erschienenen Schrift<br />

„Teutsche Jugend in weiland Burschenschaften<br />

und Turngemeinden“: „Turnplätze<br />

und Burschenschaften wurden sofort<br />

eng miteinander vereint. Die Idee, daß geistige<br />

und leibliche Ausbildung der Zweck<br />

des Lebens auf der Hochschule sei, hob<br />

mehr und mehr jedes steife, träge Vorurteil<br />

gegen das Turnen auf. In der Burschenschaft<br />

wie auf dem Turnplatze gab es keinen<br />

Unterschied der Stände.“ Diese<br />

Gleichsetzung wurden Turnwesen wie Burschenschaft<br />

1819 zum Verhängnis, als nach<br />

der Ermordung des Lustspieldichters und<br />

Spötters über die Burschenschaft Kotzebue<br />

durch den Theologiestudenten Carl Ludwig<br />

Sand und die nachfolgenden Karlsbader<br />

Beschlüsse die Verfolgung der Burschenschaft<br />

begann. Jeder Turner stand nun im<br />

Ruch des Umsturzes und der Revolution,<br />

wer turnte, der war potentiell gefährlich<br />

und ein möglicher Staatsfeind.<br />

Die insgeheim weiterbestehenden Burschenschaften<br />

turnten ob des erhöhten<br />

Verfolgungsdrucks immer weniger und<br />

schließlich nicht mehr. 1865, bei der 50-<br />

Jahr-Feier der ersten Burschenschaft in<br />

Jena, spielte das Turnen bereits keine Rolle<br />

mehr. Und im Kaiserreich<br />

sollte das<br />

so bleiben – obwohl<br />

die meisten Burschenschaften<br />

einen<br />

Passus über<br />

„Leibesübungen“<br />

in ihren Satzungen<br />

hatten.<br />

Die Körperertüchtigung<br />

rückte in den<br />

Hintergrund<br />

Warum hatte sich<br />

die Einstellung der<br />

Burschenschafter<br />

so gewandelt? Eine<br />

Antwort ist vielschichtig.<br />

Das Bürgertum,<br />

das seit<br />

der Mitte des 18.<br />

Jahrhunderts im<br />

Mittelpunkt der<br />

Gesellschaft gestanden<br />

hatte und<br />

überall der Träger<br />

der Modernisierung<br />

gewesen war,<br />

verlor seine Geschlossenheit<br />

und<br />

fraktionierte sich.<br />

Die handarbeitende<br />

Bevölkerung<br />

wurde mehr und<br />

mehr zu industriellen<br />

Lohnarbeitern<br />

mit dem eigenen<br />

sozialen Bewußtsein<br />

einer „Arbeiterklasse“,<br />

die sich selbst zu organisieren<br />

begann. Um so mehr setzten sich die<br />

Schichten, die nicht zu ihr gehören wollten,<br />

von dieser ab und „orientierten sich<br />

gesellschaftlich nach ‚oben‘“. Das Bürgertum<br />

von Besitz und Bildung suchte die<br />

Nähe des Adels und seiner Sozialvorstellungen,<br />

grenzte sich nicht mehr von ihm<br />

ab, sondern aristokratisierte sich, adelige<br />

Umgangsformen und Ehrbegriffe flossen<br />

mit älteren, elitaristischen Vorstellungen<br />

des Studententums vom „civis academicus“<br />

und seinen Sonderrechten zusammen<br />

und wurden zum zentralen verhaltenssteuernden<br />

Prinzip. Dies war eine mentale<br />

Neuorientierung, die von Fortschrittsgläubigkeit<br />

begleitet war, vom Glauben an die<br />

Notwendigkeit der stetigen Modernisierung.<br />

Nicht mehr philosophische Systeme,<br />

sondern Ökonomie, Naturwissenschaften<br />

und Technik gaben den Ton an.<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Bürgerlicher Habitus verdrängte den revolutionären Turner-Gedanken.<br />

Dem entsprach aber andererseits ein mit einem<br />

Hang zur Historisierung, Romantisierung<br />

und Archaisierung verbundener Antimodernismus,<br />

der sich ebenso aus sozialen<br />

Abstiegsängsten wie ökonomischen und<br />

sozialmoralischen Vorbehalten speiste. Der<br />

Soziologe Norbert Elias – selbst Verbindungsmitglied<br />

in Breslau – faßte dies als<br />

die Herausbildung der „Gesellschaft der<br />

Satisfaktionsfähigen“ zusammen, deren<br />

Mitglieder über das Privileg verfügten, im<br />

Falle einer auch nur angenommenen Beleidigung<br />

unter Hintansetzung des staatlichen<br />

Gewaltmonopols Genugtuung mit der<br />

Waffe zu verlangen. In diesem Zusammenhang<br />

kam dem Turnen keinerlei Bedeutung<br />

in den Burschenschaften mehr zu. Vielmehr<br />

bildeten sich seit den späten 1850er Jahren<br />

spezielle akademische Turnvereine, die im<br />

Laufe der Zeit aber gleichfalls mehr und<br />

mehr korporativen Charakter annahmen,<br />

äußerlich den Burschenschaften immer<br />

ähnlicher wurden und sich in eigenen Verbänden<br />

(„Vertreter-Convent der Turnerschaften<br />

auf deutschen Hochschulen“,<br />

„Akademischer Turnbund“) zusammenschlossen.<br />

Eine breite Renaissance Jahns setzte in der<br />

Studentenschaft und damit auch in den<br />

Burschenschaften erst nach dem verlorenen<br />

Ersten Weltkrieg ein. Zuvor war das<br />

Turnen endgültig vom „Sport“ verdrängt<br />

worden. In den Ostseeuniversitäten Kiel,<br />

Rostock, Greifswald, Danzig und Königsberg<br />

trieb man Segelsport, der als „weißer<br />

Heft 4 - <strong>2014</strong> 125


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Sport“ nicht nur „akademisch angemessen“,<br />

sondern auch „kaiserlich approbiert“<br />

war, da Wilhelm II. und sein Bruder, Prinz<br />

Heinrich von Preußen, begeisterte Segler<br />

waren. Der Segelsport an der Küste wurde<br />

wie das sonst meist ausgeübte Tennisspiel<br />

und das Rudern weniger unter sportlichen<br />

als gesellschaftlichen Vorzeichen betrieben.<br />

Rückbesinnung auf Jahn's Wehrhaftmachung<br />

Das änderte sich nun. In den 1920er Jahren<br />

wurde ein Passus aus Jahns Burschenschaftsordnung<br />

besonders oft zitiert: „Jeder<br />

Bursche muß mit der Einsicht die Kraft<br />

paaren: 1. etwas Tüchtiges lernen, 2. sich<br />

deutsch ausbilden für Volk und Vaterland<br />

leiblich und geistig, 3. sich in den Waffen<br />

üben mit Blank- und Schießgewehr.“<br />

Ebenso oft finden sich Jahns Sätze: „Das<br />

Turnen darf nicht Selbstzweck, sondern<br />

muß das Mittel zum Zweck der Wehrhaftmachung<br />

unseres deutschen Volkes sein!“<br />

Keiner sollte „zur Turngemeinschaft kommen,<br />

der wissentlich Verkehrer der deutschen<br />

Volksthümlichkeit ist, und Ausländerei<br />

liebt, lobt, treibt und beschönigt“. Das<br />

waren die entscheidenden Stichworte.<br />

Man sah das Turnen als – wenn auch mangelhaften<br />

– Ersatz für den durch den Versailler<br />

Vertrag bedingten „Fortfall der eisernen<br />

militärischen Schulung“. Die Burschenschaften<br />

erkannten im Turnen die<br />

„Erziehung zur Selbstbeherrschung und<br />

Selbstüberwindung“, eine militärische<br />

Schule, „wie es für die Vorkriegsjugend in<br />

unübertrefflicher Form das deutsche<br />

Heer war“. Aus dem Turnen wurde das<br />

„Wehrturnen“ im Rahmen des<br />

„Wehrsports“.<br />

Die Ursachen für diese Wandlung „sind<br />

letztlich politischer Natur“, wie schon Zeitgenossen<br />

bemerkten. Die Wehrhaftigkeit<br />

Deutschlands wie des Studenten war bis<br />

1918 eine Selbstverständlichkeit, als erstere<br />

in der Revolution zerbrach. Für die<br />

Burschenschaften war und blieb der Ehrbegriff<br />

die Basis der Wehrhaftigkeit, immer<br />

und immer wieder im Schlagwort „Heerlos,<br />

wehrlos – ehrlos!“ manifestiert. Zudem forderten<br />

die militärischen Beschränkungen<br />

Deutschlands durch den Versailler Vertrag<br />

bei gleichbleibenden Rüstungsanstrengungen<br />

seiner unmittelbaren Nachbarn in<br />

den Augen der Burschenschaften dazu heraus,<br />

nach einer Entsprechung zu suchen,<br />

die vor allem mit der voranschreitenden<br />

Zeit immer dringlicher zu werden<br />

schien.<br />

Diese Entwicklung fand in allen Korporationsverbänden<br />

gleichermaßen statt und<br />

hatte den Charakter einer Breitenbewegung.<br />

Turnen wurde Teil des<br />

„Wehrsports“, oft gemeinsam betrieben<br />

mit dem „Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten“,<br />

der 1925 400.000 Mitglieder zählte.<br />

Im großen Rund der „Wehrsportler“ bildeten<br />

die Burschenschaften allerdings nur<br />

eine kleine, wenn auch sehr einflußreiche<br />

Schwerpunkt<br />

Gruppe. Überdurchschnittlich oft finden sie<br />

sich in Führungspositionen, auch von Turnvereinen,<br />

in der Deutschen Turnerschaft –<br />

erinnert sei nur an Ferdinand Goetz und<br />

Gustav Oskar Berger, langjährige Vorsitzende<br />

– und im Deutschen Turnerbund,<br />

dessen Führung fast nur aus Burschenschaftern<br />

bestand. Der älteste ununterbrochen<br />

bestehende deutsche Turnverein, die Hamburger<br />

Turnerschaft von 1816, wurde fast<br />

immer von Burschenschaftern geführt. Und<br />

auch nach dem Zweiten Weltkrieg sind Burschenschafter<br />

überdurchschnittlich oft in<br />

den Führungsgremien der deutschen Turner<br />

vertreten gewesen.<br />

Turnen, Wehrturnen und Wehrsport wurden<br />

nach 1933 in eigenen Hochschulämtern<br />

organisiert, so daß sich zwar noch Burschenschafter<br />

als Teilnehmer finden, es<br />

aber kaum mehr von Burschenschaftern<br />

selbständig betriebenes Turnen gab. Mit<br />

der Auflösung der Deutschen Burschenschaft<br />

und der meisten Burschenschaften<br />

ab Herbst 1935 stellte sich die Frage des<br />

Turnens auch nicht mehr.<br />

Das alte Erbe wieder aufgreifen<br />

Nach der Wiedergründung 1949/50<br />

wählte der jährlich tagende Burschentag<br />

zwar immer einen „Beauftragten für Leibesübungen<br />

der Deutschen Burschenschaft“,<br />

die letzten Wettkämpfe fanden<br />

aber zum Burschentag 1975 statt. Aktivitäten<br />

auf diesem Gebiet sind faktisch den<br />

einzelnen Burschenschaften überlassen,<br />

Militärischer Fünfkampf: Symbolbild für den Militärischen Fünfkampf – hier das Überwinden der „Hühnerleiter“ bei der Hindernisbahn.<br />

Simone.Pe/Wikimedia/CC<br />

126 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Schwerpunkt<br />

die im Zeitalter des Breitensports von der<br />

völligen Vernachlässigung bis hin zu beachtlichen<br />

Leistungen reichen, etwa im<br />

Rahmen der alljährlichen Skimeisterschaften<br />

der Deutschen Burschenschaft. Manche<br />

Burschenschaft besitzt eine eigene<br />

Skihütte. Turnerische Betätigung ist dagegen<br />

eher selten geworden. Dafür können<br />

sich einige Burschenschaften mit mehrfachen<br />

Europa- und Weltmeistern in den<br />

verschiedensten Disziplinen bis hin zu vielfachen<br />

Olympiasiegern im Dressurreiten<br />

schmücken. Trotzdem, im 1998 erschienenen<br />

„Handbuch der Deutschen Burschenschaft“<br />

heißt es ein wenig resignativ:<br />

„Wenn auch den Leibesübungen in der<br />

Burschenschaft nicht mehr der Stellenwert<br />

zukommen kann, den sie in der Zeit Jahns<br />

besaßen, ist es sicherlich erforderlich, [...]<br />

wieder an die Tradition der Sportmeisterschaften<br />

anläßlich der Burschentage anzuknüpfen<br />

und die Leibesübungen in den<br />

einzelnen Burschenschaften nachhaltig zu<br />

fördern.“ Dies könnte man als Aufforderung<br />

begreifen.<br />

Unser Autor Verbandsbruder Dr. Dr. Harald Lönnecker, geboren<br />

1963, Alter Herr Normannia-Leipzig zu Marburg, Normannia<br />

Leipzig, Germania Kassel, Ghibellinia zu Prag in Saarbrücken (EM)<br />

sowie Sängerschaft Normannia-Danzig Braunschweig (EM), studierte<br />

Geschichte, Rechtswissenschaft, Evangelische Theologie,<br />

Geographie, Volkskunde, Lateinische Philologie und Germanistik<br />

in Marburg, Gießen, Heidelberg, Freiburg i. Br. und Frankfurt<br />

a. M. Er promovierte 1989 zum Dr. phil. mit einer Arbeit über das<br />

spätmittelalterliche Notariat, dann zum Dr. iur. mit einem vereinsrechtlichen<br />

Thema. An das Referendariat schlossen sich<br />

Tätigkeiten beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr<br />

in Freiburg i. Br. und bei der Konrad-Adenauer-Stiftung<br />

an. Seit 1995 ist er im Bundesarchiv tätig, erst in Frankfurt a. M.,<br />

dann in Koblenz, wo er das Archiv und die Bücherei der Deutschen<br />

Burschenschaft leitet. Er ist Vorstands- und Beiratsmitglied<br />

der Stiftung Dokumentations- und Forschungszentrum des deutschen<br />

Chorwesens – Sängermuseum Feuchtwangen und der Gemeinschaft<br />

für deutsche Studentengeschichte e. V. (GDS), Mitherausgeber<br />

des „GDS-Archivs für Hochschul- und Studentengeschichte“<br />

und der „Darstellungen und Quellen zur Geschichte<br />

der deutschen Einheitsbewegung im 19. und 20. Jahrhundert“,<br />

Kurator der Stiftung deutsche Studentengeschichte (SDS) sowie<br />

des Instituts für deutsche Studentengeschichte (IDS) an der Universität<br />

Paderborn. Er trat mit zahlreichen Veröffentlichungen zur<br />

Geschichte von Universität und Studenten hervor.<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Quellen und Literatur:<br />

