Burschenschaftliche Blätter 2014 - 4
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<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
4/<strong>2014</strong><br />
129. Jahrgang ISSN 0341-5352 www.burschenschaftliche-blaetter.de<br />
Es lebe der Sport<br />
Unter dem Motto „Frisch, fromm, fröhlich, frei“ blicken wir<br />
nicht nur auf sportliche Verbandsbrüder, sondern auch auf<br />
die Bedeutung der körperlichen Ertüchtigung.
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Impressum / Inhaltsverzeichnis<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong> <strong>Blätter</strong><br />
www.burschenschaftliche-blaetter.de<br />
Zeitschrift für den deutschen Burschenschafter. Begründet im Januar 1887<br />
von G. H. Schneider (Germania Jena), 129. Jahrgang, Heft 4, 4. Quartal <strong>2014</strong><br />
Impressum<br />
Herausgeber: Vorsitzende Burschenschaft<br />
der Deutschen Burschenschaft<br />
Aachen-Dresdener Burschenschaft Cheruscia<br />
Eisenstuckstraße 50<br />
D-01069 Dresden<br />
Verlag:<br />
Im Selbstverlag der Deutschen Burschenschaft.<br />
Schriftleiter, Anzeigen:<br />
Dirk Taphorn, M.A.<br />
(Normannia-Nibelungen Bielefeld)<br />
Postanschrift:<br />
Dirk Taphorn<br />
Postfach 32 02 07, D-01014 Dresden<br />
Telefon: +49 (0)351 16063872<br />
bbl-schriftleitung@burschenschaft.de<br />
BBl-Anschriftenverwaltung:<br />
C. F. Lindemann (Cruxia Leoben)<br />
Postanschrift:<br />
BBl-Anschriftenverwaltung<br />
Postfach 101232, D-20008 Hamburg<br />
bbl-anschriftenverwaltung@burschenschaft.de<br />
Gesamtherstellung und Vertrieb:<br />
Gieseking Print- und Verlagsservices GmbH<br />
Deckertstraße 30, 33617 Bielefeld<br />
Telefon +49 / (0)521 / 961496-55<br />
Telefax +49 / (0)521 / 98890439<br />
Erscheinungsweise:<br />
Viermal im Jahr<br />
Auflage: 7.000<br />
Bezugspreis:<br />
Für Bezieher, die der Herausgeberin angehören, ist dieser<br />
im Verbandsbeitrag enthalten. Für Bezieher, die nicht<br />
der Herausgeberin angehören, jährlich 21 Euro bei Lieferung<br />
frei Haus im Inland, 26 Euro ins Ausland. Einzelhefte<br />
im Inland 6,50 Euro, zuzüglich MwSt., inkl. Porto und<br />
Verpackung, Bestellungen beim Schatz meister. Auslands -<br />
bezug 8,50 Euro zuzüglich MwSt. und Versandkosten.<br />
Das Abonnement verlängert sich stillschweigend um ein<br />
Jahr, wenn es nicht schriftlich bis zum 30. September des<br />
laufenden Jahres gekündigt wird.<br />
Blattlinie:<br />
Mit dem Namen des Verfassers versehene Beiträge<br />
stellen nicht immer die Meinung des Herausgebers, des<br />
Schriftleiters oder der Burschenschaft des Verfassers dar.<br />
Die Verantwortung für die in diesen Artikeln zum Ausdruck<br />
gebrachte Meinung trägt ausschließlich der Verfasser.<br />
Sie bedeutet in keinem Falle eine amt liche Stellung -<br />
nahme des Verbandes.<br />
Nachdruck:<br />
Nachdruck nur mit genauer Quellenangabe („Burschen -<br />
schaftliche <strong>Blätter</strong>“, Jg., Heft, Seite, Verfasser) und mit<br />
Genehmigung des Schriftleiters gestattet.<br />
Beiträge:<br />
Wir erbitten die Zusendung aller Beiträge ausschließlich<br />
per E-Post in gängigen Digital-Formaten. Die Manuskript -<br />
richtlinien sind verbindlich und können bei der Schriftleitung<br />
angefordert werden. Handschrift liche Texte werden<br />
nicht berücksichtigt. Einsender von Bei trägen werden<br />
gebeten, sich vorher mit dem Schriftleiter in Verbindung<br />
zu setzen. Rezensionen dürfen maximal 3.000 Zeichen<br />
(inkl. Leerzeichen) umfassen. Ein Anspruch auf Abdruck<br />
von Manuskripten und zu einem bestimmten Termin<br />
besteht nicht. Für unverlangt eingesandte Manuskripte,<br />
Bilder und Besprechungsexemplare wird keine Haftung<br />
übernommen. Bei einer Nichtveröffentlichung handelt<br />
es sich nicht um Zensur. Die Verfasser, auch von Leserbriefen,<br />
fügen ihrem Namen ihre Burschenschaft und das<br />
Jahr des Eintritts hinzu. Die Schriftleitung behält sich ausdrücklich<br />
Streichungen und Kürzungen vor.<br />
Redaktionsschluß:<br />
Siehe unter Mitteilungen der Schriftleitung.<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Mitteilungen der Schriftleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111<br />
Demeter Dick: „Ironman Hawai – Weltmeisterschaft <strong>2014</strong>“ . . . . . . . . . 112<br />
Matthias Müller: „Härtetest der besonderen Art“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 114<br />
Gerhard Grassl: „Die DB-Skimeisterschaften“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116<br />
Jan Ackermann: „Jagd – Naturerlebnis und archaisches Handwerk“ . . 117<br />
Wilhelm E. Nordmeier: „Das Mensurwesen heute“ . . . . . . . . . . . . . . . . 120<br />
Bruno Burchhart: „Die Burschenturner“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121<br />
Harald Lönnecker: „Jahn und die Burschenschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . 123<br />
Aus dem <strong>Burschenschaftliche</strong>n Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />
Raphael Thiermann: „Vom schwierigen Unterfangen, in den Medien<br />
Recht zu bekommen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />
Helma Brunck: „Einheit und Freiheit – Vorgeschichte und Entwicklung<br />
der Grundrechte in Deutschland seit Beginn des 19. Jahrhunderts“ 130<br />
Wolfgang Gäbler: „Alle Erinnerung ist Gegenwart (Novalis)“ . . . . . . . . 138<br />
David Steinmann: „Die Zukunft des deutschen Konservatismus“ . . . . . 140<br />
Geschichte: „Rossinis Musik in revolutionären Geschehnissen<br />
des 19. Jahrhunderts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146<br />
Interview mit Vbr. Maximilian Krauss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148<br />
Leserbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149<br />
Personalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149<br />
Rezensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150<br />
Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153<br />
Unsere Toten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong> Amtsstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153<br />
Neues aus der BBl-Netzversion<br />
unter www.burschenschaftliche-blaetter.de:<br />
Armin Allmendinger:<br />
Alexander Czech:<br />
Johann Hagus:<br />
Armin Allmendinger:<br />
„52. Ulrichsberg-Gedenken in Kärnten“<br />
„Bericht vom DB-Südtirol-Seminar“<br />
„Werner Bräuningers Odeonplatz“<br />
„Die Deutsche Burschenschaft auf der Messe Zwischentag“<br />
110 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Mitteilungen der Schriftleitung<br />
Mitteilungen der Schriftleitung<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Sehr geehrte Herren Burschenschafter!<br />
Die Vorsitzende Burschenschaft der Deutschen<br />
Burschenschaft, die Aachen-Dresdner<br />
Burschenschaft Cheruscia, blickt auf ein<br />
schönes und erfreuliches Geschäftsjahr <strong>2014</strong><br />
zurück. Es war uns eine Ehre, der Deutschen<br />
Burschenschaft vorsitzen zu dürfen!<br />
Unser Verband ist auf einem guten Weg.<br />
Wer hätte das Ende 2012 gedacht? Wir, die<br />
wir der Deutschen Burschenschaft die<br />
Treue gehalten haben, haben daran fest<br />
geglaubt! Die Konsolidierungsphase nach<br />
der Austrittswelle ist abgeschlossen. Nachdem<br />
weltanschauliche oder auch persönliche<br />
Lagerkämpfe den Verband zumindest<br />
nicht mehr unmittelbar belasteten, konnten<br />
durch die freigesetzten Kräfte erste Rahmen<br />
gesetzt werden, auf denen sich die<br />
Deutsche Burschenschaft künftig bewegen<br />
wird.<br />
Es war gut und richtig, an den antiquierten<br />
und verkrusteten Strukturen anzusetzen.<br />
Mit Gedankengängen wie „das war schon<br />
immer so“ oder „das haben wir noch nie so<br />
gemacht“ wurde unser Verband in den vergangenen<br />
Jahren, wenn nicht Jahrzehnten,<br />
erfolgreich an die Wand gefahren. Die<br />
nächsten wichtigen Schritte zu einer gedeihlichen<br />
Zukunft haben Sie in Form zahlreicher<br />
Anträge bereits im Nachrichtenblatt<br />
323 nachlesen können. Sie befassen sich im<br />
Schwerpunkt mit einer Modernisierung der<br />
Finanzpolitik der Deutschen Burschenschaft.<br />
Im Nachrichtenblatt 324 werden<br />
noch weitere Anträge zur Erneuerung unserer<br />
Deutschen Burschenschaft folgen. Hierbei<br />
sei besonders der Antrag zur Gründung<br />
der „Akademie der deutschen Burschenschaften“<br />
hervorgehoben. Nach unserer,<br />
bereits im Geleitwort der BBl. 3+4 2013 visionierten<br />
Ansicht, ist der Aufbau einer derartigen<br />
Akademie ein guter und richtiger<br />
Weg, den wir gehen sollten. Die vom derzeitigen<br />
Bildungsbeauftragten mit großem<br />
Enthusiasmus und inhaltlichem Anspruch<br />
initiierten und organisierten Bildungsseminare<br />
sind hierbei nicht mit der burschenschaftlichen<br />
Akademie zu verwechseln. Das<br />
Konzept geht weit darüber hinaus und will<br />
vielmehr auch darauf hinwirken, der burschenschaftlichen<br />
Bewegung eine Basis zu<br />
liefern, wieder mehr in die deutsche Gesellschaft<br />
hineinzuwirken.<br />
Zu Beginn dieses Jahres setzten wir uns das<br />
Leitmotiv: „Wir müssen schneller und besser<br />
sein als diejenigen, die einen neuen<br />
Verband gründen wollen“. Dieses Ziel ist<br />
fast erreicht! Und im Jubiläumsjahr 2015<br />
wird dieses Ziel vollendet werden!<br />
Wir bedanken uns bei unseren Alten<br />
Herren, die uns unterstützten, sei es<br />
durch aktive Mitarbeit, sei es durch<br />
Präsenz bei Veranstaltungen oder auch in<br />
deren Wirken, der Vorsitzenden Burschenschaft<br />
den Rücken möglichst frei zu halten,<br />
was in der ersten Jahreshälfte zur erfolg -<br />
reichen Bewältigung von Verbandstagung<br />
und Burschentag maßgeblich beigetragen<br />
hat.<br />
Auch viele Verbandsbrüder haben uns<br />
geholfen, dieses Geschäftsjahr erfolgreich<br />
zu meistern. Ihnen gilt ebenso unser<br />
Dank.<br />
Das Zepter als Vorsitzende der Deutschen<br />
Burschenschaft geht nun an die Marburger<br />
Burschenschaft Germania über. Wir wünschen<br />
unserer Nachfolgerin eine glückliche<br />
Hand und viel Erfolg!<br />
Mit burschenschaftlichen Grüßen<br />
Gordon Engler<br />
(Aachen-Dresdner Burschenschaft Cheruscia)<br />
Sprecher der Deutschen Burschenschaft im<br />
Geschäftsjahr <strong>2014</strong><br />
Werte Verbandsbrüder,<br />
ich hoffe, Sie hatten ein angenehmes Weihnachtsfest<br />
sowie einen schönen Jahreswechsel.<br />
Nach den Feiertagen nehmen sich<br />
viele Menschen – und sicher auch genügend<br />
Verbandsbrüder – vor, wieder (mehr)<br />
Sport zu treiben. Daß körperliche Ertüchtigung<br />
ebenso zum burschenschaftlichen<br />
Anspruch gehört wie politisches Engagement,<br />
wird leider viel zu häufig vergessen.<br />
Vielleicht motiviert diese, etwas persön -<br />
licher gestaltete Ausgabe Sie zu mehr Bewegung.<br />
Denn im aktuellen Heft berichten<br />
Verbandsbrüder über ihren sportlichen Ehrgeiz<br />
– Sie müssen sich ja nicht gleich den<br />
„Ironman“ zum Ziel setzen. Doch körper -<br />
liche Ertüchtigung und Burschenschaft<br />
gehören zusammen, wie der geschichtliche<br />
Blick auf Turnvater Jahn zeigt.<br />
Jahn, einer der Wegbereiter der burschenschaftlichen<br />
Idee, wäre sicher stolz darauf,<br />
daß sich auch noch heute junge, deutsche<br />
Männer an seinem Wirken orientieren und<br />
für die Ideale „Ehre – Freiheit – Vaterland“<br />
begeistern. Das vor uns liegende Jahr 2015<br />
steht im Zeichen des großen Jubiläums<br />
„200 Jahre Burschenschaft“. Dazu möchte<br />
ich Sie an dieser Stelle noch einmal recht<br />
herzlich und zahlreich zum Burschentag<br />
nach Eisenach vom 28. bis 31. Mai 2015<br />
einladen.<br />
Treu auf!<br />
Dirk Taphorn<br />
(Burschenschaft Normannia-Nibelungen<br />
zu Bielefeld 2003/04)<br />
Titelbild<br />
Stilisiertes Turnerkreuz mit Jahn, Rad fahrer,<br />
Läufer und Mensurbild<br />
Bild: Braga<br />
Nächste Schwerpunkte<br />
Ausgabe 1/2015 steht unter dem Arbeits -<br />
titel „Nonkonformes Europa“<br />
Ausgabe 2/2015 wird sich dem Thema<br />
„200 Jahre Burschenschaft“ widmen.<br />
Redaktionsschluß<br />
Für die Ausgabe 1/2015: 28. Februar 2015<br />
Heft 4 - <strong>2014</strong> 111
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
IRONMAN Hawaii – Weltmeisterschaft <strong>2014</strong><br />
Schwerpunkt<br />
Von Demeter Dick<br />
Als US Navy Commander John Collins im<br />
Jahr 1977 mit Freunden darüber debattierte,<br />
welche der drei Sportarten –<br />
Schwimmen, Radfahren oder Laufen –<br />
denn nun die Härtere sei, beschloß er<br />
kurzerhand inspiriert von den drei bekanntesten<br />
Sportveranstaltungen Hawaiis<br />
– dem Waikiki Roughwater Swim<br />
(3,9 km), dem Around-Oahu Bike Race<br />
(180 km) und dem Honolulu-Marathon<br />
(42,2 km) – einen kombinierten Wettkampf<br />
ins Leben zu rufen. Der IRONMAN<br />
Hawaii war geboren.<br />
Am 18. Februar 1978 fiel der erste Startschuß<br />
mit stolzen 15 Teilnehmern und einer<br />
Siegerzeit von 11 Stunden und 46 Minuten.<br />
36 Jahre später zählt Triathlon weltweit zu<br />
einer der beliebtesten Ausdauersportarten.<br />
Die Weltmeisterschaft der IRONMAN-Serie<br />
findet jedoch weiterhin traditionell in Kona,<br />
Hawaii statt und lockt jedes Jahr die besten<br />
2000 Athleten aller Altersklassen auf „Big<br />
Island“.<br />
Als ich mich im Oktober 2011 aus einer<br />
Laune heraus zu meinem ersten Triathlon<br />
anmelde, besitze ich kein Fahrrad und kann<br />
keine 500 Meter weit Schwimmen. Mein<br />
einziges Kapital: Zwei schnelle Beine. Sechs<br />
Monate später stehe ich zum ersten Mal am<br />
Start eines Triathlons. Zwei weitere folgen<br />
im Jahr 2012. Im Jahr 2013 mein erster Sieg<br />
bei einer kleineren Veranstaltung in Havelberg,<br />
Sachsen-Anhalt. Aber erst im Jahr<br />
<strong>2014</strong> wage ich mich erstmals an die IRON-<br />
MAN-Langdistanz, während die vorangegangenen<br />
Wettbewerbe immer „nur“ über<br />
die halbe Distanz (1,9/90/21 km) ausgetragen<br />
wurden. Mein Debüt begehe ich dabei<br />
beim IRONMAN-Lanzarote – und zahle<br />
mein Lehrgeld. Zwei Monate später gelingt<br />
es mir jedoch beim IRONMAN-Austria mit<br />
einer Zeit von 9 Stunden und 9 Minuten unter<br />
3000 Athleten einen der 50 dort zur Verfügung<br />
stehenden Qualifikationsplätze für<br />
die Weltmeisterschaft zu erkämpfen.<br />
Sportlicher Ausnahmezustand<br />
Als ich in den 90er Jahren zum ersten Mal<br />
einen Bericht über den IRONMAN-Hawaii<br />
im Fernsehen verfolgte, stand für mich fest:<br />
Die Teilnehmer waren Sonderlinge. Genetische<br />
Launen der Natur mit kantigen Gesichtern<br />
und Lungen groß wie Ballone. So<br />
einen Wettkampf könne man doch unmöglich<br />
durchstehen. Aber man kann. Exakt<br />
drei Jahre nachdem ich mit dem Training<br />
für meinen ersten Triathlon begonnen<br />
habe, sitze ich im Flugzeug in Richtung Hawaii.<br />
Der Weg dorthin in Zahlen: 1.000 Kilometer<br />
Schwimmen, 27.000 Kilometer Rad<br />
und 11.000 Laufkilometer. Einmal rund um<br />
die Erde.<br />
Während sich in Kona das ganze Jahr über<br />
nur Fuchs und Hase gute Nacht sagen, ist<br />
der Rummel in den beiden Wochen um die<br />
Weltmeisterschaft unbeschreiblich. Es herrscht<br />
der sportliche Ausnahmezustand. Surrende<br />
Fahrräder, Athleten beim Schwimmund<br />
Lauftraining wohin man sieht. Darunter<br />
167 deutschsprachige Triathleten, die sich<br />
für das Jahr <strong>2014</strong> qualifizieren konnten. Die<br />
schillerndsten Namen der deutschen Profis:<br />
Andreas Raelert, Jan Frodeno und Sebastian<br />
Kienle. Zwei von ihnen werden auf<br />
dem Podest landen. Einer sogar als Weltmeister.<br />
Überhaupt zählen die deutschen<br />
Athleten hier jedes Jahr zu den Besten der<br />
Welt. Im Jahr 2013 befanden sich nicht weniger<br />
als sechs Deutsche in den Top 10.<br />
Eine Sportart, die nicht nur physische, sondern<br />
ganz besonders auch mentale Härte<br />
erfordert, scheint den Deutschen im Blut zu<br />
liegen.<br />
Am 11. Oktober ist es soweit. Seit 4 Uhr<br />
morgens herrscht im fahlen Licht der<br />
Scheinwerfer geschäftiges Treiben in der<br />
Wechselzone, die sich direkt auf dem Pier<br />
neben dem Schwimmstart befindet. Jeder<br />
überprüft das letzte Mal sein Fahrrad. Reifen<br />
werden aufgepumpt. Ketten geölt.<br />
Trinkflaschen gefüllt. Um 6 Uhr drängt sich<br />
das Feld in den Pazifik. 2.000 Athleten warten<br />
in vier Startwellen auf den Startschuß.<br />
Mit 3,9 Kilometern Schwimmen beginnt der Wettkampf.<br />
FinisherPix.com<br />
112 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Schwerpunkt<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
„You are an Ironman!“, empfängt mich der<br />
Sprecher mit den traditionellen Worten<br />
beim Zieleinlauf. Es ist geschafft. Knapp<br />
10.000 kcal sind verbrannt. Ich denke, da<br />
habe ich mir ein Bier verdient. Oder auch<br />
zwei.<br />
Die zweite Disziplin: 180 Kilometer am Rad.<br />
Das Wasser brodelt. Die Luft geschwängert<br />
von Adrenalin. Dann, um Punkt 6:30 Uhr,<br />
donnert der erste Kanonenschuß über die<br />
Bucht. Die Spiele beginnen.<br />
Kampf, Qual und Wille<br />
Hoher Wellengang und eine starke Strömung<br />
machen mir das Leben schwer,<br />
während ich durch das warme Salzwasser<br />
kraule als gäbe es kein Morgen. Nach über<br />
einer Stunde kehre ich zurück zum Pier und<br />
stürme in die Wechselzone, in der mein<br />
Zeitfahrrad auf mich wartet.<br />
Der zweite Teil des Rennens führt uns sodann<br />
180 Kilometer entlang der einsamen<br />
Lavaküste über den heißen Asphalt des<br />
Queen Ka'ahumanu Highway nach Hawi.<br />
Die Sonne brennt vom Himmel, und auch<br />
der Gegenwind zeigt sich am Wettkampftag<br />
unerbittlich. Dazu die Erzählungen der<br />
Veteranen im Hinterkopf: Der Wind wird<br />
drehen. Dies bedeutet im schlimmsten Fall,<br />
daß man nach der Wende in Hawi am Rückweg<br />
erneut mit Gegenwind konfrontiert<br />
wird. Mir sind am Weg zurück nach Kona<br />
rund 35 Kilometer Rückenwind vergönnt.<br />
Höchstgeschwindigkeit auf der Ebene (sic)<br />
70 km/h! Dann dreht der Wind wie befürchtet,<br />
und ich kämpfe mich mit aller Kraft<br />
zurück, ehe ich nach 5 Stunden erneut Kona<br />
erreiche.<br />
FinisherPix.com<br />
60 deutschsprachigen Triathleten gelingt<br />
eine Zeit von unter 10 Stunden. Sebastian<br />
Kienle wird Weltmeister, Jan Frodeno<br />
Dritter. Der längste Tag des Jahres<br />
geht zu Ende – und schreit nach Wieder -<br />
holung.<br />
Demeter Dick<br />
(Gothia Salzburg 1990, Arminia Czernowitz,<br />
Linz 1994)<br />
http://www.triathlondog.com<br />
Der Wechsel vom Rad in die Laufschuhe ist<br />
mithin einer der heftigsten Momente dieser<br />
Sportart. Nach 180 Kilometern am Rad in<br />
der sogenannten Aeroposition vermeint<br />
man nach dem Abstieg vom Sattel überhaupt<br />
nicht mehr gehen – geschweige<br />
denn laufen – zu können. Der erste Kilometer<br />
auf der Laufstrecke, bis sich der Körper<br />
wieder »öffnet«, eine Katastrophe. Aber ich<br />
finde schnell meinen Schritt und kann fast<br />
über die ganzen 42 Kilometer ein ordentliches<br />
Tempo halten. Die letzten 500 Meter<br />
am Ali'i Drive werde ich von der Menge getragen,<br />
und erreiche nach einer Marathonzeit<br />
von 3:13:12 nach insgesamt 9 Stunden,<br />
43 Minuten und 28 Sekunden das Ziel.<br />
Zieleinlauf in Kona nach dem abschließenden Marathon.<br />
FinisherPix.com<br />
Heft 4 - <strong>2014</strong> 113
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Härtetest der besonderen Art<br />
Der 10. Gore-Tex Transalpin-Run<br />
Schwerpunkt<br />
Von Matthias Müller<br />
Drei Monate an Vorbereitung lagen hinter<br />
mir, als ich Ende August aufbrach, um<br />
mich beim 10. Gore-Tex Transalpin Run<br />
einem Abenteuer der besonderen Art zu<br />
stellen: Einmal von Oberbayern über die<br />
Alpen bis runter nach Südtirol lautete die<br />
Devise. 293 Kilometer und knapp 13.000<br />
Höhenmeter in acht Tagen. Und dies in<br />
möglichst kurzer Zeit!<br />
Etliche Male war ich in den Wochen zuvor<br />
mit meinem Teampartner die heimatlichen<br />
Berge im Odenwald hoch und wieder runter<br />
gelaufen, um so viel wie möglich Höhenmeter<br />
in unsere Flachlandbeine zu bekommen.<br />
An der Ausdauer mangelte es uns als<br />
Straßen- und Marathonläufer dabei weniger.<br />
Was es zu trainieren galt, war vor allem<br />
das zügige und sichere Bergablaufen sowie<br />
die große Gesamtbelastung für Knochen,<br />
Bändern und Sehnen. Ein verlängertes Wochenende<br />
in den Zillertaler Alpen brachte<br />
zwei Wochen vor dem Start den letzten<br />
Feinschliff. Hier auf dem Berliner Höhenweg<br />
war bei Regen, Hagel und Neuschnee alles<br />
geboten, was uns in der Vorbereitung nur<br />
nützen konnte. Den 80 Kilometer langen<br />
Höhenweg in drei Tagen, dies schien uns<br />
eine gute Grundlage für den folgenden Härtetest<br />
beim Transalpin Run.<br />
In acht Tagen von Oberbayern<br />
bis nach Südtirol<br />
Am 30. August war es endlich soweit. Die<br />
vom Veranstalter vorgegebene Pflichtausrüstung<br />
war sauber im Rucksack verpackt.<br />
Immer wieder hatten wir auch im Training<br />
mit dem Rucksack trainiert. Neben der obligatorischen<br />
Wechselwäsche (Funktionshose,<br />
-hemd und Jacke), Mütze und Handschuhe,<br />
mußten darin neben der Verpflegung<br />
(2 Liter Wasser, Riegel und Energiegels)<br />
auch eine Rettungsdecke, ein Erste-<br />
Hilfe-Set, der Streckenplan sowie eine Signalpfeife<br />
und das Mobiltelefon (für Notfälle)<br />
verstaut werden. Denn auf die Sicherheit<br />
wurde seitens des Veranstalters ein besonderes<br />
Augenmerk gelegt. Schließlich können<br />
die Wetterumschwünge im Hochgebirge<br />
sehr plötzlich kommen und Minusgrade<br />
sind auf den Gipfeln dann auch im<br />
Hochsommer nicht ausgeschlossen.<br />
Entsprechend bepackt standen wir schließlich<br />
im oberbayerischen Ruhpolding um 8<br />
Uhr morgens an der Startlinie. Der Wettergott<br />
meinte es nicht gut mit uns. Es regnete<br />
– wie noch so oft in den folgenden Tagen –<br />
in Strömen. Doch dies tat unserer Motivation<br />
keinen Abbruch, sondern beförderte<br />
erst recht unsere steigende Erwartung.<br />
Jetzt sollte es endlich losgehen! Rund 300<br />
Zweier-Teams taten es uns gleich und gemeinsam<br />
zogen wir los, als endlich der<br />
Startschuß krachte.<br />
Bloß nicht zu schnell loslaufen! Der Wettkampf<br />
endet erst in acht Tagen und heute<br />
standen gleich 49 km auf dem Programm,<br />
sagten wir uns. Von Ruhpolding aus ging es<br />
durch das Herz der Chiemgauer Alpen. Ein<br />
langer und zäher Tag mit mehreren Anstiegen<br />
und rutschigen Bergab-Passagen erwartete<br />
uns. Alle 45 Minuten gönnten wir<br />
uns ein Energiegel um dem berühmten<br />
Hungerast vorzubeugen. Die Strecke war<br />
gerade im Gelände nicht einfach und sehr<br />
rutschig. Vor allem das letzte Bergabstück,<br />
1.000 Höhenmeter auf 3 Kilometer, hatte<br />
es in sich! Jede Wurzel, jeder Stein, jede<br />
Abbiegung erforderte höchste Konzentration!<br />
Doch am Ende wurde es wieder flacher.<br />
Nach 6,5 Stunden erreichten wir am<br />
Fuße des Wilden Kaisers erschöpft, aber<br />
glücklich das Ziel in St. Johann in Tirol.<br />
Gänzlich unerwartet liefen wir sogar als 5.<br />
Team ein. Was für ein Auftakt! Vor uns lediglich<br />
zwei weitere deutsche Teams sowie<br />
ein spanisches und ein schwedisches Duo.<br />
Der Gore-Tex Transalpin-Run –<br />
ein besonderer Teamwettkampf<br />
Nahrungsaufnahme, Regeneration,<br />
Streckenbriefing durch den Veranstalter,<br />
Abendessen, Studium der folgenden Etappenziele,<br />
Schlafen. Nach diesem Muster<br />
gestaltete sich in den folgenden Tagen unser<br />
festgelegter Ablauf nach den jeweiligen<br />
Etappenankünften. Ebenso der Abfolge<br />
am nächsten Morgen: 5 Uhr Aufstehen,<br />
6 Uhr Frühstück, 7:30 Uhr Ausrüstungskontrolle,<br />
8 Uhr Start. Unser ganzer<br />
Fokus richtete sich auf die kommenden<br />
Etappen, das Streckenprofil, die richtige<br />
Renneinteilung und unser Zusammenspiel<br />
im Team. Denn bei diesem Mehretappenrennen<br />
war die wechselseitige Motivation<br />
der entscheidende Faktor, da neben der<br />
Ausdauerleistung und der körperlichen<br />
Gesundheit vor allem mentale Stärke gefordert<br />
war.<br />
Der Gore-Tex Transalpin-Run ist ein Teamwettkampf<br />
und jedes Team muß hier die jeweiligen<br />
Kontrollstellen und das Ziel gemeinsam<br />
erreichen. Hintergrund für diese<br />
Ausgerüstet für den Transalpin-Run: schlechtes Wetter ist kein Hinderungsgrund.<br />
114 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Schwerpunkt<br />
Das kraftzerrende Wandern durch die Alpen bereitet dennoch Freude.<br />
Regelung ist der gerade im hochalpinen<br />
Gelände besonders geforderte Sicherheits -<br />
aspekt. Dies bedeutet wiederum, daß das<br />
Team bestens aufeinander abgestimmt<br />
sein und miteinander harmonieren muß –<br />
denn das Team ist nur gemeinsam stark. An<br />
Moral und Motivation mangelte es uns<br />
nicht und in den folgenden Tagen peitschten<br />
wir uns gegenseitig nach vorne. Unsere<br />
Ausgangsposition war mehr als verheißungsvoll.<br />
Auch bei der 2. und 3.<br />
Etappe landeten wir am Ende Vorne und<br />
erreichten inmitten der starken internationalen<br />
Phalanx jeweils als sechstes Team das<br />
Ziel. Ob das wohl gut geht?<br />
Die Losung nach der 4. Etappe:<br />
Einfach nur ankommen!<br />
Bereits der vierte Tag holte uns auf dem<br />
Boden der Tatsachen zurück. Die Etappe<br />
von Prettau über die 2.600 Meter hohe<br />
Bretterscharte bis nach Sand in Taufers mit<br />
knapp 2.000 Höhenmetern im Aufstieg und<br />
rund 2.400 Höhenmetern im Abstieg läutete<br />
den Wendepunkt ein. Nach dem Gipfel<br />
streikten meine Knie. Statt zügig bergab<br />
zu rennen konnte ich nur noch gehen. Jeder<br />
Schritt schmerzte. Wir verloren wertvolle<br />
Minuten und erreichten am Ende als<br />
17. Team das Ziel. Die Moral war im Keller.<br />
Doch es half nichts, es mußte ja irgendwie<br />
weiter gehen! Regeneration, Massage, Behandlung<br />
durch den Physio, Knieverband<br />
mit rosafarbenem Tape, Kompressionsstrümpfe.<br />
Jetzt wurden alle Register gezogen!<br />
Als äußeres Zeichen dessen: bei der<br />
nun folgenden 5. Etappe – ein Bergsprint<br />
über 1.000 Höhenmeter – gingen wir mit<br />
Stöcken an den Start, um uns auch mit den<br />
Armen nach oben zu schieben und so die<br />
Gelenke zu schonen.<br />
Unser Plan schien aufzugehen. Bei der 6.<br />
Etappe, wieder knapp 40 Kilometer mit<br />
über 2.000 Höhenmetern im Auf-und Abstieg<br />
– bissen wir nochmal kräftig auf die<br />
Zähne. Immer mehr Teams hatten in der<br />
vergangen Tagen aufgeben müssen. Sogar<br />
das bis dato in Führung liegende Team aus<br />
Schweden schied aufgrund einer Verletzung<br />
aus dem Rennen. Doch wir wollten<br />
den Transalpin Run auf jedem Fall schaffen<br />
und einfach nur noch ankommen! Nach einem<br />
heftigen Schlußanstieg über 1.400<br />
Höhenmetern hoch auf den Kronplatz<br />
folgte ein langes Bergabstück, das den<br />
Knochen wieder sehr zusetzte. Total erschöpft<br />
erreichten an diesem Tag das Ziel<br />
in St. Vigil. Wieder liefen wir als sechstes<br />
Team ein. Das erhoffte Comeback? Jetzt<br />
waren es noch zwei Etappen und 74 Kilometer<br />
bis zum Ziel.<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Im Wettstreit Alpen vs. Mensch<br />
siegte letztlich Mutter Natur<br />
Doch trotz aller Willensstärke und gegenseitiger<br />
Motivation war es letztlich die Natur,<br />
die mir zeigte, wo die Grenzen verliefen.<br />
Ausgerechnet die vorletzte von insgesamt<br />
acht Etappen war es, die mich verletzungsbedingt<br />
zum Aufgeben zwang. Nach<br />
mehr als 230 Kilometern und knapp 10.000<br />
Höhenmetern in sechs Tagen war Schluß.<br />
Die Knie streikten, der rechte Oberschenkel<br />
war gezerrt. Laufen war nicht mehr möglich,<br />
nur noch ein gebrechliches Gehumpel. Mit<br />
Sport hatte dies nichts mehr zu tun. Jetzt<br />
eine langwierige Verletzung riskieren? Das<br />
kann es nicht wert sein, sagte mir die Vernunft.<br />
Ich ließ meinen Teampartner ziehen.<br />
Das herrliche Panorama der Dolomiten –<br />
ich konnte es an diesem Tag nur aus der<br />
passiven Zuschauerperspektive genießen.<br />
Im sportlichen Wettstreit Alpen vs. Mensch<br />
siegte letztlich Mutter Natur. Und dies hatte<br />
wohl seine Richtigkeit.<br />
Geteiltes Leid gleich halbes<br />
Leid – geteilte Freude gleich<br />
doppelte Freude<br />
Mit diesem Schicksal war ich nicht alleine.<br />
Von 100 Männerteams in der Hauptkategorie<br />
erreichten am Ende gerade mal 49<br />
Teams zu zweit das Ziel in Sexten in Südtirol.<br />
Mein Teampartner lief auch bei der<br />
letzten 8. Etappe außerhalb der offiziellen<br />
Wertung weiter, um in Sexten die ersehnte<br />
Finisher-Medaille zu bekommen und diese<br />
stellvertretend für uns beide entgegenzunehmen.<br />
Oben an den berühmten Drei<br />
Zinnen der Dolomiten – ich war mit dem<br />