Düding, Dieter: Organisierter gesellschaftlicher Nationalismus<br />

in Deutschland (1808–1847). Bedeutung und<br />

Funktion der Turner- und Sängervereine für die deutsche<br />

Nationalbewegung (Studien zur Geschichte des neunzehnten<br />

Jahrhunderts, 13), München 1984.<br />

Hagen, Hans Heinrich: Friedrich Ludwig Jahns Anteil bei<br />

der Gründung der Deutschen Burschenschaft, in: Einst<br />

und Jetzt. Jahrbuch des Vereins für corpsstudentische<br />

Geschichtsforschung 27 (1982), S. 117–126.<br />

Jahn, Günther: Friedrich Ludwig Jahn. Volkserzieher und<br />

Vorkämpfer für Deutschlands Einigung 1778–1852 (Persönlichkeit<br />

und Geschichte, 139), Göttingen/Zürich 1992.<br />

Jahn, Günther: Die Stammbuchblätter Friedrich Ludwig<br />

Jahns (1778–1852). Eintragungen aus der Studienzeit<br />

1798–1806, in: Einst und Jetzt. Jahrbuch des Vereins für<br />

corpsstudentische Geschichtsforschung 39 (1994), S. 87–<br />

141.<br />

Jahn, Günther: Die Studentenzeit des Unitisten F. L. Jahn<br />

und ihre Bedeutung für die Vor- und Frühgeschichte der<br />

Burschenschaft 1796–1819, in: Hünemörder, Christian<br />

(Hrsg.): Darstellungen und Quellen zur Geschichte der<br />

deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten<br />

Jahrhundert, Heidelberg 1995, S. 1–129.<br />

Kaupp, Peter: Mehr Vermutungen als gesicherte Erkenntnisse.<br />

„Turnvater“ Jahn und die deutschen Farben, in:<br />

Jahn-Report. Förderverein zur Traditionspflege und Erhaltung<br />

der Friedrich-Ludwig-Jahn-Gedenkstätten e. V.<br />

Freyburg a. d. Unstrut 28 (2009), S. 14–22.<br />

Kaupp, Peter/Ulfkotte, Josef: Die Jahn-Friesensche Burschenordnung<br />

von 1811/12, in: Cerwinka, Günter/Kaupp,<br />

Peter/Lönnecker, Harald/Oldenhage, Klaus (Hrsg.): 200<br />

Jahre burschenschaftliche Geschichte. Von Friedrich Ludwig<br />

Jahn zum Linzer Burschenschafterturm (Darstellungen<br />

und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung<br />

im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert,<br />

16), Heidelberg 2008, S. 1–81.<br />

Kunze, Eberhard: Mecklenburgische Seilschaften des<br />

Turnvaters F. L. Jahn. Eine Spurensuche in Stammbuchblättern<br />

und Briefen, in: Einst und Jetzt. Jahrbuch des<br />

Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung 46<br />

(2001), S. 173–184.<br />

Lönnecker, Harald: Jahn und die Burschenschaft, in:<br />

Jahn-Report. Förderverein zur Traditionspflege und Erhaltung<br />

der Friedrich-Ludwig-Jahn-Gedenkstätten e. V.<br />

Freyburg a. d. Unstrut 19 (2003), S. 7–14.<br />

Lönnecker, Harald: Rudern, Segeln, Fliegen – Aktivitäten<br />

akademischer Verbindungen und Vereine zwischen Sport<br />

und Politik ca. 1885–1945, in: Alkemeyer, Thomas/Buss,<br />

Wolfgang/Peiffer, Lorenz/Rigauer, Bero (Hrsg.): Sport in<br />

Nordwestdeutschland (SportZeiten. Sport in Geschichte,<br />

Kultur und Gesellschaft, 9/3), Göttingen 2009, S. 7–36.<br />

Lönnecker, Harald: „Turner-Führer“ – Akademische Turnvereinigungen<br />

in Münster und ihre Vorstellungen von gesellschaftlicher<br />

Elite vom 19. Jahrhundert bis zum Ende<br />

der Weimarer Republik, in: Westfälische Forschungen 63<br />

(2013), S. 37–56.<br />

Heft 4 - <strong>2014</strong> 127


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />

Vom schwierigen Unterfangen, in den Medien<br />

Recht zu bekommen<br />

Von Raphael Thiermann<br />

Die Deutsche Burschenschaft wird in den<br />

etablierten Medien nicht erst seit gestern<br />

kritisch betrachtet. Mit Kritik im eigentlichen<br />

Sinne könnte der Verband freilich<br />

umgehen, aber die Berichterstattung<br />

selbst in als bürgerlich geltenden Medien<br />

ist zumeist schonungslos und überschreitet<br />

in den letzten Jahren nicht selten<br />

Grenzen der Hetze, Diffamierung und<br />

Stigmatisierung. So gibt es Vorwürfe, wie<br />

den des politischen Extremismus, die<br />

ständig rezitiert werden, ohne ansatzweise<br />

wahr zu sein. Den Verband, die Verbandsspitze<br />

und selbst einzelne Bünde erreichen<br />

häufig Forderungen, man müsse<br />

die Vorwürfe richtigstellen, nötigenfalls<br />

juristisch gegen die betreffende Falschbehauptung<br />

vorgehen – täte man dies nicht,<br />

behielten die Medien recht.<br />

Dies ist jedoch einfacher gefordert, als<br />

tatsächlich im jeweils konkreten Fall bewerkstelligt<br />

werden kann. Die Tücken sind<br />

vielfältig. So gibt es in der Bundesrepublik<br />

längst kein klar skizziertes Presserecht. Vielmehr<br />

handelt es sich in der Regel um sogenanntes<br />

„Case-Law“, das sich aus der laufenden<br />

Rechtsprechung heraus ständig<br />

weiterentwickelt. Zumeist handelt es sich<br />

um zivilrechtliche Ansprüche, die durchgesetzt<br />

werden müssen. Strafrechtlich relevant<br />

wird es, wenn Beleidigungen, Verleumdungen<br />

und üble Nachrede erfüllt sein<br />

könnten – was zumeist schwer zu beweisen<br />

ist. Zudem gibt es graduelle Unterschiede<br />

bei Landespressegesetzen, die –abhängig<br />

vom jeweiligen Bundesland – ebenfalls<br />

berücksichtigt werden müssen. Nicht selten<br />

gibt es außerdem Gerichtsstände, die für<br />

presserechtliche Ansprüche geeigneter erscheinen<br />

als andere. So gilt Hamburg beispielsweise<br />

als geeignet, Berlin als eher ungeeignet.<br />

Das Presserecht ist damit quasi<br />

juristische „Querschnittsmaterie“ und<br />

nichts für ungeübte Juristen oder Rechtsanwälte<br />

– und erst recht nicht für Laien, die<br />

denken, ein schnell aus dem Internet heruntergeladenes<br />

Musterblatt könne eine fundierte<br />

Rechtsberatung ersetzen. An die<br />

Durchsetzung von Ansprüchen – beispielsweise<br />

Richtigstellungen und Gegendarstellungen<br />

– wird nämlich eine Reihe von Anforderungen<br />

geknüpft. Ein in der Materie<br />

unerfahrener Rechtsanwalt kann hier<br />

schnell scheitern, aber den Bund dennoch<br />

teuer zu stehen kommen.<br />

Wer klagt?<br />

Zunächst muß man sich darüber klarwerden,<br />

ob es überhaupt möglich wäre, einen<br />

Anspruch durchzusetzen. Viele Bünde oder<br />

Aktivitates können aufgrund ungenügender<br />

Satzungen nicht klagen oder möchten<br />

ihre Satzungen ungern bei Gericht einreichen.<br />

Dabei ist ein Anspruchsberechtigter<br />

dringend vonnöten: wo kein Kläger, da bekanntlich<br />

auch kein Richter. So gilt es<br />

zunächst jemanden zu finden, der bereit ist,<br />

unter Umständen trotz medialer Berichterstattung<br />

vor Gericht zu treten. Möchte man<br />

dies einem jungen Aktiven wirklich zumuten?<br />

Dies bedarf einer sorgfältigen Abwägung.<br />

Als Beispiel mag die Klage der Münchener<br />

Burschenschaft Danubia auf Gegendarstellung<br />

gegen die FAZ vor wenigen<br />

Jahren dienen: Sie mußte die Satzung der<br />

Aktivitas vorlegen, um nachzuweisen, daß<br />

der Sprecher überhaupt klagen darf. Erst<br />

dann wurde über die Sache selbst entschieden<br />

und die Verbandsbrüder konnten erfolgreich<br />

eine Gegendarstellung durchsetzen.<br />

Gegen wen ist zu klagen?<br />

Zahlreiche Internetseiten genügen nicht<br />

der hiesigen Impressumspflicht. So ist dann<br />

die Frage, wem gegenüber der Anspruch<br />

zu artikulieren ist, gelegentlich recht<br />

schwierig. Bei Tageszeitungen oder Internetseiten<br />

etablierter Medien ist dieses Problem<br />

eher selten, der Diffamierung auf<br />

linksextremen Internetseiten ist hingegen<br />

schwer zu begegnen. Ein bekanntes Beispiel<br />

ist die Internetseite linksunten.indymedia.org.<br />

Dort werden Bekennerbriefe,<br />

Haßartikel, Verleumdungen, Beleidigungen,<br />

Stigmatisierungen der übelsten Art<br />

und sogar Aufrufe zur Gewalt (beispielsweise<br />

vor Großveranstaltungen wie dem<br />

Wiener Akademikerball) anonym veröffentlicht.<br />

Der Seitenbetreiber sitzt im Ausland,<br />

die Seite verfügt über kein den rechtlichen<br />

Vorgaben entsprechendes Impressum. Seit<br />

langem ist dies auch den Behörden hinlänglich<br />

bekannt. In vergleichbaren Fällen<br />

auf „rechter“ Seite ist jedoch ein konsequentes<br />

rechtsstaatliches Vorgehen nachweisbar,<br />

beispielsweise bei den Seiten Alpen-Donau.info<br />

oder Altermedia.org. Hingegen<br />

scheinen Behörden kein gesteigertes<br />

Interesse an der Aufdeckung der Urheberschaft<br />

bei linksunten.indymedia zu verspüren.<br />

Bevor man also überhaupt versuchen<br />

kann, Ansprüche durchzusetzen, ist es<br />

nötig, einen presserechtlich Verantwortlichen<br />

in Erfahrung zu bringen. Das kann<br />

selbst bei Institutionen schwierig werden,<br />

bei denen man es kaum erwartet: So findet<br />

man auf der Internetseite des AStA der<br />

Freien Universität Berlin den Anti-Burschi-<br />

Reader mit dem bezeichnenden Titel Gute<br />

Nacht, Burschenpracht zum Dateiabruf. In<br />

diesem häufen sich zahlreiche Falschbehauptungen,<br />

Urheberrechtsverstöße und<br />

Verleumdungen über Verbindungen.<br />

Allerdings verfügt die Internetseite des<br />

AStA der Freien Universität über kein<br />

rechtsgültiges Impressum. Wem gegenüber<br />

sollte man hier seinen Anspruch also<br />

kundtun? Es stellt einen besonders gravierenden<br />

Skandal dar, daß eine Vertretung<br />

der Hochschülerschaft wie der AStA, dem<br />

man als Student durch Zwangsmitgliedschaft<br />

angehört und der über die entsprechenden<br />

Zwangsgebühren finanziert wird,<br />

meint, sich aus der Verantwortung eines ordentlichen<br />

Impressums stehlen zu können,<br />

ohne Konsequenzen für diesen Rechtsverstoß<br />

fürchten zu müssen. Hier bleibt die<br />

Möglichkeit, bei der zuständigen Landesmedienanstalt<br />

vorstellig zu werden und einen<br />

Impressumsverstoß zu melden. Diese<br />

muß handeln und dem Betreiber der Internetseite<br />

auferlegen, ein ordentliches Impressum<br />

zu veröffentlichen. Folgt er der Ermahnung<br />

nicht, kann diese Behörde auch<br />

Bußgelder verhängen. Es kommt hierbei allerdings<br />

auch auf die konkrete Behörde<br />

und ihre offensichtlich von Partikularinteressen<br />

geprägten Motivation an, man denke<br />

an den „Kampf gegen rechts“. So mußte<br />

der bekannte antiburschenschaftliche Blog-<br />

Betreiber Christian Joachim Becker seinen<br />

ersten Blog schließen, nachdem die Medienanstalt<br />

Hamburg bei ihm vorstellig<br />

wurde. Sie reagierte aber aus Sicht der sich<br />

dort beschwerenden Verbandsbrüder recht<br />

zögerlich. Dies jedoch war zumindest ein<br />

kleiner Teilerfolg gegen den Hetzblog,<br />

hatte die Staatsanwaltschaft Hamburg eine<br />

Strafanzeige wegen Beleidigung damit abgelehnt,<br />

daß man Christian Becker nicht<br />

eindeutig als den Blog-Urheber identifizieren<br />

könne – obwohl er in nahezu sämtlichen<br />

Medien Deutschlands öffentlich als Blogmacher<br />

auftrat. In derartigen Haarspaltereien<br />

offenbart sich exemplarisch das seltsame<br />

Rechtsverständnis einiger Staatsanwaltschaften.<br />

Widerspruch, Richtigstellung<br />

und Gegendarstellung<br />

Gibt es also einen presserechtlich Verantwortlichen<br />

– dies ist entweder der Redakteur<br />

oder der im Impressum Genannte,<br />

meist Chefredakteur oder Herausgeber –<br />

besteht die Möglichkeit, einen Widerspruch,<br />

eine Richtigstellung oder eine Gegendarstellung<br />

durchzusetzen. Darüber<br />

hinaus besteht auch ein Unterlassungsan-<br />

128 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />

spruch. Welche der genannten Vorgehensweisen<br />

man nun favorisiert, kommt auf den<br />

Einzelfall an. Wichtig ist hierbei stets, daß<br />

sich gegen eine Falschbehauptung, also<br />

eine unwahre Tatsachenbehauptung gewehrt<br />

wird. Gegen eine Meinung, beispielsweise<br />

eine Wertung, kann nicht vorgegangen<br />

werden. Wenn ZEIT Online beispielsweise<br />

schreibt: „Die Deutsche Burschenschaft<br />

ist auf einen ultrarechten Kern<br />

geschrumpft, der extreme Positionen bezieht“,<br />

so ist das zwar auf den ersten Blick<br />

eine Tatsachenbehauptung, aber der wertende<br />

Anteil im Rahmen einer Meinung<br />

überwiegt. Denn was ist „ultrarechts“? Aus<br />

Sicht der Linken schon die CSU! Wenn die<br />

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi erklärt,<br />

in der Deutschen Burschenschaft<br />

finde sich eine „zunehmend völkische und<br />

großdeutsche Programmatik“, so ist das<br />

zwar absurd, aber eine zulässige Wertung<br />

im Sinne der Meinungsfreiheit. Selbst die<br />

Äußerung ein Burschenschafter „bereite in<br />

Prag die Gründung einer rechtsextremen<br />

Studentenpartei vor“ wurde vor Gericht als<br />

Meinung gewertet, wenngleich auch explizit<br />

als substanzlose. Selbst der Laie erkennt<br />

an den genannten Beispielen bereits, daß<br />

die Abwägung zwischen Tatsachenbehauptung<br />

und Meinung durchaus diffizil ist. Da<br />

in der Regel extrinsisch motivierte Richter<br />

eine Entscheidung zu treffen haben, dürfen<br />

subjektive Beweggründe wie öffentlicher<br />

Druck, der „Kampf gegen rechts“ et cetera<br />

nicht vergessen werden. Welcher Richter<br />

möchte schon von den sich diesem Kampf<br />

verschriebenen Medien an den Pranger gestellt<br />

und als jener diffamiert werden, der<br />

vermeintlichen Rechten auch noch juristisch<br />

Recht gibt und damit ihrer „ungehörigen“<br />

Meinung eine Existenzberechtigung – ja,<br />

eine Legimitation – verschafft? Welcher<br />

Richter möchte dafür seine Karriere und<br />

sein soziales Ansehen ruiniert wissen? Dies<br />

geschah bereits vielfach: So wurden Richter<br />

für „unliebsame“ Urteilssprüche aus dem<br />

Staatsdienst entlassen, man erinnere sich<br />

an den Fall Ortleb Mitte der 1990er Jahre.<br />

So gilt es den Rechtsstaat zwar grundsätzlich<br />

nicht in Frage zu stellen, man fragt sich<br />

aber bei nicht wenigen Urteilen – insbesondere<br />

bei politischen Prozessen – ob die<br />

Richter ihren Spielraum nicht überzogen<br />

haben und zumindest partiell die sogenannte<br />

„Schweinehund“-Theorie greift:<br />

Gemäß dieser steht das Urteil bereits vor<br />

der Verhandlung fest, denn der zu Verurteilende<br />

hat aus gesellschaftlicher Perspektive<br />

„schuldig“ zu sein. Im Rahmen des Prozesses<br />

ist dies dann lediglich folgend herzuleiten.<br />

Möchte man also eine Gegendarstellung<br />

veröffentlicht wissen, muß diese durch den<br />

Betroffenen schriftlich verlangt und persönlich<br />

unterzeichnet werden sowie in engem<br />

zeitlichen Zusammenhang mit der beanstandeten<br />

Berichterstattung erfolgen. Weiterhin<br />

darf sie ausschließlich die kritisierte<br />

Tatsachenbehauptung angreifen und nur<br />

das richtigstellen, was falsch ist. Es empfiehlt<br />

sich hier dringend, einen versierten<br />

Rechtsanwalt zu konsultieren. Wie man es<br />

nicht macht, zeigte vor einigen Jahren ein<br />

ehemaliger Verbandsbruder, der den <strong>Burschenschaftliche</strong>n<br />

<strong>Blätter</strong>n eine Gegendarstellung<br />

zukommen ließ, die über drei Seiten<br />

lang war, drei Monate nach Erscheinen<br />

des vorherigen Heftes zugestellt wurde und<br />

noch nicht einmal persönlich unterschrieben<br />

war – und das von einem Doktor der<br />

Jurisprudenz.<br />

Es könnte sich daher empfehlen, die betreffenden<br />

Redaktionen bereits vor Übermittlung<br />

der Gegendarstellung zu kontaktieren<br />

und beispielsweise fernmündlich um eine<br />

Korrektur der entsprechenden Behauptungen<br />

zu bitten. Dies dürfte bei nicht feindlich<br />

gesonnenen Medien in vielen Fällen ausreichen.<br />

Aber bei Publikationen, die seit Jahren<br />

gegen Burschenschaften hetzen, dürfte<br />

dieses Vorgehen nicht erfolgversprechend<br />

sein. So machte der Verband eine im Rheinland<br />

befindliche Tageszeitung darauf aufmerksam,<br />

daß sie mehrere falsche Tatsachenbehauptungen<br />

veröffentlicht habe.<br />

Sinngemäß antwortete der Justitiar der Zeitung,<br />

sollte der Verband eine Gegendarstellung<br />

gerichtlich durchsetzen, werde<br />

man in Folge noch größer und noch kritischer<br />

über den Verband berichten. Die damalige<br />

Vorsitzende beschloß, auf ein weiteres<br />

Vorgehen zu verzichten.<br />

So ist die Durchsetzung der Wahrheit ein<br />

schwieriges Unterfangen und wird oftmals<br />

Opfer von Prozeßstrategien der Medien.<br />

Denn eine Zeitung veröffentlicht grundsätzlich<br />

ungern Korrekturen – noch weniger<br />

gerne freilich gerichtlich durchgesetzte Gegendarstellungen.<br />

Weiters darf nicht vergessen<br />

werden, daß auf den gegnerischen<br />

Seiten in der Regel erfahrene Medienanwälte<br />

sitzen. So ist das Prozeßkostenrisiko<br />

nicht unerheblich und kann je nach Streitwert<br />

und Instanz selbst bei einzelnen<br />

Falschbehauptungen im niedrigen fünfstelligen<br />

Bereich enden.<br />

Der Fall Weidner<br />

Mein Bundesbruder Norbert Weidner (ABB<br />

Raczeks Bonn) geht beispielsweise als besonders<br />

häufig von Falschbehauptungen<br />

Betroffener bereits seit zwei Jahren offensiv<br />

gegen verschiedenste Medien vor. Jüngst<br />

erzielte er Richtigstellungen und Korrekturen<br />

bei ZEIT online, der TAZ, den Nürnberger<br />

Nachrichten, der Legal Tribune, dem<br />

Netz gegen Nazis und dem WDR. Auch die<br />

Burschenschaft der Rheinfranken konnte<br />

jüngst die weitere Veröffentlichung von Aktivenfotos<br />

in einer hessischen Tageszeitung<br />

erfolgreich juristisch untersagen lassen. Es<br />

lohnt sich also, den Kampf aufzunehmen.<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Richtigstellung in der „taz“.<br />

Die obigen Ausführungen stellen indes dar,<br />

wie schwer es in einem freien und demokratischen<br />

Land ist, Recht zu bekommen.<br />

Das soll allerdings im Umkehrschluß nicht<br />

heißen, man solle besser nicht gegen falsch<br />

berichtende Medien vorgehen. Im Gegenteil:<br />

Jeder Bund – und natürlich auch der<br />

Verband selbst – sollten regelmäßig gegen<br />

Falschbehauptungen zu Felde ziehen. Allerdings<br />

bedarf es dazu – abhängig vom aktuellen<br />

Fall – einer jeweils genauen Abwägung,<br />

ob ein mitunter kostenintensiver Prozeß<br />

Erfolgsaussichten hat. Daneben sollte<br />

man sich ohnehin vorab eine Pressestrategie<br />

für den eigenen Bund überlegen. So<br />

sind Leserbriefe, Pressemeldungen et cetera<br />

günstige Möglichkeiten, um sich ins<br />

rechte Bild zu rücken – wenngleich freilich<br />

medial nicht vergleichbar mit einer Gegendarstellung.<br />

Wenn also beispielsweise ein<br />

auf der Facebook-Fanseite des Verbandes<br />

veröffentlichter Zehnzeiler über die „Wanderung“<br />

auf die Wartburg mit anschließender<br />

Intonierung des Liedes „Die Gedanken<br />

sind frei“ im Rahmen des vergangenen Burschentages<br />

Zugriffsraten von über 20.000<br />

Lesern erreicht, sieht man daran, daß es<br />

auch noch andere – günstige und für jedermann<br />

erlernbare – Wege gibt, öffentliche<br />

Positionierungen abzugeben.<br />

Raphael Thiermann<br />

(Germania Hamburg 2011, Raczeks Breslau<br />

zu Bonn 2013)<br />

Hinweis: Hierbei handelt es sich um<br />

eine Betrachtung des Presserechts aus<br />

bundesrepublikanischer Perspektive.<br />

Eine österreichische Sicht wäre bei<br />

Gelegenheit zu ergänzen!<br />

Heft 4 - <strong>2014</strong> 129


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />

Einheit und Freiheit – Vorgeschichte und Entwicklung<br />

der Grundrechte in Deutschland seit<br />

Beginn des 19. Jahrhunderts<br />

Von Helma Brunck<br />

Ideengeschichtliche Wurzeln der Grundund<br />

Freiheitsrechte gehen zurück auf Ansätze<br />

dazu bei den Philosophen der griechischen<br />

und römischen Antike, so bei<br />

der Stoa und bei den Sophisten. Auch<br />

Platon (427-347 v. Chr.), Aristoteles<br />

(384–322 v. Chr.) und der bedeutende römische<br />

Staatsmann, Redner und Publizist<br />

Cicero (106–43 v. Chr.) haben sich mit<br />

den Grundrechten auseinandergesetzt.<br />

Bekanntestes Beispiel aus dem Mittelalter<br />

ist die englische „Magna Charta (libertatum)“,<br />

die „Große Urkunde der<br />

Freiheiten“ vom 15. Juni 1215, eine verfassungsähnliche<br />

Urkunde zur Wiederbelebung<br />

und Erweiterung älteren Rechts<br />

und zur Sicherung des Feudalsystems gegen<br />

Übergriffe des Königtums, wobei<br />

das Recht auf Leben und Eigentum im<br />

Mittelpunkt stand. Sogenannte staatlich<br />

verbriefte Rechte für jeden Menschen<br />

bzw. für jeden Staatsbürger wurden jedoch<br />

erst im Zeitalter der Aufklärung thematisiert<br />

und gemeinsam mit dem bürgerlichen<br />

Verfassungsstaat der Moderne<br />

entwickelt.<br />

Seit dem 17. Jahrhundert wurde das<br />

neuzeitliche Naturrecht zu einem entscheidenden<br />

Kernpunkt innerhalb der Rechtsentwicklung.<br />

Im Zeitalter der Aufklärung<br />

fanden Gelehrte, schwerpunktmäßig aus<br />

West- und Mitteleuropa, ein breites Forum<br />

für ihre Interpretation zu den Grundfrei -<br />

heiten des Menschen sowie zu den Grundrechten.<br />

So erhob, nachdem bereits<br />

Erasmus von Rotterdam (1466–1536) die<br />

Willensfreiheit des Menschen als Urgrund<br />

humaner Kultur definiert hatte, der niederländische<br />

Jurist, Diplomat und Publizist<br />

Hugo Grotius (1583–1645) neben dem Naturrecht<br />

das Völkerrecht (ius gentium) zum<br />

Hauptprinzip der Menschheit. In seinem<br />

Hauptwerk „De jure belli ac pacis“ von<br />

1625 legte er die rechtlichen Grundlagen<br />

der internationalen Beziehungen und sogar<br />

legitime Kriegsgründe fest, forderte aber<br />

auch zur Toleranz aller positiven Religionen<br />

auf. Neben dem Niederländer Hugo Grotius<br />

waren vor allem zwei Engländer Protagonisten<br />

der Freiheitsrechte: Thomas Hobbes<br />

(1588–1679), zu dessen bekanntesten<br />

Werken der „Leviathan“ (1651) gehört, sowie<br />

John Locke (1632–1704) mit seinem<br />

staatsphilosophischen Hauptwerk „Two<br />

treatises of government“ (1690). In Lockes<br />

Lebenszeit fielen die 1689 verkündeten<br />

Dinghofer-Symposium 2013 aus der Veranstaltungsreihe „Res Publica“:<br />

„Die Verfassung im Wandel der Zeit“ und zur Verleihung der Franz-Dinghofer-<br />

Medaille am 18. Oktober 2013 in Wien. Podium v. links: Professor Dr. Christian<br />

Neschwara, Hans Achatz, Dr. Helma Brunck<br />

Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/Mike Ranz<br />

„Bill of Rights“. Hauptsächliche Punkte waren<br />

die Eigentums- und Freiheitsgarantie<br />

durch den Staat. Unter den Franzosen<br />

zeichneten sich während der Zeit der Aufklärung<br />

insbesondere Montesquieu<br />

(1689–1755) und Voltaire (1694–1778) in<br />

der Diskussion um die Grundrechte aus.<br />

Montesquieu sprach vor allem die Grundbedürfnisse<br />

des Menschen an, darunter das<br />

Bedürfnis nach freier Entfaltung der Persönlichkeit<br />

und nach der Freiheit der Person,<br />

die auch Voltaire in seinen Werken betonte.<br />

Der Schweizer Jean Jaques Rousseau<br />

(1712–1778) wurde mit seiner Forderung<br />

nach Volkssouveränität zum Protagonisten<br />

moderner Demokratien. Berühmtes Zitat<br />

aus seinem Werk „Gesellschaftsvertrag“,<br />

Buch I, Kap. 1.1: „Der Mensch ist frei geboren,<br />

und überall liegt er in Ketten“. Von<br />

deutscher Seite aus wurde besonders<br />

durch Immanuel Kant (1724–1804) der moderne<br />

Staatsbegriff definiert. In seinen<br />

staatstheoretischen Werken gab Kant zu<br />

verstehen, daß vor allem die Vernunft die<br />

oberste Hüterin der menschlichen Freiheit<br />

sei. Gegen Ende des Ancien régime, ausgelöst<br />

durch den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg,<br />

besiegelt durch die Unabhängigkeitserklärung<br />

der befreiten nordamerikanischen<br />

Staaten vom 4. Juli 1776<br />

und die Virginia Bill of Rights, verabschiedet<br />

am 12. Juni 1776 als erste katalogisierte<br />

Aufstellung von Menschenrechten in<br />

die verbindliche Form des positiven Rechts<br />

gegossen, folgte 1787 die Unionsver -<br />

fassung, hervorgegangen aus freiheitlichen<br />

Überlieferungen puritanischer Sekten und<br />

aus der Aufklärungsphilosophie des 18.<br />

Jahrhunderts, die durch nachträgliche Zusatzartikel<br />

im Jahr 1791 um eine Menschenrechtserklärung<br />

erweitert wurde. Durch die<br />

Französische Revolution bekamen die Menschenrechte<br />

auch in Europa eine größere<br />

Bedeutung. Die Diskussion um die Menschenrechte<br />

zog sich durch alle gesellschaftlichen<br />

Schichten hindurch. In der das<br />

egalitäre Prinzip der Demokratie unterstreichenden<br />

französischen Verfassung von<br />

1791 wurden in Artikel 1 diese Rechte definiert<br />

als „Freiheit“, „Eigentum“, „Sicherheit“<br />

und „Widerstand gegen unterdrückende<br />

Maßnahmen“.<br />

In Deutschland entwickelten sich während<br />

der Phase des Konstitutionalismus‘ der<br />

Neuzeit die Grundrechte erst langsam. Verantwortlich<br />

dafür war das frühe deutsche<br />

Naturrecht der Neuzeit. Samuel von Pufendorf<br />

(1632–1694) hatte erstmals die Idee einer<br />

natürlichen Freiheit des Menschen im<br />

deutschen Naturrecht behandelt. Ausgangspunkt<br />

Pufendorfs war der Mensch im<br />

130 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />

sogenannten Naturzustand, frei von gesellschaftlichen<br />

Bindungen, dem Pufendorf<br />

eine unveräußerliche Würde zuerkannte,<br />

die sich allein aus der Natur des Menschen<br />

ergeben sollte, da dieser die Gabe der Vernunft<br />

und des freien Willens besaß und sich<br />

– anders als die anderen Lebewesen – ein<br />

Urteil über „gut“ und „böse“ bilden<br />

konnte. Jeder sollte aber den anderen in<br />

gleicher Weise ansehen und behandeln. Im<br />

sogenannten „status naturalis“ bestand<br />

zwar eine natürliche Freiheit, dennoch war<br />

der Mensch in diesem Zustand hilflos, daher<br />

war der Staat als ordnende Institution<br />

erforderlich. Darauf aufbauend entwickelte<br />

Christian Thomasius (1655–1728) ein<br />

Staatsverständnis zur Stärkung der Souveränität<br />

des Landesfürsten. Dieser sollte die<br />

Glückseligkeit des einzelnen regeln, die individuellen<br />

und die gesellschaftlichen Interessen<br />

sollten dabei berücksichtigt, aber<br />

ausgeglichen werden. Das Naturrecht<br />

wurde bei ihm zur Frage der inneren Vernunft,<br />

das positive Recht war bindend und<br />

das natürliche Recht galt als Gewissensverpflichtung.<br />

Somit schwächte Thomasius<br />

auch wieder die Bindungskraft des Naturrechts.<br />

Christian Wolff (1679–1754), frühester<br />

Verfechter des modernen freiheitlichen<br />

Rechtsstaats, dennoch Kritiker einer modernen<br />

Demokratie unter Mitwirkung des<br />

aus seiner Sicht noch zu unreifen Volkes, ermöglichte<br />

dennoch erstmals eine ausführliche<br />

und nahtlos ineinandergreifende systematische<br />

Darstellung von Freiheitsrechten,<br />

wodurch er auch auf die nordamerikanischen<br />

Menschenrechtserklärungen einwirkte.<br />

Das deutsche Naturrecht war zwar<br />

nicht revolutionär, aber staatswandelnd.<br />

Anschließend waren Verbindungen zu Kant<br />

erklärbar.<br />

Nach der Auflösung des Heiligen Römischen<br />

Reiches Deutscher Nation im Jahr<br />

1806, in dem vor allem zwei Großmächte,<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Der damalige 3. Nationalratspräsident Martin Graf bei seiner Begrüßungsan -<br />

sprache.<br />

Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/<br />

Mike Ranz<br />

nämlich Habsburg<br />

und Preußen, miteinander<br />

rivalisiert<br />

hatten, kam es zur<br />

weit verbreiteten<br />

Fürstenwillkür in<br />

den einzelnen<br />

Kleinstaaten, vergleichbar<br />

mit einem<br />

Flickenteppich, den<br />

seit 1815 bis 1866<br />

in Frankfurt am<br />

Main die Bundesversammlung<br />

des<br />

Deutschen Bundes<br />

zusammenhielt. Der<br />

Deutsche Bund war<br />

kein Parlament im<br />

modernen Sinn,<br />

sondern ein Gesandtengremium<br />

von 39 souveränen<br />

Bundesstaaten, zu<br />

denen auch die vier<br />

Freien Städte<br />

gehörten. In einigen<br />

dieser Einzelstaaten<br />

fanden damals<br />

schon die ersten<br />

Diskussionen<br />

um eine Modernisierung<br />

der Verfassung<br />

unter besonderer<br />

Berücksichtigung<br />

von Grundrechten<br />

statt, so im<br />

damaligen Herzogtum<br />

Nassau (heute<br />

zum Bundesland<br />

Hessen gehörend). Freiherr vom Stein<br />

(1757–1831) als einer der ersten Wortführer<br />

hatte damals großen Anteil am Zustandekommen<br />

dieser Verfassung, und er wurde<br />

unterstützt von jungen Leuten, die sich entweder<br />

zu den damaligen „Deutschen Gesellschaften“,<br />

zum Hoffmann’schen Bund<br />

sowie zu den ersten Burschenschaften beziehungsweise<br />

zu den „Gießener<br />

Schwarzen“ bekannten. Deren Hauptvertreter,<br />

die Brüder August Adolf und Karl<br />

Follen, nahmen weitestgehend Einfluß auf<br />

die Verfassungsentwicklung, vor allem in<br />

Nassau und in Hessen-Darmstadt. Sie fühlten<br />

sich wie die Anhänger der am 12. Juni<br />

1815 in Jena gegründeten Deutschen Burschenschaft<br />

ganz dem freiheitlichen Geist<br />

verpflichtet. Die Burschenschafter waren<br />

beeinflußt durch die Spätfolgen der Französischen<br />

Revolution und die daraus resultierende<br />

Rechts- und Verfassungsentwicklung,<br />

forderten die nationale Einheit<br />

Deutschlands, die Beseitigung von Partikularismus<br />

und Selbstherrlichkeit der Souveräne,<br />

die Partizipation des Volkes und die<br />

sogenannte „Preßfreiheit“. Das waren alles<br />

Optionen, die später, in den Jahren<br />

1848/49, in den Mittelpunkt rückten.<br />

Die Dinghofer-Medaille.<br />

Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/Mike Ranz<br />

1817 jährte sich zum 300. Mal das Reformationsfest,<br />

was die Jenaischen Studenten<br />

dazu veranlaßte, die Wartburg zum Schauplatz<br />

des ersten deutschen Nationalfestes<br />

zu wählen. Der eigentliche Grund war jedoch<br />

der vierte Jahrestag der Leipziger<br />

Völkerschlacht, daher die Festlegung auf<br />

Heft 4 - <strong>2014</strong> 131


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

den 18./19. Oktober 1817. Das Wartburgfest<br />

sollte ursprünglich keine politische Veranstaltung<br />

sein, sondern dem gegenseitigen<br />

freundschaftlichen Austausch und dem<br />

geselligen Beisammensein „vaterländischer“<br />

Hochschulen dienen. Ein Volksfest,<br />

vergleichbar mit dem Hambacher Fest mit<br />

etwa 20.000-30.000 Besuchern, war es<br />

auch nicht, denn es nahmen insgesamt<br />

etwa nur 500 Studenten (von damals insgesamt<br />

8.500 an deutschen Hochschulen immatrikulierten)<br />

teil, die von allen Hochschulen<br />

Deutschlands angereist waren. Das Einladungsschreiben<br />

hatte gewisse Einschränkungen<br />

verlauten lassen, denn es richtete<br />

sich an die protestantischen deutschen<br />

Hochschulen. Die katholischen Universitäten<br />

sowie Wien und Graz waren nicht eingeladen.<br />

Zu den Hauptakteuren und wichtigsten<br />

Festrednern gehörten Heinrich Hermann<br />

Riemann (1793–1872), vormals Teilnehmer<br />

an den Befreiungskriegen und Ritter<br />

des Eisernen Kreuzes, der Philosophie-<br />

Burkhard Mötz für den Preisträger ,Deutsche Burschenschaft’ am Rednerpult.<br />

Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/<br />

Mike Ranz<br />

und Theologie student Ludwig Rödiger sowie<br />

Wilhelm Carové (1789– 1852), der später<br />

auch im Vorparlament von 1848 saß und<br />

somit weitreichenden Einfluß hatte, da er<br />

seine Erfahrungen vom Wartburgfest in die<br />

Paulskirchenversammlung mitnahm.<br />

Während des Festes wurde allmählich<br />

deutlich, daß hier doch politisch etwas bewegt<br />

werden sollte. Das kam schon in Reden<br />

zum Thema „Vaterland“ zum Ausdruck,<br />

mehr aber noch während einer spektakulären<br />

Bücherverbrennung von etwa 25-<br />

30 Werken (Makulaturbänden) mit angeblich<br />

„undeutschem“ Inhalt, darunter jener,<br />

in denen das Ancien régime sowie der Wiener<br />

Kongreß verherrlicht wurden. Den<br />

Flammen zum Opfer fiel auch der Code Napoléon<br />

als Symbol französischer Vorherrschaft.<br />

Der Wunsch nach Einheit und Freiheit<br />

Deutschlands stand im Mittelpunkt. Bedeutsam<br />

waren aber auch die Resultate<br />

dieses Festes: die Gründung der „Allgemeinen<br />

Deutschen Burschenschaft“ am 19.<br />

Oktober 1818 in Jena sowie die<br />

„Grundsätze und Beschlüsse des achtzehnten<br />

Octobers, gemeinsam beraten, reiflich<br />

erwogen, einmütig bekannt und den studierenden<br />

Brüdern auf anderen Hochschulen<br />

zur Annahme, dem gesamten Vaterlande<br />

aber zur Würdigung vorgelegt von<br />

den Studierenden<br />

zu Jena“. Als Heinrich<br />

Hermann Riemann,<br />

einer der<br />

Festredner vom Oktober<br />

1817, gemeinsam<br />

mit Karl<br />

Müller auf Anregung<br />

des Jenaer<br />

Historikers Luden<br />

diese „Grundsätze<br />

und Beschlüsse“<br />

1817 als politische<br />

Programmatik dieses<br />

Wartburgfestes<br />

verfaßte, die sowohl<br />

vom Anführer<br />

der radikalen<br />

„ G i e ß e n e r<br />

Schwarzen“, Karl<br />

Follen, als auch von<br />

Heinrich von Gagern,<br />

dem späteren<br />

Paulskirchenpräsidenten,<br />

mitdiskutiert<br />

und weiterentwickelt<br />

wurden, begann<br />

ein Meilenstein<br />

innerhalb der<br />

Geschichte der<br />

Grundrechte. Die<br />

„Grundsätze und<br />

Beschlüsse“ von<br />

1817 wurden offiziell<br />

nie verabschiedet,<br />

galten aber damals<br />

schon mehr als<br />

ein bloß studentisches Programm. Es war<br />

das erste geschlossene Programm des<br />

deutschen Liberalismus und ein wichtiger<br />

Anstoß zum deutschen Verfassungsstaat.<br />

Wesentliche Bestandteile sind nämlich neben<br />

den Forderungen nach deutscher Einheit<br />

die Thematisierung von Menschenund<br />

Bürgerrechten, von sozialen und gewerblichen<br />

Anliegen, wie zum Beispiel die<br />

Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />

Bauernbefreiung und die Forderungen<br />

nach wirtschaftlicher Freizügigkeit und Gewerbefreiheit.<br />

„Wir wollen uns der untersten<br />

Klassen der Gesellschaft umso lebendiger<br />

annehmen, je tiefer sie im Elend<br />

sind“. Dieser Aufruf aus den „Grundsätzen<br />

und Beschlüssen“ verdeutlicht die soziale<br />

Seite des Programms. Es waren Impulse,<br />

die auch die Frankfurter Reichsverfassung<br />

von 1848/49 später entscheidend prägten,<br />

worauf noch einzugehen ist. Schon hier ist<br />

ein Votum für bürgerliche Freiheit, Vorurteilslosigkeit<br />

und Anerkennung der wahren<br />

Menschenwürde erkennbar. Das waren die<br />

zentralen Leitgedanken dieses Festes.<br />

Deutlich geht aus den „Grundsätzen und<br />

Beschlüssen“ aber auch die klare Absage<br />

an Wien und Metternichs Politik hervor.<br />

Statt dessen wurden Forderungen nach politischer<br />

und wirtschaftlicher Einheit<br />

Deutschlands laut. So heißt es im „Grundsatz“<br />

Nr. 1 (K. I), der wie eine Präambel zu<br />

verstehen ist: „Ein Deutschland ist, und ein<br />

Deutschland soll sein und bleiben. Je mehr<br />

die Deutschen durch verschiedene Staaten<br />

getrennt sind, desto heiliger ist die Pflicht<br />

für jeden frommen und edlen deutschen<br />

Mann und Jüngling, dahin zu streben, daß<br />

die Einheit nicht verloren gehe und das Vaterland<br />

nicht verschwinde.“ Die nicht verabschiedeten,<br />

aber als Druck überlieferten<br />

„Grundsätze und Beschlüsse“ enthielten in<br />

ihren Formulierungen bereits Bestandteile,<br />

die in weitere deutsche Verfassungen Eingang<br />

fanden und dort fortentwickelt wurden.<br />

Sie bildeten eine Ausgangsbasis für<br />

die Frankfurter Reichsverfassung von 1849,<br />

die Weimarer Verfassung von 1919 und das<br />

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland<br />

von 1949. So wird in den „Grundsätzen<br />

und Beschlüssen“ schon die Glaubensund<br />

Religionsfreiheit angesprochen<br />

(„Grundsatz“ Nr. 6), die Gleichheit vor dem<br />

Gesetz und die Freiheit in den Grundsätzen<br />

Nr. 7 und in Nr. 19, die Freizügigkeit in Nr.<br />

11, das Eigentumsrecht in Nr. 20, das Freiheitsrecht<br />

im Sinne des heutigen Artikels 2<br />

GG in den „Grundsätzen“ Nr. 28 und 29,<br />

die Meinungs- und Pressefreiheit im<br />

„Grundsatz“ Nr. 31. Aber auch allgemeine<br />

rechtliche und politische Forderungen lagen<br />

dem Wartburgprogramm zugrunde.<br />

Neben dem bereits zitierten Grundsatz Nr.<br />

1, woraus deutlich die Vorstellung von der<br />

Zukunft Deutschlands hervorgeht, werden<br />

im „Grundsatz“ 32 (K 14) die Öffentlichkeit<br />

der Rechtspflege und der Schwurgerichtsbarkeit<br />

sowie die Schaffung eines einheitlichen<br />

Gesetzbuchs und die Abschaffung der<br />

Patrimonialgerichtsbarkeit gefordert. Weiterhin<br />

behandeln diese „Grundsätze und<br />

Beschlüsse“ des Wartburgfestes den Ausbau<br />

der deutschen Wehrkraft unter Förderung<br />

des Landwehrgedankens (Nr. 10), die<br />

Absage an die Ableistung des Kriegsdienstes<br />

bei einem bewaffneten Konflikt zwischen<br />

deutschen Staaten (Nr. 9) sowie die<br />

Ablehnung jedes Amtes in der Geheimpolizei,<br />

in gesetzeswidrigen, außerordentlichen<br />

132 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />

Kommissionen oder bei der Bücherzensur<br />

(Nr. 34). Als Staatsform wurde eine konstitutionelle<br />

Monarchie mit einer landständischen<br />

Verfassung und Ministerverantwortlichkeit<br />

bei Abschaffung aller Privilegien<br />

vorgeschlagen. Die Absage an den damaligen<br />

Partikularismus in Deutschland wurde<br />

um so deutlicher, als im Grundsatz 5 die<br />

Lehre von der Spaltung Deutschlands in<br />

Nord- und Süddeutschland als „irrig“,<br />

„falsch“ und „verrucht“ bezeichnet wurde.<br />

Diese Impulse kamen in gebündelter Form<br />

aus der frühen Burschenschaftsbewegung,<br />

die durch ihre oppositionelle Haltung gegenüber<br />

der napoleonischen Fremdherrschaft<br />

und durch die siegreich verlaufenden<br />

Befreiungskriege ein Selbstwertgefühl entwickelt<br />

hatte, das ihr die Fähigkeit verlieh,<br />

allmählich politisches Bewußtsein und das<br />

Vaterland als Wertbegriff auch in die bürgerliche<br />

Gesellschaft einfließen zu lassen.<br />

Dabei wurden die jungen Akademiker unterstützt<br />

von namhaften Professoren aus<br />

Jena und geistigen Wegbereitern, wie u. a.<br />

Ernst Moritz Arndt (1769–1860), Johann<br />

Gottlieb Fichte (1762–1814), Friedrich Ludwig<br />

Jahn (1778–1852), Heinrich Luden<br />

(1778–1847), Lorenz Oken (1779–1851), Jakob<br />

Friedrich Fries (1773–1843), Dietrich<br />

Georg Kieser (1779–1862) sowie von Karl<br />

Follen, dem Dozenten aus Gießen, der<br />

auch der Anführer der besonders radikalen<br />

Gießener Schwarzen war. Einige der Genannten<br />

waren später in der Nationalversammlung<br />

in der Frankfurter Paulskirche<br />

vertreten, brachten dort ihre Ideen ein und<br />

entwickelten sie weiter.<br />

Auch wenn das Wartburgfest einen nachhaltigen<br />

Eindruck hinterlassen hatte, besaßen<br />

die „Grundsätze und Beschlüsse“<br />

trotz überzeugender Formulierung<br />

zunächst keine Breitenwirkung und wurden<br />

durch die Karlsbader Beschlüsse von 1819<br />

im Keim erstickt. Die große Resonanz beim<br />

Hambacher Fest 1832 mit insgesamt zwischen<br />

20.000 und 30.000 Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmern (ein Vielfaches der Wartburgfestbesucher<br />