Begleitfahrzeugt vorgefahren und hatten<br />
die letzten Kilometer bis zum Paß als Wanderer<br />
zurückgelegt – feuerte ich meinen<br />
Teampartner lautstark an und motivierte<br />
auch alle weiteren Läufer, die diesen allerletzten<br />
Anstieg zu bezwingen hatten. Die<br />
Sonne strahlte. Nach etlichen Tagen im<br />
Regen und allen Widrigkeiten auf der<br />
Strecke wurden die Läufer heute für Ihre<br />
Strapazen entschädigt. Ich freut mich für<br />
jeden Einzelnen, der es bis hierhin geschafft<br />
und nun nur noch die wenigen Kilometer<br />
bergab bis nach Sexten zu laufen<br />
hatte.<br />
Und ich war nicht alleine. Weitere „Versehrte“<br />
waren extra nach oben gewandert,<br />
taten es mir gleich und gemeinsam<br />
peitschten wir die gesund gebliebenen<br />
Läufer des 10. Gore-Tex Transalpin Run<br />
nach vorne. Wir freuten uns gemeinsam<br />
mit ihnen über ihr geglücktes Abenteuer,<br />
das auch das unsrige war. Hier war geteilte<br />
Freude gleich doppelte Freude. Und<br />
neben der Erkenntnis, daß der Körper<br />
keine Maschine ist und die eigene Gesundheit<br />
vor dem sportlichen Erfolg zu<br />
stehen hat, war es im Nachhinein vor allem<br />
diese emotionale Erfahrung, die den<br />
Transalpin Run im Nachhinein für mich zu<br />
einem ganz besonderen Erlebnis gemacht<br />
hat.<br />
Matthias Müller<br />
(Dresdensia-Rugia Geißen 2005, Raczeks<br />
Breslau zu Bonn 2008)<br />
Heft 4 - <strong>2014</strong> 115
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Die DB-Skimeisterschaften<br />
Bei gemischtem Wetter, jedoch dank<br />
Kunstschnee noch guten Schneeverhältnissen,<br />
fanden vom 14. bis 16. März <strong>2014</strong> die<br />
56. Skimeisterschaften der DB wie jedes<br />
zweite Jahr wieder in Jochberg bei Kitzbühel<br />
statt.<br />
Über 50 Teilnehmer kämpften in den Klassen<br />
„Aktive“ (bis 40 Jahre), „Alte Herren“<br />
(ab 40 Jahre) sowie „Kinder“ und „Damen“<br />
zwischen den Stangen um Sieg und Plätze.<br />
Die jeweils ersten Drei in der Klasse „Aktive“<br />
erhielten Teller und Becher aus Zinn; alle anderen<br />
wurden weitgehend mit Urkunden beziehungsweise<br />
Medaillen ausgezeichnet.<br />
Im Einzelnen sind folgende Sieger hervorzuheben:<br />
Den Langlauf gewann erneut<br />
Andreas Graf (Leder Leoben). Die alpinen<br />
Disziplinen dominierte Heiner Kruse (Thuringia<br />
Braunschweig), indem er im Riesentorlauf,<br />
im Slalom und in der Alpine Kombination<br />
DB-Meister wurde. Nur den Super-<br />
G-Titel holte sich Horst Pilz (Leder Leoben).<br />
In der Alte-Herren-Klasse ließ Thomas Sinnesbichler<br />
(Teutonia Wien) keinen Sieg aus<br />
und behauptete sich mit den „Aktiven“ auf<br />
gleicher Leistungsstufe.<br />
Die Schau stahlen den „Aktiven“ und „Alte<br />
Herren“ jedoch die außer Konkurrenz teilnehmenden<br />
Frauen und Junggäste, vor allem<br />
Laura Kruse mit Tagesbestzeiten im<br />
Riesentorlauf und mit Bestnote in der Alpinen<br />
Kombination, gefolgt von Gerfried<br />
Schmidt mit unter anderem der zweitbesten<br />
Kombinationsnote.<br />
In den Mannschaftswertungen holten sich<br />
die Wanderpokale für Riesentorlauf und Super-G<br />
die Burschenschaft Thuringia und für<br />
Slalom und Alpine Kombination die Burschenschaft<br />
Leder Leoben.<br />
Anmeldung und Informationen<br />
Burschenschaft Leder,<br />
Salzlände 19, A-8700 Leoben<br />
Tel.: +43 (0)3842 437640 /<br />
leder@unileoben.ac.at<br />
Schwerpunkt<br />
Den nächsten vom 13. bis 15. März in Bad<br />
Gastein stattfindenden Skimeisterschaften,<br />
veranstaltet von der Burschenschaft Leder<br />
Leoben, wünschen wir wieder ein gelungenes<br />
Fest und fordern alle Verbandsbrüder<br />
auf, sich für den Erhalt dieser Sportveranstaltung<br />
mit reicher Beteiligung einzusetzen.<br />
Gerhard Grassl<br />
(Cimbria München)<br />
Skifahrer-Statur – Symbolbild.<br />
Katharina Wieland Müller / pixelio.de<br />
116 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Schwerpunkt<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Jagd: Naturerlebnis und archaisches Handwerk<br />
Gedanken zur Ausübung des Waidwerks<br />
Von Jan Ackermeier<br />
Der Wienerwald am frühen Morgen.<br />
Wer sich heute öffentlich als praktizierender<br />
Jäger bekennt, steht unter ständigem<br />
Rechtfertigungsdruck gegenüber<br />
kritischen Nichtjägern oder selbsternannten<br />
Natur- und Tierschützern. Da ergeht<br />
es dem Jäger heutzutage oftmals nicht<br />
anders, als dem Burschenschafter.<br />
Es scheint ein Spezifikum unserer Zeit zu<br />
sein, daß gewisse Lebenseinstellungen, sofern<br />
sie dem herrschenden Zeitgeist widersprechen,<br />
als ewiggestrig und überholt eingestuft<br />
werden. Dies zumeist von Zeitgenossen,<br />
die sich in der eigentlichen Materie<br />
nicht auskennen – oder nur über gefährliches<br />
Halbwissen verfügen. Auch hier lassen<br />
sich erstaunliche Parallelen zwischen der öffentlichen<br />
Wahrnehmung der Waffenstudenten<br />
und der Jäger finden. Im Grunde ist<br />
es immer dieselbe Reaktion mit einer Mischung<br />
aus Verwunderung, Abscheu und<br />
Ablehnung, aber auch gleichzeitiger Bewunderung<br />
und Interesse an den zahlreichen<br />
Facetten dieser ausgefallenen Beschäftigungen<br />
und Lebenseinstellungen.<br />
Doch soll in diesem Text nicht das Leid, die<br />
Passion für die Jagd ständig gegenüber<br />
allzu kritischen oder feindseligen Menschen<br />
verteidigen zu müssen, geklagt werden,<br />
sondern vielmehr soll im folgenden ein kurzer<br />
Abriß über das Jagdhandwerk und die<br />
Beweggründe für die Ausübung der Jagd<br />
gegeben werden, der keinen Anspruch auf<br />
Vollständigkeit erhebt und den individuellen<br />
Ansatz des Autors zum Waidwerk widerspiegelt.<br />
Die Jagd begleitet den Menschen<br />
bereits seit früher Urzeit<br />
Noch viele Jahrtausende bevor der Mensch<br />
seßhaft wurde, war er schon Jäger und<br />
Sammler. Die Jagd und das Beutemachen<br />
sind also bereits tief im menschlichen Erfahrungsschatz<br />
verankert, ähnlich wie die Bindungsfähigkeit<br />
des Hundes an den Menschen,<br />
der vermutlich als Jagdhelfer dem<br />
Menschen bereits seit grauer Urzeit Gesellschaft<br />
leistet. Jahrtausende hindurch war<br />
also die Jagd lebensnotwendig für unsere<br />
Spezies. Sie sicherte als Lieferant für Nahrung,<br />
Werkzeug und Kleidung das Überleben<br />
der Menschen.<br />
Jan Ackermeier<br />
Im Wandel der Jahrtausende ist die heutige<br />
Jagd eine nachhaltige, sinnvolle Nutzung<br />
natürlicher Ressourcen oder Reserven. Zusammen<br />
mit der Hege sichert sie in der Kulturlandschaft<br />
nicht nur die Lebensgrundlagen<br />
des Wildes, sondern aller freilebenden<br />
Tiere und die heutigen Jäger sind zudem<br />
Produzenten eines hochwertigen und ständig<br />
nachgefragten Lebensmittels: des<br />
Wildbrets in allen seinen Veredelungsvarianten.<br />
Die Nachfrage nach diesem überaus<br />
wertvollen Fleisch direkt aus der Natur –<br />
und damit garantiert biologisch – ist in den<br />
letzten Jahren stetig gestiegen und ist – neben<br />
allen anderen Argumenten – die positivste<br />
Begründung, warum auch heute noch<br />
die Jagd zu unserer mitteleuropäischen<br />
Kultur gehört. Der Jäger – als Vertreter vieler<br />
Natur- und Waldnutzer – nutzt eben,<br />
ähnlich wie der Forstwirt das Holz, mit den<br />
Wildtieren eine natürliche „Ressource“ und<br />
setzt sich auch aus diesem Grund für den<br />
Erhalt der heimischen Wildtiere ein. Dieser<br />
Einsatz kostet den Jäger oftmals nicht nur<br />
viel Geld, sondern auch Freizeit und Arbeitsaufwand.<br />
Zur Jagd gehört jedoch nicht nur das Beobachten<br />
und Hegen der Wildtiere, sondern<br />
auch das Erlegen. Dies bedeutet aber nicht<br />
das Ausleben einer „Lust am Töten“, son-<br />
Heft 3 - <strong>2014</strong> 117
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Schwerpunkt<br />
Jäger mit Hund.<br />
dern die Freude am jagdlichen Erfolg. Ein<br />
waidgerecht denkender und handelnder<br />
Jäger erfreut sich heute oftmals nicht mehr<br />
an der Stärke einer Trophäe, sondern an<br />
dem Erlebnis und an der Erinnerung, die er<br />
mit dieser Trophäe verbindet.<br />
Wandel und Bedeutung der<br />
Jagd<br />
Die Jagd wird in unserer modernen und<br />
technisierten Gesellschaft natürlich nicht<br />
mehr gebraucht, um die Ernährung des<br />
Menschen sicherzustellen – wir haben die<br />
eigene Agrarindustrie oder kaufen möglichst<br />
billig von ausländischen „Tierfabriken“<br />
und Plantagen mit allen preislichen<br />
Vorteilen, aber auch Gefahren. Jäger produzieren<br />
indes im Gegensatz dazu nicht nur<br />
ein hochwertiges Lebensmittel, sondern<br />
kümmern sich auch um unsere heimischen<br />
Wildarten, damit diese Lebensräume vorfinden,<br />
in denen es Junge zur Welt bringen<br />
kann und möglichst wenig Schaden in der<br />
heutigen Kulturlandschaft und in der Waldwirtschaft<br />
anrichtet. Die Tiere, die durch<br />
(natürliche) Sterblichkeitsfaktoren wie<br />
Krankheiten, Parasiten, Nahrungsmangel<br />
oder auch Straßenverkehr verenden würden,<br />
werden durch die Jagd oftmals bereits<br />
vorher aus dem Bestand entnommen,<br />
ebenso wie der „Überschuß“ der Population<br />
in dem jeweiligen Lebensraum.<br />
Besonders häufig stellt sich dem Jäger aus<br />
Kreisen der nicht-jagenden Bevölkerung<br />
die Frage nach der Ethik und Moral im Zusammenhang<br />
mit der Jagdausübung. Der<br />
Jäger bezeichnet diesen Themenkomplex<br />
als „Waidgerechtigkeit“. Die Worte Ethik<br />
und Moral in Verbindung mit der Jagd werden<br />
heutzutage vielfach vor allem in einem<br />
negativen Kontext gebraucht. Genährt wird<br />
dieser Umstand wieder durch Unwissenheit.<br />
Viele Zeitgenossen denken ernsthaft,<br />
daß es bei der Jagd nur um das einfache<br />
„Abknallen“ von Wildtieren geht. Ja, selbst<br />
das Andichten von Mordlust müssen Jäger<br />
sich von Zeit zu Zeit gefallen lassen. Aber<br />
das zur Jagdausübung so viel mehr gehört<br />
und daß die Art und Weise des Erlegens<br />
jeglicher Mordlust entbehrt, ist für viele<br />
scheinbar unverständlich.<br />
Bevor der Jäger sich zum Schuß entschließt,<br />
muß er eine Vielzahl von Faktoren<br />
prüfen: Was hat er für ein Tier vor sich? Ist<br />
es jung oder alt, weiblich oder männlich?<br />
Führt das Stück Jungtiere? Ist es erkennbar<br />
krank oder verletzt? Fällt das Wildtier unter<br />
eine gesetzliche Schonzeit? Diese umfassende<br />
Beurteilung des Wildtieres nennt der<br />
Jäger „Ansprechen“. Danach stellt er sich<br />
die Frage, ob eine sicherere Schußabgabe<br />
möglich ist und ob niemand durch den<br />
Jäger im Anschlag.<br />
brandlbracke.blogspot.com<br />
Schuß gefährdet wird. Nach dem Schuß ist<br />
es die moralische Pflicht des Jägers, dem<br />
Wildtier unnötiges Leid zu ersparen. Bei einem<br />
sauberen Schuß verendet das Wild am<br />
Anschuß und die Erleichterung des Jägers<br />
ist groß. Sollte das Wild aber verletzt worden<br />
sein und flüchten, kommt die Zusammenarbeit<br />
mit dem Jagdhund ins Spiel. Ein<br />
gut ausgebildeter Hund ist in der Lage, der<br />
Wundfährte eines angeschossenen Stück<br />
Wildes über weite Entfernungen zu folgen<br />
und den Jäger zum Stück zu führen, damit<br />
das Leid des Tieres so kurz, wie möglich gehalten<br />
werden kann. Die Ausbildung und<br />
Führung von Jagdhunden ist daher ebenfalls<br />
ein wichtiger Aspekt der Jagd.<br />
Pflege von Werten und<br />
Tradi tionen<br />
Auch der Respekt gegenüber der Kreatur<br />
spielt für den waidgerechten Jäger eine<br />
große Rolle. So wird das erlegte Stück mit<br />
der „Totenwache“ geehrt und bekommt<br />
den „letzten Bissen“ in den Äser (einen<br />
Tannenzweig in das Maul). Beides gehört<br />
zum jagdlichen Brauchtum, zu dem noch<br />
viele andere Brauchhandlungen nicht nur<br />
im Zusammenhang mit dem erlegten Wild<br />
gehören. So pflegen waidgerechte Jäger<br />
eine eigene Fachsprache, die für Nichtjäger<br />
oftmals unverständliche Begriffe benutzt.<br />
Auch diese Jägersprache wird bereits seit<br />
Jahrhunderten innerhalb der grünen Zunft<br />
weitergegeben. Somit ist die Waidmannszunft<br />
auch eine Gemeinschaft, die sehr viel<br />
Wert auf Traditionen und Brauchtum legt.<br />
Bei der Jagd geht es aber nicht nur um das<br />
Hegen und Erlegen von Wildtieren, sondern<br />
auch um das Naturerlebnis, das in der<br />
modernen Zeit so selten geworden ist. Der<br />
Jäger kann bei der Ausübung der Jagd<br />
ganz in die Natur eintauchen. Im Jagdrevier<br />
die Verbindung zur Natur zu genießen und<br />
den Lebensraum Wald zu erfahren, ist für<br />
alle Jäger ein willkommener Gegensatz zur<br />
hektischen und modernen Alltagswelt. Und<br />
es stehen vielerlei Arbeiten im Jahreskreis<br />
eines Jagdrevieres an: Bau und Ausbesserungsarbeiten<br />
von neuen Jagdeinrichtun-<br />
hunt-austria.at<br />
118 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Schwerpunkt<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Schlag zum Hirschjäger.<br />
vjagd.at<br />
Der Autor in Jägerkluft.<br />
Jan Ackermeier<br />
gen, wie Hochsitzen, Fütterungen usw.,<br />
Ausbesserungsarbeiten an der Jagdhütte,<br />
Brennholzverarbeitung, das Anlegen von<br />
Wildwiesen, im Winter die Fütterung des<br />
Rot- und Rehwildes und vieles mehr. Ein<br />
wenig handwerkliches Geschick und<br />
Freude daran, in der Natur zu arbeiten,<br />
sollte also jeder Jäger mitbringen.<br />
Mehr als ein teures Hobby<br />
Bleibt die Frage, wie man Jäger wird. Dazu<br />
gibt es mehrere Möglichkeiten: man kann<br />
sich zu einem mehrwöchigen Kurs in einer<br />
der zahlreichen Jagdschulen anmelden.<br />
Der Vorteil ist, daß die zeitliche Inanspruchnahme<br />
durch die Ausbildung relativ<br />
gering ist, dafür sind die Jagdschulen oftmals<br />
recht teuer und es wartet sehr viel<br />
Lernstoff in sehr kurzer Zeit auf den Aspiranten.<br />
Die zweite Möglichkeit ist die Ausbildung<br />
über die Landesjägerschaft des jeweiligen<br />
Bundeslandes, die zumeist den<br />
Jagdkurs über mehrere Monate als Abendund<br />
Wochenendkurs anbieten. Der Vorteil<br />
liegt hier an der Verteilung des Stoffes über<br />
einen längeren Zeitraum und den geringeren<br />
Preis. Die Stoffülle sollte man als angehender<br />
Jäger keinesfalls unterschätzen!<br />
Keines der einzelnen Fachgebiete in der<br />
Jagdausbildung stellt für jemanden, der in<br />
Besitz der Hochschulreife ist, eine intellektuelle<br />
Herausforderung dar, der Umfang<br />
des Lernstoffes jedoch sorgt nicht zu Unrecht<br />