also), begleitet von der<br />

Erhebung der Farben Schwarz-Rot-Gold zu<br />

den deutschen Nationalfarben, waren jedoch<br />

Lichtblicke für die Zukunft. Einige der<br />

Wartburgfestteilnehmer waren auch zum<br />

Hambacher Schloß gekommen, vor allem<br />

aber viele Vertreter der Liberalen der späteren<br />

Paulskirchenversammlung, unter ihnen<br />

Johann Adam von Itzstein, Karl von<br />

Rotteck und Karl Theodor Welcker, die<br />

schon Ende 1831 ein neues badisches Pressegesetz<br />

konzipiert hatten, das im Widerspruch<br />

zu den Karlsbader Beschlüssen<br />

stand. Welcker stellte mit einer 150-seitigen<br />

Petition an die Bundesversammlung in<br />

Frankfurt die Pressefreiheit als Naturrecht<br />

dar und meinte dazu: „Das beste Preßgesetz<br />

ist gar keines“.<br />

Am Frankfurter Wachensturm vom 3. April<br />

1833, einer sogenannten „Revolution vor<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

der Revolution“, waren Burschenschafter<br />

aus Frankfurt und Heidelberg sowie der<br />

näheren Umgebung beteiligt, aber auch<br />

spätere Paulskirchenabgeordnete wie Itzstein<br />

und der Marburger Professor und<br />

„Vater“ der Kurhessischen Verfassung Sylvester<br />

Jordan sowie vom Vorstand des<br />

Preß- und Vaterlandsvereins der Frankfurter<br />

Rechtsanwalt Gustav Peter Körner. Somit<br />

bestehen auch Querverbindungen von der<br />

Burschenschaft zur Paulskirchenversammlung.<br />

Der Wachensturm war unter anderem<br />

– politisch gesehen – ein Plädoyer für freie<br />

Presse und freie Rede und letztendlich gegen<br />

den in Frankfurt tagenden Bundestag<br />

(der Fürsten) gerichtet.<br />

In der Frankfurter Nationalversammlung<br />

saßen – von ihrem in der Heidelberger und<br />

Jenaischen Burschenschaft wurzelnden<br />

Präsidenten Heinrich von Gagern abgesehen<br />

– immerhin 169 Burschenschafter neben<br />

anderen Korporierten, darunter<br />

106–115 Alte Corpsstudenten, die zum<br />

Teil auch als Burschenschafter geführt wurden,<br />

unter den insgesamt etwa 585 Abgeordneten.<br />

Zu den Verdiensten dieser Nationalversammlung<br />

gehört die Verfassung<br />

des Deutschen Reiches vom 28. März 1849<br />

– nach Lothar Gall „die modernste Verfassung<br />

Europas, mit allgemeinem Wahlrecht,<br />

Judenemanzipation und Rechtsstaatlichkeit“<br />

unter Betonung der Grundrechte. Sie<br />

wurde mit knapper Mehrheit angenommen<br />

und bestand aus 197 Paragraphen. Zu den<br />

Von links: Preisträger Peter Wrabetz, 3. Nationalratspräsident Martin Graf und Preisträger die „Deutsche Burschenschaft“.<br />

Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/Mike Ranz<br />

Heft 4 - <strong>2014</strong> 133


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

dort enthaltenen Grundrechten wurde<br />

schon 1848 viel Vorarbeit geleistet. Das<br />

Vorparlament, dem auch Carové angehörte,<br />

hatte vor seinem Auseinandergehen<br />

am 4. April 1848 einen Fünfzigerausschuß<br />

gebildet, der in Abstimmung mit der<br />

Bundesversammlung die nun legalen<br />

Wahlen zur „Constituierenden Nationalversammlung“<br />

einleiten sollte. Noch am 4.<br />

April wurde ein Programm veröffentlicht,<br />

das auch einen Katalog „Grundrechte und<br />

Forderungen des deutschen Volkes“ enthielt,<br />

wobei sogar erstmals der Arbeitslosenschutz<br />

angesprochen wurde. Seit Beginn<br />

der Tagung der Nationalversammlung<br />

in der Paulskirche am 18.5.1848 lag<br />

ein Grundrechtskatalog vor. Dieser Grundrechtsteil<br />

wurde nach sechs Monaten, am<br />

20. Dezember 1848, als Teil der künftigen<br />

Reichsverfassung verabschiedet. Eine Verkündigung<br />

im Reichsgesetzblatt Nr. 8 vom<br />

28. Dezember 1848 sollte dafür eine Verbindlichkeit<br />

herstellen, was jedoch nicht in<br />

allen deutschen Ländern geschah (nicht in<br />

Preußen, Hannover und Bayern) und auch<br />

nicht in Österreich. Am 28. März 1849 wurden<br />

die Grundrechte von § 130 bis § 183<br />

(dazu sechs weitere Paragraphen) als Abschnitt<br />

VI. verbindlicher Bestandteil der<br />

Reichsverfassung. Die Grundrechte hatten<br />

in Frankfurt vorübergehend Gesetzeskraft<br />

und wurden am 23. August 1851 durch<br />

Bundesbeschluß aufgehoben. Die Aufbewahrung<br />

des Originals der Frankfurter<br />

Reichsverfassung ist übrigens dem damaligen<br />

Frankfurter Abgeordneten und<br />

Rechtsanwalt Dr. Friedrich Jucho, der zu<br />

den Führern der liberalen Bewegung in<br />

Frankfurt gehörte, zu verdanken. Jucho,<br />

seinerzeit auch aktiv in den Burschenschaften<br />

in Halle (1823), Jena (1824) und Gießen<br />

(1826), war Schriftführer und nahm nach<br />

der Auflösung des Paulskirchenparlaments<br />

die Urschrift der Reichsverfassung in Verwahrung.<br />

1854 wurde ihre Auslieferung<br />

verlangt, die Jucho aber verweigerte, weshalb<br />

er sich einem politischen Prozeß unterwerfen<br />

mußte. Das Original der Frankfurter<br />

Reichsverfassung rettete er nach<br />

England und schickte dieses im Jahr 1870<br />

an Eduard von Simson, den Präsidenten<br />

des Reichstages des Norddeutschen Bundes,<br />

der es später dem Archiv des Deutschen<br />

Reichstages übergab.<br />

In der Reichsverfassung von 1871 wurden<br />

die Grundrechte, bis auf das allgemeine<br />

und freie Wahlrecht, ausgeklammert, wenngleich<br />

ansonsten nach der Reichsgründung<br />

(mit erbkaiserlicher Spitze) zumindest eine<br />

Teilrealisierung der Vorstellungen von<br />

1848/49 erfolgte. Bismarck maß den Grundrechten<br />

des Volkes keine Bedeutung bei,<br />

was unter anderem auf seine Vorbehalte<br />

gegenüber der Revolution von 1848/49<br />

zurückzuführen ist. Eine weitgehend liberale<br />

Gesetzgebungspolitik sollte im Kaiserreich<br />

den rechtsstaatlichen Schutz der Bürger<br />

absichern, Grundrechte konnten nur<br />

auf dem ordentlichen Rechtsweg geltend<br />

gemacht und eingeklagt werden.<br />

Erst in der Weimarer Reichsverfassung von<br />

1919 tauchen die Grundrechte im Zweiten<br />

Hauptteil wieder auf. Die „Grundrechte<br />

und Grundpflichten der Deutschen“ (Art.<br />

109-181) sollten auch hier zunächst nicht<br />

aufgenommen werden, doch der Rat der<br />

Volksbeauftragten setzte diese durch. Die<br />

Weimarer Reichsverfassung stand auf unsicherem<br />

Boden. Grund dafür ist, daß der im<br />

späteren GG von 1949 eingeführte Passus<br />

des Artikel 79 „Änderungen des Grundgesetzes“,<br />

wo in Abs. II die Änderung der Zustimmung<br />

2/3 der Mitglieder des Bundestages<br />

und 2/3 der Stimmen des Bundesrates<br />

bedarf und wo nach Abs. III keine föderativen<br />

Interessen verletzt werden dürfen,<br />

damals fehlte. Somit war es während der<br />

NS-Zeit möglich geworden, die Weimarer<br />

Verfassung 1933 in sämtlichen verfassungsmäßigen<br />

Bestimmungen für ungültig zu erklären<br />

und die rechtsstaatlichen Grundlagen<br />

außer Kraft zu setzen. Die Grundrechte<br />

wichen somit der Hitler-Diktatur und der<br />

Menschenverachtung.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die<br />

Grundrechte zum wichtigsten Bestandteil<br />

unseres Grundgesetzes und daher ganz an<br />

den Anfang gestellt. In der Präambel des<br />

Grundgesetzes für die Bundesrepublik<br />

Deutschland vom 23. Mai 1949 wird auf die<br />

Verantwortung vor Gott und den Menschen<br />

verwiesen sowie auf die Wahrung der nationalen<br />

und staatlichen Einheit. Erstmals<br />

wurde die Würde des Menschen zum wichtigen<br />

Bestandteil der Verfassung erklärt. So<br />

lautet der Artikel 1 Abs. I des Grundgesetzes:<br />

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.<br />

Sie zu achten und zu schützen ist<br />

Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Das<br />

Bekenntnis des deutschen Volkes zu unverletzlichen<br />

und unveräußerlichen Menschenrechten<br />

als Grundlage jeder menschlichen<br />

Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit<br />

in der Welt geht aus Abs. II hervor<br />

und trägt den grausamen Erfahrungen<br />

mit der NS-Diktatur Rechnung. An folgenden<br />

Beispielen wird die Kontinuität seit<br />

1848, teilweise aber auch seit den<br />

„Grundsätzen und Beschlüssen“ von 1817<br />

deutlich:<br />

1. Zur Freiheit der Person<br />

In den „Grundsätzen und Beschlüssen des<br />

achtzehnten Octobers“ heißt es im Grundsatz<br />

Nr. 28 (K 13): „Das erste und heiligste<br />

Menschenrecht, unverlierbar und unveräußerlich,<br />

ist die persönliche Freiheit. Die<br />

Leibeigenschaft ist das Ungerechteste und<br />

Verabscheuungswürdigste, ein Greuel vor<br />

Gott und jedem guten Menschen…“<br />

Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />

In der Frankfurter Reichsverfassung von<br />

1849 heißt es in § 138 I/II: „Die Freiheit der<br />

Person ist unverletzlich. Die Verhaftung einer<br />

Person soll, außer im Falle der Ergreifung<br />

auf frischer That, nur geschehen in<br />

Kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen<br />

Befehls. Dieser Befehl muß im Augenblicke<br />

der Verhaftung oder innerhalb<br />

der nächsten vierundzwanzig Stunden dem<br />

Verhafteten zugestellt werden…“<br />

In der Weimarer Reichsverfassung (WRV)<br />

von 1919 steht dazu im Art. 114: „Die Freiheit<br />

der Person ist unverletzlich. Eine Beeinträchtigung<br />

oder Entziehung der persönlichen<br />

Freiheit durch die öffentliche Gewalt<br />

ist nur auf Grund von Gesetzen zulässig.<br />

Personen, denen die Freiheit entzogen<br />

wird, sind spätestens am darauffolgenden<br />

Tage in Kenntnis zu setzen, von welcher<br />

Behörde und aus welchen Gründen die Entziehung<br />

der Freiheit angeordnet worden<br />

ist; unverzüglich soll ihnen Gelegenheit gegeben<br />

werden, Einwendungen gegen ihre<br />

Freiheitsentziehung vorzubringen.“<br />

Im Grundgesetz (GG) der BRD heißt es in<br />

Art. 2 II: „Jeder hat das Recht auf Leben<br />

und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit<br />

der Person ist unverletzlich. In diese<br />

Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes<br />

eingegriffen werden.“<br />

2. Zum Gleichheitssatz<br />

In den „Grundsätzen“ von 1817 lautet Nr.<br />

7: „Alle Deutschen sind Brüder und sollen<br />

Freunde sein.“ Und im Grundsatz Nr. 19 (K.<br />

10) steht: „Freiheit und Gleichheit ist das<br />

Höchste, wonach wir zu streben haben, und<br />

wonach zu streben kein frommer und ehrlicher<br />

deutscher Mann jemals aufhören kann.<br />

Aber es gibt keine Freiheit als in dem Gesetz<br />

und durch das Gesetz, und keine<br />

Gleichheit als mit dem Gesetz und vor dem<br />

Gesetz.“<br />

FRV, § 137 III lautet: „Die Deutschen sind<br />

vor dem Gesetz gleich.“<br />

WRV, Art. 109 I: „Alle Deutschen sind vor<br />

dem Gesetz gleich.“<br />

GG, Art. 3: „Alle Menschen sind vor dem<br />

Gesetz gleich.“<br />

3. Zur Glaubens- und<br />

Gewissens freiheit<br />

„Grundsätze“ Nr. 6: „Die Lehre von der<br />

Spaltung Deutschlands in das katholische<br />

und das protestantische Deutschland ist irrig,<br />

falsch und unglückselig… Wir Deutsche<br />

haben alle einen Gott, an den wir glauben,<br />

einen Erlöser, den wir verehren, ein Vaterland,<br />

dem wir angehören. – Wenn wir im<br />

Sinne dieser Einheit fromm leben und ehrlich<br />

handeln, so hat keiner von uns den anderen<br />

zur Rechenschaft zu ziehen, und alle<br />

können alles dem Allerbarmer vertrauensvoll<br />

anheimgeben.“<br />

FRV, § 144: „Jeder Deutsche hat volle<br />

Glaubens- und Gewissensfreiheit. Niemand<br />

ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung<br />

zu offenbaren.“<br />

134 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />

WRV, Art. 135: „Alle Bewohner des Reichs<br />

genießen volle Glaubens- und Gewissensfreiheit.<br />

Die ungestörte Religionsausübung<br />

wird durch die Verfassung gewährleistet<br />

und steht unter staatlichem Schutz.“ In Art.<br />

136, Abs. III heißt es dann weiter: „Niemand<br />

ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung<br />

zu offenbaren.“<br />

GG, Art. 4: „Die Freiheit des Glaubens, des<br />

Gewissens und die Freiheit des religiösen<br />

und weltanschaulichen Bekenntnisses sind<br />

unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung<br />

wird gewährleistet.<br />

4. Zur Meinungs- und Presse -<br />

freiheit<br />

In den „Grundsätzen“ Nr. 31 sieht man gerade<br />

am Anfang eine starke Ähnlichkeit zu<br />

späteren Formulierungen, wenn da steht:<br />

„Das Recht, in freier Rede und Schrift seine<br />

Meinung über öffentliche Angelegenheiten<br />

zu äußern, ist ein unveräußerliches Recht<br />

jedes Staatsbürgers, das ihm unter allen<br />

Umständen zustehen muß. Wo Rede und<br />

Schrift nicht frei sind, da ist überhaupt keine<br />

Freiheit, da herrscht nicht das Gesetz, sondern<br />

die Willkür. Wer das Recht des freien<br />

Gedankenverkehrs durch Rede und Schrift<br />

den Bürgern zu entziehen, zu verkümmern<br />

und wegzukünsteln sucht, der begeht Frevel<br />

an seinem Volk.“<br />

FRV, § 143: „Jeder Deutsche hat das Recht,<br />

durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung<br />

seine Meinung frei zu äußern. Die<br />

Pressefreiheit darf unter keinen Umständen<br />

und in keiner Weise durch vorbeugende<br />

Maßregeln, namentlich Zensur, Konzessionen,<br />

Sicherheitsbestellungen, Staatsauflagen,<br />

Beschränkungen der Druckereien oder<br />

des Buchhandels, Postverbote oder andere<br />

Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt,<br />

suspendiert oder aufgehoben werden.“<br />

WRV, Art. 118: „Jeder Deutsche hat das<br />

Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen<br />

Gesetze seine Meinung durch<br />

Wort, Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger<br />

Weise frei zu äußern. An diesem Rechte<br />

darf ihn kein Arbeits- oder Anstellungsverhältnis<br />

hindern, und niemand darf ihn benachteiligen,<br />

wenn er von diesem Rechte<br />

Gebrauch macht. Eine Zensur findet nicht<br />

statt.“ Interessant ist hierbei, daß – im Gegensatz<br />

zur FRV – hier in Abs. II ein einschränkender<br />

Passus eingefügt ist: „Auch<br />

sind zur Bekämpfung der Schund- und<br />

Schmutzliteratur sowie zum Schutz der Jugend<br />

bei öffentlichen Schaustellungen und<br />

Darbietungen gesetzliche Maßnahmen<br />

zulässig.“ Diese einschränkenden Bestimmungen<br />

sind auch wieder im GG der Bundesrepublik<br />

zu finden:<br />

GG, Art. 5: „Jeder hat das Recht, seine<br />

Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu<br />

äußern und zu verbreiten und sich aus<br />

allgemein zugänglichen Quellen unge -<br />

hindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit<br />

und die Freiheit der Berichterstattung<br />

durch Rundfunk und Film werden gewährleistet.<br />

Eine Zensur findet nicht statt. Diese<br />

Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften<br />

der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen<br />

Bestimmungen zum Schutz der<br />

Jugend und in dem Recht der persönlichen<br />

Ehre.<br />

5. Zum Eigentum<br />

„Grundsätze“ Nr. 20: „Alle Gesetze haben<br />

die Freiheit der Person und die Sicherheit<br />

des Eigentums zum Gegenstande…“<br />

FRV, § 164: „Das Eigenthum ist unverletzlich…“<br />

WRV, Art. 153: „Das Eigentum wird von der<br />

Verfassung gewährleistet.“<br />

GG, Art. 14: „Das Eigentum und das Erbrecht<br />

werden gewährleistet.“<br />

Dieser Vergleich macht deutlich, daß unser<br />

seit 64 Jahren bewährtes Grundgesetz in<br />

wesentlichen Bestandteilen, vor allem wie<br />

hier in den Grundrechten, auf Elemente –<br />

fast wortgetreu – sowohl der Paulskirchenals<br />

auch der Weimarer Reichsverfassung, in<br />

einer Reihe von Ansätzen aber auch auf die<br />

„Grundsätze und Beschlüsse“ des burschenschaftlichen<br />

Wartburgfestes von 1817<br />

zurückzuführen ist. Gerade hieran ist bei aller<br />

Verschiedenheit der Verfassungsentwicklung<br />

in- und außerhalb Europas eine<br />

direkte Kontinuität zu erkennen.<br />

Die Grundrechte spielten in der ehemaligen<br />

„DDR“ eine besondere Rolle. In der<br />

„DDR“-Verfassung von 1949 war unter dem<br />

Kapitel „Bürgerrechte“ eine Vielzahl von<br />

Rechten genannt, die in ihren Formulierungen<br />

teilweise sehr große Ähnlichkeit mit<br />

den Grundrechten des Grundgesetzes der<br />

Bundesrepublik hatten, jedoch besaßen<br />

die Grundrechte dort bei weitem nicht dieselbe<br />

Bedeutung wie in Westdeutschland.<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

„Die DDR“-Verfassung gab keine Mechanismen<br />

vor, die eine Durchsetzung der Bürgerrechte<br />

als Freiheitsrechte gegenüber<br />

dem Staat garantierten. Der Grund dafür<br />

war, daß der Ausgangspunkt der „DDR“-<br />

Verfassung das sogenannte Prinzip der Gewalteneinheit<br />

war, eine Gewaltenteilung<br />

wurde damals als „bürgerlich“ abgelehnt.<br />

Eine von der Regierung unabhängige<br />

„dritte“ Gewalt war nicht vorgesehen, vielmehr<br />

diente die Rechtspflege durch die<br />

Gerichte der Lösung der Aufgaben der „sozialistischen<br />

Staatsmacht“ bei der Gestaltung<br />

der vom Sozialismus geprägten Gesellschaft.<br />

(Zum Vergleich: In der Verfassung<br />

von 1871 war zur Durchsetzung der<br />

bürgerlichen Rechte auch nur der Rechtsweg<br />

vorgesehen). Somit waren eine unabhängige<br />

Verfassungsgerichtsbarkeit sowie<br />

eine Verwaltungsgerichtsbarkeit von der<br />

DDR-Verfassung bewußt nicht vorgesehen,<br />

und bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit<br />

von Rechtsvorschriften entschied die<br />

Volkskammer. Es herrschten im Gegensatz<br />

zur Bundesrepublik ganz andere Vorstellungen<br />

zum Verhältnis von Mensch und Staat<br />

in der ehemaligen „DDR“, was sich auch in<br />

der dortigen Verfassung niederschlug. Den<br />

Grundrechten kam zwar darin auch ein Vorrang<br />

zu, wobei jedoch mit den Grundrechten<br />

immer auch zugleich die Grundpflichten<br />

der Bürgerinnen und Bürger genannt<br />

wurden, was im GG der Bundesrepublik<br />

(mit Ausnahme der elterlichen Pflichten und<br />

dem Eigentum) so nicht vorgegeben ist. Im<br />

GG steht die Würde des Menschen am Anfang,<br />

der Staat ist demnach um des Menschen<br />

willen da, nicht umgekehrt. Demgegenüber<br />

wurde in der „DDR“ die Bedeutung<br />

der Grundrechte und –pflichten immer<br />

in Verbindung mit der Aufgabe der<br />

Bürger(-innen), i.e.S. mit dem Aufbau der<br />

sozialistischen und kommunistischen Gesellschaft<br />

gebracht. Nicht die Verwirklichung<br />

des Individuums war das große Ziel,<br />

sondern die Verwirklichung des Kommunismus.<br />

Somit kann man auch hier von einer<br />

Instrumentalisierung der Grundrechte ausgehen.<br />

Unsere Autorin Dr. Helma Brunck ist freiberufliche Historikerin.<br />

Im Jahr 1996 promovierte sie an der Johannes-Gutenberg-Universität<br />

Mainz mit dem Thema „Die Entwicklung der Deutschen<br />

Burschenschaft in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus.<br />

– Eine Analyse – “. In erweiterter Form erschien ihre Dissertation<br />

1999 mit dem Titel „Die Deutsche Burschenschaft in der<br />

Weimarer Republik und im Nationalsozialismus“. In Zusammenarbeit<br />

mit der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung<br />

in Wiesbaden liegen zahlreiche Veröffentlichungen vor. Der vorliegende<br />

Aufsatz ist die Wiedergabe ihres Vortrags auf einem<br />

Symposium des Dinghofer-Instituts am 18. Oktober 2013 in Wien<br />

zum Thema „Die Verfassung im Wandel der Zeit“. Bereits im Jahr<br />

1999 erschien zum Thema in den BBl ihr Aufsatz „Von der Wartburgfeier<br />

über die Paulskirche zum Grundgesetz – Ein Rechtsvergleich<br />

mit Beispielen“. Ein darauf basierendes Faltblatt wurde<br />

am 17. Mai <strong>2014</strong> in einer Presseveröffentlichung der DB herausgegeben<br />

(Vergleiche: Deutsche Burschenschaft – Presse – Aktuelles).<br />

Heft 4 - <strong>2014</strong> 135


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Berliner Burschenschafter gedachten<br />

Mauerfall-Jubiläum<br />

Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />

Rund 150 Burschenschafter und befreundete<br />

Korporierte trafen sich am 1.<br />

November <strong>2014</strong>, um dem 25jährigen Jubiläum<br />

des Mauerfalls im Rahmen eines<br />

Kommerses zu gedenken. Die Veranstaltung<br />

fand im Logenhaus in der Petervon-Lenné-Straße<br />

in Berlin-Dahlem<br />

statt. Eingeladen hatte die Vereinigung<br />

Alter Burschenschafter Berlin. Es chargierten<br />

die Berliner Burschenschaften<br />

Gothia, Thuringia, Germania und der<br />

Märker sowie die Katholische Studentenverbindung<br />

Askania-Burgundia.<br />

Durch den Kommers führte Torsten<br />

Lüdtke (Märker Berlin, Germania Berlin),<br />

der auch an die Geschichte der Berliner<br />

Mauer erinnerte.<br />

Die erste Ansprache hielt Siegfried Gleißner<br />

(Arminia Marburg), ehemals Oberpfarrer<br />

beim Bundesgrenzschutz. Er erinnerte<br />

in seinem geistlichen Wort an das Spruchband,<br />

das einst bei den Feiern zum Sedantag<br />

das damals offene Brandenburger Tor<br />

zierte: „Welch eine Wendung durch<br />

Gottes Fügung!“ Gleißner wollte nun wissen:<br />

„Wirkte Gott auch bei der Wende<br />

mit?“ Damit warf er eine Frage auf, die der<br />

bedeutende katholische Theologe Eugen<br />

Biser (1918–1924) schon vor 25 Jahren<br />

glaubte beantworten zu können. „Ja“, so<br />

Biser; der 9. November 1989 sei ein „Werk<br />

Gottes“ und ein „Zeichen göttlichen Wirkens“.<br />

Für den Protestanten Gleißner ist,<br />

so wurde bei seinem Vortrag deutlich – die<br />

Sache nicht so eindeutig. Dass Gott direkt<br />

in die Geschichte eingreife, verneinte er.<br />

„Gott wirkt durch die Menschen“, sagte<br />

er. Dann erinnerte er, wie Christen den<br />

Freiraum der evangelischen Kirche für ihre<br />

Opposition gegen das „DDR“-Regime<br />

nutzten. Aus den Kirchen sei der Protest<br />

auf die Straße hinausgetragen worden und<br />

habe die Mauer zu Fall gebracht.<br />

Anschließend sprach Eberhard Diepgen<br />

(Saravia Berlin) in seiner Festrede über<br />

„1989 – Die Deutschen und ihren Umgang<br />

mit der Geschichte“. Der ehemalige Regierende<br />

Bürgermeister von Berlin wies<br />

darauf hin, dass es zwei Feiertage gebe,<br />

an denen der Ereignisse rund um die Wiedervereinigung<br />

gedacht werde: Der 3. Oktober<br />

und der 9. November. Diepgen zitierte<br />

Helmut Kohl, der ihm auf seine<br />

Frage: „Warum der 3. Oktober?“ die Antwort<br />

gegeben habe, daß da „das Wetter<br />

schöner“ sei. Diepgen überzeugte das<br />

nicht und so war seine Festrede ein flammendes<br />

Plädoyer für den 9. November als<br />

wahren Gedenktag. Er lobte die „Lichtgrenze“,<br />

eine Installation aus leuchtenden<br />

Luftballons entlang des Verlaufs der<br />

Mauer als „würdevolle“ und „gute Idee“<br />

des Berliner Senats zur Erinnerung an die<br />

Ereignisse vor einem Vierteljahrhundert.<br />

Die Feiern am 3. Oktober seien hingegen<br />

ein föderalistischer Wanderzirkus, der<br />

an bürokratischen Akt zum Anlaß habe.<br />

Er forderte die Deutschen und die<br />

Berliner dazu auf, sich nicht die Erinne -<br />

rungen an den glücklichsten Tag der jüngsten<br />

deutschen Geschichte nehmen zu<br />

lassen.<br />

Grußworte sprachen je ein Vertreter der<br />

Aachen-Dresdner Burschenschaft Cheruscia<br />

und der Burschenschaft Teutonia zu<br />

Jena.<br />

VAB zu Berlin e.V.<br />

136 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />

Gedenkveranstaltung zum Tag<br />

der Deutschen Einheit <strong>2014</strong><br />

Seit 1991 veranstaltete die Vereinigung alter Burschenschafter<br />

(VaB) Salzgitter ihre traditionelle Feierstunde mit<br />

festlicher Kneipe zum Tages der Deutschen Einheit.<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Der Kommers stieg im Großen Saal des<br />

Hotels „Burgberg“, welcher mit regionalen<br />

Flaggen und selbstredend dem<br />

schwarz-rot-goldenem Banner der Deutschen<br />

Burschenschaft mit dem Zirkel und<br />

dem Wahlspruch „Ehre – Freiheit – Vaterland“<br />

geschmückt war.<br />

Mehr als 70 Korporierte, meist Burschenschafter<br />

aus der Welfenregion, folgten der<br />

Einladung der VaB Salzgitter, die 1948 gegründet<br />

wurde und derzeit 30 Mitglieder<br />

hat. Wichtig ist, daß diese Veranstaltung<br />

immer wieder das gute Verhältnis zu Rat<br />

und Verwaltung der Stadt widerspiegelt.<br />

So waren auch der ehemalige Oberbürgermeister<br />

Rudolf Rückert (CDU) und der<br />

Kulturausschußvorsitzende Klaus Poetsch<br />

(CDU) anwesend; letzterer betonte in seinem<br />

Grußwort die bedeutende Rolle, die<br />

die Burschenschaft in der politischen Gesellschaft<br />

der Stadt Salzgitter spielt. Hermann<br />

Struck, ehemaliger SPD-Bürgermeister,<br />

ließ in einem schriftlichen Grußwort<br />

zum Thema „Tag der Deutschen Einheit“<br />

Erstaunliches verlauten: „Für mich als<br />

Pommer ist die Deutsche Einheit erst dann<br />

vollbracht, wenn die Millionen Deutschen,<br />

die aus dem Osten unseres Vaterlandes<br />

gewaltsam vertrieben worden sind, in völkerrechtlich<br />

verbriefter freien Selbstbestimmung<br />

über ihr zukünftiges Schicksal<br />

und das ihrer Heimat entscheiden können.“<br />

Die Festcorona vom 2. Oktober <strong>2014</strong><br />

Der diesjährige Festredner, Rechtsanwalt<br />

Gernot Preuß, seit 1956 beim Corps Teutonia<br />

Marburg aktiv, berichtet über seine<br />

Konflikte mit der „DDR“-Gerichtsbarkeit<br />

und der Stasi in den Jahren nach dem Mauerbau<br />

1962 bis 1964. Unter dem Titel „800<br />

Seiten meines Lebens“ – so umfangreich<br />

waren seine Stasiakten – dokumentiere<br />

Preuß Verfolgung und Verurteilung. In seinem<br />

packendem Zeitzeugenvortrag legte<br />

er seine Motivation zur Fluchthilfeaktion dar<br />

und berichtete über den anschließenden<br />

Prozeß gegen ihn und seine Haftzeit.<br />

Lange zögerte Preuß, nach der Wende Einsicht<br />

in seine Stasi-Akte zu nehmen. Das Ergebnis<br />

ist eine lupenreine Dokumentation<br />

des Lebensabschnittes eines Menschen,<br />

der indirekt ein „Opfer von Mauer und Stacheldraht“<br />

ist: Den Mauer-Bau empfand<br />

der damalige Gerichtsreferendar aus Niedersachsen<br />

als großes Unrecht. In Berlin<br />

wollte er daher anderen bei der Flucht in<br />

den Westen helfen. Der für den 8. April<br />

1962 geplante „Grenzdurchbruch“, so das<br />

Stasi-Vokabular, wurde jedoch verraten. Er<br />

als Bürger der Bundesrepublik wurde in der<br />

„DDR“ verhaftet. Es folgte Vernehmung,<br />

Anklage und Prozeß, wie es die „DDR“ damals<br />

für rechtens hielt: Vernehmung von 20<br />

Uhr bis 6 Uhr – Schlafentzug – Schauprozeß<br />

über drei Tage, obwohl alle fünf Angeklagte<br />

geständig waren. Das Urteil: 2 Jahre<br />

und 3 Monate Haft.<br />

Die 1994 eingeweihte Gedenkstätte „Kanzel von<br />

Salzgitter“ erinnert mit Tafeln und Findlingen an die<br />

kommunistische Verfolgung von 1945 bis 1989 in<br />

der SBZ/DDR. Sie ist die einzige Gedenkstätte dieser<br />

Art im Westen Deutschlands und wurde bereits<br />

mehrfach geschändet.<br />

Die folgende Haft in verschiedenen Vollzugsanstalten<br />

brachte für Preuß Tätigkeiten<br />

im Gleisbau und in der Waschküche sowie<br />

teilweise auch die Gesellschaft von<br />

„Schwerverbrechern“ mit sich. Die Taktik<br />

der Stasi war zwiespältig, aber gleichermaßen<br />

teuflisch: Zuerst wurde versucht, die<br />

Gefangenen „umzudrehen“ und als Spion<br />

für das MfS zu gewinnen. Da der Kandidat<br />

Preuß gegen solche Angebote gefeit war,<br />

versuchte man ihm eine Agententätigkeit<br />

für westdeutsche Geheimdienste anzuhängen.<br />

Da auch dies scheiterte, so daß versucht<br />

wurde, ihn zu kompromittieren und<br />

diskriminieren.<br />

Sein Zuchthaus-Martyrium endete Herbst<br />

1964. Doch Preuß engagierte sich anschließend,<br />

zurück in der Bundesrepublik,<br />

weiter für die Menschen in der „DDR“: er<br />

organisierte Freikäufe, Familienzusammenführungen,<br />

Beratungen und Strafverteidigungen.<br />

So fiel das Urteil über sein<br />

Wirken bei den Gästen überwältigend aus:<br />

„Noch nie haben wir einen so ergreifenden<br />

Bericht eines Zeitzeugen über eine<br />

dunkle Zeit unserer Geschichte gehört.<br />

Und das aus dem Mund eines Korporationsstudenten!“<br />

Ein donnernder Salamander<br />

und der kräftige Kommersgesang des<br />

Liedes der Deutschen mit unserer Nationalhymne<br />

dankten dem sichtlich gerührten<br />

Redner.<br />

Klaus Gossow<br />

(Ghibellinia-Leipzig Hannover 1956,<br />

Plessavia Leipzig 1990)<br />

Heft 4 - <strong>2014</strong> 137


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />

„Alle Erinnerung ist Gegenwart“ (Novalis)<br />

Von Wolfgang Gäbler<br />

Ein Denkmal allein für die deutschen zivilen<br />

Opfer des Zweiten Weltkrieges<br />

wurde am 3. August <strong>2014</strong> in Thüringen<br />

eingeweiht. Der Besuch vor Ort lohnt<br />

sehr. Zudem besteht dort eine gute Möglichkeit<br />

für Veranstaltungen, auch für Burschenschaften.<br />

Die Entstehungsgeschichte<br />

des Denkmals ist zugleich ein<br />

Lehrstück über den Zustand unserer Demokratie.<br />

Die Erinnerung in Form von Denkmälern<br />

hat in Deutschland auch heute noch Konjunktur.<br />

Vor allem in unserer Hauptstadt<br />

war dazu in den letzten Jahren, trotz leerer<br />

Kassen, eine rege Bautätigkeit zu verzeichnen.<br />

Doch fällt auf, daß die Erinnerungskultur<br />

von einer ausgeprägten Einseitigkeit<br />

bestimmt ist. Handelt es sich nämlich um<br />

Erinnerungen die deutsche Inhalte betreffen,<br />

wird daraus schnell ein „Erinnerungskampf“<br />

(Norbert Frei). Schon Denkmäler zu<br />

so erfreulichen Anlässen wie für die friedliche<br />

Revolution verursachen manchen<br />

Bauchschmerzen und werden förmlich zerredet.<br />

Nahezu unerträglich wird es, wenn<br />

an Eigenes im Zusammenhang mit den<br />

Kriegen erinnert werden soll. Die „Erkenntnis“<br />

der Antifa – „Deutsche Täter sind keine<br />

Opfer“ – hat sich offensichtlich schon tief in<br />

die Köpfe eingegraben.<br />

Dieser Situation zum Trotz hat es eine<br />

kleine Gruppe von mutigen Bürgern unseres<br />

Landes geschafft, ein Denkmal für die<br />

Millionen zivilen deutschen Opfer des Zweiten<br />

Weltkrieges zu errichten. Es steht im<br />

thüringischen Guthmannshausen, einem<br />

Dorf nahe Weimar, auf einem privaten<br />

Gelände.<br />

Der Verein, der dies bewerkstelligt hat,<br />

nennt sich „Gedächtnisstätte e.V.“ und<br />

wurde im Jahre 1992 in Vlotho für diesen<br />

Zweck gegründet. Die Initiatoren empfanden<br />

es als unzumutbar, daß es noch keine<br />

würdige zentrale Gedenkstätte für unsere<br />

deutschen Opfer gab. Dieses sollte an die<br />

Landsleute und deren grausame Schicksale<br />

erinnern, die während und in den unmittelbar<br />

nach dem Kriege folgenden Jahren<br />

schweres Leid ertragen mußten und zu<br />

Tote kamen: durch den Bombenterror,<br />

durch Verschleppung, Vertreibung, in Gefangenenlagern<br />

oder auf andere Art und<br />

Weise.<br />

Erster Anlauf in Borna<br />

Bald nach der Gründung machte man sich<br />

ans Werk. Zunächst wurden Gelder von den<br />

Vereinsmitgliedern und von Spendern gesammelt.<br />

Staatliche Unterstützung mußten<br />

trotz intensiver anfänglicher Bemühungen<br />

Auf zwölf solchen Stehle wird an die verschiedenen<br />

Opfergruppen erinnert.<br />

Gäbler<br />

für dieses Projekt ausgeschlossen werden.<br />

Durch die großzügige Zuwendung eines<br />

Architektenehepaares war es damals möglich,<br />

ein geeignetes Objekt in der Stadt<br />

Borna südlich von Leipzig zu erwerben, das<br />

ehemalige Gebäude der Bergbauverwaltungsgesellschaft,<br />

welches auf einem etwa<br />

ein Hektar großen Areal ungenutzt stand.<br />

Der Verein begann alsbald das Gebäude<br />

für seinen Zweck herzurichten. Aus den vormaligen<br />

Büros wurden Erinnerungsräume<br />

mit Exponaten für die einzelnen ostdeutschen<br />

Provinzen. Es wurden Tagungssäle<br />

und Räume für Übernachtungen und Versorgung<br />

eingerichtet. Die Stadt unterstütze<br />

das Unterfangen und freute sich, daß dort<br />

nun wieder Leben einzog. Bald wurden<br />

nach Fertigstellung des Gebäudes im monatlichen<br />

Abstand Seminare zu verschiedenen,<br />

meist politischen Themen abgehalten.<br />

So kamen Besucher in die Stadt, wo jede<br />

Mark von Auswärtigen sehr willkommen<br />

war. Seinerzeit hatte das wohl noch kein<br />

politisch Korrekter mitbekommen.<br />

Die Ideen für das Denkmal nahmen ebenfalls<br />

bald Gestalt an. Es sollte eine im<br />

Durchmesser gut 15 Meter große Kreisanlage<br />

im Garten neben dem winkelförmigen<br />

Hauptgebäude errichtet werden, in deren<br />

Mitte ein zwölf Meter hohes Stahlkreuz geplant<br />

war. Im äußeren Ring waren im regelmäßigen<br />

Abstand zwölf Steinstehlen von<br />

gut zwei Meter Höhe als eigentliche Erinnerungsmale<br />

vorgesehen. Der Bau erfolgte<br />

schrittweise, je nach Eingang der Gelder.<br />

Bei den doch recht beachtlichen Ausmaßen<br />

waren natürlich entsprechende Baugenehmigungen<br />

einzuholen. Das wurde genau<br />

befolgt, es gab auch keine Probleme mit<br />

der Erteilung. Der Bürgermeister, als Eigner<br />

einer Stahlbaufirma, bekam den Auftrag zur<br />

Anfertigung des Mittelkreuzes und machte<br />

sich sogleich ans Werk.<br />

Im Jahre 2008 war der Autor bei einer der<br />

Vortragsveranstaltungen in Borna. Abends<br />

wurde auch schon eine Ehrung am im Bau<br />

befindlichen Denkmal durchgeführt. Da die<br />

Stehlen noch nicht geliefert waren, hatte<br />

man zwölf Fackelträger auf den Fundamentplatten<br />

positioniert, die die für die Inschriften<br />

vorgesehenen Texte reihum sprachen<br />

– ein sehr beeindruckender Moment.<br />

Anfeindungen gegen das<br />

Gedenk-Projekt<br />

Kurz vorher hatte es jedoch die ersten Anfeindungen<br />

gegeben. Die ahnungslose<br />

Stadtverwaltung Bornas wurde plötzlich mit<br />

der veröffentlichten Meinung über solche<br />

Vorhaben konfrontiert. Die Presse, allen<br />

voran die Leipziger Volkszeitung, stürzte<br />

sich förmlich auf das Thema. Nun traten<br />

auch die politisch Korrekten mit ihrem „verklemmten<br />

deutschen Selbsthaß“ (Botho<br />

Strauß) in der Umgebung und am Ort gegen<br />

das Vorhaben auf. Überregional hielt<br />

man das Geschehen jedoch unter der<br />

Decke. Bald zogen sich auch die Stadt<br />

Borna und die Behörden zurück, Baugenehmigungen<br />

waren plötzlich nicht mehr in<br />

Ordnung und wurden storniert. So durften<br />

die ersten Stehlen plötzlich nicht aufgestellt<br />

werden. Hart traf es den Bürgermeister, der<br />

das Zwölf-Meter-Kreuz mittlerweile fertiggestellt<br />

hatte. Politisch korrekt ausgerichtet,<br />

verweigerte er nun dessen Auslieferung.<br />

Die Leipziger Volkszeitung hatte sich vorgenommen,<br />

die Ausführung des Denkmals<br />

zu unterbinden und die angeblich rechte<br />

Vereinigung aus der „bunten und weltoffenen“<br />

Gegend zu vertreiben. Nach zahlreichen<br />

politischen Hetzartikeln kam augenblicklich<br />

das eingespielte antifaschistische<br />

Ritual auf allen Ebenen in Gang.<br />

Damals verstarb leider der Käufer des Areals.<br />

Das war zwischenzeitlich an Wert deutlich<br />

gestiegen und weckte nun die Begehrlichkeit<br />

der Erben. Schließlich gab die Ehefrau,<br />

die nun alleinige Eigentümerin war,<br />

nach und veräußerte die Liegenschaft ohne<br />

138 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />

Das großzügige Wohnhaus des Ritterguts in Gutmannshausen dient als Kultur- und Tagungsstätte.<br />

Absprache mit dem Verein an einen Investor,<br />

der darauf mittlerweile ein Pflegeheim<br />

erstellt hat. Das im Bau befindliche Denkmal<br />

fiel dem Bagger zum Opfer. In zähen<br />

Verhandlungen konnte der Verein Gedächtnisstätte<br />

e.V. seine bereits eingebrachten<br />

Spenden aus dem Kaufbetrag<br />

zurückerhalten.<br />

Auf ein Neues nahe Weimar<br />

Dieser herbe Rückschlag entmutigte die<br />

Betreiber des Vorhabens jedoch nicht. Man<br />

begab sich erneut auf die Suche nach einem<br />

geeigneten Objekt und wurde im<br />

Jahre 2011 in Thüringen im Herzen<br />

Deutschlands fündig. Der Freistaat veräußerte<br />

nach zwei Jahren Leerstand das<br />

Herrenhaus eines früheren Rittergutes in<br />

Guthmannshausen, circa 20 Kilometer<br />

nördlich von Weimar gelegen, in dem zur<br />

„DDR“-Zeit, wie auch danach, ein Schulungszentrum<br />

für die Land- und Forstwirtschaft<br />

untergebracht war. Hier gab es bereits<br />

Übernachtungszimmer, Küche, Kantine<br />

sowie größere und kleinere Unterrichtsräume.<br />

Das Gebäude steht auf einem<br />

zugehörigen Parkgrundstück, alles in recht<br />

gutem Zustand, jedoch gegenüber Borna<br />

deutlich kleiner.<br />

Gäbler<br />

2013 beim Oberlandesgericht in Jena verlor<br />

der Freistaat Thüringen ebenfalls,<br />

zusätzlich schloß das Gericht auch eine<br />

weitere Revision aus. Damit ist diese alt -<br />

ehrwürdige und schöne Immobilie juristisch<br />

gesichert in der Hand des neuen Eigen -<br />

tümers, und der Verein kann unbehindert<br />

seiner ehrenwerten Aufgabe nach -<br />

gehen.<br />

Die Planung für das Denkmal wurde komplett<br />

überarbeitet und dem neuen Grundstück<br />

angepaßt. Entstanden ist eine Rotunde<br />

mit etwa zehn Metern Durchmesser.<br />

Mittig steht nun ein fast vier Meter hoher<br />

Granitobelisk, einen steingewordenen<br />

Lichtstrahl symbolisierend. Kreisförmig<br />

sind zwölf, auf der Vorder- und Rückseite<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

beschriftete, anthrazitfarbene Granitsteine<br />

für die einzelnen deutschen Opfergruppen<br />

aufgestellt. Die Einweihung erfolgte<br />

am 3. August <strong>2014</strong> in einem würdigen<br />

Festakt mit großer Beteiligung.<br />

Gäste sind willkommen<br />

Der Verein Gedächtnisstätte e.V. führt<br />

weiterhin acht bis zehn Seminarwochenenden<br />

im Jahr mit Vorträgen über politische,<br />

historische und kulturelle Themen durch.<br />

Auch über gesunde Lebensführung wird<br />

referiert. Als Kultur- und Tagungszentrum<br />

steht das Haus aber auch gerne Gruppen<br />

gleichen Geistes für deren Veranstaltungen<br />

zur Verfügung. Achtzehn Gäste -<br />

zimmer – alle mit Bad – zu einem erschwinglichen<br />

Preis bietet das Gebäude.<br />

Weiter sind ausreichende Räumlichkeiten<br />

im Erdgeschoß für die Versorgung und die<br />

Veranstaltungen vorhanden. Ein Haus -<br />

meisterehepaar versorgt die Anlage.<br />

Auch Gäste, die nur das Denkmal besich -<br />

tigen wollen, sind willkommen. Hierzu<br />

ist jedoch eine Voranmeldung erforderlich.<br />

Burschenschafter sollten dieser mutigen<br />

Tat Anerkennung zollen und einen<br />

Besuch vor Ort bei Gelegenheit ein -<br />

planen. Für eine Fuxenreise eine ideale<br />

Station.<br />

Wolfgang Gäbler<br />

(Cheruscia Dresden, Vandalia Hamburg,<br />

Salamandria Dresden)<br />

www.verein-gedaechtnisstaette.de<br />

Anmeldung für Besichtigungen beim<br />

Hausmeister unter 036373-998783,<br />

für die Vermietung beim Vereinsvorsitzenden<br />

unter 04185-2784.<br />

Das neue Kultur- und Tagungszentrum<br />

stand so bald dem Verein Gedächtnisstätte<br />

für seine wiederaufgenommene Vortragsund<br />

Bildungstätigkeit zur Verfügung. Als<br />

diese Aktivitäten bekannt wurden, traten<br />

nun jedoch die Fraktionen der Grünen und<br />

Linken auf und verlangten vom Freistaat die<br />

Rückabwicklung des Kaufvertrages. Erstmals<br />

wurde dieses Ansinnen im März 2013<br />

beim Landgericht Erfurt verhandelt. In der<br />

ersten Instanz lief das Land voll gegen die<br />

juristische Wand. Die daraufhin anberaumte<br />

Revisionsverhandlung im Dezember<br />

Am 3. August <strong>2014</strong> wurde endlich ein Ehrenmal für unsere deutschen zivilen Opfer des Zweiten Weltkrieges<br />

eingeweiht.<br />

Gäbler<br />

Heft 4 - <strong>2014</strong> 139


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />

Die Zukunft des deutschen Konservatismus<br />

Anläßlich des Gedenkwochenendes „100 Jahre Langemarck“ hielt Farbenbruder<br />

David Steinmann (Erfurter Wingolf Georgia), Student der katholischen Theologie und<br />

Philosophie, auf der abendlichen Festkneipe folgende Rede:<br />

Lange habe ich überlegt, welchen Einstieg<br />

ich für die heutige Festrede wählen<br />

soll. Das Thema „Zukunft des deutschen<br />

Konservatismus“ ist so mannigfaltig und<br />

könnte so ausladend sein, es ist so umfangreich<br />

wie es letztlich unklar ist.<br />

Scheinbar sind die Begriffe alle klar. Links<br />

– Rechts. Konservativ – Progressiv.<br />

Scheinbar, da man leicht ins Straucheln<br />

gerät, wenn man denn Begriffen klare Inhalte<br />

zuweisen möchte, die so und nur so<br />

diesen politischen Unterscheidungstermini<br />

inhärent sind.<br />

Lange also habe ich nach einen passenden<br />

Einstieg für die heutige Festrede gesucht.<br />

Vor einigen Wochen sah ich in der Reihe<br />

„37 Grad“ einen Beitrag zur deutschen<br />

Massentierhaltung. Einige Großbetriebe –<br />

um es gleich vorweg zu nehmen: nicht die<br />

schlechtesten –, die sich auf Hähnchen-, Puten-,<br />

und Schweinemast, auf Tierverarbeitung<br />

im Allgemeinen spezialisiert haben,<br />

wurden so gut es im Rahmen einer solchen<br />

Sendung möglich ist, vorgestellt. Angefangen<br />

von der Produktion der Tiere – abertausende<br />

von Küken allein in einem Betrieb<br />

pro Tag –, über deren Aufzucht bis schließlich<br />

zur Schlachtung. Die gezeigten Großbetriebe<br />

waren sauber, die medizinische<br />

Versorgung der Tiere streng nach Vorschrift.<br />

Alles eben funktional. Und dennoch<br />

intendierte der Beitrag Unbehagen: eine<br />

absolute Effizienz bei der Verwertung tierischen<br />

Lebens, die selbst blaues Licht und<br />

Panflötenmusik bei Transport und Schlachtung<br />

einschließt, um die Tiere vor ihrem<br />

letzten Gang zu beruhigen.<br />

Für mich war es beklemmend zu sehen, wie<br />

die Schlachttiere auf Förderbändern in eine<br />

Vergasungsetage gefahren und betäubt,<br />

anschließen aufgehängt und an einem<br />

Schlachtermesser, das ihren Hals aufschlitzte,<br />

vorbei gefahren wurden, damit<br />

die Tiere schlußendlich verbluteten. Eine<br />

industrielle Vernichtung von Leben. Dieser<br />

ebenso umfangreiche Themenkreis soll<br />

aber nicht Gegenstand des heutigen<br />

Abends sein.<br />

Bei strömendem Regen erwiesen die Verbandsbrüder den Gefallenen und Verstorbenen die letzte Ehre.<br />

Schlachthof gen Mekka<br />

Was ebenso beklemmend für mich gewesen<br />

war, ist die Tatsache, daß die gezeigten<br />

Schlachtanlagen – so der Kommentator<br />

– nach Mekka ausgerichtet seien. Neben<br />

dem Schlachtermesser prangte eine von<br />

einem Imam zertifizierte Tafel mit der Aufschrift<br />

„Allahu Akbar“ – „Gott ist groß“<br />

oder „Gott ist am größten“ – jene oft verwendete<br />

Glaubensformel moslemischer<br />

Gebete, besonders bekannt durch den<br />

vom Muezzin ausgerufenen „Adhan“. Der<br />

lakonische Kommentar des 37-Grad<br />

Beitrages: um auch den muslimischen<br />

Konsumenten den Verzehr des Fleisches<br />

zu ermöglichen. Ob auch bei der<br />

Schweineschlachterei im Geiste deutschen,<br />

vorauseilenden Gehorsams ein<br />

solches Schild angebracht worden war, ist<br />

mir nicht mehr erinnerlich. Für möglich<br />

halte ich es im heutigen Deutschland allemal.<br />

Vor einigen Jahren schwappte eine Welle<br />

der Entrüstung über dieses unser Land, weil<br />

in öffentlichen Gebäuden, in Schulen und<br />

Gerichten immer noch zahlreiche Kruzifixe<br />

zu sehen waren und in einer aufgeklärten,<br />

Religion zur Privatsache erklärenden Gesellschaft,<br />

in einem Religionsfreiheit garantierenden<br />

Staat, der zur Einhaltung strikter<br />

Neutralität in Glaubensdingen aufgerufen<br />

sei, dies nicht hingenommen werden<br />

könne. Selbst mehrere Gerichte haben sich<br />

mit dieser Angelegenheit zu befassen gehabt.<br />

Ich habe nach dem 37-Grad-Beitrag aufmerksam<br />

verfolgt, ob es zu einem medialen<br />

Sturm der Entrüstung gekommen ist. Die<br />

Vermutung liegt nahe, daß ein neben der<br />

Schlachtanlage hängendes christliches<br />

Glaubenssymbol für Aufregung gesorgt<br />

hätte. So aber: Fehlanzeige. Sicherlich liegt<br />

der Fall ein wenig anders: jene Schlachtereien<br />

sind keine öffentliche Gebäude, sondern<br />

private Betriebe. Daß aber die deutsche<br />

Fleischindustrie des Absatzes wegen<br />

sich religiösen Speisevorschriften unterwirft,<br />

halte ich für beachtenswert.<br />

Beachtenswert und bedenklich finde ich<br />

nicht den religiösen Kontext. Mir persönlich<br />

als gläubigen Katholiken ist es egal, ob<br />

mein Hähnchen auf seiner letzten Fahrt in<br />

Sichtweite arabischen Schrift zu Tode gekommen<br />

ist oder nicht. Das hat für mich<br />

keine Bedeutung.<br />

Beachtenswert und persönlich bedenklich<br />

finde ich, daß sich dieses Land, in dem ich<br />

groß geworden bin, spürbar gewandelt<br />

hat. Es hat sich so sehr geändert, daß es bei<br />

mir nur mehr Beklemmung auslöst – letztlich<br />

nur ein Achselzucken – daß Schlachtanlagen<br />

nach Mekka ausgerichtet sind, daß in<br />

einigen Kantinen in diesem Land der Rücksichtnahme<br />

wegen auf Schweinefleischgerichte<br />

verzichtet wird. Ein Achselzucken nur,<br />

weil all dies vorherzusehen war. Wer aufmerksam<br />

die Entwicklung der letzten Jahre<br />

verfolgt hat, den kann dergleichen nicht<br />

mehr überraschen.<br />

Die Zukunft des Konservatismus<br />

Es soll in dieser Festrede nicht um den Islam<br />

und seine Auswirkungen auf unser<br />

Land gehen. Das Schlachtanlagenbeispiel<br />

eignet sich nur hervorragend zum Einstieg<br />

in unser Thema. Es soll am heutigen Abend<br />

um den Konservatismus und seine Zukunft<br />

gehen. Um die Zukunft des Konservatismus<br />

in Deutschland. Dazu ist es nötig, sich zu<br />

vergegenwärtigen, was mit dem Begriff des<br />

Konservatismus überhaupt gemeint sein<br />

soll.<br />

Die Begriffe „links“ und „rechts“, die heute<br />

immer noch gerne bemüht werden und die<br />

auf die Sitzungsordnung im parlamentarischen<br />

System zurückzuführen sind, bieten<br />

140 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />

sich für eine politische Standortbestimmung<br />

nicht an. Sie waren in ihrer starren<br />

und strengen Fixierung dazu eigentlich nie<br />

geeignet, heute sind sie es in Zeiten überbordender<br />

Meinungsdiversität schon gar<br />

nicht. Zurückgehend auf die Französische<br />

Revolution, drückte die Sitzordnung – man<br />

kann es vielleicht vereinfachend so sagen –<br />

die Intensität der Revolutionsbereitschaft<br />

der einzelnen Abgeordneten aus. Die Geschichte<br />

der Französischen Revolution und<br />

ihre teils horrenden Auswüchse sind bekannt.<br />

Später, durch das revolutionäre Vorbild<br />

aus Frankreich inspiriert, wurde auch in<br />

Deutschland eine solche Links-Rechts-Sitzordnung,<br />

sowie eine solche politische Verortung<br />

in deutschen Parlamenten übernommen.<br />

Über klare politische Standpunkte<br />

hingegen vermag dieses politische<br />

Richtungsschema nichts auszusagen, gerade<br />

weil sich politische Standpunkte mit<br />

der Zeit gewandelt haben, wandeln mußten.<br />

Auch die Studentische Bewegung des<br />

19. Jahrhunderts, besonders die dezidiert<br />

politische <strong>Burschenschaftliche</strong> Bewegung<br />

ist bestes Beispiel für die Unmöglichkeit eines<br />

solchen Links-Rechts-Schemas. Gestartet<br />

mit der Forderung nach Nationalstaat<br />

sowie demokratischer Partizipation und<br />

Mitbestimmung stand die Burschenschaft<br />

nach diesem Verständnis weit links im<br />

damaligen politischen Spektrum, eine Verortung,<br />

die in heutiger Zeit – wenn überhaupt<br />

noch bekannt – gerne geleugnet<br />

wird.<br />

Derzeit einen Burschenschafter als politisch<br />

Links zu bezeichnen, dürfte in studentischen<br />

Korporationen allenfalls zu einem<br />

Stirnrunzeln führen. Im gesellschaftlichen<br />

Rahmen würde man für eine solche politische<br />

Verortung der Burschenschaft bestenfalls<br />

ausgelacht.<br />

Die Ineinssetzung von rechts und konservativ,<br />

die ich gerade stillschweigend vorgenommen<br />

habe, halte ich ebenfalls für problematisch.<br />

Rechts und Links reduzieren –<br />

wie gerade angeführt – eine politische<br />

Standortbestimmung auf öffentlichkeitswirksame<br />

Schlagworte ohne inneren definitorischen<br />

Kern. Der Terminus „konservativ“<br />

beschreibt hingegen eine Geisteshaltung.<br />

Ich glaube, daß eigentliche Gegensatzpaar,<br />

das eine politische Verortung zutreffend<br />

beschreiben kann, ist konservativ und progressiv.<br />

„Konservativ“ verstanden als klares,<br />

nüchternes und rationales Betrachten<br />

der Wirklichkeit und „progressiv“ als Handeln,<br />

um ein ideologisches Wunsch- und<br />

Utopiegebilde zum Durchbruch zu verhelfen.<br />

Oder um es politikwissenschaftlicher auszudrücken:<br />

Jedem Menschen ist ein Perzeptionshorizont<br />

zu eigen, der seinen Zugang<br />

zur Welt beschreibt; der ausdrückt, wie die<br />

Welt wahrgenommen, subjektiv von jedem<br />

Einzelnen erfahren wird. Das Problem der<br />

Im Gedenken an die in den Kriegen gefallenen<br />

Burschenschafter wurde der Kranz niedergelegt.<br />

Perzeption ist, das Wahrnehmungen, das<br />

die Sicht auf die Welt trügen kann. Lese ich<br />

nur Marx und Lenin nehme ich die Welt anders<br />

wahr, als wenn ich nur Carl Schmitt, Armin<br />

Mohler oder Moeller van den Bruck<br />

lese.<br />

„Konservativ“ meint in diesem Zusammenhang<br />

ein Maß an Skepsis, das den einzelnen<br />

Menschen veranlaßt, sich selbst, seine<br />

Erfahrungen, seine Sicht auf die Welt zu<br />

hinterfragen. Um einen philosophischen<br />

Begriff zu bemühen: Trotz begrenzter<br />

Wahrnehmungs- und Zugangswege gibt es<br />

für den Konservativen neben der eigenen<br />

Perzeption auch die Wahrheit, der es sich<br />

durch Skepsis anzunähern gilt. Der „Progressivität“<br />

muß diese Skepsis nicht zu eigen<br />

sein; vielmehr gewinnt politisches progressives<br />

Handeln gerade durch den starken<br />

Fokus auf Mißstände, die subjektiv in<br />

der Welt erlebt werden, seine starke, innere<br />

Triebkraft. Mißstände zu beseitigen ist kein<br />

Fehler; das mangelnde, nicht am gesunden<br />

Menschenverstand orientierte Hinterfragen<br />

seiner eigenen Position hingegen kann gefährlich<br />

sein.<br />

Einordnung der Geisteshaltung<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Daher die vorgenommene Einordnung von<br />