für den Beinamen „Grünes Abitur“ für<br />
die Erlangung der Jagdkarte.<br />
Entsprechend vielfältig sind denn auch die<br />
Ausbildungsinhalte: Wildkunde mit Verhalten<br />
und Eigenschaften des heimischen Wildes,<br />
Hundewesen, Waffenkunde und Waffenhandhabung<br />
(inklusive Schießausbildung),<br />
Jagdrecht, Jagdliches Brauchtum<br />
und Jagdbetriebslehre werden während<br />
der Ausbildung vermittelt.<br />
Die eigentliche Herausforderung für den<br />
frischgebackenen Jungjäger beginnt aber<br />
erst nach der erfolgreichen Jagdprüfung.<br />
Ähnlich wie beim Erwerb des Autoführerscheins,<br />
der einen berechtigt, das Auto -<br />
fahren im öffentlichen Straßenverkehr zu<br />
erlernen, hat man mit der ersten Jagdkarte<br />
lediglich die Erlaubnis und die Grundlagen<br />
erworben, das Jagen „in der freien<br />
Wildbahn“ zu lernen. Glück hat derjenige<br />
Jungjäger, der von einem alten und erfahrenen<br />
Jäger „abgeführt“ und mit Geduld<br />
in die Praxis der Jagdausübung eingelernt<br />
wird. Immerhin liegt allen Jägern daran,<br />
daß ihr Handwerk, ihre Traditionen und ihr<br />
Brauchtum an die nächste Generation weitergegeben<br />
werden, damit die mittel -<br />
europäische Eigenart der waidgerechten<br />
Wildbewirtschaftung zukunftsfähig bleibt.<br />
Jeder, der sich für Wald und Wild interessiert,<br />
sich nicht scheut, sich die Hände bisweilen<br />
schmutzig zu machen und ein Mindestmaß<br />
an handwerklichem Geschick mitbringt<br />
und zudem die Weitergabe von<br />
waidgerechtem Brauchtum und Traditionen<br />
der „grünen Zunft“ vorantreiben will,<br />
ist in den Reihen der Waidkameraden willkommen.<br />
Jan Ackermeier<br />
(Normannia-Nibelungen Bielefeld 2005,<br />
Teutonia Wien 2007)<br />
Die Schriftleitung informiert:<br />
Adreßänderungen für den Bezug der „<strong>Burschenschaftliche</strong>n <strong>Blätter</strong>“ richten Sie bitte<br />
immer an: bbl-anschriftenverwaltung@burschenschaft.de<br />
oder postalisch an: BBl-Anschriftenverwaltung, Postfach 101232, 20008 Hamburg<br />
Heft 3 - <strong>2014</strong> 119
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Das Mensurwesen heute<br />
Schwerpunkt<br />
Von Wilhelm E. Nordmeier<br />
„Die Mensur gehört zur burschenschaftlichen<br />
Tradition wie die Blume zu einem<br />
frisch gezapften Bier“, so erklärte es mir<br />
ein Alter Herr in meiner Fuxenzeit. Diese<br />
Metapher ist relativ platt ausgedrückt, jedoch<br />
schon von erster Zeit unserer Gründungsväter<br />
an, war die Mensur ein immanent<br />
wichtiger Teil des burschenschaftlichen<br />
Lebens und ist es auch noch heute.<br />
Die Mensur hat sich über die Zeit verändert,<br />
das ist bekannt und soll hier nicht näher erörtert<br />
werden, im Blickpunkt steht das Mensurwesen<br />
heute. Ein Mitglied des Verbandes<br />
der Fechtmeister (VdF) erzählte mir vor ein<br />
paar Jahren, daß heutzutage fast annähernd<br />
so viele Mensuren gefochten werden wie in<br />
den 1960ern, der einzige Unterschied dazu<br />
ist jedoch, daß weniger Paukanten diese Leistung<br />
vollbringen. Diese These habe ich<br />
über die vergangenen zehn Jahre verfolgt<br />
und muß meinem damaligen Gesprächspartner<br />
recht geben. Als junger Bursch erlebte<br />
ich wenig Verbands- und Waffenbrüder,<br />
die über eine zweistellige Partienanzahlen<br />
verfügten. Heutzutage ist es keine Seltenheit,<br />
mehr solcher Paukanten anzutreffen.<br />
Meines Wissens existierte im Jahre 2000 nur<br />
ein Verbandsbruder in der DB, der über 20<br />
ziehende Partien nach dem Krieg aufzuweisen<br />
hatte – heute sind es meines Kenntnisstandes<br />
nach schon fünf und einige aktive<br />
Fechter stehen kurz davor. Abzuwarten ist<br />
jetzt, ob die Einführung von Bachelor und<br />
Master diesem Trend ein Ende setzen kann,<br />
da die jungen Studenten in diesem System<br />
weniger Zeit haben.<br />
Auffallend ist auch, daß immer mehr junge<br />
Alte Herren zur Klinge greifen und noch auf<br />
Mensur stehen. Persönlich war zu meiner<br />
Aktivenzeit ein Mensuren schlagender AH<br />
eine echte Seltenheit. Heute gibt es unzählige<br />
Beispiele von jungen Philistern, die<br />
noch diverse Partien nach der Philistrierung<br />
geschlagen haben. Meist sind diese jungen<br />
Philister auch hochmensurige Fechter, wie<br />
ich es an meinem eigenen Werdegang<br />
selbst sehen kann. Woher dieser neue<br />
Trend stammt, weiß ich nicht; aber ich vermute,<br />
daß der Grund darin zu finden ist,<br />
daß viele Altaktive bei den schwindenden<br />
Mitgliederzahlen der Bünde auch öfters<br />
noch zum Einpauken der jungen Bundesbrüder<br />
gebeten werden und so den „normalen“<br />
Absprung nicht geschafft haben.<br />
Rückkehr zu alten Comments<br />
Ein weiterer Trend ist in den letzten Jahren<br />
ebenso zu beobachten, denn neuerdings<br />
werden auch wieder Partien auf ausgestorbenen<br />
Comments gefochten. So wurden<br />
zum Beispiel in den letzten zwei Jahren<br />
eine Partie auf dem<br />
originalen Königsberger<br />
Comment<br />
gefochten, eine auf<br />
den Vorkriegscomment<br />
Marburgs und<br />
zwei Partien auf<br />
dem Breslauer<br />
Schlägerbrauch.<br />
Geplant ist ebenso<br />
eine Partie auf dem<br />
alten Prager Comment<br />
von 1875. Die<br />
Hauptschwierigkeit<br />
stellt sich jedoch<br />
meist schon in der<br />
Auffindung des<br />
Comments selber<br />
dar. So war die Suche<br />
nach dem Breslauer<br />
Comment verbunden<br />
mit vielen<br />
epostalischen Anfragen<br />
bei diversen<br />
Archiven deutschlandweit.<br />
Die einzig<br />
erhaltene Version<br />
war nur noch im<br />
Bundesarchiv zu finden<br />
und wurde von<br />
Verbandsbrunder<br />
Lönnecker dankenswerterweise<br />
den<br />
Vbr. Nordmeier beim Höhenausgleich vor seiner 20. Mensur.<br />
Paukanten in Kopie zur Verfügung gestellt.<br />
Ebenso ist es schwierig einen ausgestorbenen<br />
Comment auszulegen, ihn mit Leben<br />
zu erfüllen, da meist die Zeitzeugen nicht<br />
mehr dazu in der Lage sind, so daß auf erfahrene<br />
Fechtmeister zurückgegriffen werden<br />
muß. Nichtsdestotrotz ist schön zu sehen,<br />
daß die jungen Aktiven der alten Vergangenheit<br />
wieder neuen Lebensodem<br />
einhauchen und somit ein wichtiges Stück<br />
burschenschaft licher Geschichte vor dem<br />
Vergessen bewahren.<br />
Als Fechtbeauftragter der Deutschen Burschenschaft<br />
habe ich damit begonnen, ein<br />
offizielles Commentarchiv in Dateiform aufzubauen,<br />
da immer wieder Fragen und Bitten<br />
an mich nach ortsfremden Comments<br />
herangetragen wurden. Dank der Mithilfe<br />
einiger engagierter Verbandsbrüder<br />
konnte so eine beachtliche Sammlung erstellt<br />
werden, die auch das Fundament der<br />
zukünftigen dachverbands-übergreifenden<br />
Commentsammlung der Arbeitsgemeinschaft<br />
Andernach der mensurbeflissenen<br />
Verbände (AGA) sein wird. Diese Sammlung<br />
enthält neben aktuellen Fechtcomments<br />
auch die Vorkriegscomments Breslaus,<br />
Königsbergs, Marburgs und Prags. Für<br />
jede weitere Zusendung aktueller und auch<br />
alter Comments ist der Fechtbeauftragte<br />
immer dankbar.<br />
Nichtsdestotrotz müssen sich in der heutigen<br />
Zeit viele schlagende Bünde verstärkt<br />
Kritik gefallen lassen, daß sie mit der Mensur<br />
archaischen Ritualen nachgehen würden.<br />
Gerade auf antifaschistischen Internetportalen<br />
der linksradikalen Szene wird<br />
hierüber in maßloser Art und Weise gehetzt.<br />
Sicherlich ist die Mensur ein Relikt einer<br />
längst vergangenen Epoche, das ist unbestreitbar.<br />
Jedoch ist dieses Relikt, das ich<br />
eher als Artefakt bezeichnen möchte, mehr<br />
denn je aktuell. Nicht nur, daß die Mensur<br />
Entschlußkraft, Schneid und Selbstbeherrschung<br />
fordert und fördert, sie ist unbestreitbar<br />
eines der besten Integrationsinstrumente<br />
einer Verbindung.<br />
Die nächsten Jahre und Jahrzehnte werden<br />
zeigen, welchen Weg die Mensur und mit<br />
ihr die Paukanten einschlagen werden. Aus<br />
heutiger Sicht kann ich nur attestieren, daß<br />
der in den letzten Jahren beschrittene Weg<br />
nicht der schlechteste ist.<br />
Wilhelm E. Nordmeier<br />
(Ghibellinia-Leipzig Hannover, Germania<br />
Leipzig, Raczeks Breslau zu Bonn)<br />
120 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Schwerpunkt<br />
Die Burschenturner<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Von Bruno Burchhart<br />
Zweifellos beeinflußte Friedrich Ludwig<br />
Jahn mit seinen Ideen sowohl die von<br />
ihm, am 19. Juni 1811 auf der Berliner<br />
Hasenheide, begründete Turnbewegung<br />
als auch die etwas später, am 12. Juni<br />
1815 in Jena ins Leben gerufene Burschenschaft.<br />
Für Turnwesen und Burschenschaft war<br />
eine Erneuerung der patriotischen Gesinnung<br />
ein wesentliches Anliegen. Da viele<br />
Studenten, damals Burschen genannt, das<br />
Turnen für wichtig erachteten, zum Teil sogar<br />
aus der Turnbewegung hervorgingen,<br />
übten sie dies auch während ihres Studiums<br />
aus. So bürgerte sich schon damals die Bezeichnung<br />
Burschenturner ein. Diese Verbindung<br />
hat sich bis heute in vielfältigster<br />
Art bewährt.<br />
Jahn hatte auf mannigfache Art seine Ideen<br />
erarbeitet und verbreitet. Wichtig war ihm<br />
in der Zeit der napoleonischen Fremdherrschaft<br />
nicht nur die Erringung der Freiheit<br />
seines Volkes. Besonderen Wert legte er<br />
auf die Heranbildung seiner Mitbürger zu<br />
selbstbewußten, geistig und körperlich<br />
tüchtigen Angehörigen des deutschen<br />
Volkes. In Wort und Tat hat er das dann zur<br />
Durchführung gebracht. In den Satzungen<br />
des, während der trüben Tage der Besatzung<br />
gegründeten Geheimbundes „ Deutscher<br />
Bund“ hatte Jahn schon festgehalten:<br />
„Zweck ist die Erhaltung des deutschen<br />
Volkes, Neubelebung der Deutschheit, Hinwirkung<br />
zur Einheit unsres zersplitterten<br />
Volkes“. Daraus reifte in ihm einerseits die<br />
Das von Georg Friedrich Kersting 1815 in Öl auf<br />
Leinwand gemalte Bild „Auf Vorposten“ zeigt<br />
Theodor Körner, Karl Friedrich Friesen und Heinrich<br />
Hartmann als Lützower Jäger.<br />
Idee, das allgemeine Turnen auch als Erziehungsmoment<br />
zu entwickeln, andererseits<br />
entwarf er mit seinem Mitstreiter Friedrich<br />
Friesen einen weiteren Plan. Niedergelegt<br />
ist dieser in der Denkschrift von 1810:<br />
„Ordnung und Einrichtung der deutschen<br />
Burschenschaften“.<br />
Mit ungeheurer, heute fast unvorstellbarer<br />
Begeisterung wurden von der Studentenschaft<br />
die damals wahrhaft revolutionären<br />
Ideen aufgenommen und weitergetragen,<br />
heutzutage bestenfalls vergleichbar mit<br />
den zerstörerischen 1968er Ideen. Jahn<br />
und Friesen aber riefen zur Erneuerung auf:<br />
Die Burschen-Studenten sollten sich – und<br />
das war neu – „frei und mit gleichem Recht<br />
zum deutschen Manne bilden, dessen heiligste<br />
Pflicht es ist, dereinst im bürgerlichen<br />
Leben für Volk und Vaterland kräftig zu wirken“.<br />
Dem sogenannten Pennalismus (der<br />
Jüngste hatte den Älteren Diener zu sein)<br />
und der streng landsmannschaftlichen Einordnung<br />
(Umgang ausschließlich mit den<br />
nächsten Landsleuten, zum Beispiel Sachsen,<br />
Bayern, usw.) wurde entgegengesetzt,<br />
daß „auf jedem Hochschulort nur eine einzige<br />
Studentenvertretung sein soll, eben<br />
die Burschenschaft. Beim Burschenleben in<br />
Freiheit und ohne Ständebeschränkung<br />
(damals Adel, Klerus, Bürger) müssen das<br />
deutsche Volk und das Sittengesetz über<br />
allem stehen“.<br />
Revolutionäre Geister<br />
Alle diese, für die kleinstaatlich zerrissenen<br />
deutschen Lande hochpolitischen Inhalte<br />
mußten deren Herrschern als Kampfansage<br />
erscheinen: Studenten-Einheit, oder gar<br />
der Gedanke an ein gemeinsames deutsches<br />
Volk würden ja zu einer Schmälerung<br />
ihres Einflusses führen. Die Denkschrift fand<br />
jedenfalls eine rasend schnelle Verbreitung<br />
an den Universitäten, wo sich nationale<br />
Freiheitsbewegungen zu entwickeln begannen.<br />
Auch Hochschullehrer verbreiteten<br />
solch nationale Ideen: Fichte mit den<br />
berühmten „Reden an die deutsche Nation“,<br />
Arndt mit seinen Vorlesungen, Luden<br />
mit seinen Schriften, wo er festhielt, daß es<br />
das „erste Streben jeden Volkes sein muß,<br />
seine Selbständigkeit zu erhalten, damit<br />
ihm nicht fremdes Volkes fremder Sinn aufgezwungen<br />
wird“: Moderner könnte man<br />
kaum formulieren!<br />
Der Durchsetzung dieser Ideen standen<br />
aber zunächst die Kriegsverläufe entgegen,<br />
war doch Napoleon nach der Rußland-Niederlage<br />
wieder zurück. Zur Abwehr wurden<br />
nicht nur die Fürsten-Armeen mobilisiert,<br />
sondern erstmals auch eine gesamtdeutsche<br />
Truppe, das Lützow’sche Freikorps:<br />
Burschenturner Hans Ferdinand Maßmann<br />
(1797–1874).<br />
Turner und Studenten aus allen deutschen<br />
Landen strömten herbei, vaterländisches<br />
Gedankengut wurde weitergetragen (Jahn<br />
war als Stellvertretende Kommandant<br />
ebenfalls dabei), das Schwarz-Rot-Gold der<br />
Lützower war Symbol dafür.<br />
Nach Besiegung des Fremdherrschers in<br />
den „Befreiungskriegen“ (hpts. Völkerschlacht<br />
bei Leipzig 18. Oktober 1813)<br />
wurde in den Hörsälen der Ruf nach vaterländisch-reformatorischen<br />
Bewegungen<br />
und Einrichtung einer „Burschenschaft“ immer<br />
lauter. Und jetzt wurde Jahn’s Idee umgesetzt:<br />
Sechs Tage vor Napoleons Waterloo<br />
kam es am 12. Juni 1815 in Jena zur<br />
Gründung der ersten Burschenschaft!<br />
Die Jahn-Jünger und Burschenturner, der<br />
Mediziner Wilhelm Kaffenberger und der<br />
Theologe Johann Heinrichs, beide alte Lützower,<br />
entwarfen eine „Verfassung der Jenaischen<br />
Burschenschaft“. Jahn’s Gedankengänge<br />
sind in dem 38-Seiten-Werk<br />
deutlich erkennbar, vor allem der vaterländische<br />
Geist, der auch im Wahlspruch<br />
„Freiheit, Ehre, Vaterland“ zum Ausdruck<br />
gebracht wurde. In dem Regelwerk werden<br />
alle möglichen Studentenbräuche, Wahlen<br />
und Studentenziele behandelt und festgehalten:<br />
„Zwar hat die Natur uns Deutsche in<br />
einzelne Stämme geteilt, aber ein gemeinsamer<br />
Geist soll alle Deutschen beleben,<br />
auch auf den Universitäten“. Wie der Burschenturner<br />
Robert Wesselhoeft berichtet,<br />
spielte das Turnen ebenso wie wissenschaftliche<br />
Studien und Sittenreinheit zur<br />
eigenen Ausbildung eine große Rolle:<br />
Heft 4 - <strong>2014</strong> 121
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Fechten und Turnen sollen Kraft, Gewandtheit,<br />
Gesundheit und Mut fördern.<br />
Nach der Gründung der Burschenschaft in<br />
der „Grünen Tanne“ in Jena erfolgten zahlreiche<br />
weitere. Die Burschenschaft wurde<br />
so zur ersten politischen Jugend- und Studentenbewegung<br />
in Europa und die Avantgarde<br />
einer deutschen Nationalbewegung.<br />
Ein erster Höhepunkt der Burschenschaftsgeschichte<br />
war sicher das bahnbrechende<br />
Wartburgfest vom 18. Oktober 1817. Die<br />
Vorbereitung dafür wurde entscheidend<br />
mitgeprägt von den Burschenturnern<br />
Eduard Dürre und Hans Ferdinand Maßmann.<br />
Hier wurden die Forderungen nach<br />
Verfassung, Gleichheit und Freiheit der Person,<br />
Rede-, Meinungs- und Presse-Freiheit,<br />
Versammlungsfreiheit, Glaubens- und Gewissensfreiheit,<br />
Lehr- und Lernfreiheit geboren,<br />
die dann in den Burschenschafts-Beschlüssen<br />
vom 18. Oktober 1818 endformuliert<br />
wurden: Eine geschichtsträchtige,<br />
zukunftsträchtige und zukunftsweisende<br />
Tat. Wurden diese Forderungen doch erst<br />
eine Generation später 1848 durch die Nationalversammlung<br />
der Delegierten aus<br />
dem gesamten deutschen Sprachraum in<br />
eine Verfassung gegossen und beschlossen.<br />
Leider scheiterte diese dann an der absolutistischen<br />
Fürsten-Restauration. Erst<br />
hundert Jahre später – 1918 – wurden die<br />
burschenschaftlichen Forderungen fast<br />
wortident demokratisch durch die Weimarer<br />
Republik und die Republik Deutsch-<br />
Österreich beschlossen und befinden sich<br />
heute im bundesdeutschen Grundgesetz<br />
und der Verfassung von Österreich. Heute –<br />
200 Jahre später – finden sich diese Forderungen<br />
ebenfalls in der Charta der Europäischen<br />
Union.<br />
Im Volk verankert<br />
Beim Wartburgfest selber spielten die Burschenturner<br />
in aller Öffentlichkeit ebenfalls<br />
eine Rolle, wie uns ein Zeitzeuge berichtet:<br />
„So kamen denn aus allen Gauen des Vaterlandes<br />
seine Söhne, des Vaterlandes<br />
Wiedergeburt zu feiern. Man wählte einen<br />
Burgvogt und vier Burgmänner für die gesamte<br />
Ordnung des Festes und Fahnenträger<br />
für die schwarz-rot-goldene Fahne. Ein<br />
Festzug zog auf die Wartburg bis in den Rittersaal,<br />
Festreden hielten Heinrich Arminius<br />
Riemann und Univ.-Prof. Jakob Friedrich<br />
Fries. Es erklangen Rufe: 'Es lebe die deutsche<br />
Freiheit!', 'Der löblichen Turnkunst<br />
und ihrem Meister!' und andere. Nach dem<br />
Gottesdienst zogen alle zum Marktplatz Eisenachs.<br />
Dann trat eine Burschenturner-<br />
Schar zusammen und turnte: Laufübungen,<br />
Bockspringen, Tauziehen, mehrere Kletterarten“.<br />
Auch in den Beschlüssen von 1817/18 ist<br />
die Bedeutung des Turnens festgehalten:<br />
Fand doch die Forderung von Turnvater<br />
Jahn, daß auf der Grundlage der Turnordnung<br />
auf demokratische Weise ein Turnrat<br />
einzurichten ist, der wiederum einen Turn-<br />
Vorsteher zu wählen hat, Eingang in die<br />
burschenschaftliche Verfassung. Darin wird<br />
die Einrichtung eines Vorstandes festgelegt,<br />
der wiederum einen Sprecher zu<br />
wählen hat und auch einen „Beisitzer des<br />
Turnwartes“. Somit hatte das Körper-Geist<br />
und Seele umfassende Turnen im Sinne des<br />
Turnerwahlspruches „Frisch, Fromm, Fröhlich,<br />
Frei“ weiterhin seine Bedeutung in der<br />
Burschenschaft. Auch wenn Metter -<br />
nich’sche Demagogenverfolgung und Turn -<br />
sperre infolge der Karlsbader Beschlüsse<br />
zunächst eine Weiterentwicklung verzögerten,<br />
blieben die Ideen im Volk verankert.<br />
Burschenturner zogen in das erstmals von<br />
allen, im deutschen Sprachraum Wohnenden<br />
gewählte Paulskirchen-Parlament<br />
1848, Jahn wurde sogar einer der Vizepräsidenten<br />
des „Burschenschafter-Parlamentes“.<br />
Trotz kurzfristigen Neoabsolutismus<br />
kam es im Zuge der Feiern anläßlich 100.<br />
Geburtstag des Freiheitsdichters Friedrich<br />
Schiller zu einem Aufleben der Nationalund<br />
Freiheitsidee, auch in der Donaumonarchie.<br />
Die gewollte Verbundenheit von<br />
Turnern und Burschenschaften, wie sie<br />
auch in den Turngesetzen und Verfassungen<br />
zum Ausdruck kommt, lebte in zahlreichen<br />
Neugründungen dieser Zeit, von<br />
Wien bis Laibach und Triest, unter anderem<br />
Die akademischen Burschenturner waren<br />
immer wieder maßgeblich an nationalen Einigkeitsbestrebungen<br />
und Durchsetzung<br />
Jahn’scher Ideen beteiligt.<br />
Burschenturner in Österreich<br />
Genannt sei hier zum Beispiel der Burschenschafter<br />
Dr. Hans Stingl, Mitglied des<br />
Turnvereins Krems und der Burschenschaft<br />
Teutonia Wien, der am Weimarer Turnertag<br />
Burschenturner in Aktion.<br />
1868 einen gesamtdeutschen Turnverband,<br />
die „Deutsche Turnerschaft“ mit<br />
ihren 15 Turnkreisen begründete, deren 15.<br />
der Turnkreis Deutsch-Österreich war.<br />
Burschenturner waren in schweren Weltkriegskämpfen<br />
gemeinsam an der Front,<br />
hatten zur Förderung des Deutschtums den<br />
Deutschen Schulverein gegen Panslawismus-Bestrebungen<br />
gegründet und standen<br />
im Abwehrkampf gegen slawischen Landraub<br />
1918/19 im Ringen um das Selbstbestimmungsrecht<br />
für die Einheit Kärntens zusammen.<br />
Auch nach dem „Begräbnis erster<br />
Klasse“, der Auflösung der Turnvereine<br />
und Burschenschaften im sogenannten<br />
Dritten Reich, erfolgte nach schwerer Nachkriegszeit<br />
wiederum und weiterhin ein erfolgreicher<br />
Einsatz der Burschenturner für<br />
die Stärkung und Erhaltung des Bewußtseins<br />
einer deutschen Volks- und Kulturnation.<br />
So können im Bereich des Österreichischen<br />
Turnerbundes (ÖTB) einige Persönlichkeiten<br />
beispielhaft genannt werden: Der ehemamlige<br />
Bundesobmann Ing. Roland König<br />
(Tv Landeck, Burschenschaft Markomannia<br />
Wien), Volksvertreter wie zum Beispiel im<br />
Wiener Landtag Mag. Helmuth Kowarik (Tv<br />
Sechshaus Wien, Burschenschaft Aldania<br />
Wien), der ehemalige Landeshauptmann<br />
Dr. Jörg Haider (Tv Bad Goisern, Burschenschaft<br />
Silvania Wien) oder im Parlament<br />
Lutz Weinzinger (Tv Schärding, Burschenschaft<br />
Bruna Sudetia Wien). Zahlreiche Turner<br />
sind in den Burschenschaften aktiv und<br />
geben ihr Bestes für die zeitlosen Ideen der<br />
Turnbewegung und der Burschenschaft.<br />
Bruno Burchhart<br />
(Olympia Wien 1960)<br />
Schwerpunkt<br />
122 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Schwerpunkt<br />
Jahn und die Burschenschaft<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Von Harald Lönnecker<br />
Bei der Einweihung der Jahn-Turnhalle<br />
1894 in Freyburg a. d. Unstrut waren<br />
zahlreiche studentische Verbindungen<br />
vertreten: Turnerschaften und Akademische<br />
Turnvereine, Burschenschaften und<br />
Landsmannschaften. Auch die 1868 gegründete<br />
Turnerschaft und spätere Burschenschaft<br />
Normannia zu Leipzig entsandte<br />
eine Abordnung und ihr Erstchargierter<br />
sprach einige Worte. Sie erregten<br />
in hohem Maße den Unwillen der anwesenden<br />
Burschenschaften: Die Burschenschaften<br />
hätten sich von Jahn abgewandt,<br />
seien zu Korporationen alten Stils<br />
geworden, erstickten in Farben- und<br />
Mensurfragen, die Jahn bekanntlich stets<br />
ablehnte. Den von den Burschenschaften<br />
niedergelegten Stab hätten die neuen<br />
akademischen Turner aufgenommen, sie<br />
bewahrten Jahns Erbe, nicht die Burschenschaften.<br />
Die Turnerschafter seien<br />
es, die Jahns Ideen an Deutschlands hohen<br />
Schulen mit den Prinzipien des Waffenstudenten<br />
– Farbentragen, unbedingte<br />
Satisfaktion, Mensur – verknüpften,<br />
nicht die verknöcherten und unzeitgemäßen<br />
Burschenschaften und Corps.<br />
Über den Ausgang der Sache heißt es:<br />
„Akademischerseits endete die Einweihung<br />
mit einem Missklang.“<br />
Ähnliches wie aus dem Munde des Erstchargierten<br />
findet sich in der „Cartell-Turnzeitung“<br />
bereits 1886 aus der Feder Hermann<br />
Zabels, des Gründers der Leipziger<br />
Verbindung. Vom „überwundenen Standpunkt“<br />
der Burschenschaften ist dort die<br />
Rede. <strong>Blätter</strong>t man das Verbandsorgan der<br />
Turner und die Nachfolgerin, die „Akademische<br />
Turnzeitung“, durch, so häufen sich<br />
derartige Äußerungen. Aus ihnen spricht<br />
der Anspruch der akademischen Turner auf<br />
Anerkennung ihrer Gleichwertigkeit in der<br />
immer größer werdenden und immer mehr<br />
Korporationen hervorbringenden Studentenschaft<br />
des Kaiserreichs, eine Anerkennung,<br />
die für sie sozialen Aufstieg bedeutete<br />
und sich doch nur durch die Nachahmung<br />
einer für traditionell gehaltenen Repräsentationsform<br />
bewerkstelligen ließ. Krisenbewußtsein,<br />
akademische Überfüllung<br />
und Statusängste waren charakteristisch für<br />
diese Studentengenerationen.<br />
Die Korporationen waren keineswegs<br />
gleich. Es gab eine „heimliche Hierarchie“<br />
mit den alten Waffenverbindungen an der<br />
Spitze und Turner- und Sängervereinen<br />
bzw. -verbindungen am unteren Ende. Vielfach<br />
erschallte aus ihren Reihen die Forderung,<br />
man müsse das Waffenprinzip egalisieren<br />
und den alten Verbänden entwinden,<br />
wobei mit der Annahme des Prinzips<br />
der unbedingten<br />
Satisfaktion und eigener<br />
Waffen gerade<br />
die Gegnerschaft<br />
der Turner<br />
etwa zu den Burschenschaften<br />
betont<br />
wurde, denen<br />
man doch tatsächlich<br />
nacheiferte.<br />
Man wollte eine<br />
„normale“ Korporation<br />
sein, nicht zum<br />
scheel angesehenen<br />
akademischen<br />
Proletariat gehören,<br />
eigene Waffen<br />
führen und „Unabhängigkeit<br />
und<br />
Achtung“ genießen.<br />
Die angegebenen<br />
Gründe für diesen<br />
Wandel, für Satisfaktion<br />
und Waffen „Turnvater“ Jahn: Geistiger Wegbereiter der Burschenschaft.<br />
variieren bei allen<br />
Turnervereinen nur geringfügig. Zunächst<br />
steht in der Argumentation fast immer der<br />
Sport, die „gute körperliche Übung“, im Mittelpunkt.<br />
Diese jedoch nicht um ihrer selbst<br />
willen, sondern als Ausdruck des wehrhaftwahrhaften<br />
deutschen Mannes, wie ihn<br />
schon Jahn im „Deutschen Volksthum“ und<br />
in seinen Schriften zur „Turngemeinde“ forderte.<br />
Ist die Diskussion erst einmal entbrannt,<br />
verschwinden sportlich-turnerische<br />
Überlegungen sogleich zu Gunsten gesellschaftlich-sozialer.<br />
Deutlich manifestiert sich<br />
hier: mittels des Turnens war in akademischen<br />
Kreisen um 1900 im Gegensatz zur<br />
Zeit um 1810 kein Ansehen zu gewinnen.<br />
Dem Turnen ermangelte die<br />
akademische Exklusivität<br />
Wie hatte sich das Verständnis so wandeln<br />
können? Das Turnwesen gehörte zu den<br />
Mitinitiatoren der deutschen Nationalbewegung<br />
und ihrer Avantgarde, der Burschenschaft.<br />
Jahn sah sich in seiner Rede<br />
vor der Nationalversammlung in Frankfurt<br />
a. M. am 15. Januar 1849 als ihr geistiger<br />
Vater: „Ich habe mich auf den Hochschulen,<br />
das werden mir meine alten Kameraden<br />
bezeugen, jeder Zeit von den [...] Paukereien<br />
fern gehalten. In diesem Geiste<br />
habe ich nachher die Turnerei hervorgerufen<br />
und die Burschenschaft, wovon ich<br />
1798 zuerst gesprochen und 1811 die Ordnung<br />
und Einrichtung einer allgemeinen<br />
Burschenschaft in Deutschland umhergesendet,<br />
bis sie 1815 in Jena ins Leben getreten<br />
ist. Ehrenmitglied von der Burschenschaft<br />
bin ich nie gewesen, ich habe mich<br />
davon fern gehalten, um jüngere Herren<br />
nicht in ihrem Treiben zu beschränken als<br />
ein Leiter, oder um eine Oberleitung über<br />
sie zu haben.“<br />
Ebenso sahen Jahn die um ihre Souveränität<br />
fürchtenden Regierungen: E. T. A.<br />
Hoffmann, bekannter als Dichter und<br />
Schriftsteller denn als 1820 die Untersuchung<br />
gegen Jahn führender Berliner Kammergerichtsrat,<br />
schrieb in seinem Gutachten,<br />
die Burschenschaften auf den deutschen<br />
Universitäten seien in ihrer „ursprünglichen<br />
Tendenz lobenswert und auf<br />
die Moralität der Studenten wohltätig einwirkend<br />
zu nennen“. Am 8. Februar 1811<br />
sei im Deutschen Bunde zu Berlin darüber<br />
verhandelt worden. Der Zweck der Burschenschaft<br />
(der Begriff bedeutete eigentlich<br />
nicht mehr als die Gemeinschaft aller<br />
Studenten, erst nach 1815 bezeichnete er<br />
einen bestimmten Korporationstypus) sei<br />
nach dem zur Beratung vorgelegten Entwurf<br />
Friedrich Friesens – der sich wiederum<br />
auf Gedanken Jahns stützte – dahin gegangen,<br />
das Studentenleben moralisch zu verbessern<br />
und den deutschen Sinn zu beleben.<br />
Trotz aller Bemühungen sei aber noch<br />
keine Verbindung mit der Berliner oder<br />
einer anderen Hochschule zustande<br />
gekommen. Trotzdem sei der Entwurf<br />
unter den Studenten verbreitet gewesen<br />
und sein Einfluß auf die später Wirklichkeit<br />
gewordene Burschenschaft sei unverkennbar.<br />
Heft 4 - <strong>2014</strong> 123
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Gerichtsnotorisch wurde Jahns Urheberschaft<br />
durch das Urteil des Oberlandesgerichts<br />
Breslau vom 21. November 1833,<br />
durch das er zu einer zweijährigen Festungsstrafe<br />
verurteilt wurde. Im April hatten<br />
Heidelberger Burschenschafter den Frankfurter<br />
Wachensturm inszeniert, um eine<br />
deutsche Revolution mit dem Ziel eines einigen<br />
und freien Deutschland auszulösen.<br />
Nach dem Scheitern des Unternehmens<br />
galt es die „Demagogen“ und „Revolutionäre“<br />
dingfest zu machen. Jahn geriet in<br />
den Verfolgungsstrudel und zur Last gelegt<br />
wurde ihm die „Gründung der Burschenschaften<br />
auf den Universitäten Deutschlands“.<br />
Weiter hieß es, man habe unter seinen<br />
Papieren den Entwurf für eine Heidelberger<br />
Burschenschaft mit dem Titel „Über<br />
Ordnung und Einrichtungen der deutschen<br />
Burschenschaften“ gefunden. Außerdem<br />
habe Jahn mit dem Rektor der Berliner Universität,<br />
Johann Gottlieb Fichte, bereits<br />
1811 über die Gründung einer Burschenschaft<br />
gesprochen und verhandelt. Im gegenwärtigen<br />
Falle sei ihm zwar keine<br />
Schuld nachzuweisen, aber als geistiger Urheber<br />
der Burschenschaften sei Jahn sicherlich<br />
anzusprechen: „Wenn also auch<br />
aus einzelnen Briefen und Papieren von<br />