„konservativ“ und „progressiv“ als Geisteshaltungen.<br />

In der Theologie wird – wie sicherlich<br />

bekannt – zwischen Gläubigen und<br />

Nichtglaubenden unterschieden, zwischen<br />

Atheisten und Theisten, wobei dieser Begriff<br />

nicht besonders kohärent zu der<br />

Summe möglicher Glaubensvorstellungen<br />

ist. Deistische, polytheistische oder animistische<br />

Glaubende sind in ihm nicht involviert.<br />

Zwischen den Glaubenden auf der einen<br />

und den Nichtglaubenden auf der anderen<br />

Seite gibt es jene Gruppe von Menschen,<br />

die man unter dem Begriff des<br />

Agnostikers zusammenfaßt. Also Menschen,<br />

die sich wegen der letztlich nicht zu<br />

beantwortenden Frage nach Gott weder für<br />

noch gegen den Glauben an eine höhere,<br />

nichtirdische Macht entscheiden wollten.<br />

Vereinfachend ausgedrückt: der Gläubige<br />

beantwortet die Frage nach Gott mit ja, der<br />

Atheist mit nein und der Agnostiker weiß<br />

sich nicht zu entscheiden. Im Zuge der weitgehenden<br />

Entchristlichung in Deutschland<br />

– besonders hier in Mitteldeutschland, aber<br />

keineswegs darauf beschränkt, gibt es eine<br />

neue Beobachtung: Viele Menschen stellen<br />

sich die Frage nach Gott überhaupt nicht<br />

mehr. Sinnfragen werden relativ konsequent<br />

aus dem eigenen Leben ausgeklammert<br />

oder mit Konsumismus übertüncht. Allenfalls<br />

werden Sinnfragen für diese Menschen<br />

im fortschreitenden Alter ersichtlich<br />

beim Kauf eines Motorrads und der einsamen<br />

Fahrt zum Nordkap oder dem Erwerb<br />

neuer Kleidung im gepunkteten Leoparden-Stil<br />

und der Hinwendung zu jüngeren<br />

Männern.<br />

Diese Gruppe wird in der Theologie als religiös<br />

indifferent bezeichnet. Warum dieser<br />

kurze theologische Einschub? Ich glaube,<br />

es gibt in unserem politischen System nicht<br />

nur konservativ und progressiv und in der<br />

Mitte eine ominöse schweigende Mehrheit<br />

– in Analogie also die politischen Agnostiker<br />

– es gibt auch die politisch Indifferenten,<br />

die sich von politischen Fragen nicht<br />

mehr angesprochen fühlen, die ein Leben<br />

ohne politische Einstellung ganz gut bestreiten<br />

können. Und ich wage die These,<br />

daß diese Gruppe nicht allzu klein ist. Sie<br />

dürfte sogar die größte sein. Seinen politischen<br />

Erfolg auf diese Gruppe zu setzen,<br />

wird für eine neue politische Kraft gefährlich<br />

sein.<br />

Derzeit ist in Deutschland eine gewisse politische<br />

Unruhe zu spüren, die selbst in der<br />

Werbung ihren Niederschlag findet. Dort<br />

wurde der Spießbürger als positive Gestalt<br />

gerade wieder in Szene gesetzt. Das Idyll<br />

einer Familie, vom Haus im Grünen, von Rasenmähen<br />

und dergleichen scheint wieder<br />

modern zu werden. Es wird eine Normalität<br />

angesprochen und in den Fokus genommen,<br />

die eigentlich Mut machen könnte. So<br />

wie wir und unsere Eltern groß geworden<br />

sind, wie sie und wir dieses Land geprägt<br />

haben und von ihm geprägt wurden, so<br />

wird es auch in Zukunft sein.<br />

Das ist die positive Deutung. Als zutreffender<br />

empfinde ich aber folgende: Diese<br />

Normalität, diese vielleicht auch verklärende<br />

heile Welt wird als nicht mehr gegeben<br />

erahnt. Intuitiv empfindet der Bür-<br />

Heft 4 - <strong>2014</strong> 141


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

ger einen Zwiespalt zwischen dem im Alltag<br />

erlebten und seiner Wunschvorstellung von<br />

diesem Land, seinem Wunsch, wie dieses<br />

Land eigentlich aussehen sollte. Die Menschen<br />

sind verunsichert. Demographie,<br />

Rente, Verschuldung, fehlschlagende oder<br />

schon fehlgeschlagene Integration. All dies<br />

sind Unsicherheitsfaktoren, die sich in das<br />

Bild der Normalität eingeschoben haben.<br />

Langsam aber stetig – und wie es scheint<br />

auch unaufhaltsam.<br />

Psychologisiert drückt sich dieser Zwiespalt<br />

zwischen erhoffter Normalität und entnormalisierter<br />

Realität im Hervorkehren des<br />

neuen Spießers aus. Auch der Versicherer<br />

Ergo wirbt neuerdings mit flexiblen Versicherungsleistungen<br />

für das Alter und benennt<br />

als Kundenkreis all jene, die noch<br />

nicht wissen, wo sie in dreißig Jahren stehen.<br />

Dies dürften meiner Meinung nach<br />

ziemlich viele Menschen in Deutschland<br />

sein.<br />

Tradition und Werte sind nicht<br />

mehr Normalität<br />

Sehr geehrte Farbenbrüder, die Normalität,<br />

die sie und ich am heutigen Abend leben –<br />

die Eingebundenheit in eine Werte- und<br />

Überzeugungsordnung, die auf eine nunmehr<br />

zweihundertjährige Tradition zurückblicken<br />

kann – diese Normalität ist nicht die<br />

Normalität der Mehrheit dieser unseren<br />

Gesellschaft. Ich gehe noch weiter und behaupte:<br />

Diese Normalität existiert bereits<br />

nicht mehr – höchstens noch in unseren<br />

Köpfen. Sie ist nurmehr eine Scheinnormalität.<br />

Sie ist Trugbild und Wunschvorstellung<br />

einer marginalen Gruppe von Menschen<br />

– uns.<br />

Wer diese Worte zu drastisch und hart<br />

empfindet, sie vielleicht auch einfach als<br />

falsch verstanden wissen möchte, der<br />

schaue sich doch einmal genau in unserem<br />

Deutschland um. Sowohl der Heilige Vater<br />

Benedikt XVI. als auch der derzeitige Bischof<br />

von Dresden-Meißen sind Mitglied<br />

einer CV-Verbindung. Unlängst wollte ein<br />

junger Dresdner CVer zur katholischen Studentengemeinde<br />

in Dresden und wurde<br />

vom dortigen Studentenpfarrer mit den<br />

Worten barsch abgewiesen, solche Leute<br />

wie Sie brauche man hier nicht.<br />

Ich weiß, daß dies eine ausgesprochene<br />

Lappalie ist und in letzter Zeit viel gravierendere<br />

Ereignisse die korporative Welt erschüttert<br />

haben. Aber es ist nicht mehr nur<br />

der politische Gegner der uns militant ans<br />

Leder will, es grassiert eine weitgehende<br />

Antipathie, zumindest ein großer Rechtfertigungs-<br />

und Distanzierungszwang. Dies<br />

stimmt mich nicht gerade optimistisch, was<br />

die zaghafte Verschiebung der politischen<br />

Kräfteverhältnisse in diesem Land betrifft.<br />

Der derzeitige Erfolg der Alternative für<br />

Deutschland mag in diesem Zusammenhang<br />

aus der Analyse fallen. Ich glaube dies<br />

aber nicht. In Deutschland habe – wie<br />

schon häufig gesagt wurde – eine Verschiebung<br />

des politischen Spektrums stattgefunden:<br />

von rechts nach links. Mit der Sozialdemokratisierung<br />

der Unionsparteien sei<br />

am rechten Rand eine Leerstelle entstanden,<br />

diese aufzufüllen neuen politischen<br />

Fraktionen große Möglichen biete.<br />

Ist dem aber wirklich so? Was eindeutig<br />

stattgefunden hat, ist der Verlust von Konservativität.<br />

Der gesunde Menschenverstand,<br />

das Hinterfragen von politischen<br />

Vorstellungen ist unmodern geworden.<br />

Hier ist die wahre Leerstelle entstanden.<br />

Aktionismus und Reformismus sind wesentlicher<br />

Bestandteil unseres politischen Lebens<br />

geworden. Ob Bildungsreformen,<br />

Euro-Rettung oder Rentenreform, politische<br />

Entscheidungsträger haben die Konsequenzen<br />

ihres Handelns längst aus dem<br />

Blick verloren. Unser repräsentatives Parlamentssystem<br />

fokussiert den Blick allzu sehr<br />

auf die kommende Wahl und weniger auf<br />

langfristiges politisches Engagement.<br />

Jene, die sich früher von einem realitätsbezogenen<br />

Gegengewicht zu allzu „visionären“,<br />

veränderungslastigen politischen<br />

Handeln vertreten fühlten, sind<br />

heute politisch heimatlos geworden. Die<br />

Union, seit dem Agieren Merkels spätestens<br />

offensichtlich, hat ihre konservative<br />

Wurzeln gekappt und ist einzig am Machterhalt<br />

interessiert: um jeden Preis – die<br />

Konzessionen, die die Union bereit ist einzugehen,<br />

sind unübersehbar. Verwalten<br />

und Aussitzen – zwei Schlagworte, die die<br />

derzeitige Politik der Kanzlerin gut beschreiben.<br />

Diese Leerstelle setzt die Alternative für<br />

Deutschland an zu erobern. Dabei spricht<br />

sie jene Konservative an, die sich nicht<br />

mehr vertreten fühlen. Ja vielleicht fängt<br />

auch die Gruppe derer – um zu den adaptierten<br />

theologischen Begriffen zurückzukehren<br />

– , die sich bisher keiner bestimmten<br />

politischen Richtung anzuschließen bereit<br />

gewesen sind, vielleicht stellen sich die<br />

politischen Agnostiker langsam die Frage,<br />

wohin es mit diesem Land gekommen ist.<br />

Vielleicht erwächst daraus eine große<br />

Chance. Aber um die politisch Indifferenten<br />

aufzurütteln, sie mithin zur schweigenden<br />

und dann auch rufenden Mehrheit zu machen,<br />

dafür ist der Lebensstandard zu groß,<br />

sind die auf uns hereinbrechenden Probleme<br />

noch nicht zu sehr ins Bewußtsein<br />

dieser Menschen gerückt.<br />

Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />

Und mit Verweis auf die friedliche Revolution<br />

vor 25 Jahren: Die Menschen gingen<br />

auf die Straße, als die Probleme manifest<br />

waren, für jeden ersichtlich. Als die Verschuldung<br />

der „DDR“ ein unerträgliches<br />

Maß angenommen, die Sowjetunion ein<br />

Eingreifen ausgeschlossen hatte. Die Friedliche<br />

Revolution kam letztlich erst dann, als<br />

der Musterstaat des real-existierenden Sozialismus<br />

bereits im Sterben begriffen war.<br />

Dieser Hinweis soll die damaligen Massendemonstrationen<br />

und den Mut der auf die<br />

Straße gehenden nicht schmälern.<br />

Probleme werden verschoben<br />

Aber so lange zu warten, bis die Probleme<br />

omnipräsent sind und erst dann zu handeln<br />

ist höchst gefährlich. Ich habe eingangs die<br />

Unterscheidung zwischen progressiv und<br />

an der Ratio orientiertem Konservatismus<br />

vorgenommen. Ich komme darauf noch<br />

einmal zurück. Die Zeiten eines grassierenden<br />

Positivismus, der eine klare und vollständige<br />

Erkennbarkeit der Welt postulierte,<br />

sind Gott sei dank vorüber. Ob in<br />

Physik, Mathematik oder Philosophie, überall<br />

stoßen die Wissenschaften an Grenzen<br />

der Erkennbarkeit, die zumindest eine gewisse<br />

Demut erheischt und den grenzenlosen<br />

Zukunftsoptimismus des 19., aber auch<br />

noch des 20. Jahrhunderts Lügen straft.<br />

Gleichwohl hat sich viel von diesen utopischen<br />

Vorstellungen auch in heutiger Zeit<br />

erhalten. Wenn ich hier zwischen konservativen<br />

und progressiven Denken unterscheide,<br />

dann sollen einige Beispiele zur<br />

Verdeutlichung dienen. Die kürzlich im<br />

Bundestag beschlossene Rentenreform bediente<br />

sich in ihrer Begründung der Formel:<br />

Die Reform sei nötig, eine bestehende Gerechtigkeitslücke<br />

zu schließen. Dies mag<br />

vielleicht sogar zutreffend sein. Der nüchterne<br />

Blick auf die Finanzierbarkeit des Umlagefinanzierten<br />

Rentensystems, auf seine<br />

jetzt schon bedenkliche Finanzielle Ausstattung,<br />

auf die jetzt schon Absehbaren aber<br />

gerne Verdrängten Probleme durch die zunehmende<br />

Überalterung durch den mit<br />

dem schamlosen Euphemismus benannten<br />

demographischen Wandel, dieser nüchterne<br />

Blick wurde einfach übergangen. Ralf<br />

Stegner, Sprachrohr des linken SPD-Flügels,<br />

log sogar gänzlich unbelastet – und<br />

wohl selbst noch von seinem zum Besten<br />

gegebenen Unsinn überzeugt – als er darauf<br />

hinwies, daß das beste Mittel gegen Altersarmut<br />

jetzt gute Lohnabschlüsse seien.<br />

Zum Verständnis des Umlagesystems:<br />

wenn jetzt viel in die Rentenversicherung<br />

durch verbesserte Lohnabschlüsse eingezahlt<br />

wird, vergrößert sich der Kuchen zu<br />

verteilender Mittel an Rentner jetzt. Daß<br />

dieser Kuchen durch die vermehrt spürbar<br />

werdende demographische Krise zukünftig<br />

zunehmend kleiner wird und immer weniger<br />

immer mehr einzuzahlen haben um ein<br />

gleichbleibendes Rentenniveau zu erhalten,<br />

daran ändern bessere Tarifabschlüsse<br />

nicht das Geringste. Höchstens ließe sich<br />

dergleichen auffangen, würden vermehrt<br />

Rücklagen in der Rentenversicherung geschaffen.<br />

Rücklagen, die gerade zur Finanzierung<br />

besagter Rentenversicherung für<br />

die nächsten zwei Jahre herangezogen<br />

werden.<br />

142 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />

Nehmen wir das Beispiel Mindestlohn. Das<br />

Versprechen ist denkbar einfach: jeder, der<br />

Arbeit hat, soll einen Lohn bekommen, von<br />

dem ihm ein Leben ohne Aufstockung<br />

durch Hartz IV – um das sozioökonomische<br />

Existenzminimum zu erreichen – möglich<br />

ist. In einer Marktwirtschaft ist die Preisbildung<br />

von Angebot und Nachfrage abhängig.<br />

Dieser Preisbildungsmechanismus wird<br />

hier durchbrochen. Der höhere Lohn, auf<br />

das Produkt, in den meisten Fällen wohl auf<br />

die Dienstleistung darauf geschlagen, muß<br />

bezahlt werden. Und dies zahlt der Kunde,<br />

letztlich wir. Daß der Mindestlohn von der<br />

Mehrheit für gut befunden, daß jetzt aber<br />

Preissteigerungen von den Konsumenten<br />

bezahlt werden müssen, das ist eine so<br />

große Überraschung, die nur unwissende<br />

Menschen überraschen konnte. Und es sind<br />

unglaublich viele überrascht.<br />

Über den Euro ist schon so viel gesprochen<br />

worden, das es weh tut, daß die Probleme<br />

mit ihm immer noch nicht ausgestanden<br />

sind. Es hat die mahnenden Stimmung gegeben,<br />

die darauf hinwiesen, daß eine<br />

funktionierende Währungsunion Grundlagen<br />

braucht, die mit der Einführung des Euros<br />

nicht gegeben waren und die zwangsläufig<br />

zu den gravierenden Umverteilungslasten<br />

führen mußten, wie sie heute bestehen.<br />

Wunsch und Realität trafen sich, der<br />

Wunsch, die Utopie hat gewonnen und<br />

wurde schließlich doch von der Realität eingeholt.<br />

Seit vier Wochen in Folge finden sich in<br />

Dresden zunehmend mehr Menschen bereit,<br />

um auf die Konsequenzen der nicht<br />

vorhandenen deutschen Einwanderungspolitik<br />

aufmerksam zu machen. Die Mechanismen,<br />

wie mit dieser politischen Artikulation<br />

öffentlich umgegangen werden wird,<br />

sind bereits jetzt zu antizipieren: Die Menschen<br />

werden in ihren Sorgen nicht ernst<br />

genommen werden, unter dem Hinweis<br />

auf den Kampf gegen Rechts wird die berechtigte<br />

Forderung desavouiert, die politische<br />

Auseinandersetzung wird sich darauf<br />

einigen, daß es eigentlich kein Problem<br />

gäbe, die Demonstrationen nur unbegründete<br />

Ängste artikuliere, die es aufzuklären<br />

gelte. Und in Konsequenz wird es kein Einwanderungsgesetz<br />

geben, keinen Diskurs<br />

über die deutsche Einwanderungspolitik.<br />

Die Realität wird die deutsche Gesellschaft<br />

erst in Jahren einholen, wenn die Probleme<br />

für jeden offensichtlich geworden<br />

sind.<br />

Nehmen wir den Umgang mit der Türkei:<br />

Die Wunschvorstellung, daß sich dieses<br />

Land demokratisiert und an Europa<br />

annähert, bis hin zu einer Aufnahme in die<br />

Europäische Union. Mit großen Beifall<br />

wurde das Handeln Erdogans in Deutschland<br />

begrüßt, gegen Militär und Justiz vorzugehen.<br />

Hierin wurde fälschlicherweise ein<br />

positives politisches Handeln gegen einen<br />

schlechten, autoritativen Auswuchs der Türkei<br />

gesehen, der dieses Land noch von Europa<br />

trennte. Daß Erdogan die Axt an die<br />

Wurzeln der kemalistischen Ordnung anlegte<br />

und sein politisches Handeln die Türkei<br />

von Europa wegführen würde, haben<br />

nur wenige gesehen und diese sind unter<br />

fadenscheinigen Gründen nicht in der medialen<br />

Öffentlichkeit beachtet wurden.<br />

Heute wiederum sind viele überrascht.<br />

Nehmen wir noch einmal das Schlachtanlagenbeispiel.<br />

Vegetarisch und vegan waren<br />

gestern. Pleistozän ist heute Mode. Die Intension<br />

des 37-Grad-Beitrages: selbst bei<br />

genauer Befolgung der Tierschutzvorschriften<br />

ist eine artgerechte Haltung nicht gegeben,<br />

die Massenproduktion bleibt ein Ärgernis,<br />

eine Zumutung, die eigentlich nicht<br />

hingenommen werden darf. Schöner wäre<br />

es, wenige Tiere lebten auf einem Hof,<br />

könnten über grüne Wiesen gackern, die<br />

Sauen könnten sich im Schlamm suhlen, ihr<br />

Leben leben, bevor sie vom Menschen verspeist<br />

würden. Über viele Jahrhunderte war<br />

dies wohl die Regel. Das müssen herrliche<br />

Zeiten gewesen sein! Es gab in der Bauernfamilie<br />

vielleicht zwei Mal im Jahr einen<br />

Braten, zu Weihnachten und Ostern. Und<br />

ansonsten höchstens am Sonntag eine Fleischeinlage<br />

im Eintopf. Ich komme aus Mitteldeutschland<br />

und kenne die Erzählungen<br />

meiner Mutter. Wie es bei ihr gewesen ist,<br />

sich ein Nutellaglas mit ihren Schwestern<br />

über ein Jahr lang zu teilen, bis das nächste<br />

von der Verwandtschaft aus dem Westen<br />

geschickt wurde.<br />

Fleischkonsum auf heutigem Niveau mit einer<br />

idyllischen Tierhaltung gleicht der Quadratur<br />

des Kreises. Sie ist nicht möglich.<br />

Diese Beispiele ließen sich durch ungeheuer<br />

viele weitere ergänzen, ich glaube<br />

aber, es wird deutlich, worum es mir geht.<br />

Das konservative Problem<br />

Politisches Handeln hat Konsequenzen und<br />

diese Konsequenzen zu benennen ist Aufgabe<br />

eines rationalen Bewertens der Wirklichkeit.<br />

Dies wäre die Aufgabe der Konservativen<br />

in diesem Land, damit ein Gegenpol<br />

zu all den Weltverbesserern und Gutmenschen<br />

entsteht. Einen Gegenpol, den<br />

dieses Land in den letzten Jahrzehnten so<br />

nötig gehabt hätte. Beschauen wir uns die<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Wirklichkeit einmal genau, kommen wir zu<br />

dem Schluß, daß viele der Probleme in unserem<br />

Land jenen Kulminationspunkt überschritten<br />

haben, der ein Zurück noch ermöglichen<br />

würde.<br />

Daher ist der Konservatismus auch so unattraktiv.<br />

Er entwickelt keine Visionen einer<br />

besseren Welt. Er bewertet höchstens, was<br />

sich bewährt, was erfolgreich ist und was<br />

Wert ist überwunden zu werden. Doch einen<br />

Konservatismus mit Visionen zu finden<br />

wäre Aufgabe unserer Generation. Es wäre<br />

eigentlich die Aufgabe der Generation vor<br />

uns gewesen, aber darüber brauche und<br />

möchte ich mich nicht hier näher auslassen.<br />

Daß sich der klare, nüchterne Geist, der gesunde<br />

Menschenverstand, der auf die Konsequenzen<br />

politischer Handlungen hinweist,<br />

so sehr ins Abseits hat stellen lassen,<br />

daß er sich dem herrschaftsfreien Diskurs,<br />

der letztlich ein autoritärer, gegen den<br />

Konservatismus gerichteter geworden ist,<br />

unterworfen hat, ist schade. Oder um<br />

eine deterministische Sichtweise ins Spiel<br />

zu bringen. Vielleicht war es auch unumgänglich.<br />

Vielleicht wurde er einfach nur<br />

geschichtlich überholt, überflüssig gemacht.<br />

Begünstigt hat diese Entwicklung zweifelsohne<br />

die innere Zerrissenheit unseres Lagers.<br />

Man kämpft lieber Gegeneinander,<br />

glaubt sich nach innen zu konsolidieren,<br />

und marginalisiert sich damit noch weiter.<br />

Ich finde es sehr schade, daß die ursprüngliche<br />

Planung zum Langemarck-Gedenken,<br />

einen breiten interkorporativen Dialog um<br />

die Frage der Zukunft des Konservatismus,<br />

nicht in die Tat umgesetzt wurde. Ich bin<br />

sozusagen das übriggebliebene Relikt dieser<br />

Planung.<br />

Und doch mahne ich für die Zukunft eine<br />

solche Veranstaltung an. Ohne sie, ohne<br />

unser Handeln, wird der Riß zwischen Realität<br />

und erhoffter Normalität immer größer,<br />

ohne daß er noch überbrückt werden kann.<br />

In diesem Zusammenhang wird gerne die<br />

Metapher benutzt: Es ist fünf vor zwölf. Dieses<br />

Bild hat sich erschöpft. Außerdem bin<br />

ich der Überzeugung, daß es bereits um<br />

eins ist.<br />

Eine andere Metapher halte ich für aussagekräftiger.<br />

Der Ertrinkende greift nach<br />

dem letzten Strohhalm. Wir sind die Ertrinkenden.<br />

Dies muß nicht heißen, daß keine<br />

rettende Planke uns doch noch zur Hilfe<br />

schwimmt. Nur ist die Hoffnung darauf meines<br />

Erachtens nicht mehr sehr groß.<br />

Farbenbruder David Steinmann (Georgia Erfurt 2011)<br />

war von 2007 bis 2010 Mitglied der Aachen-Dresdner Burschenschaft Cheruscia.<br />

Heft 4 - <strong>2014</strong> 143


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Viva Chile!<br />

Auf Anraten eines befreundeten Verbandsbruders<br />

der Burschenschaft Araucania<br />

Santiago de Chile und der Burschenschaft<br />

Cheruscia Dresden entschloß<br />

ich mich, im vergangenen Jahr meine Bewerbung<br />

für das Chile-Stipendium des<br />

BCB einzusenden, die auch prompt positiv<br />

beantwortet wurde. Als Gastburschenschaft<br />

war natürlich die Araucania<br />

als größte und älteste der Chilenischen<br />

Burschenschaften vorne mit im Rennen<br />

und die persönliche Bekanntschaft mit<br />

dem Araucano Francisco Bahamonde<br />

Birke („Ghollum“) tat ihr übriges. Gesagt,<br />

getan – mit großem Gepäck (unter anderem<br />

Skiausrüstung und Wanderstiefel)<br />

und einem Spanisch-Schnellkurs entstieg<br />

ich im März der Copa-Airlines Maschine<br />

und betrat das erste Mal in meinem Leben<br />

chilenischen Boden.<br />

Da sich mein Kurs-Spanisch direkt nach der<br />

Ankunft als völlig wirkungs- und nutzlos<br />

entpuppte, war ich sehr erleichtert, daß die<br />

Araucania zu meiner Ankunft ein kleines<br />

Vorauskommando zum Flughafen gesandt<br />

hatte. Die beiden Verbandsbrüder sprachen<br />

Deutsch als Muttersprache und so war<br />

ich zu Beginn positiv vom Deutschniveau<br />

„der Chilenen“ überrascht. Wie sich später<br />

herausstellte, sind nicht alle Verbandsbrüder<br />

so firm in der deutschen Sprache wie<br />

die beiden besagten Araucanen. Nach etwas<br />

unterkühlter Ankunft im Araucanenhaus<br />

und der ersten Nacht in einem ordentlichen<br />

Bett nach längerem Flug wurde ich<br />

freundlich aber reserviert den Verbandsbrüdern<br />

vorgestellt. Schnell wurde mir klar,<br />

daß die Sprachbarriere weniger ein reell<br />

vorhandenes (alle Aktiven der Araucanen<br />

sprechen ein gut verständliches Deutsch)<br />

als soziales Phänomen ist. Wenn eben<br />

abends im Kabuff „Chucha la wea!“ ertönt,<br />

nützt es einem wenig um eine kurze Übersetzung<br />

zu bitten. Glücklicherweise brauchten<br />

wir uns nur ein wenig zu beschnuppern<br />

und nach wenigen Wochen fühlte ich mich<br />

bereits pudelwohl bei „meinen“ Chilenen.<br />

Auch die Sprachbarriere sollte nicht von<br />

Dauer sein, eine weibliche chilenische Bekanntschaft,<br />

die glücklicherweise kein<br />

Deutsch und wenig Englisch sprach, lehrte<br />

mich mehr Spanisch (Si po!), als es drei<br />

Wochen Spanischkurs wohl je vermocht<br />

hätten.<br />

Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />

Schnell wurde mir klar, daß hier in Chile das<br />

freie Wort wirklich noch gilt. Die Bandbreite<br />

vertretener politischer Meinungen in der<br />

Araucania war für mich faszinierend. Vom<br />

überzeugten Kommunisten bis zum beinharten<br />

Nationalisten waren alle Spektren<br />

politischer Meinungsbildung vertreten. Der<br />

Grundsatz, ein „Bund frei denkender Männer“<br />

zu sein, wird hier wirklich mit Inhalt gefüllt<br />

und bleibt keine Phrase. Davon überzeugt,<br />

als Stipendiat auch etwas für mein<br />

Stipendium tun zu müssen, begann ich bald<br />

mit der Vorbereitung und Durchführung<br />

mehrere Deutschkurse bei den verschiedenen<br />

Burschen- und Mädchenschaften hier<br />

in Chile. Die Lernbereitschaft und Wißbegierigkeit<br />

der Teilnehmer überraschte mich<br />

und ich hoffe, andere Stipendiaten nach<br />

mir werden diese fruchtbare Arbeit fortsetzen.<br />

Auch die Reiselust wurde gestillt, abseits<br />

ausgetretener „Gringo“-Pfade erkundete<br />

ich Argentinien, Paraguay und Bolivien. Besonders<br />

dankbar bin ich aber über drei<br />

großartig verbrachte Wochen im Süden auf<br />

dem Hof der Familie Marchant. Dort habe<br />

ich vielleicht mehr über Chile, seine Geschichte<br />

und seine Menschen gelernt, als es<br />

mir sonst möglich gewesen wäre.<br />

Ich scheide mit mehr als einem weinenden<br />

Auge und vielen guten Freunden im<br />

Gepäck.<br />

Viva Chile!<br />

Heil BCB!<br />

Jörg Sobo lew -<br />

ski<br />

(Gothia Berlin<br />

2010)<br />

X. Bielefelder Ideenwerkstatt zum Thema<br />

Energiewende<br />

„Die Energiewende – Jahrhundertprojekt<br />

zwischen Notwendigkeit, Hysterie und<br />

Machbarkeit“ lautet der Arbeitstitel der<br />

X. Bielefelder Ideenwerkstatt. Am Samstag,<br />

25. Oktober beleuchtete der ehemalige<br />

„ZDF-Wetterfrosch“ Dr. Wolfgang<br />

Thüne, der emeritierte Bielefelder Universitätsprofessor<br />

Dr. Joachim Radkau,<br />

Professor Dr. Lutz Hofmann von der Universität<br />

Hannover sowie Markus Brall das<br />

Themenfeld aus verschiedenen Blickwinkeln.<br />

Nach einer kurzen Einführung durch den Aktivensprecher,<br />

der vor allem auf<br />

(umwelt)rechtliche Probleme einging, startete<br />

Verbandsbruder Brall, Mitglied der Burschenschaft<br />

Normannia-Nibelungen zu Bielefeld,<br />

mit seinem Vortrag. Als Projektentwickler<br />

bei der EFI Wind GmbH begleitet er<br />

den Prozeß von der Planung bis zur Realisierung<br />

einer Windkraftanlage. Wie komplex<br />

die Errichtung einer Windkraftanlage in der<br />

Praxis ist, dürfte viele Zuhörer überrascht<br />

haben: Von den ersten Planungsschritten<br />

bis zur Fertigstellung dauert es mindestens<br />

vier Jahre. Doch nicht nur die Standortsuche,<br />

die baurechtlichen Vorgaben und die<br />

technische Umsetzung stellen große Herausforderungen<br />

dar – um die produzierte<br />

Energie auch dem Endkunden effektiv zur<br />

Verfügung stellen zu können, fehlen in<br />

Deutschland Stromtrassen. Zudem stammen<br />

viele Überlandleitungen zumeist noch<br />

aus den 1950er und 1960er Jahren. Zwar<br />

gibt es für die Windkraftanlagenbetreiber<br />

einen gesetzlichen Anspruch an den Anschluß<br />

an das Stromnetz – der kann jedoch<br />

auch mehrere Kilometer weit von der Anlage<br />

weg sein. Brall weist darauf hin, daß die<br />

politisch gewollte Energiewende ein<br />

Schnellschuß der Regierung war. Im Bereich<br />

der Energieversorgung habe die Politik 20<br />

Jahre Entwicklung verschlafen. Die Mehrkosten<br />

haben nun die Verbraucher zu tragen.<br />

Der Historiker Prof. Dr. Joachim Radkau referierte<br />

über die Kernenergie-Kontroverse<br />

und was man daraus beim Umgang mit der<br />

Energiewende lernen könne. Radkau, einst<br />

selbst Anhänger der Kernenergie, vermittelte<br />

einen geschichtlichen Blick auf die<br />

Bewertung der Kernenergie. So gab es in<br />

den 50er und 60er Jahren ein durchaus positives<br />

Bild in der Gesellschaft zur Kernkraft.<br />

Kritik daran kam komischerweise vor<br />

allem aus der RWE-Konzernspitze. Der<br />

emeritierte Professor der Universität Bielefeld<br />

beschrieb im folgenden, wie sich die<br />

gesellschaftlichen Positionen zur Atomkraft<br />

wandelten. Dabei gab Radkau den Teilnehmern<br />

auch einige amüsante Anekdoten<br />

zum besten. Er verwies aber darauf, daß<br />

bei der Energiepolitik – wie in jedem politischen<br />

Bereich – die jeweiligen Experten<br />

auch meist Lobbyisten für eine Sache sind.<br />

Dieses Problem gelte es zu beachten,<br />

früher wie heute. Denn auch die anscheinend<br />

objektive Wahrheit sei häufig Interessen-gebunden,<br />

des weiteren können sich<br />

auch „Wahrheiten“ als vergänglich<br />

erweisen. Anschließend folgte noch eine<br />

144 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />

kleine Diskussionsrunde, da Professor Dr.<br />

Radkau am Nachmittag bereits wieder abreisen<br />

mußte, bevor es in die Mittagspause<br />

ging.<br />

Der Meteorologe und ehemalige „ZDF-<br />

Wetterfrosch“ Dr. Wolfgang Thüne prangerte<br />

im dritten Vortrag des Tages die<br />

„Propheten im Kampf um den Klimathron“<br />

– so auch der Titel seines aktuellen Buches<br />

– an, die mit Ängsten um Geld und Macht<br />

kämpften. Aber: „Einen Meteorologen<br />

nach dem Klima zu fragen“, so Thüne, „ist<br />

wie einem Mediziner nach Gespenstern.“<br />

Dennoch gehe ein Geist um in Europa, der<br />

Geist des „Klimawandels“. Diese, an Marx<br />

angelehnte Zitat, verdeutliche jedoch den<br />

politischen Irrglaube, denn: „Das Klima<br />

gibt es nicht!“, so Thüne, der Mitglied in<br />

drei katholischen Studentenverbindungen<br />

ist. Und der Mensch könne es auch nicht<br />

(ver)ändern. Stattdessen würden Wetterdaten<br />

aus verschiedenen Epochen von<br />

selbsternannten Klimaexperten verglichen<br />

und daraus eine moralisierende Handlungsempfehlung<br />

für die Gegenwart abgeleitet.<br />

„Eine CO²-freie Welt wäre eine<br />

tote Welt!“, mahnt der Wissenschaftler<br />

Thüne. Ohne das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid<br />

gäbe es – wie ohne Licht und<br />

Wasser – kein Wachstum auf diesem Planeten.<br />

Professor Dr. Lutz Hofmann, Mitglied der<br />

Hannoverschen Burschenschaft Alt-Germania<br />

(NDB), referierte über die Herausforderungen<br />

und Lösungsansätze beim für die<br />

Energiewende notwendigen Netzausbau.<br />

In seinem technisch versierten Vortrag erläuterte<br />

er die Funktionsweise der Stromnetze<br />

sowie die technischen Anforderungen<br />

und Probleme beim Transport von<br />

Strom. So habe sich dessen Verteilungsstruktur<br />

geändert – nicht mehr nur von<br />

oben nach unten, sondern durch die Energiewende<br />

auch von unten nach oben, bei<br />

viel Wind und Sonne. Die neuen Energiequellen<br />

führten zu wachsenden Unsicherheiten<br />

im Stromnetz. So muß die Netzspannung<br />

stabil sein, bei einem großem Ausschlag<br />

nach oben oder unten drohe ein<br />

vollständiger Stromausfall (Blackout). Um<br />

dem entgegenzuwirken ist ein Netzausbau<br />

dringend notwendig. Dazu bedürfe es<br />

mehrerer zehntausend Kilometer neuer<br />

Stromtrassen. Dies ließe sich jedoch nicht<br />

von heute auf morgen ändern. Und so<br />

werde der Import und Export von Strom in<br />

Europa, auch auf Grund der Liberalisierung<br />

des Strommarktes, weiter zunehmen, um<br />

eine sichere Energieversorgung zu garantieren.<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Der emeritierte Professor Dr. Joachim Radkau – einst Anhänger der Kernenergie – sprach über die<br />

Geschichte der Kernenergie-Kontroverse.<br />

Zum Abschluß folgte noch eine Podiumsdiskussion.<br />

Dr. Thüne, Prof. Dr. Hofmann<br />

und Brall stellten sich den Fragen der rund<br />

50 Teilnehmer. Unter ihnen waren nicht nur<br />

eine Vielzahl Korporierter aus verschiedensten<br />

Verbindungen und Verbänden, die<br />

zum Teil aus ganz Norddeutschland anreisten,<br />

sondern mit dem Pressesprecher des<br />

Kernkraftwerkes Emsland auch ein externer<br />

Fachmann.<br />

Die X. Bielefelder Ideenwerkstatt konnte<br />

somit zu ihrem kleinen Jubiläum wieder alte<br />

und neue Gesichter auf das Haus in die<br />

Schloßhofstraße locken und mit fachkompetenten<br />

und sympathischen Referenten<br />

den politischen Anspruch der Burschenschaft<br />

verdeutlichen.<br />

Dirk Taphorn<br />

(Normannia-Nibelungen Bielefeld 2003/<br />

2004)<br />

Die korporierten Referenten Dr. Wolfgang Thüne, Marcus Brall und Professor Dr. Lutz Hofmann.<br />

Heft 4 - <strong>2014</strong> 145


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Rossinis Musik in revolutionären<br />

Geschehnissen des 19. Jahr hunderts<br />

Aber Politik und Theater sollten sich auch nahe berühren.<br />

Geschichte<br />

Von Bernd-Rüdiger Kern<br />

I. Einleitung<br />

Der Beitrag soll nicht Rossinis Verhältnis zu<br />

den zahlreichen Revolutionen oder revolutionären<br />

Ereignissen, die er erlebte, beleuchten.<br />

Vielmehr soll gezeigt werden, wie<br />

Rossinis Musik von Revolutionären eingesetzt<br />

wurde oder auch in Umbruchzeiten<br />

wirkte. Das bekannteste Beispiel dürfte die<br />

Umarbeitung der szenischen Kantate Il<br />

viaggio a Reims zur Oper Andremo a Parigi?<br />

sein, die 1848 am Théâtre Italien in Paris<br />

gespielt wurde. Die Reisegesellschaft<br />

will nicht zur Krönung nach Reims fahren,<br />

sondern selbstverständlich nach Paris auf<br />

die Barrikaden.<br />

Die im Folgenden mitgeteilten Funde sind<br />

sicherlich bei weitem nicht erschöpfend,<br />

sondern Früchte, die bei sonstigen Arbeiten<br />

zufällig abfielen. Dass alle drei Beispiele<br />

aus dem damaligen Deutschland stammen,<br />

ist gewiss auch nicht symptomatisch, sondern<br />

gleichfalls zufällig, wie schon im einleitenden<br />

Absatz aufgezeigt.<br />

II. Das Hambacher Fest<br />

Die ersten größeren politischen Unruhen<br />

im Deutschland des Vormärz gipfelten<br />

1832 im Hambacher Fest, das als verspäteter<br />

Nachfolger der französischen Julirevolution<br />

von 1830 angesehen werden kann und<br />

das dreißigtausend Teilnehmer auf dem<br />

Hambacher Schloß bei Neustadt in der<br />

Pfalz zusammenführte. Politische Reden<br />

wurden gehalten und immer wieder „die eigens<br />

zum Fest gedichteten Lieder gesungen“.<br />

Zu diesen Liedern gehörte Das deutsche<br />

Treibjagen („Fürsten, zum Land hinaus!“),<br />

das kurz vor dem Hambacher Fest<br />

entstanden war und dort jedenfalls gesungen<br />

wurde. Den Text mit seinen 23 Strophen<br />

verfaßte Hartwig Hundt-Radowsky<br />

nach Jakobinerart – „Ça ira, ça ira, les aristocrats<br />

à la lanterne“ – und veröffentlichte<br />

ihn 1832 in Straßburg. Auch nach dem<br />

Hambacher Fest blieb es in der Pfalz sehr<br />

populär, wurde aber auch von der im Untergrund<br />

wirkenden Burschenschaft gesungen,<br />

obgleich es von Anfang an unterdrückt<br />

wurde und das Absingen verboten<br />

war. Der Burschenschafter und Dichter Fritz<br />

Reuter sang in der Zeit die folgende Textvariante<br />

(2. Strophe): „Erst hängt den Kaiser<br />

Franz, | dann den im Siegerkranz | auf,<br />

auf, auf!“. Das führte zu einer Anklage wegen<br />

Majestätsbeleidigung. Da sich 1833<br />

beim Verhör eine „Erinnerungslücke“ einstellte,<br />

wurde die bereits verhängte Todesstrafe<br />

in eine 30-jährige Festungshaft umgewandelt.<br />

In Deutschland konnte das Lied<br />

daher legal nicht gedruckt werden, so daß<br />

sich nur wenige Flugblätter erhalten haben.<br />

Im Exil kam es allerdings zu einigen Veröffentlichungen.<br />

Heinrich Albert Oppermann<br />

veröffentlichte unter dem Pseudonym Hermann<br />

Forsch 1835 drei harmlose, unpolitische<br />

Strophen: „Das erste Lied, was man<br />

sang, war das bekannte Hambacher [..] Die<br />

ersten 37 Strophen müssen wir aus bekannten<br />

Gründen hier weglassen, dagegen wollen<br />

wir einige unschuldigere und nicht so<br />

derbe Verse hier hersetzen.“<br />

Zu weiteren politischen Ereignissen wurden<br />

neue Strophen hinzugedichtet, so etwa in<br />

der Revolution von 1848. In den Gesangsbüchern<br />

der studentischen Verbindungen<br />

tauchte das Lied ab 1858 nicht mehr auf,<br />

auch nicht in der „DDR“.<br />

Lange Zeit unklar war die Herkunft der<br />

Komposition, wobei die Lage noch dadurch<br />

zusätzlich erschwert wurde, daß es mehrere<br />

Gesangsfassungen gibt. 1998 jedenfalls<br />

wurde zur CD-Einspielung des Deutschen<br />

Volksliedarchivs noch vermerkt: „Mel.: Walzer<br />

unbek. Herkunft“. Dabei gab es bereits<br />

in der von Forsch zitierten Schrift eine vage<br />

Andeutung, hieß es doch an der mit Auslassungszeichen<br />

gekennzeichneten Stelle:<br />

„Davon wurde der erste Vers nach der feierlichen<br />

Melodie „god save the king“, der<br />

zweite aber nach der schnellfüßigen Hambacher,<br />

aus dem Figaro genommenen Weise<br />

gesungen.“ Um welchen Figaro es sich<br />

handelte, läßt sich schon aus einem durchaus<br />

nützlichen Hinweis im Straßburger<br />

Druck von 1832 erschließen: „Tonangabe:<br />

«Ha, bravo, Figaro!»“ Die Veröffentlichung<br />

von 1841 enthält für dieses Lied – anders<br />

als bei anderen dort aufgeführten Liedern –<br />

keine Angabe zur Melodie. Aufschluß gibt<br />

erst die Publikation derselben durch die<br />

Gebrüder Kröher, auch wenn der Vermerk<br />

dazu in die Irre führend und falsch ist: „Melodie:<br />

Volksweise“.<br />

Es handelt sich um einen Ausschnitt aus<br />

dem Quintett von Rossinis Il barbiere di Siviglia,<br />

was freilich nicht so leicht zu erkennen<br />

ist, da die Melodie nur in den Oberstimmen<br />

in der Stretta des Ensembles vorkommt.<br />

Mit diesem Ausschnitt erklärt sich auch<br />

die Verwendung dieser fröhlichen<br />

Buffa-Melodie für ein ernstes Lied.<br />

Zunächst könnte man an freiheitsnähere<br />

Rossinimelodien etwa aus Guillaume<br />

Tell oder Le Siège de Corinthe denken.<br />

Aber es wurde ein Walzer verwendet:<br />

„Kraftvoll und spöttisch“. Deutlich wird der<br />

Sinn bei der Lektüre der deutschen Übersetzung<br />

des Librettotextes: „Der Narr ist<br />

von Sinnen, der Narr ist von Sinnen, wir sind<br />

nun verstanden.“ Die Übernahme dieser<br />

Textstelle verschärft also die Majestätsbeleidigung<br />

des Textes noch einmal deutlich.<br />

Die ungeheure Popularität dieses Liedes in<br />

der Pfalz unterstreicht noch eine weitere<br />

Tatsache. 1832 erschien im Musikverlag<br />

Schott in Mainz ein „2ter Hambacher Favoritwalzer<br />

für das Piano Forte über ein<br />

Thema von G. Rossini“. Das verwendete<br />

Thema im „Trio“ ist das des Liedes.<br />

Über den Arrangeur des Liedes und den<br />

Komponisten des Walzers ist nichts zu ermitteln.<br />

146 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Geschichte<br />

III. Die Revolution von 1848/49<br />

In Breslau wurde im März 1848, in den ersten<br />

Tagen der Revolution, eine angekündigte<br />

Aufführung des Rossinischen Tell<br />

durch Verfügung des schlesischen Oberpräsidenten<br />

Wilhelm Felix Heinrich Magnus v.<br />

Wedell verboten. Grund dafür war, daß es<br />

im Vorfeld öffentliche Auseinandersetzungen<br />

während einer Versammlung gegeben<br />

hatte. Darüber hinaus traute die Regierung<br />

der ungewöhnlichen Ruhe am Faschingsdienstag<br />

nicht. Die lapidare Meldung der<br />

«Frankfurter Oberpostamts-Zeitung» lautete:<br />

„Durch eine Verfügung vom hiesigen<br />

königl. Polizei-Präsidium ist die für heute angekündigte<br />

Aufführung der Oper ‚Wilhelm<br />

Tell’ untersagt worden.“ An diesem Tag<br />

verbreitete sich in Breslau „das Gerücht, der<br />

bekannte Volksmann Graf Reichenbach<br />

würde im Theater erscheinen und eine Demonstrationsrede<br />

an das Publikum halten.<br />

Die ‚gefährliche‘ Oper mußte auf Befehl der<br />

Polizei in letzter Stunde abgesetzt werden<br />

und da eine andere Vorstellung in der Eile<br />

nicht möglich war, so fiel sie ganz aus.“<br />

Am 24. März 1848 wurde die Oper dann<br />

aber doch aufgeführt: „An dem Abend dieses<br />

Tages war das Breslauer Theater der<br />

Schauplatz einer seltenen Feier und eines<br />

Volks-Enthusiasmus, wie wir ihn seit 1813 in<br />

Breslau nicht gesehen haben.“ Mit diesen<br />

Worten beginnt der Bericht des Breslauer<br />

Kaufmanns Karl Friedrich Hempel<br />

(1789–1851) über die Geschehnisse. Im<br />

Folgenden beruft er sich auf eine nicht<br />

näher definierte Schilderung:<br />

„Es schien“, sagt ein Berichterstatter, „nicht<br />

ein Theater-Publikum sich versammelt zu<br />

haben, nicht Menschen, die gleichgültig<br />

und zufällig nebeneinander sitzen und da<br />

gekommen sind, um einige Stunden durch<br />

Sinnenreiz zu tödten. Nein! eine<br />

einzige große Familie war es,<br />

die sich versammelt hatte, um<br />

ein heiliges, für alle Glieder<br />

gleichen Antheil bietendes Fest<br />

zu feiern; die morschen Schranken<br />

der verschiedenen Stände<br />

schienen gefallen und alle wollten<br />

nur für einen Zweck für ein<br />

edles Gefühl sich einen. Ein<br />

Volksfest war es, dessen Sinn<br />

man nicht allein in der freudigen<br />

Stimmung erkannte, sondern<br />

auch in allen Äußerlichkeiten,<br />

wie die glänzenden Toiletten<br />

der Damen, geschmückt<br />

mit Bändern deutscher und des<br />

Landes Farben, das schönste<br />

Zeugniß gaben.“<br />

Das Theater selbst war festlich<br />

decorirt und erleuchtet; in der<br />

Mitte, der Bühne gegenüber,<br />

entfaltete sich mächtig das<br />

Banner Deutschland in seiner<br />

dreifarbigen Pracht. Als der<br />

Vorhang sich erhob, war auf<br />

der Bühne das sämtliche<br />

Opern-Personal im altdeutschen Costum<br />

und welches Fahnen deutscher Farben<br />

trug, in einem Halbkreis aufgestellt. (sic!)<br />

Herr Heese, ein junger talentvoller Schauspieler,<br />

als Genius der jungen deutschen<br />

Freiheit, trat vor und sprach, eine dreifarbige<br />

Fahne in der Hand, schön und erhebend<br />

den hierauf sich beziehenden Prolog<br />

von Lasker. Nachdem dieser mit dem allgemeinsten<br />

Beifall aufgenommen worden,<br />

sang Herr Rieger den Festgesang „Ich bin<br />

ein Deutscher, kennt ihr meine Farben“,<br />

ebenfalls von unserem Landsmann Lasker<br />

gedichtet. Das Publikum, förmlich electrisirt,<br />

sang im vollen Chor den Refrain mit<br />

und verlangte stürmisch die Wiederholung,<br />

die dann auch, gleichen Enthusiasmus erzeugend,<br />

erfolgte. Hierauf begann die<br />

Oper „Wilhelm Tell“, die von unserem<br />

peinlichen, engherzigen Ober-Präsidenten<br />

noch vor wenigen Tagen aufs strengste verboten<br />

worden und deren flammensprühende<br />

Musik ganz für die heutige Stimmung<br />

geeignet war. Nach dem ersten Akt<br />

stimmte die Versammlung zum dritten Mal<br />

den Laskerschen Festgesang an und nach<br />

dem zweiten Akt verlangte es die Marseillaise<br />

und beruhigte sich nicht eher, bis das<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Orchester nachgab und das französische<br />

Volkslied spielte. Letzteres wurde später<br />

von der gesamten Presse scharf getadelt.<br />

Aus anderen deutschen Städten sind keine<br />

derartigen Zwischenfälle überliefert. Das<br />

liegt nicht etwa daran, daß die Oper nicht<br />

gespielt wurde. Vielmehr gab es 1848 zahlreiche<br />

Aufführungen. In Frankfurt am Main<br />

etwa wurde die Oper am 30. März 1848 am<br />

Vorabend der Versammlungseröffnung in<br />

der Frankfurter Paulskirche im Stadttheater<br />

aufgeführt. Erst 1849 ging die Zahl der Aufführungen<br />

etwas zurück. Die Oper wurde<br />

aber zumindest an vier Hofopern gespielt.<br />

Aber auch außerhalb der Theater wurde<br />

Rossinis Musik 1848 für politische Zwecke<br />

eingesetzt, vermutlich weil seine Musik immer<br />

noch sehr populär war. Am 7. August<br />

1848 kam es im Orangeriehaus zu Bessungen<br />

bei Darmstadt zu einer „Großen musikalischen<br />

Aufführung zum Besten der deutschen<br />

Kriegsflotte“, zu dem der Melomanen-Verein<br />

einen Trinkchor – vermutlich aus<br />

Le Comte Ory – von Rossini beisteuerte.<br />

Damit wurde Rossinis beliebter, aber gänzlich<br />

unpolitischer Chor für eine eminent politische<br />

Sache vereinnahmt, handelte es<br />

sich doch um ein Benefizkonzert zugunsten<br />

der von der Frankfurter Nationalversammlung<br />

gewollten deutschen Kriegsmarine im<br />

Zusammenhang mit dem Schleswig-Holsteinischen<br />

Krieg (1848–1851).<br />

IV. Schluß<br />

Die wenigen, aber markanten Beispiele haben<br />

gezeigt, daß die Musik Rossinis und<br />

die Aufführungen seiner Opern durchaus<br />

geeignet waren, in revolutionären<br />

Zeiten als Brandbeschleuniger zu dienen.<br />

Das ist für die „gefährliche“ Oper „Wilhelm<br />

Tell“ leicht verständlich, „weil die Bezüge<br />

zur aktuellen politischen Situation so einfach<br />

hergestellt werden konnten“. Daß<br />

dazu aber nicht nur geeignete Stoffe und<br />

martialische Musikstücke dienten, verblüfft<br />

auf den ersten Blick, läßt sich aber aus dem<br />

spöttischen, ironischen Charakter leicht erklären.<br />

Auch wenn die Unruhen in Breslau<br />

nicht die Auswirkungen von Aubers La Muette<br />

de Portici hatten, die es immerhin zum<br />

Auslöser der belgischen Revolution<br />

brachte, so zeigt sich doch auch hier eindrücklich<br />

die gesellschaftliche und poli -<br />

tische Bedeutung von Musik im 19. Jahrhundert.<br />

Unser Autor Professor Dr. Bernd-Rüdiger Kern studierte Rechtswissenschaft<br />

an der Universität Heidelberg und war nach dem<br />

ersten juristischen Staatsexamen 1974 Assistent am Institut für<br />

Rechtsgeschichte an der Universität Berlin. Anschließende Tätigkeit<br />

als Referendar am Kammergericht Berlin und zweites Staatsexamen<br />

im Februar 1978. Danach Assistent bei Prof. Laufs in<br />

Heidelberg und Promotion im Jahre 1980 sowie Habilitation 1988<br />

in Tübingen. Von 1993 an Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches<br />

Recht, Rechtsgeschichte und Arztrecht der Universität Leipzig.<br />

Seit Oktober <strong>2014</strong> ist Professor Dr. Bernd-Rüdiger Kern emeritiert.<br />

Heft 4 - <strong>2014</strong> 147


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Interview mit Vbr. Maximilian Krauss<br />