Mitgliedern der Burschenschaften Data zu<br />
entnehmen sind, daß Inkulpat [= Jahn, H.<br />
L.] sich für die Einführung und weitere Verbreitung<br />
der Burschenschaften auf den Universitäten<br />
Deutschlands interessiert und<br />
mit mehreren eifrigen Mitgliedern dieser<br />
Burschenschaften in Bekanntschaft gestanden,<br />
so ist dadurch noch nicht der Tatbestand<br />
eines begangenen Verbrechens gegen<br />
ihn festgestellt“. Dies gelte aber nur<br />
für den konkreten Heidelberger Fall, nicht<br />
für die vielen anderen Burschenschaften auf<br />
den deutschen Hochschulen, als deren geistiger<br />
Urheber Jahn gelten müsse.<br />
Jahn als geistiger Wegbereiter<br />
der Burschenschaft<br />
Jahn war einer der geistigen Väter jener<br />
Studentenbewegung, die als Burschenschaft<br />
im 19. Jahrhundert Geschichte<br />
machte. Über den von ihm mitgegründeten<br />
Berliner Deutschen Bund wirkten Jahn,<br />
Friesen und andere maßgeblich auf die<br />
Studenten ein. Besonders in Jena, wo viele<br />
Hochschüler im gerade vergangenen Krieg<br />
mitgekämpft hatten, war man empfänglich<br />
für ihre Ideen. Hier entstand im Winter<br />
1814/15 eine „Wehrschaft“, eine Art akademischer<br />
Landsturm, der eifrig körperliche<br />
Übungen trieb und auch eine Turnanstalt<br />
unterhielt. Als aus ihren Reihen am 12.<br />
Juni 1815 die erste Burschenschaft hervorging,<br />
stützte sich ihre Konstitution auf eine<br />
Ausarbeitung der Studenten Johann Carl<br />
Heinrichs und Wilhelm Peter Kaffenberger.<br />
Sie hatten Jahns Ratschläge nicht nur beachtet,<br />
sondern teilweise sogar wortwörtlich<br />
übernommen. Der Anteil und die Anteilnahme<br />
Jahns ist auch daran zu ermessen,<br />
daß er 1816 seine Lieblingsschüler<br />
Eduard Dürre und Hans Ferdinand Massmann<br />
nach Jena sandte, um nicht nur als<br />
Vorturner den neuen Turnplatz einzu -<br />
richten und das Turnen zu leiten, sondern<br />
auch um in der „noch auf schwachen<br />
Füßen stehenden ‚Burschenschaft‘ tätig zu<br />
sein“.<br />
Schwerpunkt<br />
Das Wartburgfest von 1817, das erste<br />
deutsche überregionale Nationalfest überhaupt,<br />
richtete die Jenaer Burschenschaft<br />
aus. Dürre propagierte es bereits 1816 als<br />
ersten Schritt zur Einigung der deutschen<br />
Studenten, der Wissen und Leistung kumulierenden<br />
künftigen Akademiker. Gedacht<br />
war dabei an eine Vorwegnahme<br />
der deutschen Einheit in Freiheit, denn<br />
wenn die künftige Elite – Rechtsanwälte<br />
und Richter, Ärzte, Pfarrer, Lehrer und Professoren<br />
– ein einiges und freies Deutschland<br />
erstrebte, konnte sich diesem Ansinnen<br />
niemand ernsthaft widersetzen. Jahn<br />
hatte Dürre bestärkt, auch wenn sich<br />
Massmann später die Idee zum Fest zuschrieb.<br />
Dürre schrieb dazu: „Gleich viel,<br />
wer den Gedanken zuerst gehabt, er ist<br />
nur die Folge des Einheitsstrebens, das in<br />
Jahn so lebhaft wirkte und von ihm sich auf<br />
seine Schüler übertrug.“ Der Burschenschafter<br />
Heinrich Leo behauptete sogar,<br />
der Gedanke des Festes sei nicht in Jena<br />
entstanden, sondern in Jahns Umfeld in<br />
Berlin.<br />
Auf dem Wartburgfest wurde Jahns gedacht.<br />
Beim Festmahl brachte man ein<br />
Hoch aus auf die „Lehrer der deutschen Jugend:<br />
Arndt, Friesen und Jahn“ und ehrte<br />
Jahn besonders durch eines auf „die löbliche<br />
Turnkunst und ihren Meister“. Schriften<br />
der Jahn-Gegner Franz Daniel Friedrich<br />
Wadzeck und Wilhelm Scheerer „und aller<br />
anderen schreibenden, schreienden und<br />
schweigenden Feinden der löblichen Turnkunst“<br />
wurden auf dem Wartenberg bei Eisenach<br />
zusammen mit anderen burschen-<br />
In der Aula der Friedrich-Schiller-Universität in Jena hängt das Bild „Aufbruch der Jenenser Studenten in den Freiheitskrieg 1813“, gemalt von Ferdinand Hodler.<br />
124 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Schwerpunkt<br />
schaftsfeindlichen Büchern dem Feuer<br />
übergeben.<br />
Turnen und Burschenschaft war<br />
anfangs identisch<br />
Die Burschenschaft hatte in den Freiheitskriegen<br />
ihre Wurzeln, in der unter dem Einfluß<br />
von Jahns, Fichtes und Ernst Moritz<br />
Arndts Volkstumslehre, christlicher Erweckung<br />
und patriotischer Freiheitsliebe<br />
stehenden antinapoleonischen Kampf<br />
deutscher Studenten. Diese Studenten begriffen<br />
die Freiheitskriege gegen Napoleon<br />
als einen Zusammenhang von innerer Reform,<br />
innenpolitischem Freiheitsprogramm<br />
und Sieg über die Fremdherrschaft und<br />
stellten sich bewußt in die Traditionen der<br />
Mannhaftigkeit und Kampfbereitschaft. Zugleich<br />
wurden sie dadurch besonders hervorgehobene<br />
Bewahrer und Fortsetzer der<br />
deutschen Nation. Dieser Beginn der Nationalbewegung,<br />
die Burschenschaft, war<br />
die erste gesamtnationale Organisation<br />
des deutschen Bürgertums überhaupt, deren<br />
Breite sich ermessen läßt vor dem Hintergrund,<br />
daß ihr mit bis zu 3.000 Mitgliedern<br />
1818/19 etwa ein Drittel der Studentenschaft<br />
Deutschlands angehörte.<br />
Als die ehemaligen Freikorpskämpfer und<br />
nunmehrigen Studenten nach 1815 ihr nationales<br />
Engagement in neue soziale Lebensformen<br />
umsetzten und die neue, zur<br />
nationalen Militanz neigende Burschenschaft<br />
gründeten, waren Turnen und Burschenschaft<br />
weitgehend identisch: ein turnender<br />
Student war Burschenschafter und<br />
umgekehrt. Nationale Einheit, Freiheit und<br />
sogar soziale Egalisierung waren eins. Der<br />
Burschenschafter Robert Wesselhöft<br />
schrieb in seiner 1828 erschienenen Schrift<br />
„Teutsche Jugend in weiland Burschenschaften<br />
und Turngemeinden“: „Turnplätze<br />
und Burschenschaften wurden sofort<br />
eng miteinander vereint. Die Idee, daß geistige<br />
und leibliche Ausbildung der Zweck<br />
des Lebens auf der Hochschule sei, hob<br />
mehr und mehr jedes steife, träge Vorurteil<br />
gegen das Turnen auf. In der Burschenschaft<br />
wie auf dem Turnplatze gab es keinen<br />
Unterschied der Stände.“ Diese<br />
Gleichsetzung wurden Turnwesen wie Burschenschaft<br />
1819 zum Verhängnis, als nach<br />
der Ermordung des Lustspieldichters und<br />
Spötters über die Burschenschaft Kotzebue<br />
durch den Theologiestudenten Carl Ludwig<br />
Sand und die nachfolgenden Karlsbader<br />
Beschlüsse die Verfolgung der Burschenschaft<br />
begann. Jeder Turner stand nun im<br />
Ruch des Umsturzes und der Revolution,<br />
wer turnte, der war potentiell gefährlich<br />
und ein möglicher Staatsfeind.<br />
Die insgeheim weiterbestehenden Burschenschaften<br />
turnten ob des erhöhten<br />
Verfolgungsdrucks immer weniger und<br />
schließlich nicht mehr. 1865, bei der 50-<br />
Jahr-Feier der ersten Burschenschaft in<br />
Jena, spielte das Turnen bereits keine Rolle<br />
mehr. Und im Kaiserreich<br />
sollte das<br />
so bleiben – obwohl<br />
die meisten Burschenschaften<br />
einen<br />
Passus über<br />
„Leibesübungen“<br />
in ihren Satzungen<br />
hatten.<br />
Die Körperertüchtigung<br />
rückte in den<br />
Hintergrund<br />
Warum hatte sich<br />
die Einstellung der<br />
Burschenschafter<br />
so gewandelt? Eine<br />
Antwort ist vielschichtig.<br />
Das Bürgertum,<br />
das seit<br />
der Mitte des 18.<br />
Jahrhunderts im<br />
Mittelpunkt der<br />
Gesellschaft gestanden<br />
hatte und<br />
überall der Träger<br />
der Modernisierung<br />
gewesen war,<br />
verlor seine Geschlossenheit<br />
und<br />
fraktionierte sich.<br />
Die handarbeitende<br />
Bevölkerung<br />
wurde mehr und<br />
mehr zu industriellen<br />
Lohnarbeitern<br />
mit dem eigenen<br />
sozialen Bewußtsein<br />
einer „Arbeiterklasse“,<br />
die sich selbst zu organisieren<br />
begann. Um so mehr setzten sich die<br />
Schichten, die nicht zu ihr gehören wollten,<br />
von dieser ab und „orientierten sich<br />
gesellschaftlich nach ‚oben‘“. Das Bürgertum<br />
von Besitz und Bildung suchte die<br />
Nähe des Adels und seiner Sozialvorstellungen,<br />
grenzte sich nicht mehr von ihm<br />
ab, sondern aristokratisierte sich, adelige<br />
Umgangsformen und Ehrbegriffe flossen<br />
mit älteren, elitaristischen Vorstellungen<br />
des Studententums vom „civis academicus“<br />
und seinen Sonderrechten zusammen<br />
und wurden zum zentralen verhaltenssteuernden<br />
Prinzip. Dies war eine mentale<br />
Neuorientierung, die von Fortschrittsgläubigkeit<br />
begleitet war, vom Glauben an die<br />
Notwendigkeit der stetigen Modernisierung.<br />
Nicht mehr philosophische Systeme,<br />
sondern Ökonomie, Naturwissenschaften<br />
und Technik gaben den Ton an.<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Bürgerlicher Habitus verdrängte den revolutionären Turner-Gedanken.<br />
Dem entsprach aber andererseits ein mit einem<br />
Hang zur Historisierung, Romantisierung<br />
und Archaisierung verbundener Antimodernismus,<br />
der sich ebenso aus sozialen<br />
Abstiegsängsten wie ökonomischen und<br />
sozialmoralischen Vorbehalten speiste. Der<br />
Soziologe Norbert Elias – selbst Verbindungsmitglied<br />
in Breslau – faßte dies als<br />
die Herausbildung der „Gesellschaft der<br />
Satisfaktionsfähigen“ zusammen, deren<br />
Mitglieder über das Privileg verfügten, im<br />
Falle einer auch nur angenommenen Beleidigung<br />
unter Hintansetzung des staatlichen<br />
Gewaltmonopols Genugtuung mit der<br />
Waffe zu verlangen. In diesem Zusammenhang<br />
kam dem Turnen keinerlei Bedeutung<br />
in den Burschenschaften mehr zu. Vielmehr<br />
bildeten sich seit den späten 1850er Jahren<br />
spezielle akademische Turnvereine, die im<br />
Laufe der Zeit aber gleichfalls mehr und<br />
mehr korporativen Charakter annahmen,<br />
äußerlich den Burschenschaften immer<br />
ähnlicher wurden und sich in eigenen Verbänden<br />
(„Vertreter-Convent der Turnerschaften<br />
auf deutschen Hochschulen“,<br />
„Akademischer Turnbund“) zusammenschlossen.<br />
Eine breite Renaissance Jahns setzte in der<br />
Studentenschaft und damit auch in den<br />
Burschenschaften erst nach dem verlorenen<br />
Ersten Weltkrieg ein. Zuvor war das<br />
Turnen endgültig vom „Sport“ verdrängt<br />
worden. In den Ostseeuniversitäten Kiel,<br />
Rostock, Greifswald, Danzig und Königsberg<br />
trieb man Segelsport, der als „weißer<br />
Heft 4 - <strong>2014</strong> 125
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Sport“ nicht nur „akademisch angemessen“,<br />
sondern auch „kaiserlich approbiert“<br />
war, da Wilhelm II. und sein Bruder, Prinz<br />
Heinrich von Preußen, begeisterte Segler<br />
waren. Der Segelsport an der Küste wurde<br />
wie das sonst meist ausgeübte Tennisspiel<br />
und das Rudern weniger unter sportlichen<br />
als gesellschaftlichen Vorzeichen betrieben.<br />
Rückbesinnung auf Jahn's Wehrhaftmachung<br />
Das änderte sich nun. In den 1920er Jahren<br />
wurde ein Passus aus Jahns Burschenschaftsordnung<br />
besonders oft zitiert: „Jeder<br />
Bursche muß mit der Einsicht die Kraft<br />
paaren: 1. etwas Tüchtiges lernen, 2. sich<br />
deutsch ausbilden für Volk und Vaterland<br />
leiblich und geistig, 3. sich in den Waffen<br />
üben mit Blank- und Schießgewehr.“<br />
Ebenso oft finden sich Jahns Sätze: „Das<br />
Turnen darf nicht Selbstzweck, sondern<br />
muß das Mittel zum Zweck der Wehrhaftmachung<br />
unseres deutschen Volkes sein!“<br />
Keiner sollte „zur Turngemeinschaft kommen,<br />
der wissentlich Verkehrer der deutschen<br />
Volksthümlichkeit ist, und Ausländerei<br />
liebt, lobt, treibt und beschönigt“. Das<br />
waren die entscheidenden Stichworte.<br />
Man sah das Turnen als – wenn auch mangelhaften<br />
– Ersatz für den durch den Versailler<br />
Vertrag bedingten „Fortfall der eisernen<br />
militärischen Schulung“. Die Burschenschaften<br />
erkannten im Turnen die<br />
„Erziehung zur Selbstbeherrschung und<br />
Selbstüberwindung“, eine militärische<br />
Schule, „wie es für die Vorkriegsjugend in<br />
unübertrefflicher Form das deutsche<br />
Heer war“. Aus dem Turnen wurde das<br />
„Wehrturnen“ im Rahmen des<br />
„Wehrsports“.<br />
Die Ursachen für diese Wandlung „sind<br />
letztlich politischer Natur“, wie schon Zeitgenossen<br />
bemerkten. Die Wehrhaftigkeit<br />
Deutschlands wie des Studenten war bis<br />
1918 eine Selbstverständlichkeit, als erstere<br />
in der Revolution zerbrach. Für die<br />
Burschenschaften war und blieb der Ehrbegriff<br />
die Basis der Wehrhaftigkeit, immer<br />
und immer wieder im Schlagwort „Heerlos,<br />
wehrlos – ehrlos!“ manifestiert. Zudem forderten<br />
die militärischen Beschränkungen<br />
Deutschlands durch den Versailler Vertrag<br />
bei gleichbleibenden Rüstungsanstrengungen<br />
seiner unmittelbaren Nachbarn in<br />
den Augen der Burschenschaften dazu heraus,<br />
nach einer Entsprechung zu suchen,<br />
die vor allem mit der voranschreitenden<br />
Zeit immer dringlicher zu werden<br />
schien.<br />
Diese Entwicklung fand in allen Korporationsverbänden<br />
gleichermaßen statt und<br />
hatte den Charakter einer Breitenbewegung.<br />
Turnen wurde Teil des<br />
„Wehrsports“, oft gemeinsam betrieben<br />
mit dem „Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten“,<br />
der 1925 400.000 Mitglieder zählte.<br />
Im großen Rund der „Wehrsportler“ bildeten<br />
die Burschenschaften allerdings nur<br />
eine kleine, wenn auch sehr einflußreiche<br />
Schwerpunkt<br />
Gruppe. Überdurchschnittlich oft finden sie<br />
sich in Führungspositionen, auch von Turnvereinen,<br />
in der Deutschen Turnerschaft –<br />
erinnert sei nur an Ferdinand Goetz und<br />
Gustav Oskar Berger, langjährige Vorsitzende<br />
– und im Deutschen Turnerbund,<br />
dessen Führung fast nur aus Burschenschaftern<br />
bestand. Der älteste ununterbrochen<br />
bestehende deutsche Turnverein, die Hamburger<br />
Turnerschaft von 1816, wurde fast<br />
immer von Burschenschaftern geführt. Und<br />
auch nach dem Zweiten Weltkrieg sind Burschenschafter<br />
überdurchschnittlich oft in<br />
den Führungsgremien der deutschen Turner<br />
vertreten gewesen.<br />
Turnen, Wehrturnen und Wehrsport wurden<br />
nach 1933 in eigenen Hochschulämtern<br />
organisiert, so daß sich zwar noch Burschenschafter<br />
als Teilnehmer finden, es<br />
aber kaum mehr von Burschenschaftern<br />
selbständig betriebenes Turnen gab. Mit<br />
der Auflösung der Deutschen Burschenschaft<br />
und der meisten Burschenschaften<br />
ab Herbst 1935 stellte sich die Frage des<br />
Turnens auch nicht mehr.<br />
Das alte Erbe wieder aufgreifen<br />
Nach der Wiedergründung 1949/50<br />
wählte der jährlich tagende Burschentag<br />
zwar immer einen „Beauftragten für Leibesübungen<br />
der Deutschen Burschenschaft“,<br />
die letzten Wettkämpfe fanden<br />
aber zum Burschentag 1975 statt. Aktivitäten<br />
auf diesem Gebiet sind faktisch den<br />
einzelnen Burschenschaften überlassen,<br />
Militärischer Fünfkampf: Symbolbild für den Militärischen Fünfkampf – hier das Überwinden der „Hühnerleiter“ bei der Hindernisbahn.<br />
Simone.Pe/Wikimedia/CC<br />
126 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Schwerpunkt<br />
die im Zeitalter des Breitensports von der<br />
völligen Vernachlässigung bis hin zu beachtlichen<br />
Leistungen reichen, etwa im<br />
Rahmen der alljährlichen Skimeisterschaften<br />
der Deutschen Burschenschaft. Manche<br />
Burschenschaft besitzt eine eigene<br />
Skihütte. Turnerische Betätigung ist dagegen<br />
eher selten geworden. Dafür können<br />
sich einige Burschenschaften mit mehrfachen<br />
Europa- und Weltmeistern in den<br />
verschiedensten Disziplinen bis hin zu vielfachen<br />
Olympiasiegern im Dressurreiten<br />
schmücken. Trotzdem, im 1998 erschienenen<br />
„Handbuch der Deutschen Burschenschaft“<br />
heißt es ein wenig resignativ:<br />
„Wenn auch den Leibesübungen in der<br />
Burschenschaft nicht mehr der Stellenwert<br />
zukommen kann, den sie in der Zeit Jahns<br />
besaßen, ist es sicherlich erforderlich, [...]<br />
wieder an die Tradition der Sportmeisterschaften<br />
anläßlich der Burschentage anzuknüpfen<br />
und die Leibesübungen in den<br />
einzelnen Burschenschaften nachhaltig zu<br />
fördern.“ Dies könnte man als Aufforderung<br />
begreifen.<br />
Unser Autor Verbandsbruder Dr. Dr. Harald Lönnecker, geboren<br />
1963, Alter Herr Normannia-Leipzig zu Marburg, Normannia<br />
Leipzig, Germania Kassel, Ghibellinia zu Prag in Saarbrücken (EM)<br />
sowie Sängerschaft Normannia-Danzig Braunschweig (EM), studierte<br />
Geschichte, Rechtswissenschaft, Evangelische Theologie,<br />
Geographie, Volkskunde, Lateinische Philologie und Germanistik<br />
in Marburg, Gießen, Heidelberg, Freiburg i. Br. und Frankfurt<br />
a. M. Er promovierte 1989 zum Dr. phil. mit einer Arbeit über das<br />
spätmittelalterliche Notariat, dann zum Dr. iur. mit einem vereinsrechtlichen<br />
Thema. An das Referendariat schlossen sich<br />
Tätigkeiten beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr<br />
in Freiburg i. Br. und bei der Konrad-Adenauer-Stiftung<br />
an. Seit 1995 ist er im Bundesarchiv tätig, erst in Frankfurt a. M.,<br />
dann in Koblenz, wo er das Archiv und die Bücherei der Deutschen<br />
Burschenschaft leitet. Er ist Vorstands- und Beiratsmitglied<br />
der Stiftung Dokumentations- und Forschungszentrum des deutschen<br />
Chorwesens – Sängermuseum Feuchtwangen und der Gemeinschaft<br />
für deutsche Studentengeschichte e. V. (GDS), Mitherausgeber<br />
des „GDS-Archivs für Hochschul- und Studentengeschichte“<br />
und der „Darstellungen und Quellen zur Geschichte<br />
der deutschen Einheitsbewegung im 19. und 20. Jahrhundert“,<br />
Kurator der Stiftung deutsche Studentengeschichte (SDS) sowie<br />
des Instituts für deutsche Studentengeschichte (IDS) an der Universität<br />
Paderborn. Er trat mit zahlreichen Veröffentlichungen zur<br />
Geschichte von Universität und Studenten hervor.<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Quellen und Literatur:<br />
Düding, Dieter: Organisierter gesellschaftlicher Nationalismus<br />
in Deutschland (1808–1847). Bedeutung und<br />
Funktion der Turner- und Sängervereine für die deutsche<br />
Nationalbewegung (Studien zur Geschichte des neunzehnten<br />
Jahrhunderts, 13), München 1984.<br />
Hagen, Hans Heinrich: Friedrich Ludwig Jahns Anteil bei<br />
der Gründung der Deutschen Burschenschaft, in: Einst<br />
und Jetzt. Jahrbuch des Vereins für corpsstudentische<br />
Geschichtsforschung 27 (1982), S. 117–126.<br />
Jahn, Günther: Friedrich Ludwig Jahn. Volkserzieher und<br />
Vorkämpfer für Deutschlands Einigung 1778–1852 (Persönlichkeit<br />
und Geschichte, 139), Göttingen/Zürich 1992.<br />
Jahn, Günther: Die Stammbuchblätter Friedrich Ludwig<br />
Jahns (1778–1852). Eintragungen aus der Studienzeit<br />
1798–1806, in: Einst und Jetzt. Jahrbuch des Vereins für<br />
corpsstudentische Geschichtsforschung 39 (1994), S. 87–<br />
141.<br />
Jahn, Günther: Die Studentenzeit des Unitisten F. L. Jahn<br />
und ihre Bedeutung für die Vor- und Frühgeschichte der<br />
Burschenschaft 1796–1819, in: Hünemörder, Christian<br />
(Hrsg.): Darstellungen und Quellen zur Geschichte der<br />
deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten<br />
Jahrhundert, Heidelberg 1995, S. 1–129.<br />
Kaupp, Peter: Mehr Vermutungen als gesicherte Erkenntnisse.<br />
„Turnvater“ Jahn und die deutschen Farben, in:<br />
Jahn-Report. Förderverein zur Traditionspflege und Erhaltung<br />
der Friedrich-Ludwig-Jahn-Gedenkstätten e. V.<br />
Freyburg a. d. Unstrut 28 (2009), S. 14–22.<br />
Kaupp, Peter/Ulfkotte, Josef: Die Jahn-Friesensche Burschenordnung<br />
von 1811/12, in: Cerwinka, Günter/Kaupp,<br />
Peter/Lönnecker, Harald/Oldenhage, Klaus (Hrsg.): 200<br />
Jahre burschenschaftliche Geschichte. Von Friedrich Ludwig<br />
Jahn zum Linzer Burschenschafterturm (Darstellungen<br />
und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung<br />
im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert,<br />
16), Heidelberg 2008, S. 1–81.<br />
Kunze, Eberhard: Mecklenburgische Seilschaften des<br />
Turnvaters F. L. Jahn. Eine Spurensuche in Stammbuchblättern<br />
und Briefen, in: Einst und Jetzt. Jahrbuch des<br />
Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung 46<br />
(2001), S. 173–184.<br />
Lönnecker, Harald: Jahn und die Burschenschaft, in:<br />
Jahn-Report. Förderverein zur Traditionspflege und Erhaltung<br />
der Friedrich-Ludwig-Jahn-Gedenkstätten e. V.<br />
Freyburg a. d. Unstrut 19 (2003), S. 7–14.<br />
Lönnecker, Harald: Rudern, Segeln, Fliegen – Aktivitäten<br />
akademischer Verbindungen und Vereine zwischen Sport<br />
und Politik ca. 1885–1945, in: Alkemeyer, Thomas/Buss,<br />
Wolfgang/Peiffer, Lorenz/Rigauer, Bero (Hrsg.): Sport in<br />
Nordwestdeutschland (SportZeiten. Sport in Geschichte,<br />
Kultur und Gesellschaft, 9/3), Göttingen 2009, S. 7–36.<br />
Lönnecker, Harald: „Turner-Führer“ – Akademische Turnvereinigungen<br />
in Münster und ihre Vorstellungen von gesellschaftlicher<br />
Elite vom 19. Jahrhundert bis zum Ende<br />
der Weimarer Republik, in: Westfälische Forschungen 63<br />
(2013), S. 37–56.<br />
Heft 4 - <strong>2014</strong> 127
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />
Vom schwierigen Unterfangen, in den Medien<br />
Recht zu bekommen<br />
Von Raphael Thiermann<br />
Die Deutsche Burschenschaft wird in den<br />
etablierten Medien nicht erst seit gestern<br />
kritisch betrachtet. Mit Kritik im eigentlichen<br />
Sinne könnte der Verband freilich<br />
umgehen, aber die Berichterstattung<br />
selbst in als bürgerlich geltenden Medien<br />
ist zumeist schonungslos und überschreitet<br />
in den letzten Jahren nicht selten<br />
Grenzen der Hetze, Diffamierung und<br />
Stigmatisierung. So gibt es Vorwürfe, wie<br />
den des politischen Extremismus, die<br />
ständig rezitiert werden, ohne ansatzweise<br />
wahr zu sein. Den Verband, die Verbandsspitze<br />
und selbst einzelne Bünde erreichen<br />
häufig Forderungen, man müsse<br />
die Vorwürfe richtigstellen, nötigenfalls<br />
juristisch gegen die betreffende Falschbehauptung<br />
vorgehen – täte man dies nicht,<br />
behielten die Medien recht.<br />
Dies ist jedoch einfacher gefordert, als<br />
tatsächlich im jeweils konkreten Fall bewerkstelligt<br />
werden kann. Die Tücken sind<br />
vielfältig. So gibt es in der Bundesrepublik<br />
längst kein klar skizziertes Presserecht. Vielmehr<br />
handelt es sich in der Regel um sogenanntes<br />
„Case-Law“, das sich aus der laufenden<br />
Rechtsprechung heraus ständig<br />
weiterentwickelt. Zumeist handelt es sich<br />
um zivilrechtliche Ansprüche, die durchgesetzt<br />
werden müssen. Strafrechtlich relevant<br />
wird es, wenn Beleidigungen, Verleumdungen<br />
und üble Nachrede erfüllt sein<br />
könnten – was zumeist schwer zu beweisen<br />
ist. Zudem gibt es graduelle Unterschiede<br />
bei Landespressegesetzen, die –abhängig<br />
vom jeweiligen Bundesland – ebenfalls<br />
berücksichtigt werden müssen. Nicht selten<br />
gibt es außerdem Gerichtsstände, die für<br />
presserechtliche Ansprüche geeigneter erscheinen<br />
als andere. So gilt Hamburg beispielsweise<br />
als geeignet, Berlin als eher ungeeignet.<br />
Das Presserecht ist damit quasi<br />
juristische „Querschnittsmaterie“ und<br />
nichts für ungeübte Juristen oder Rechtsanwälte<br />
– und erst recht nicht für Laien, die<br />
denken, ein schnell aus dem Internet heruntergeladenes<br />
Musterblatt könne eine fundierte<br />
Rechtsberatung ersetzen. An die<br />
Durchsetzung von Ansprüchen – beispielsweise<br />
Richtigstellungen und Gegendarstellungen<br />
– wird nämlich eine Reihe von Anforderungen<br />
geknüpft. Ein in der Materie<br />
unerfahrener Rechtsanwalt kann hier<br />
schnell scheitern, aber den Bund dennoch<br />
teuer zu stehen kommen.<br />
Wer klagt?<br />
Zunächst muß man sich darüber klarwerden,<br />
ob es überhaupt möglich wäre, einen<br />
Anspruch durchzusetzen. Viele Bünde oder<br />
Aktivitates können aufgrund ungenügender<br />
Satzungen nicht klagen oder möchten<br />
ihre Satzungen ungern bei Gericht einreichen.<br />
Dabei ist ein Anspruchsberechtigter<br />
dringend vonnöten: wo kein Kläger, da bekanntlich<br />
auch kein Richter. So gilt es<br />
zunächst jemanden zu finden, der bereit ist,<br />
unter Umständen trotz medialer Berichterstattung<br />
vor Gericht zu treten. Möchte man<br />
dies einem jungen Aktiven wirklich zumuten?<br />
Dies bedarf einer sorgfältigen Abwägung.<br />
Als Beispiel mag die Klage der Münchener<br />
Burschenschaft Danubia auf Gegendarstellung<br />
gegen die FAZ vor wenigen<br />
Jahren dienen: Sie mußte die Satzung der<br />
Aktivitas vorlegen, um nachzuweisen, daß<br />
der Sprecher überhaupt klagen darf. Erst<br />
dann wurde über die Sache selbst entschieden<br />
und die Verbandsbrüder konnten erfolgreich<br />
eine Gegendarstellung durchsetzen.<br />
Gegen wen ist zu klagen?<br />
Zahlreiche Internetseiten genügen nicht<br />
der hiesigen Impressumspflicht. So ist dann<br />
die Frage, wem gegenüber der Anspruch<br />
zu artikulieren ist, gelegentlich recht<br />
schwierig. Bei Tageszeitungen oder Internetseiten<br />
etablierter Medien ist dieses Problem<br />
eher selten, der Diffamierung auf<br />
linksextremen Internetseiten ist hingegen<br />
schwer zu begegnen. Ein bekanntes Beispiel<br />
ist die Internetseite linksunten.indymedia.org.<br />
Dort werden Bekennerbriefe,<br />
Haßartikel, Verleumdungen, Beleidigungen,<br />
Stigmatisierungen der übelsten Art<br />
und sogar Aufrufe zur Gewalt (beispielsweise<br />
vor Großveranstaltungen wie dem<br />
Wiener Akademikerball) anonym veröffentlicht.<br />
Der Seitenbetreiber sitzt im Ausland,<br />
die Seite verfügt über kein den rechtlichen<br />
Vorgaben entsprechendes Impressum. Seit<br />
langem ist dies auch den Behörden hinlänglich<br />
bekannt. In vergleichbaren Fällen<br />
auf „rechter“ Seite ist jedoch ein konsequentes<br />
rechtsstaatliches Vorgehen nachweisbar,<br />
beispielsweise bei den Seiten Alpen-Donau.info<br />
oder Altermedia.org. Hingegen<br />
scheinen Behörden kein gesteigertes<br />
Interesse an der Aufdeckung der Urheberschaft<br />
bei linksunten.indymedia zu verspüren.<br />
Bevor man also überhaupt versuchen<br />
kann, Ansprüche durchzusetzen, ist es<br />
nötig, einen presserechtlich Verantwortlichen<br />
in Erfahrung zu bringen. Das kann<br />
selbst bei Institutionen schwierig werden,<br />
bei denen man es kaum erwartet: So findet<br />
man auf der Internetseite des AStA der<br />
Freien Universität Berlin den Anti-Burschi-<br />
Reader mit dem bezeichnenden Titel Gute<br />
Nacht, Burschenpracht zum Dateiabruf. In<br />
diesem häufen sich zahlreiche Falschbehauptungen,<br />
Urheberrechtsverstöße und<br />
Verleumdungen über Verbindungen.<br />
Allerdings verfügt die Internetseite des<br />
AStA der Freien Universität über kein<br />
rechtsgültiges Impressum. Wem gegenüber<br />
sollte man hier seinen Anspruch also<br />
kundtun? Es stellt einen besonders gravierenden<br />
Skandal dar, daß eine Vertretung<br />
der Hochschülerschaft wie der AStA, dem<br />
man als Student durch Zwangsmitgliedschaft<br />
angehört und der über die entsprechenden<br />
Zwangsgebühren finanziert wird,<br />
meint, sich aus der Verantwortung eines ordentlichen<br />
Impressums stehlen zu können,<br />
ohne Konsequenzen für diesen Rechtsverstoß<br />
fürchten zu müssen. Hier bleibt die<br />
Möglichkeit, bei der zuständigen Landesmedienanstalt<br />
vorstellig zu werden und einen<br />
Impressumsverstoß zu melden. Diese<br />
muß handeln und dem Betreiber der Internetseite<br />
auferlegen, ein ordentliches Impressum<br />
zu veröffentlichen. Folgt er der Ermahnung<br />
nicht, kann diese Behörde auch<br />
Bußgelder verhängen. Es kommt hierbei allerdings<br />
auch auf die konkrete Behörde<br />
und ihre offensichtlich von Partikularinteressen<br />
geprägten Motivation an, man denke<br />
an den „Kampf gegen rechts“. So mußte<br />
der bekannte antiburschenschaftliche Blog-<br />
Betreiber Christian Joachim Becker seinen<br />
ersten Blog schließen, nachdem die Medienanstalt<br />
Hamburg bei ihm vorstellig<br />
wurde. Sie reagierte aber aus Sicht der sich<br />
dort beschwerenden Verbandsbrüder recht<br />
zögerlich. Dies jedoch war zumindest ein<br />
kleiner Teilerfolg gegen den Hetzblog,<br />
hatte die Staatsanwaltschaft Hamburg eine<br />
Strafanzeige wegen Beleidigung damit abgelehnt,<br />
daß man Christian Becker nicht<br />
eindeutig als den Blog-Urheber identifizieren<br />
könne – obwohl er in nahezu sämtlichen<br />
Medien Deutschlands öffentlich als Blogmacher<br />
auftrat. In derartigen Haarspaltereien<br />
offenbart sich exemplarisch das seltsame<br />
Rechtsverständnis einiger Staatsanwaltschaften.<br />
Widerspruch, Richtigstellung<br />
und Gegendarstellung<br />
Gibt es also einen presserechtlich Verantwortlichen<br />
– dies ist entweder der Redakteur<br />
oder der im Impressum Genannte,<br />
meist Chefredakteur oder Herausgeber –<br />
besteht die Möglichkeit, einen Widerspruch,<br />