Geschichte<br />

BBl: Die SPÖ möchte Sie ja, entgegen<br />

der gesetzlichen Regelungen, einfach<br />

nicht zulassen zu dem Amt, für welches<br />

sie vorgeschlagen wurden. Was meinen<br />

Sie, ist das Taktik oder Realitätsverweigerung?<br />

Krauss: Naja, wir haben im Wiener<br />

Schul system die Situation, daß alle Zahlen,<br />

die wir haben katastrophal sind. Wir sehen,<br />

daß ein Drittel aller 14- bis 15-Jährigen<br />

nach neun Jahren Schulbildung immer<br />

noch nicht sinnerfassend lesen und schreiben<br />

kann. Wir erleben, daß wir eine extrem<br />

hohe Rate an Schulabbrechern haben und<br />

daß auch von Denjenigen die in Wien eine<br />

Schule abschließen überdurchschnittlich<br />

viele in der Folge arbeitslos werden. Mehr<br />

als 10 Prozent aller Jugendlichen in Wien<br />

sind arbeitslos, was weit über dem Bundesschnitt<br />

in Österreich liegt. All das sind<br />

Dinge wofür die SPÖ mit ihrer Stadtschulratspräsidentin<br />

Brandsteidl Verantwortung<br />

trägt. Und hier wollen sie natürlich nicht,<br />

daß die FPÖ im Stadt schulrat Kontrolle ausüben<br />

kann. Denn sie könnte ja auf Schüler<br />

zugehen und weitere Missstände aufdecken<br />

und in der Folge auch die richtigen<br />

Problemlösungen durch direkte Gespräche<br />

mit den Schülern finden.<br />

Das Einzige was eigentlich gegen Sie vorgebracht<br />

wird, ist die Nazi-Keule und die<br />

beruht in ihrem Fall lediglich darauf, daß<br />

sie Burschenschafter sind. Jetzt wird die<br />

FPÖ deshalb natürlich nicht einknicken<br />

und einen anderen nominieren. In der BRD<br />

läuft so etwas jedoch anders. Dort hat zum<br />

Beispiel die CDU den Berliner Staats -<br />

sekretär Michael Büge, nach einer linken<br />

Hetzkampagne gegen ihn, hinausgeworfen<br />

weil er Burschenschafter ist. Wo sehen<br />

sie da die Unterschiede zwischen der Bundesrepublik<br />

und Österreich?<br />

Ich muß ganz ehrlich sagen, daß ich den konkreten<br />

Fall in der CDU jetzt nicht genau<br />

kenne. Ich weiß allerdings, daß es in der Bundesrepublik<br />

einen noch viel größeren Gegenwind<br />

gibt, wenn man in einer Studentenverbindung<br />

ist und daß es einem dort seitens<br />

der Medien und der linken Gesellschaft noch<br />

schwieriger gemacht werden soll. Ich bin allerdings<br />

froh, daß wir in Österreich die FPÖ<br />

haben, die es fördert, daß auch Farbenstudenten<br />

bei uns in Ämter kommen können<br />

und die hier nicht in die Knie geht, sondern<br />

die dafür steht, daß Burschenschafter und<br />

andere Couleurstudenten, so wie alle anderen<br />

Personen auch, öffentliche Ämter bekleiden<br />

und sie repräsentieren können. Ich sage<br />

ganz klar: Wir leben in einer Demokratie und<br />

da muß es möglich sein, auch als Burschenschafter<br />

ein Amt zum Beispiel im Stadtschulrat<br />

bekleiden zu können.<br />

Maximilian Krauss (21) ist Bezirksvorsitzender der<br />

FPÖ Wien-Josefstadt, Stellvertretender Bundesvorsitzender<br />

des Rings Freiheitlicher Jugend,<br />

sowie Aktivensprecher der Wiener akademischen<br />

Burschenschaft Aldania. Die FPÖ ist zweitstärkste<br />

Fraktion im Wiener Landtag und Gemeinderat. Als<br />

solche hat sie laut Landesverfassung das Vorschlagsrecht<br />

für das Amt des Stadtschulrats-Vizepräsidenten.<br />

Die SPÖ weigert sich jedoch Krauss<br />

anzugeloben und hat eine mediale Hetzkampagne<br />

gegen ihn angezettelt. Einen solchen Fall gab es<br />

bisher noch nicht. Die Freiheitlichen stehen zu<br />

Krauss und haben deshalb eine Verfassungsklage<br />

eingereicht.<br />

Sie sprechen ja diverse Probleme im<br />

Schulsystem, auch die heißen Eisen, ganz<br />

klar an. So möchten sie zum Beispiel die<br />

Anzahl an Schülern ohne ausreichende<br />

Deutschkenntnisse pro Klasse begrenzen.<br />

Da meinen jetzt viele das sei rassistisch.<br />

Was sagen sie dazu?<br />

Die Rassismus-Keule ist natürlich bei Linken<br />

beliebt wenn man als Patriot oder als konservativer,<br />

rechter Politiker Fehler aufzeigt,<br />

die die Linken verursacht haben. Wenn wir<br />

uns einmal das konkrete Problem ansehen,<br />

haben wir wie gesagt in Wien ein Bildungssystem,<br />

das überhaupt nicht funktioniert.<br />

Hier müßte man einmal anfangen, indem<br />

man sagt: Zuerst Deutsch, dann Schule! In<br />

den Schulunterricht sollte nur einsteigen<br />

dürfen, wer bereits Deutsch kann. Und das<br />

ist auch nicht rassistisch, denn so ein System<br />

wäre für alle von Vorteil. Sowohl für<br />

die Schüler die bereits Deutsch können, die<br />

autochthonen und die gut integrierten, als<br />

auch für die Schüler, die noch nicht Deutsch<br />

können und dann in einer verpflichtenden<br />

Deutsch-Lernklasse die Möglichkeit haben,<br />

das nachzuholen. Denn was passiert denn<br />

heute? Derzeit haben wir in sehr vielen<br />

Klassen die Situation, daß 50 bis 70 Prozent<br />

der Schüler dem Unterricht nicht folgen<br />

können, weil sie die Unterrichtssprache<br />

nicht verstehen. Die werden eine Weile<br />

lang mitgeschliffen, haben dann aber keinen<br />

Schulabschluß und werden arbeitslos.<br />

Das ist auch nicht zum Vorteil dieser Schülerinnen<br />

und Schüler. Außerdem sage ich,<br />

daß auch die autochthonen Schüler ein<br />

Recht darauf haben, ab der ersten Klasse<br />

gute Bildung zu genießen und nicht von<br />

denen, die dem Unterricht nicht folgen<br />

können, aufgehalten zu werden. Ich<br />

glaube, das wäre ein System, das für beide<br />

Gruppen am besten wäre und an dem ist<br />

nichts rassistisch. Das ist einfach ein Gebot<br />

der Stunde.<br />

Es gab vor kurzem einen Fall in einer islamischen<br />

Schule, bei dem ein Lehrer hinausgeworfen<br />

wurde, weil er Musik unterrichten<br />

wollte, was im Islam verboten ist.<br />

Es entstehen immer mehr islamische Privatschulen,<br />

aber auch der Islamunterricht<br />

an öffentlichen Lehranstalten wird immer<br />

mehr kritisch betrachtet, weil hier vermehrt<br />

fragwürdige Lehrinhalte auftauchen.<br />

Wie stehen sie dazu, ist es sinnvoll<br />

so etwas weiter zu fördern?<br />

Man muß einerseits zuerst einmal sagen,<br />

daß es im Islam auch gemäßigte Formen<br />

gibt und viele Muslime, die mit diesen radikalen<br />

Auswüchsen nichts zu tun haben. Andererseits<br />

erleben wir allerdings, daß es in<br />

Wien bereits 21 Kindergärten gibt, die unter<br />

salafistischem Einfluß stehen sollen. Wir<br />

erleben, daß in einer islamischen Schule ein<br />

Lehrer gefeuert wird, weil er den Musikunterricht<br />

durchführen will. Also das sind unfaßbare<br />

Zustände, die ich weder in Österreich,<br />

noch in der Bundesrepublik, noch<br />

sonst irgendwo in Europa dulden möchte.<br />

Hier sind alle Freiheitsparteien europaweit<br />

gefragt, um derartige Entwicklungen aufzuzeigen<br />

und ihnen massiv entgegenzutreten.<br />

Wir in Wien haben beispielsweise letzte<br />

Woche eine Kundgebung durchgeführt,<br />

bei der wir gegen eine radikale Imamschule<br />

demonstriert haben, die demnächst eröffnet<br />

werden soll. Durch unseren Druck, den<br />

wir auch auf die Straße gebracht haben, haben<br />

wir bereits erreicht, daß auch der<br />

Stadtschulrat sowie die SPÖ und die ÖVP<br />

bereits zu dieser Imamschule Nein sagen.<br />

Das ist ein Verdienst, den wir Freiheit lichen<br />

uns auf die Fahne heften können, denn<br />

ohne uns hätte diese Mißstände und dieses<br />

konkrete Problem sicherlich niemand aufgedeckt.<br />

Sie haben erwähnt, daß die Linken die<br />

Probleme, die sie selber geschaffen haben,<br />

im Schulsystem und generell in der<br />

Gesellschaft, totschweigen wollen. Auch<br />

die Lehrinhalte sind dahingehend oft<br />

ideologisch gefärbt. Es wird sogenannte<br />

Geschichtspolitik betrieben, generell<br />

wird im Deutschunterricht und in allen<br />

geisteswissenschaftlichen Fächern ein<br />

gewisses linkes Weltbild vermittelt.<br />

Ja, generell vertrete ich die Ansicht, daß<br />

politische Bildung, wenn sie in der Schule<br />

stattfindet, unparteiisch sein muß. Was wir<br />

allerdings erleben ist, daß sehr viele Lehrer<br />

auf Schüler direkten Einfluß nehmen. Ich<br />

148 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Geschichte / Leserbriefe / Personalien<br />

Leserbriefe<br />

Zu: Plädoyer für eine<br />

offensive Burschenschaft,<br />

Bbl 1+2/<strong>2014</strong><br />

Vorweg muß ich sagen, daß ich den Artikel<br />

mit außerordentlicher Begeisterung gelesen<br />

habe – er sprach mir aus dem Herzen.<br />

Bei bundesinterner Diskussion sind, wie<br />

Verbandsbruder Hoewer vorausgesehen<br />

hat, die Reaktionen durchaus sehr geteilt.<br />

Die einen stimmen der Idee, einer offensiveren<br />

Burschenschaft, voll und ganz zu, die<br />

anderen halten das für blinden Aktionismus.<br />

Der Hauptunterschied zwischen diesen<br />

beiden Ansichten, deren Vertreter sich<br />

quer auf Altherrenschaft und Aktivitas verteilen,<br />

liegt meinem Empfinden nach darin,<br />

daß die einen ihr Augenmerk vor allem auf<br />

die Zukunft des Einzelbundes richten, die<br />

anderen, zu denen ich gehöre, zusätzlich<br />

auf die Zukunft der burschenschaftlichen<br />

Bewegung, als ernstzunehmenden politischen<br />

Faktor. Man will den Bund und die<br />

Deutsche Burschenschaft nicht in die<br />

Schußlinie der veröffentlichten Meinung<br />

bringen. Ich hingegen meine erkannt zu haben,<br />

daß die burschenschaftliche Bewegung,<br />

ihrem Wesen nach, genau in dieser<br />

Schußlinie stehen muß.<br />

Weiter bin ich durchaus der Überzeugung,<br />

daß es der burschenschaftlichen Tradition<br />

entspricht, für die Dinge, die man als richtig<br />

erkannt hat, mit Leib und Seele einzustehen.<br />

Daß man für diese Dinge streiten muß,<br />

Personalien<br />

Erich Stadler zum<br />

75.Geburtstag<br />

Am 14. April <strong>2014</strong> vollendete Dipl.-Ing. Erich<br />

Stadler sein 75.Lebensjahr. Aktiv war er<br />

ab 1958 bei der Prager Burschenschaft Arminia,<br />

damals in München. Aktiv ist Erich<br />

Stadler inzwischen im sechsten Jahrzehnt.<br />

Regelmäßig nimmt er an den Veranstaltungen<br />

seiner Burschenschaften teil, kommt<br />

nach Bochum, nach Dresden zur Burschenschaft<br />

Cheruscia, deren Band er seit 1993<br />

habe sehr viele Fälle wo sich junge Menschen<br />

an uns Freiheitliche wenden oder<br />

auch an mich als Schüler-Ansprechpartner<br />

und erzählen, daß von ihren Lehrern Druck<br />

ausgeübt wird. Weil man sich in Diskussionen<br />

zur FPÖ bekennt, weil man sagt, daß es<br />

Mißstände gibt oder weil man eben einfach<br />

kein Linker ist. Das hier seitens der Lehrerschaft<br />

in vielen Fällen keine Unparteilichkeit<br />

gegeben ist, ist schon einmal die erste Unglaublichkeit.<br />

Der zweite Skandal, den ich<br />

hier sehe, ist, daß beispielsweise im Geschichtsunterricht<br />

in Österreich überlegt,<br />

und teilweise auch bereits praktiziert wird,<br />

nicht mehr über die Türkenkriege zu berichten,<br />

die es ja historisch gegeben hat 1529<br />

und 1683. Schon damals standen der radikale<br />

Islam und die Türken vor Wien und<br />

heute soll man nicht mehr davon sprechen<br />

dürfen, weil sich manche neue Mitbürger<br />

trägt, und nach Graz zur Burschenschaft Allemannia,<br />

die ihm 2007 ihr Band verlieh.<br />

Auch beim Burschentag ist Erich Stadler jedes<br />

Jahr als Sitzungsvertreter anzutreffen.<br />

Eine Auflistung der Ämter, die Erich Stadler<br />

innehatte, wäre lang.<br />

Der Austausch mit den jüngeren Generationen<br />

scheint Erich Stadler jung zu halten.<br />

Die zwei Wünsche des Menschen gehen<br />

bei Erich Stadler in Erfüllung: alt zu werden<br />

und dabei jung zu bleiben. Wir wünschen<br />

zahlreiche weitere „Aktivensemester“.<br />

Christian Oppermann<br />

(Arminia Bochum 1976, Libertas Aachen<br />

1987, )<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

davon beleidigt fühlen könnten. Ich sage<br />

das ist auch unglaublich und das darf<br />

nicht sein, denn Geschichte hat so unterrichtet<br />

zu werden wie sie war und nicht beschönigt<br />

zu werden, nur weil es manchen<br />

nicht paßt.<br />

Das Gespräch führte der Journalist Waffenbruder<br />

Georg Immanuel Nagel (Akad.<br />

Corps Posonia Wien)<br />

auch wenn die Gefahr besteht, daß die<br />

Deutsche Burschenschaft und der Einzelbund<br />

dabei geschädigt werden. Genau<br />

diese Opferbereitschaft ist doch grundlegend<br />

für uns Burschenschafter. Gerade<br />

auch vor 1848, wo heftigste Repressionen<br />

zwar die Bünde zerstören konnte, nicht<br />

aber den Geist dahinter. Das ist unsere<br />

heroische Zeit, von deren Geist allein wir<br />

zehren müssen. Genauso die Burschenschafter,<br />

die 1921 in Oberschlesien kämpften,<br />

ohne gerufen worden zu sein. Nur die<br />

innere Pflicht fühlend, die ihnen das Vaterland<br />

nicht abverlangte, welches im Gegenteil<br />

sogar versuchte sie an der Ausführung<br />

derselben zu hindern. Das sind die Mythen,<br />

die mich dazu bewegten Burschenschafter<br />

zu werden.<br />

Ein Hauptproblem bei der Durchführung,<br />

der im Artikel beschriebenen Aktionen, ist<br />

sicherlich die fehlende Struktur. Man müßte<br />

dazu einen Kreis innerhalb der Deutsche<br />

Burschenschaft bilden. Eventuell sollten<br />

auch Bünde die nicht in der Deutsche Burschenschaft<br />

sind beziehungsweise nicht in<br />

diesem Kreis mitarbeiten, einen Ansprechpartner<br />

haben, um zu melden, daß an ihrer<br />

Hochschule Aktionen gegen Burschenschaften<br />

geplant sind. Gerade darin sehe<br />

ich auch eine Perspektive, daß man, durch<br />

Aktionen an Hochschulorten mit ausgetretenen<br />

Bünden, diese eventuell wieder in<br />

Richtung Deutsche Burschenschaft bewegen<br />

könnte.<br />

Als Beispiel: Ich bin just nach Rostock gewechselt,<br />

dort gab es bei der feierlichen<br />

Immatrikulation in der Marienkirche ein<br />

AStA/Fachschafts/StuRa/Antifa-Aufgebot<br />

vorm Eingang der Kirche, welche mit Banneraufschriften<br />

wie „Gegen Burschis“ und<br />

„Für Vielfalt“ gegen „anti-emanzipatorisches<br />

Gedankengut“ protestierten. Vor<br />

dem Eingang der Marienkirche, chargieren<br />

zu diesem Anlaß traditionellerweise einige<br />

Rostocker Verbindungen. Dieses Jahr war<br />

wohl nur noch die Burschenschaft Obotritia<br />

vor Ort.<br />

Würde man nun die örtlichen Bünde durch<br />

Anwesenheit und Gegenaktionen unterstützten,<br />

würde das vielleicht positiv von<br />

diesen Bünden aufgenommen. Ob dem so<br />

wäre, müßte man natürlich vorher klären.<br />

Dabei würden, denke ich, zwei Dinge offenkundig:<br />

1. Kommt man durch DB-Austritt nicht aus<br />

der Schußlinie egalitärer Kräfte.<br />

2. Steht man mit der Deutsche Burschenschaft<br />

nicht alleine da.<br />

Der zweite Punkt ist eventuell auch interessant<br />

in Bezug auf das Argument einiger<br />

Verbandsbrüder, daß der Verband dem<br />

Bund zu wenig einbringe. Das bezieht sich<br />

häufig eher auf Angebote der Deutsche<br />

Burschenschaft. Wenn aber egalitäre Aktionen<br />

vor Ort anstehen und der Verband<br />

steht hinter den örtlichen Bünden, könnte<br />

das durchaus zur Entkräftung solcher Argumente<br />

führen.<br />

Kurzum: Ich und der ein oder andere Bundesbruder,<br />

wären sicher bereit, bei solchen<br />

Aktionen mitzutun. Und ich hoffe, daß es zu<br />

einer Bildung eines solchen Kreises kommen<br />

wird und wünsche darüber unterrichtet<br />

zu werden.<br />

Hannes Krünägel<br />

(Arkadia Mittweida zu Osnabrück 2013/<br />

<strong>2014</strong>)<br />

Heft 4 - <strong>2014</strong> 149


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Rezensionen<br />

Von Jena nach Brittnau<br />

Ein hervorragendes Zeitgemälde erbringt<br />

der Historiker Max Baumann mit seiner Biographie<br />

über Johann Jakob Baumann. Dieser<br />

wurde am 21. Oktober 1824 in Stilli geboren,<br />

besuchte die Kantonsschule in Aarau<br />

(offenbar ohne im KTV mitzumachen, dem<br />

damals einzigen Verein), um sich dann von<br />

dort an der berühmten Universität Jena am<br />

12. Mai 1846 zu immatrikulieren. Selbstverständlich<br />

interessiert den Studentenhistoriker<br />

besonders diese Zeit. nicht zuletzt, weil<br />

er dort aktiv bei der berühmten Burschenschaft<br />

Arminia auf dem Burgkeller wurde.<br />

Aktiv bei der Burschenschaft<br />

Arminia auf dem Burgkeller<br />

Doch ausgerechnet darüber erfahren wir in<br />

der ansonsten hervorragenden Biographie<br />

so gut wie nichts. Wie stand es damals um<br />

diese Verbindung? Wie war das Verhältnis<br />

der Schweizer zu ihren deutschen Bundesbrüdern?<br />

Hat er gefochten? Wo sonst Max<br />

Baumann eine perfekte Quellenarbeit leistet<br />

– in corporationsspezifischer Hinsicht stützt<br />

er sich auf einen Internetbeitrag, auf Günter<br />

Steigers Jena-Buch (Weimar 1989), sowie<br />

auf eine Magisterarbeit. Hat denn die Arminia<br />

kein Archiv? Wir erhalten keine Antwort.<br />

Drei Mal stützt sich der Autor auf Vermutungen:<br />

Vermutlich war Baumann mit Emil Welti<br />

aktiv. Vermutlich nahm er nicht am Marsch<br />

nach Weimar am 11. März 1848 teil. Und vermutlich<br />

hat er das Burschenleben so genossen,<br />

daß sein Studium darunter litt. Auf Seite<br />

53 zitiert der Biograph die Beiträge von Alfred<br />

Thullen im Lexikon der Deutsche Burschenschaft<br />

sowie in der SH 1993/Heft 17,<br />

Seiten 15 f. Gemäß Fußnote 35 auf Seite 53<br />

hatte er auch mit dem bekannten Studentenhistoriker<br />

Peter Kaupp, selber AH der Arminia,<br />

Kontakt. Warum fragte er ihn nicht<br />

wegen archivarischer Quellen?<br />

Davon daß der Student aus Stilli die Burschenzeit<br />

auskostete, zeugt die folgende,<br />

köstliche Episode: Baumann war seit 1849<br />

Vikar in Brittnau, einem Dorf vier Kilometer<br />

südwestlich von Zofingen. Im September<br />

1854 besuchte ihn der legendäre Burgkeller-Wirt<br />

Gottlieb Dietsch. Was wollte denn<br />

der in jenem Kaff? Dieser wollte das Geld<br />

für das in Jena konsumierte Bier eintreiben,<br />

Max Baumann: Kirche, Schule, Fürsorge.<br />

Das Leben und Wirken des<br />

Aargauer Pfarrers Johann Jakob<br />

Baumann (1824-1889), Verlag<br />

hier+jetzt Baden 2013, 183 S., ill.;<br />

ISBN 978-3-03919-268-7<br />

starb aber ausgerechnet an einer Cholera<br />

fern der Heimat: „Vikar Baumann mußte<br />

also seinem Wirt aus frohen Burschenschaftsjahren<br />

auf dem Friedhof in Brittnau<br />

begraben.“ Er soll dann auf seinem Grabstein<br />

die Inschrift erhalten haben: „Hier ruht<br />

Gottlieb Dietsch, Gastwirt aus Jena. Er war<br />

ein Gläubiger.“ Diese Geschichte werde<br />

heute noch bei jeder Stadtführung in Jena<br />

den Touristen erzählt. Die wahre Inschrift<br />

lautete freilich anders.<br />

Rezensionen<br />

Eine engagierte Persönlichkeit<br />

Nach vier Semestern kehrte Baumann in die<br />

Schweiz zurück und studierte im SS 1848 in<br />

Zürich und im WS 1848/49 in Tübingen. Einen<br />

universitären Abschluß machte er<br />

nicht, nur mit Ach und Krach ein theologisches<br />

Diplom vor dem Aargauer Kirchenrat.<br />

1850 begann er sein Erwerbsleben in Brittnau,<br />

einem Dorf fünf Kilometer südwestlich<br />

von Zofingen, ab 1855 bis zu seinem Tod<br />

1889 als Pfarrer. Als solcher engagierte er<br />

sich rastlos auf der Grundlage einer liberalaufgeklärten<br />

Theologie, was immer wieder<br />

zu Konflikten mit den Orthodoxen führte,<br />

vor allem in den Bereichen Sozial- und Bildungspolitik.<br />

Oft stand er den politischen<br />

Instanzen und Vereinen als Präsident vor.<br />

Politisch wandte er sich früh der demokratischen<br />

Bewegung zu, stand somit auf linksliberaler<br />

Seite. Maßgebend wirkte er als Verfassungsrat<br />

bei der Schaffung der neuen<br />

Kantonsverfassung von 1885 mit und war<br />

dann noch eine Legislaturperiode Großrat.<br />

Max Baumann zeichnet das Leben einer<br />

überragenden Persönlichkeit nach. Man ist<br />

fast geneigt die Behauptung aufzustellen,<br />

daß – hätte Baumann in Zürich gewirkt –<br />

seine Laufbahn noch spektakulärer verlaufen<br />

wäre. Aber er lebte eben in der Provinz.<br />

Es handelt nicht nur um eine schöne und<br />

fließend verfaßte, sondern geradezu spannende<br />

Biographie, welche die besten Noten<br />

verdient. Das Bestreben des Autors war<br />

es nicht, eine studentenhistorische Arbeit<br />

zu schreiben, aber herausgekommen ist,<br />

zumindest im ersten Drittel eine solche. Zu<br />

ergänzen sind hier die Schilderungen der<br />

damaligen akademischen Welt, welche der<br />

junge Aargauer erfuhr.<br />

Kleinere Mängel<br />

Fünf Mängel möchten wir nicht unerwähnt<br />

lassen. Erstens fehlen, wie oben festgestellt,<br />

präzisere Schilderungen des couleurstudentischen<br />

Lebens in Jena, auch in<br />

Zürich oder in Tübingen. Zweitens wäre<br />

eine Zeittafel kein Luxus gewesen, Drittens<br />

wäre ein Register, vor allem bei so vielen<br />

Baumanns, durchaus nützlich gewesen.<br />

Viertens muß das Fehlen eines Quellenund<br />

Literaturverzeichnis bekrittelt werden.<br />

Schließlich wäre ein Stammbaum nützlich<br />

gewesen. Dies vor allem im Hinblick auf die<br />

Auftraggeber der Biographie, nämlich die<br />

Geschwister Jagmetti. Ihre Großmutter war<br />

Helen, die zweitälteste Tochter von Baumann,<br />

die einen umfangreichen Rückblick<br />

auf ihren verehrten Vater verfaßte. Sie heiratete<br />

den Seidenfabrikanten Louis Jagmetti<br />

in Lyon und gebar zwei Kinder. Eines<br />

davon muß ein Sohn gewesen sein. Dieser<br />

zeugte Antoinette (verh. Habich), Riccardo,<br />

Carlo und Marco. Sie alle brachten es weit<br />

in ihrem Leben. Riccardo war Rechtsprofessor<br />

und Ständerat, Carlo einer der profiliertesten<br />

Diplomaten der Schweiz in der Gegenwart,<br />

und Marco Zürcher Oberrichter.<br />

Verbunden sind sie alle – und hier schließt<br />

sich der corporationsspezifische Kreis –<br />

durch ihre Mitgliedschaft in der Zofingia<br />

Zürich. Dennoch: Eine Biographie erster<br />

Klasse!<br />

Dr. Paul Ehinger<br />

(Zofingia Zürich)<br />

Die Fuxenstunde<br />

Dr. Bernhard Grün und Christoph Vogel,<br />

beide katholisch korporiert, haben unter<br />

dem Titel „Die Fuxenstunde“ ein Handbuch<br />

des Korporationsstudententums herausgegeben.<br />

Wie der Name andeutet, handelt<br />

es sich um ein pädagogisches Hilfsmittel<br />

für die Ausbildung und Bildung der jüngeren<br />

Bundesbrüder. Es eignet sich für jeden<br />

Bund und fügt sich in jeden Verband.<br />

Die Aufbereitung des „Lehrstoffs“ geschieht<br />

in kurzweiliger Form, ohne daß die<br />

Beteiligten Angst haben müßten, nochmals<br />

die harte Schulbank zu drücken. Selbst ein<br />

sattelfester Fuxmajor findet noch Anregungen;<br />

das Buch ist aber auch ein Nachschlagewerk<br />

für Inaktive und Alte Herren, die<br />

sich einen aktuellen Überblick über andere<br />

Verbände und hochschulpolitische Organisationen<br />

verschaffen wollen.<br />

Die Gliederung zerfällt in neun Kapitel – Organisatorisches,<br />

Fuxenstunden, Prinzipien,<br />

Hochschule, Studententum, Brauchtum,<br />

150 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Rezensionen<br />

Verbindung/Verband, Allgemeinbildung<br />

und Fuxenveranstaltungen. Zu jedem<br />

Thema gibt es Anregungen, Winke und<br />

Netzverweise. Das unterstützt die Gestaltung<br />

von Fuxenstunden, es hilft bei der die<br />

Einholung von Informationen über das korporative<br />

und politische Hochschulwesen,<br />

es erleichtert das Auffinden weiterführender<br />

Literatur sowie die Kontaktaufnahme zu<br />

anderen Organisationen. Fragenkataloge<br />

und Diskussionsvorschläge fördern die Beschäftigung<br />

mit den Themen.<br />

Zu bemängeln wäre, daß die Studientexte,<br />

die sich mit den „Prinzipien“ (d. h. Werten<br />

und Betätigungsfelder der Korporierten)<br />

beschäftigen, nicht für die „Fuxenstunde“<br />

bearbeitet, sondern im Originalton verschiedenen<br />

Verbandszeitschriften entnommen<br />

wurden. So bleiben dem Leser Sätze<br />

wie dieser nicht erspart: „Wir müssen den<br />

vielfarbigen Fächer der Ehre entfalten…<br />

Dann werden wir Corpsstudenten Wegbereiter<br />

eines neuen, ehrenhaften Studententums.“<br />

(S. 96). Dann fällt die dezidiert<br />

christliche Sichtweise einzelner Autoren<br />

auf, was wahrscheinlich der korporativen<br />

Bernhard Grün & Christoph Vogel<br />

Die Fuxenstunde – Handbuch des Korporationsstudententums.<br />

Federsee<br />

Verlag, Bad Buchau. 1. Auflage <strong>2014</strong>,<br />

ISBN-Nr. 978-3-925171-92-5<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Herkunft der Herausgeber geschuldet ist.<br />

Angesichts der allgemeinen Retirade des<br />

Christentums schadet das aber nicht. Die<br />

Auflistung der Verbände und Organisationen<br />

nach dem Konfessionsprinzip erscheint<br />

dagegen überholt; unpraktikabel ist, daß<br />

die erloschenen Gruppierungen untergemischt<br />

statt in gesonderter Rubrik behandelt<br />

sind.<br />

Ansonsten ist die „Fuxenstunde“ von Thematik<br />

und Vollständigkeit her nicht zu beanstanden.<br />

Soweit ein Stichwortverzeichnis<br />

fehlt, wäre das durch ein ausführlicheres Inhaltsverzeichnis<br />

leicht auszugleichen. Dann<br />

würde das Buch noch öfter zur Hand genommen<br />

als dies ohnehin der Fall sein wird.<br />

Vivant sequentes!<br />

Hans-Georg Balder<br />

(Frankonia Bonn)<br />

Hinweis: Das Buch „Die Fuxenstunde“<br />

kann über den DB-Materialverstand<br />

(Verlag Thomas Mayer-Steudte) bestellt<br />

werden.<br />

„Für eine neue Nation“ –<br />

ungare Gedanken eines<br />

Chefredakteurs<br />

Dieter Stein: Für eine neue Nation.<br />

Junge Freiheit Verlag Berlin <strong>2014</strong>, gebunden,<br />

272 Seiten, ISBN-13: 978-<br />

3929886436, 19,90 Euro.<br />

Gerade einmal 20 Jahre ist es her, als die<br />

Junge Freiheit (JF), damals noch ein relativ<br />

unbedeutendes Monatsblatt, das auf vielen<br />

Korporationshäusern bei Erscheinen regelrecht<br />

verschlungen wurde, dankenswerterweise<br />

die Strömungen der Konservativen<br />

Revolution in die heutige Zeit transponierte.<br />

Eine „moralischen Wende“, natürlich<br />

wertkonservativ verpackt, sollte sich<br />

endlich im politischen Diskurs der Bundesrepublik<br />

niederschlagen, so die damalige<br />

Blattlinie. Damit ging sie, inhaltlich maßgeblich<br />

durch ihren Chefredakteur Dieter<br />

Stein geprägt, konform mit dem politisch<br />

an den herrschenden Zuständen in der<br />

Bundesrepublik Deutschland und auch der<br />

Republik Österreich unzufriedenen Teil der<br />

burschenschaftlichen Bewegung. Kein<br />

Wunder also, daß damals auch prominente<br />

Burschenschafter Teil der Redaktion waren,<br />

sich JF-Leserkreise auf unseren Häusern<br />

trafen etc. Daß es nach dem inhaltlichen<br />

Niedergang der ehemals dezidiert konservativen<br />

WELT überhaupt noch etwas gibt,<br />

das aus dem Einheitsbrei der am Kiosk erhältlichen<br />

Zeitungen herausragt, verdankt<br />

man in der Tat Dieter Stein. Trotz aller Widrigkeiten,<br />

darunter Brandanschläge auf<br />

die Hausdruckerei, verantwortete er den<br />

bisherigen Erfolg der Jungen Freiheit, die<br />

heute wöchentlich rund 20.000 Leser mit<br />

Nachrichten versorgt. Unternehmerisch ist<br />

Stein, der passionierte Phaeton-Fahrer, unterstützt<br />

durch zahlreiche jahrelange Kleinund<br />

Kleinstspenden, stets auf der sicheren<br />

Seite gewesen: Sein Projekt „Junge Freiheit“<br />

hat er in den vergangenen Jahren<br />

durch eine stark frequentierte Internetseite,<br />

eine knappe Personalkostenkalkulation und<br />

einen Buchdienst geschickt im stark umkämpften<br />

Zeitungsmarkt positioniert.<br />

Nun scheint es Dieter Stein seit Jahren in<br />

die politische Mitte zu ziehen. Sein angeblicher<br />

Wunsch, einmal im ARD-Presseclub<br />

mitdiskutieren zu dürfen, ist in der konservativen<br />

Verlagsbranche vielzitiert. Damit<br />

dies einmal Realität wird, müssen verständlicherweise<br />

breitere Leserschaften gefunden<br />

– und gegebenenfalls alte konservative<br />

Leserschichten geopfert werden. Der<br />

Kreis der nationalkonservativen Leserschaft<br />

dürfte ohnehin überschaubar sein, so<br />

nimmt man im Gegensatz zu früheren Zeiten<br />

und nach dem Wegfall des Rheinischen<br />

Merkurs deutlich wahr, daß häufiger christliche<br />

Themen Eingang in die JF-Berichterstattung<br />

finden. Dagegen ist von der Konservativen<br />

Revolution nahezu nichts mehr<br />

zu lesen. Man mag es Dieter Stein nicht verübeln,<br />

setzt er doch gerne auf das stärkste<br />

Pferd: Anfang der 1990er Jahre traf er sich<br />

zum Zwecke des Ausbaus seiner Zeitung<br />

noch mit hochrangigen NPD-Vertretern,<br />

nach dem Erfolg der Republikaner berichtete<br />

seine ehemalige Schülerzeitung<br />

hauptsächlich über die Schönhuber-Partei,<br />

schwenkte ein wenig später um auf den<br />

Bund Freier Bürger. Und heute – durchaus<br />

verständlich – sekundiert die JF die AfD.<br />

Zugegebenermaßen überaus intensiv, so<br />

daß politische Beobachter unken, die JF sei<br />

das inoffizielle Lucke- und Henkel-Sprachrohr.<br />

Es ist seit jeher Tradition, daß Chefredakteure<br />

namhafter Leitmedien, die sich einen<br />

politischen Auftrag attestieren, von Zeit zu<br />

Zeit auch Bücher verfassen, um ihre Standpunkte<br />

zu definieren. Man erinnere sich<br />

beispielsweise an den kürzlich verstorbenen<br />

Frank Schirrmacher von der FAZ, der<br />

mit „Das Methusalem-Komplott“ oder „Minimum“<br />

das politische Establishment im<br />

Bereich der Feuilletons zumindest temporär<br />

aufwirbelte. Oder an Heribert Prantl<br />

von der SÜDDEUTSCHEN, der zu allerlei<br />

Themen fundierte Streitschriften publiziert<br />

– natürlich mit linksliberaler Färbung. Viel-<br />

Heft 4 - <strong>2014</strong> 151


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

leicht war es Wunsch von Dieter Stein, sich<br />

auf dem Weg zum Presseclub auch einmal<br />

mit einem eigenen Buch zu Wort zu melden.<br />

In Ermangelung einer grundsätzlichen<br />

Positionierung durch Beschäftigung mit einem<br />

einzelnen Thema ist sein Elaborat<br />

„Für eine Neue Nation“ lediglich eine Aneinanderreihung<br />

von Kurzartikeln, gelegentlich<br />

Aufmachern, aus seiner Jungen<br />

Freiheit. Wissenschaftliches Arbeiten<br />

scheint ihm, dem Studienabbrecher, aber<br />

unbekannt zu sein, Quellenhinweise sind<br />

eher dürftig gesät. Dagegen regiert der<br />

Konjunktiv.<br />

Und Stein verrät sich mehr oder weniger<br />

als prinzipienlos – oder wohlwollend unterstellt:<br />

Er ist zumindest nicht in der Lage ein<br />

kohärentes Gedankengebäude zu errichten,<br />

wirkt stark von Tagespolitik und Subjektivität<br />

beeinflußt. Er argumentiert aus<br />

dem Bauch heraus, nicht tiefsinnig und<br />

stringent. Ein Beispiel ist der titelgebende<br />

Aufsatz „Für eine Neue Nation“. In diesem<br />

kritisiert er die Deutsche Burschenschaft für<br />

ihre Definition des Volkstumsbezogenen<br />

Vaterlandsbegriffs. Versteht ihn offenbar<br />

aber nicht ansatzweise, meint, die Deutsche<br />

Burschenschaft könne „die Avantgarde<br />

für einen erneuerten Volkstumsbegriff<br />

sein, der eine neue deutsche Identität<br />

vorlebt und definiert, wie eine nationale Integration<br />

in Sprache, Kultur und Volk auch<br />

mit Einwanderern wirklich gelingen kann.“<br />

So spricht er beispielsweise von „Deutsch-<br />

Asiaten“, dokumentiert damit, daß noch<br />

nicht einmal politische Grundbegriffe nationalkonservativer<br />

Weltanschauung sitzen.<br />

Den Aufsatz nutzt er zudem auch für einen<br />

Rundumschlag gegen rechts im allgemeinen<br />

und gegen die Deutsche Burschenschaft<br />

im besonderen. So sähe er wohl<br />

gerne den Begriff des Liberalismus aus konservativer<br />

Sicht einer Neubewertung unterzogen,<br />

wirft wirklichen Denkern der Rechten<br />

wie Armin Mohler vor, zu hart gegen<br />

den Liberalismus polemisiert zu haben. Und<br />

bei der Kritik an unserem Verband läßt er<br />

die Katze aus dem Sack: Die DB habe keine<br />

klare Haltung zum NS-Widerstand, kritisiert<br />

er. Und da ist Stein unerbittlich, wie selbst<br />

Redakteure seines Blatts unverblümt zugeben<br />

und gerne versuchen, es als persönliche<br />

Marotte ihres Chefs abzutun. Die JF hat<br />

sich ja seit jeher der Glorifizierung des 20.<br />

Juli 1944 verschrieben. Der Verband dagegen<br />

hat sich im Jahr 2006, nach fast zweijähriger<br />

Auseinandersetzung mit dem<br />

Thema, eindeutig mehrdeutig zum NS-Widerstand<br />

geäußert, legte sich klugerweise<br />

auf keine Bewertung fest und gab jedem<br />

Burschenschafter die Möglichkeit, den Widerstand<br />

aus persönlicher Sicht zu bewerten.<br />

Ein Beispiel für gelungene Meinungsfreiheit!<br />

So schrieb damals (2006) Henning<br />

Roeder (Alemannia Stuttgart) in den <strong>Burschenschaftliche</strong>n<br />

<strong>Blätter</strong>n: „Als Vorsitzende<br />

Burschenschaft wünschen wir uns,<br />

daß die von unseren Urvätern immer geforderte<br />

Meinungsfreiheit auch bei einem<br />

solch kontroversen Thema in gegenseitigem<br />

Respekt anerkannt bleibt.“ Frei ist der<br />

Bursch ...<br />

Genau seit diesem DB-Beschluß ist die<br />

Junge Freiheit der Deutschen Burschenschaft<br />

äußerst kritisch eingestellt, das läßt<br />

sich akribisch nachweisen. Ein Zufall? Wer<br />

erklärtermaßen kein Stauffenberg-Freund<br />

ist, ist auch kein Stein-Freund, so einfach<br />

scheint die stein sche Logik zu funktionieren.<br />

Die DB-Kritik seitens der JF, wir erinnern<br />

uns, gipfelte im „Rossi-Skandal“: Ein<br />

Burschenschafter aus Saarbrücken verfaßte<br />

in der Jungen Freiheit unter Pseudonym<br />

Angriffe gegen die <strong>Burschenschaftliche</strong> Gemeinschaft.<br />

Als der wirkliche Verfasser bekannt<br />

wurde, gab der Burschenschafter aus<br />

Saarbrücken indes das burschenschaftliche<br />

Ehrenwort, nicht der anonyme Autor zu<br />

sein. Auf Veranlassung Steins – immerhin<br />

Gildenschafter, dem die korporierte Definition<br />

von Ehre nicht ungeläufig sein sollte –<br />

wurde dem Saarbrücker in einem Schreiben<br />

offiziell bescheinigt, daß dieser nicht hinter<br />

dem Pseudonym stecke. Pech für beide<br />

und einen ebenso involvierten Hamburger<br />

Waffenbruder war allerdings, daß die diesbezügliche<br />

Korrespondenz an den Tag kam<br />

und den Schwindel der drei offenlegte.<br />

Stein hatte zugelassen, daß sich ein aktiver<br />

Proponent der innerverbandlichen Scharmützel<br />

der Jungen Freiheit als Druckmittel<br />

bedienen konnte.<br />

Daß Freiheit bei Stein, immerhin ein zentraler<br />

Begriff des eigenen Zeitungstitels, heute<br />

nicht mehr allzu freiheitlich ausgelegt wird,<br />

haben auch zahlreiche frühere Wegbegleiter<br />

erfahren müssen: Das konservative Institut<br />

für Staatspolitik, der Verlag Antaios, so<br />

mancher langjährige JF-Autor, der es gewagt<br />

hat, bei unliebsamen anderen Zeitschriften<br />

zu publizieren, und auch so mancher<br />

Bund, dessen <strong>Burschenschaftliche</strong><br />

Abende im Terminkalender der JF heute<br />

einfach nicht mehr berücksichtigt werden,<br />

können ein Lied davon singen. Die weithin<br />

anerkannte „ZurZeit“, das österreichische<br />

Pendant zur Jungen Freiheit, wurde mit<br />

Hilfe dieser aus der Taufe gehoben. Das<br />

stark waffenstudentisch geprägte Blatt –<br />

mit einer ähnlich hohen Auflage wie der JF<br />

Rezensionen<br />

im zehnmal kleineren Österreich – vertritt<br />

eine dezidiert konservative Blattlinie. Die<br />

Gründungshilfe erachtet Stein heute als<br />

„peinlich“. Wer im konservativen Bereich<br />

nicht der stein schen JF-Linie folgt, einen<br />

anderen wertkonservativen Standpunkt einnimmt,<br />

wird als „peinlich“ oder sonstwie<br />

unwürdig abqualifiziert. Eine Sicht nicht<br />

unähnlich der eines Sektenführers, der nur<br />

seine Meinung für die einzig statthafte<br />

hält ...<br />

Und gerade im Hinblick auf seine Thesen<br />

scheint Stein Kritiker nicht gerne zu sehen.<br />

So löscht er gnadenlos Facebook-<br />

„Freunde“, selbst wenn diese verhaltene<br />

sachliche Kritik äußern und lediglich diskutieren<br />

möchten. Dies korrespondiert mit<br />

seiner Tätigkeit als Chefredakteur. Zu seinem<br />

Beitrag „Für eine Neue Nation“ auf<br />

sachliche Fehler hingewiesen, korrigiert er<br />

diese nicht nachträglich. Eine anfangs mit<br />

ihm abgesprochene Replik auf den Artikel,<br />

die ebenfalls in der JF erscheinen sollte,<br />

verhindert er sogar strikt. Der Autor Dr.<br />

Claus Wolfschlag stellte die lesenswerte<br />

Replik dann einfach ins Netz (http://clauswolfschlag.blog.com/2013/11/24/neueburschenschaft).<br />

Darin kommt Wolfschlag<br />

unter anderem zum Schluß: „Ein weiterer<br />

Problempunkt ist die Inkonsequenz der Argumentation.<br />

Häufig liest man in der “Jungen<br />

Freiheit”, daß sich die Kirchen nicht<br />

dem Zeitgeist anpassen dürften. Die Wahrung<br />

der Grundsätze hinsichtlich Homo-<br />

Ehe, Familie, Abtreibung oder Zölibat sei<br />

hier gefragt. Somit ist es aber widersprüchlich,<br />

von den nationalen Milieus, hier besonders<br />

den Burschenschaften, eine Aufweichung<br />

ihrer Grundsätze und eine Liberalisierung<br />

zu verlangen, gleichzeitig diese Liberalisierung<br />

für das christliche Spektrum<br />

abzulehnen.“<br />

Ein Widerspruch von vielen, der das Buch<br />

nicht wirklich lesenswert macht. Neue Impulse<br />

gibt es nicht, es sei denn, man<br />

möchte die Abkehr von bislang gepflegten<br />

nationalkonservativen Standpunkten<br />

als revolutionär bezeichnen. Oder einfach<br />

konstatiert: Die Revolution frißt ihre Kinder<br />

– auch im Zeitungsgewerbe. Dabei soll<br />

dies nicht als grundlegende JF-Kritik<br />

mißverstanden werden. Andere ihrer<br />

Autoren wie Verbandsbruder Michael<br />

Paulwitz (Normannia Heidelberg) oder<br />

Doris Neujahr sind wertkonservative Edelfedern,<br />

deren Beiträge eine in anderen<br />

Publi kationen kaum erreichte Qualität auf -<br />

weisen.<br />

Johann Hagus (Raczeks Breslau 2003)<br />

Die aktuelle Preisliste für eine Werbeanzeige in den <strong>Burschenschaftliche</strong>n <strong>Blätter</strong>n<br />

erhalten Sie bei der Schriftleitung oder dem Schatzmeister.<br />

152 Heft 4 - <strong>2014</strong>


Rezensionen<br />

Sieben Reiter<br />

Der Verlag Antaios erweitert sein Programm<br />

vom Kulturabbildenden zum Kulturschaffenden.<br />

Die „Edition Nordost“ besticht<br />

mit einer Reihe wichtiger belletristischer<br />

Schriften.<br />

Jean Raspails Werk Sept cavaliers quittèrent<br />

la ville au crépuscule par la porte de<br />

l’Ouest qui n’était plus gardée erscheint<br />

nun erstmals in deutscher Übersetzung: „Er<br />

erkennt, daß er nichts mehr ist und daß das,<br />

was er gewesen war, und das, dem er gedient<br />

hatte, von nun an nicht mehr existiert.“<br />

Wie eine nüchterne Bestandsaufnahme<br />

wirkt er, dieser Satz. Wie die Selbsterkenntnis<br />

eines Rechten. Er drückt die<br />

Realität in bedrückender Deutlichkeit aus<br />

und dennoch bedeutet er keine Aufgabe,<br />

keine Kapitulation vor dem Unvermeidlichen,<br />

sondern ist der Eingang der nötigen<br />

Aggressivität.<br />

Das alte und das neue Europa<br />

Jean Raspail zeichnet ein düsteres Europa.<br />

Nicht mehr das schöne, liebliche Bild der<br />

vom stiergestaltigen Zeus entführten Anmutigen,<br />

die einst die Welt betört und mit<br />

ungnädiger Grausamkeit untertan gemacht<br />

hat. Europa ist nunmehr ein Ort der Anarchie,<br />

des Bösen, der Unsitte, des Häßlichen.<br />

Sämtliche Ordnung nicht nur auf den<br />

Kopf gestellt, sondern nicht-existent. Drogen,<br />

Krankheiten, Verrohung: keiner widersteht.<br />

Es sind die Angst und die fette Trägheit<br />

der Zufriedenen, die den Nährboden<br />

für dieses für jeden Geist und jedes Pathos<br />

tödliche Klima schaffen.<br />

Es ist also ein Europa, wie wir es zunehmend<br />

selbst kennen. Die Grenzen verschwimmen.<br />

Schon die Namenswahl der<br />

Reiter mutet an, wie eine Reise durch das<br />

alte Europa: von Pickendorff, van Beck, Venier,<br />

Tankred, Bazin du Bourg, Abai, Wassili.<br />

„Leicht das Herz und die Seele frei, kalt funkelnd<br />

wie Kristall, gerüstet für das, was sie<br />

erwartete. Der Markgraf hatte befohlen –<br />

sie marschierten. So einfach war das“, beschreibt<br />

der Bischof Van Beck den Auszug<br />

der Sieben aus der Stadt.<br />

Die Stadt selbst: ein Trümmerhaufen. Allein<br />

der Markgraf, umgeben von den Treusten,<br />

residiert und herrscht in der Burg über<br />

nichts. Sein letzter Befehl: reitet, um Gottes<br />

willen, reitet und findet, was ihr sucht!<br />

Sucht das Warum! Diese Frage zu beantworten,<br />

ziehen die Sieben aus, wissend, auf<br />

ewig vom Markgrafen zu scheiden, ohne<br />

Aussicht auf Rückkehr. Und er ohne Aussicht<br />

auf Antwort.<br />

Zurück zur Stärke, zum Mut des<br />

Zuversichtlichen<br />

Sie ziehen durch das Land, dasselbe Bild<br />

überall vor Augen, ein Bild der Schande.<br />

Und unbändigen Haß. Und bald ist klar,<br />

daß jeder die grundlegende Frage selbst<br />

beantworten muß. Es gibt diesen einen<br />

Jean Raspail: Sieben Reiter verließen<br />

die Stadt. Edition Nordost 2013, 248<br />

Seiten, ISBN-13: 978-3-944422-01-5,<br />

22,00 Euro.<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Weg aus der Krise nicht. Intrige und<br />

Gefahr sind ständige Wegbegleiter. Es<br />

gilt nur nicht aufzugeben. Zwischenzeitlich<br />

schwindet die Gruppe. Sie schrumpft<br />

Mann um Mann in der Aussichtslosigkeit.<br />

Sie sucht ihren Weg vor der Verzweiflung.<br />

„Sie müssen aus ihren Dörfern heraus, die<br />

Waffe in der Hand, ihr Territorium ausdehnen,<br />

es mit eiserner Faust unterwerfen,<br />

nach dem Recht des Eroberers, ohne<br />

Gnade für die Feinde, zuallererst um der eigenen<br />

Leute willen, dann aus Treue zum<br />

Herrscher, aus freier Entscheidung, weil die<br />

Pflicht es verlangt – und für die Beute.“<br />

Zurück zur Stärke, zum Mut des Zuversichtlichen,<br />

zur Kühnheit des Freien. Das ist der<br />

Weg.<br />

Laßt Raspail in die Herzen!<br />

Zu zweit sind sie, von Pickendorff und Bazin<br />

du Bourg, angekommen an der Grenze, Sephareé.<br />

Und sie finden nicht das gesuchte.<br />

Und plötzlich: ein Treffen im überfüllten<br />

Zug. Bazin du Bourg verkauft Versicherungen,<br />

von Pickendorff schreibt. Sie sind jeder<br />

ein assimilierter Teil.<br />

„Auf der Schwelle zur Ewigkeit darf<br />

man wohl verzweifelt sein.“ Nein!, schreit<br />

Raspail. Kein Flehen zu Gott, keine Verzweiflung.<br />

„Ob Gott existiert oder nicht,<br />

man stöbert ihn nicht auf, um mit ihm<br />

einen Handel zu machen: Gib dich zu<br />

erkennen, tritt heraus aus dem Gewölk,<br />

es geht um meinen Glauben! Das gehört<br />

sich nicht. Das ist ohne Haltung, ohne<br />

Stolz.“ Wo ist der Stolz? Wie kann verändert<br />

werden, was uns mißfällt? Laßt Raspail<br />

in die Herzen. Auch wenn das Haß bedeutet.<br />

„Der Haß entfesselt Kräfte. Angesichts der<br />

Zeiten, die auf uns zukommen, kann ich Ihnen<br />

nur, mit allem Respekt, nahelegen, sich<br />

reichlich damit zu versehen.“<br />

Arndt Novak (Danubia München <strong>2014</strong>)<br />

Heft 4 - <strong>2014</strong> 153


<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

Termine<br />

<strong>Blätter</strong><br />

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Abend?<br />

Der Künstler Hubert Döring, bekannt<br />

durch sein Bild „Deutsche Eiche“,<br />

bietet Vorträge zum Thema „Kunst“<br />

an:<br />

• Was ist Kunst?<br />

• Die gesellschaftliche Bedeutung der<br />

Kunst<br />

• Kunst und Propaganda<br />

• Die Instrumentalisierung von Kunst<br />

und Preisverleihungen<br />

Bei Interesse kontaktieren Sie bitte die<br />

Schriftleitung bzgl. der Kontaktdaten<br />

von Herrn Döring.<br />

Termine / Unsere Toten / Anschriften<br />

Unsere Toten<br />

✟<br />

Dipl.-Ing. Sebastin Ludwig (Suevia zu Coburg), verstorben zu Lichtenfels am 24. August <strong>2014</strong><br />

Dipl.-Ing. Erich Maschik (Suevia zu Coburg), Direktor.i. R., verstorben zu Heidelberg am<br />

14. September <strong>2014</strong><br />

Dr.-med. Robert Brauer (Hevellia Berlin), FA Urologie, verstorben zu Nürnberg am<br />

29. Juni <strong>2014</strong><br />

Diplom-Kaufmann Dr. rer. pol. Helmut Schirmer (Germania Köln 1954), Verwaltungs -<br />

direktor i. R., verstorben zu Moers am 12. September <strong>2014</strong><br />

Heinz Kurz (Thessalia Prag, Moldavia Wien), Redakteur, verstorben in Ostfildern am<br />

24. Oktober <strong>2014</strong><br />

Dr. Peter Katz (Allemannia München), Ltd. Veterinärdirektor a.D., verstorben in Rottenburg<br />

am 9. November <strong>2014</strong><br />

Dr. Walter Leitner (Allemannia München), Schlachthofdirektor a. D., verstorben in Pfarrkirchen<br />

am 10. November <strong>2014</strong><br />

Dr. phil. Eginhard Steiner (Allemannia Graz), Chemiker, verstorben in Graz am 28. April <strong>2014</strong><br />

Dipl.-Ing. Peter Sellner (Silesia Wien), verstorben zu Mondsee am 17. Oktober <strong>2014</strong><br />

Dipl.-Volkswirt Georg Wegscheider (Silesia Wien), verstorben zu Sieghartskirchen am<br />

5. Januar <strong>2014</strong><br />

Dipl.-Ing. Otto Eberhard (Silesia Wien), verstorben zu Feldkirch am 5. Juli 2013<br />

Wolfgang Riedler (Saravia Berlin), verstorben zu Hannover am 27. November <strong>2014</strong><br />

Anschriften der <strong>Burschenschaftliche</strong>n Amtsstellen<br />

1. Deutsche Burschschaft<br />

Vertreten durch die Vorsitzende Burschenschaft,<br />

siehe unter Herausgeber im Impressum.<br />

Verbandsobmann für Hochschul- und allgemeine Politik<br />

Patrick Koerner (Brixia Innsbruck),<br />

Innstrasse 18, A-6020 Innsbruck<br />

Telefon: +43 (0)650 3245591,<br />

E-Post: patrick_koerner@gmx.net<br />

Verbandsobmann für Nachwuchswerbung und Sport<br />

Fritz Hoewer (Germania Köln),<br />

Bayenthalgürtel 3, D-50968 Köln,<br />

Telefon: +49 (0)157 38836135,<br />

E-Post: jhoewer@web.de<br />

Beisitzer im Verbandsrat<br />

Dr. Wilhelm Haase (Saxo-Silesia Freiburg),<br />

Detmolder Straße 52 a, 33813 Oerlinghausen,<br />

Telefon: +49 (0)5202 5230,<br />

E-Post: herford@dr-haase.com<br />

Beisitzer im Verbandsrat<br />

Daniel Stock (Stauffia München),<br />

c/o Münchener Burschenschaft Stauffia,<br />

Stollbergstraße 16, D-80539 München,<br />

E-Post: daniel.stock@burschenschaft.de<br />

Schatzmeister<br />

Volker-Ralf Lange (ABB Raczeks Bonn),<br />

Drachenfelsstraße 35, D-53757 Sankt Augustin<br />

Telefon: +49 (0)171 7799000<br />

E-Post: v.r.lange@gmx.de<br />

Konto<br />

Deutsche Burschenschaft,<br />

Raiffeisenbank Sankt Augustin,<br />

IBAN: DE48 3706 9707 1007 0190 13,<br />

BIC: GENODED1SAM<br />

Vorsitzender des Rechtsausschusses<br />

der Deutschen Burschenschaft<br />

Christian Balzer (Rheinfranken Marburg),<br />

Barmer Straße 4, D-40545 Düsseldorf,<br />

Telefon: +49 (0)176 22365876,<br />

E-Post: rechtsausschuss@burschenschaft.de<br />

Referent für Medien- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

Walter Tributsch (Teutonia Wien),<br />

Landstraßer Hauptstraße 4, A-1030 Wien,<br />

Telefon: +43 (0)676 7379745,<br />

E-Post: presse@burschenschaft.de<br />

2. Verband der Vereinigungen Alter Burschenschafter<br />

(VVAB)<br />

Vorort des VVAB: Vereinigung Alter Burschenschafter<br />

Oberösterreich zu Linz<br />

Vorsitzender: Arch. Dipl.-Ing. Paul-Ernst Huppert (Suevia<br />

Innsbruck, Arminia Czernowitz zu Linz),<br />

Tel. +43 (0)664 5528515,<br />

Kassenwart: Mag. Wolfgang Rochowanski (Oberöster -<br />

reicher Germanen zu Wien), Tel. +43 (0)650 7222332,<br />

Kanzleiadresse: Rechtsanwälte Klicnik Lang,<br />

Taubenmarkt 1 / Domgasse 22, A-4020 Linz<br />

Über die E-Post-Adresse vabooe@gmx.at werden alle<br />

Amtsträger des Vorortes parallel erreicht.<br />

3. Bund Chilenischer Burschenschaften (BCB)<br />

B! Vulkania zu Valdivia<br />

Los Manzanos 040, CL-5110665 – Valdivia, CHILE<br />

info@bcb.cl<br />

4. <strong>Burschenschaftliche</strong>r Verein für nationale<br />

Minderheiten<br />

Vorsitzender: Dr. Bruno Burchhart (Olympia Wien),<br />

A-9184 St. Jakob i. Ros. 130, Tel.: +43 (0)664 9163853,<br />

E-Post: burchhart@gmx.net<br />

5. Burschenschaftsdenkmalverein in Eisenach<br />

Vorsitzender: Dr. Marc Natusch (Cheruscia Dresden,<br />

Rheinfranken Marburg), Leiblweg 12, D-70192 Stuttgart,<br />

Tel. +49 / (0)711 82086679, Fax +49 (0)711 82086683, E-<br />

Post: post@marc-natusch.de<br />

6. Denkmalerhaltungsverein Eisenach e.V.<br />

Thomas Mayer-Steudte (Normannia Heidelberg),<br />

Auf dem Hundshövel 6, D-46446 Emmerich am Rhein,<br />

Telefon: +49 (0)172 2093255,<br />

E-Post: thomas.mayer-steudte@t-online.de<br />

7. Sonstige burschenschaftliche Amtsstellen<br />

Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung<br />

e.V.<br />

Vorsitzender: Dr. Klaus Oldenhage (Norddeutsche und<br />

Niedersachsen, Germania Trier), Bismarckstr. 9–11,<br />

D-56068 Koblenz, Tel. +49 (0)261 36256,<br />

E-Post: k.oldenhage@online.de<br />

1. Stellvertretender Vorsitzender und Schatzmeister:<br />

Hans-Jürgen Schlicher (Alemannia München, Germania Trier)<br />

Am Zieglerberg 10, D-92331 Lupburg-Degerndorf,<br />

Tel. +49 (0)9492 6168, Fax +49 / (0)9492 7449,<br />

E-Post: hans-juergen.schlicher@gmx.de,<br />

Bankverbindung: Gesellschaft für burschenschaftliche<br />

Geschichtsforschung e.V., BW-Bank Stuttgart,<br />

Konto-Nr.: 4 320 061, BLZ: 600 501 01,<br />

IBAN: DE37 6005 0101 0004 3200 61, BIC: SOLADEST600<br />

2. Stellvertretender Vorsitzender und Schriftenempfänger:<br />

Dr. Frank Grobe M.A. (Teutonia Aachen,<br />

Aachen-Dresdener B. Cheruscia),<br />

Dotzheimer Straße 56, 65197 Wiesbaden,<br />

Tel.: +49 (0)176 20123495,<br />

E-Post: frank.grobe@gmx.de<br />

8. Archiv und Bücherei der Deutschen Burschenschaft<br />

Dr. Dr. Harald Lönnecker (Normannia-Leipzig zu Marburg,<br />

Normannia Leipzig, Germania Kassel, Ghibellinia zu Prag<br />

in Saarbrücken EM, S! Normannia-Danzig Braunschweig<br />

EM)<br />

Bundesarchiv, Potsdamer Straße 1, D-56075 Koblenz,<br />

Tel. +49 (0)172 4255965,<br />

E-Post: archiv@burschenschaft.de<br />

154 Heft 4 - <strong>2014</strong>


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156 Heft 4 - <strong>2014</strong>

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