eine Richtigstellung oder eine Gegendarstellung<br />
durchzusetzen. Darüber<br />
hinaus besteht auch ein Unterlassungsan-<br />
128 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />
spruch. Welche der genannten Vorgehensweisen<br />
man nun favorisiert, kommt auf den<br />
Einzelfall an. Wichtig ist hierbei stets, daß<br />
sich gegen eine Falschbehauptung, also<br />
eine unwahre Tatsachenbehauptung gewehrt<br />
wird. Gegen eine Meinung, beispielsweise<br />
eine Wertung, kann nicht vorgegangen<br />
werden. Wenn ZEIT Online beispielsweise<br />
schreibt: „Die Deutsche Burschenschaft<br />
ist auf einen ultrarechten Kern<br />
geschrumpft, der extreme Positionen bezieht“,<br />
so ist das zwar auf den ersten Blick<br />
eine Tatsachenbehauptung, aber der wertende<br />
Anteil im Rahmen einer Meinung<br />
überwiegt. Denn was ist „ultrarechts“? Aus<br />
Sicht der Linken schon die CSU! Wenn die<br />
SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi erklärt,<br />
in der Deutschen Burschenschaft<br />
finde sich eine „zunehmend völkische und<br />
großdeutsche Programmatik“, so ist das<br />
zwar absurd, aber eine zulässige Wertung<br />
im Sinne der Meinungsfreiheit. Selbst die<br />
Äußerung ein Burschenschafter „bereite in<br />
Prag die Gründung einer rechtsextremen<br />
Studentenpartei vor“ wurde vor Gericht als<br />
Meinung gewertet, wenngleich auch explizit<br />
als substanzlose. Selbst der Laie erkennt<br />
an den genannten Beispielen bereits, daß<br />
die Abwägung zwischen Tatsachenbehauptung<br />
und Meinung durchaus diffizil ist. Da<br />
in der Regel extrinsisch motivierte Richter<br />
eine Entscheidung zu treffen haben, dürfen<br />
subjektive Beweggründe wie öffentlicher<br />
Druck, der „Kampf gegen rechts“ et cetera<br />
nicht vergessen werden. Welcher Richter<br />
möchte schon von den sich diesem Kampf<br />
verschriebenen Medien an den Pranger gestellt<br />
und als jener diffamiert werden, der<br />
vermeintlichen Rechten auch noch juristisch<br />
Recht gibt und damit ihrer „ungehörigen“<br />
Meinung eine Existenzberechtigung – ja,<br />
eine Legimitation – verschafft? Welcher<br />
Richter möchte dafür seine Karriere und<br />
sein soziales Ansehen ruiniert wissen? Dies<br />
geschah bereits vielfach: So wurden Richter<br />
für „unliebsame“ Urteilssprüche aus dem<br />
Staatsdienst entlassen, man erinnere sich<br />
an den Fall Ortleb Mitte der 1990er Jahre.<br />
So gilt es den Rechtsstaat zwar grundsätzlich<br />
nicht in Frage zu stellen, man fragt sich<br />
aber bei nicht wenigen Urteilen – insbesondere<br />
bei politischen Prozessen – ob die<br />
Richter ihren Spielraum nicht überzogen<br />
haben und zumindest partiell die sogenannte<br />
„Schweinehund“-Theorie greift:<br />
Gemäß dieser steht das Urteil bereits vor<br />
der Verhandlung fest, denn der zu Verurteilende<br />
hat aus gesellschaftlicher Perspektive<br />
„schuldig“ zu sein. Im Rahmen des Prozesses<br />
ist dies dann lediglich folgend herzuleiten.<br />
Möchte man also eine Gegendarstellung<br />
veröffentlicht wissen, muß diese durch den<br />
Betroffenen schriftlich verlangt und persönlich<br />
unterzeichnet werden sowie in engem<br />
zeitlichen Zusammenhang mit der beanstandeten<br />
Berichterstattung erfolgen. Weiterhin<br />
darf sie ausschließlich die kritisierte<br />
Tatsachenbehauptung angreifen und nur<br />
das richtigstellen, was falsch ist. Es empfiehlt<br />
sich hier dringend, einen versierten<br />
Rechtsanwalt zu konsultieren. Wie man es<br />
nicht macht, zeigte vor einigen Jahren ein<br />
ehemaliger Verbandsbruder, der den <strong>Burschenschaftliche</strong>n<br />
<strong>Blätter</strong>n eine Gegendarstellung<br />
zukommen ließ, die über drei Seiten<br />
lang war, drei Monate nach Erscheinen<br />
des vorherigen Heftes zugestellt wurde und<br />
noch nicht einmal persönlich unterschrieben<br />
war – und das von einem Doktor der<br />
Jurisprudenz.<br />
Es könnte sich daher empfehlen, die betreffenden<br />
Redaktionen bereits vor Übermittlung<br />
der Gegendarstellung zu kontaktieren<br />
und beispielsweise fernmündlich um eine<br />
Korrektur der entsprechenden Behauptungen<br />
zu bitten. Dies dürfte bei nicht feindlich<br />
gesonnenen Medien in vielen Fällen ausreichen.<br />
Aber bei Publikationen, die seit Jahren<br />
gegen Burschenschaften hetzen, dürfte<br />
dieses Vorgehen nicht erfolgversprechend<br />
sein. So machte der Verband eine im Rheinland<br />
befindliche Tageszeitung darauf aufmerksam,<br />
daß sie mehrere falsche Tatsachenbehauptungen<br />
veröffentlicht habe.<br />
Sinngemäß antwortete der Justitiar der Zeitung,<br />
sollte der Verband eine Gegendarstellung<br />
gerichtlich durchsetzen, werde<br />
man in Folge noch größer und noch kritischer<br />
über den Verband berichten. Die damalige<br />
Vorsitzende beschloß, auf ein weiteres<br />
Vorgehen zu verzichten.<br />
So ist die Durchsetzung der Wahrheit ein<br />
schwieriges Unterfangen und wird oftmals<br />
Opfer von Prozeßstrategien der Medien.<br />
Denn eine Zeitung veröffentlicht grundsätzlich<br />
ungern Korrekturen – noch weniger<br />
gerne freilich gerichtlich durchgesetzte Gegendarstellungen.<br />
Weiters darf nicht vergessen<br />
werden, daß auf den gegnerischen<br />
Seiten in der Regel erfahrene Medienanwälte<br />
sitzen. So ist das Prozeßkostenrisiko<br />
nicht unerheblich und kann je nach Streitwert<br />
und Instanz selbst bei einzelnen<br />
Falschbehauptungen im niedrigen fünfstelligen<br />
Bereich enden.<br />
Der Fall Weidner<br />
Mein Bundesbruder Norbert Weidner (ABB<br />
Raczeks Bonn) geht beispielsweise als besonders<br />
häufig von Falschbehauptungen<br />
Betroffener bereits seit zwei Jahren offensiv<br />
gegen verschiedenste Medien vor. Jüngst<br />
erzielte er Richtigstellungen und Korrekturen<br />
bei ZEIT online, der TAZ, den Nürnberger<br />
Nachrichten, der Legal Tribune, dem<br />
Netz gegen Nazis und dem WDR. Auch die<br />
Burschenschaft der Rheinfranken konnte<br />
jüngst die weitere Veröffentlichung von Aktivenfotos<br />
in einer hessischen Tageszeitung<br />
erfolgreich juristisch untersagen lassen. Es<br />
lohnt sich also, den Kampf aufzunehmen.<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Richtigstellung in der „taz“.<br />
Die obigen Ausführungen stellen indes dar,<br />
wie schwer es in einem freien und demokratischen<br />
Land ist, Recht zu bekommen.<br />
Das soll allerdings im Umkehrschluß nicht<br />
heißen, man solle besser nicht gegen falsch<br />
berichtende Medien vorgehen. Im Gegenteil:<br />
Jeder Bund – und natürlich auch der<br />
Verband selbst – sollten regelmäßig gegen<br />
Falschbehauptungen zu Felde ziehen. Allerdings<br />
bedarf es dazu – abhängig vom aktuellen<br />
Fall – einer jeweils genauen Abwägung,<br />
ob ein mitunter kostenintensiver Prozeß<br />
Erfolgsaussichten hat. Daneben sollte<br />
man sich ohnehin vorab eine Pressestrategie<br />
für den eigenen Bund überlegen. So<br />
sind Leserbriefe, Pressemeldungen et cetera<br />
günstige Möglichkeiten, um sich ins<br />
rechte Bild zu rücken – wenngleich freilich<br />
medial nicht vergleichbar mit einer Gegendarstellung.<br />
Wenn also beispielsweise ein<br />
auf der Facebook-Fanseite des Verbandes<br />
veröffentlichter Zehnzeiler über die „Wanderung“<br />
auf die Wartburg mit anschließender<br />
Intonierung des Liedes „Die Gedanken<br />
sind frei“ im Rahmen des vergangenen Burschentages<br />
Zugriffsraten von über 20.000<br />
Lesern erreicht, sieht man daran, daß es<br />
auch noch andere – günstige und für jedermann<br />
erlernbare – Wege gibt, öffentliche<br />
Positionierungen abzugeben.<br />
Raphael Thiermann<br />
(Germania Hamburg 2011, Raczeks Breslau<br />
zu Bonn 2013)<br />
Hinweis: Hierbei handelt es sich um<br />
eine Betrachtung des Presserechts aus<br />
bundesrepublikanischer Perspektive.<br />
Eine österreichische Sicht wäre bei<br />
Gelegenheit zu ergänzen!<br />
Heft 4 - <strong>2014</strong> 129
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />
Einheit und Freiheit – Vorgeschichte und Entwicklung<br />
der Grundrechte in Deutschland seit<br />
Beginn des 19. Jahrhunderts<br />
Von Helma Brunck<br />
Ideengeschichtliche Wurzeln der Grundund<br />
Freiheitsrechte gehen zurück auf Ansätze<br />
dazu bei den Philosophen der griechischen<br />
und römischen Antike, so bei<br />
der Stoa und bei den Sophisten. Auch<br />
Platon (427-347 v. Chr.), Aristoteles<br />
(384–322 v. Chr.) und der bedeutende römische<br />
Staatsmann, Redner und Publizist<br />
Cicero (106–43 v. Chr.) haben sich mit<br />
den Grundrechten auseinandergesetzt.<br />
Bekanntestes Beispiel aus dem Mittelalter<br />
ist die englische „Magna Charta (libertatum)“,<br />
die „Große Urkunde der<br />
Freiheiten“ vom 15. Juni 1215, eine verfassungsähnliche<br />
Urkunde zur Wiederbelebung<br />
und Erweiterung älteren Rechts<br />
und zur Sicherung des Feudalsystems gegen<br />
Übergriffe des Königtums, wobei<br />
das Recht auf Leben und Eigentum im<br />
Mittelpunkt stand. Sogenannte staatlich<br />
verbriefte Rechte für jeden Menschen<br />
bzw. für jeden Staatsbürger wurden jedoch<br />
erst im Zeitalter der Aufklärung thematisiert<br />
und gemeinsam mit dem bürgerlichen<br />
Verfassungsstaat der Moderne<br />
entwickelt.<br />
Seit dem 17. Jahrhundert wurde das<br />
neuzeitliche Naturrecht zu einem entscheidenden<br />
Kernpunkt innerhalb der Rechtsentwicklung.<br />
Im Zeitalter der Aufklärung<br />
fanden Gelehrte, schwerpunktmäßig aus<br />
West- und Mitteleuropa, ein breites Forum<br />
für ihre Interpretation zu den Grundfrei -<br />
heiten des Menschen sowie zu den Grundrechten.<br />
So erhob, nachdem bereits<br />
Erasmus von Rotterdam (1466–1536) die<br />
Willensfreiheit des Menschen als Urgrund<br />
humaner Kultur definiert hatte, der niederländische<br />
Jurist, Diplomat und Publizist<br />
Hugo Grotius (1583–1645) neben dem Naturrecht<br />
das Völkerrecht (ius gentium) zum<br />
Hauptprinzip der Menschheit. In seinem<br />
Hauptwerk „De jure belli ac pacis“ von<br />
1625 legte er die rechtlichen Grundlagen<br />
der internationalen Beziehungen und sogar<br />
legitime Kriegsgründe fest, forderte aber<br />
auch zur Toleranz aller positiven Religionen<br />
auf. Neben dem Niederländer Hugo Grotius<br />
waren vor allem zwei Engländer Protagonisten<br />
der Freiheitsrechte: Thomas Hobbes<br />
(1588–1679), zu dessen bekanntesten<br />
Werken der „Leviathan“ (1651) gehört, sowie<br />
John Locke (1632–1704) mit seinem<br />
staatsphilosophischen Hauptwerk „Two<br />
treatises of government“ (1690). In Lockes<br />
Lebenszeit fielen die 1689 verkündeten<br />
Dinghofer-Symposium 2013 aus der Veranstaltungsreihe „Res Publica“:<br />
„Die Verfassung im Wandel der Zeit“ und zur Verleihung der Franz-Dinghofer-<br />
Medaille am 18. Oktober 2013 in Wien. Podium v. links: Professor Dr. Christian<br />
Neschwara, Hans Achatz, Dr. Helma Brunck<br />
Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/Mike Ranz<br />
„Bill of Rights“. Hauptsächliche Punkte waren<br />
die Eigentums- und Freiheitsgarantie<br />
durch den Staat. Unter den Franzosen<br />
zeichneten sich während der Zeit der Aufklärung<br />
insbesondere Montesquieu<br />
(1689–1755) und Voltaire (1694–1778) in<br />
der Diskussion um die Grundrechte aus.<br />
Montesquieu sprach vor allem die Grundbedürfnisse<br />
des Menschen an, darunter das<br />
Bedürfnis nach freier Entfaltung der Persönlichkeit<br />
und nach der Freiheit der Person,<br />
die auch Voltaire in seinen Werken betonte.<br />
Der Schweizer Jean Jaques Rousseau<br />
(1712–1778) wurde mit seiner Forderung<br />
nach Volkssouveränität zum Protagonisten<br />
moderner Demokratien. Berühmtes Zitat<br />
aus seinem Werk „Gesellschaftsvertrag“,<br />
Buch I, Kap. 1.1: „Der Mensch ist frei geboren,<br />
und überall liegt er in Ketten“. Von<br />
deutscher Seite aus wurde besonders<br />
durch Immanuel Kant (1724–1804) der moderne<br />
Staatsbegriff definiert. In seinen<br />
staatstheoretischen Werken gab Kant zu<br />
verstehen, daß vor allem die Vernunft die<br />
oberste Hüterin der menschlichen Freiheit<br />
sei. Gegen Ende des Ancien régime, ausgelöst<br />
durch den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg,<br />
besiegelt durch die Unabhängigkeitserklärung<br />
der befreiten nordamerikanischen<br />
Staaten vom 4. Juli 1776<br />
und die Virginia Bill of Rights, verabschiedet<br />
am 12. Juni 1776 als erste katalogisierte<br />
Aufstellung von Menschenrechten in<br />
die verbindliche Form des positiven Rechts<br />
gegossen, folgte 1787 die Unionsver -<br />
fassung, hervorgegangen aus freiheitlichen<br />
Überlieferungen puritanischer Sekten und<br />
aus der Aufklärungsphilosophie des 18.<br />
Jahrhunderts, die durch nachträgliche Zusatzartikel<br />
im Jahr 1791 um eine Menschenrechtserklärung<br />
erweitert wurde. Durch die<br />
Französische Revolution bekamen die Menschenrechte<br />
auch in Europa eine größere<br />
Bedeutung. Die Diskussion um die Menschenrechte<br />
zog sich durch alle gesellschaftlichen<br />
Schichten hindurch. In der das<br />
egalitäre Prinzip der Demokratie unterstreichenden<br />
französischen Verfassung von<br />
1791 wurden in Artikel 1 diese Rechte definiert<br />
als „Freiheit“, „Eigentum“, „Sicherheit“<br />
und „Widerstand gegen unterdrückende<br />
Maßnahmen“.<br />
In Deutschland entwickelten sich während<br />
der Phase des Konstitutionalismus‘ der<br />
Neuzeit die Grundrechte erst langsam. Verantwortlich<br />
dafür war das frühe deutsche<br />
Naturrecht der Neuzeit. Samuel von Pufendorf<br />
(1632–1694) hatte erstmals die Idee einer<br />
natürlichen Freiheit des Menschen im<br />
deutschen Naturrecht behandelt. Ausgangspunkt<br />
Pufendorfs war der Mensch im<br />
130 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />
sogenannten Naturzustand, frei von gesellschaftlichen<br />
Bindungen, dem Pufendorf<br />
eine unveräußerliche Würde zuerkannte,<br />
die sich allein aus der Natur des Menschen<br />
ergeben sollte, da dieser die Gabe der Vernunft<br />
und des freien Willens besaß und sich<br />
– anders als die anderen Lebewesen – ein<br />
Urteil über „gut“ und „böse“ bilden<br />
konnte. Jeder sollte aber den anderen in<br />
gleicher Weise ansehen und behandeln. Im<br />
sogenannten „status naturalis“ bestand<br />
zwar eine natürliche Freiheit, dennoch war<br />
der Mensch in diesem Zustand hilflos, daher<br />
war der Staat als ordnende Institution<br />
erforderlich. Darauf aufbauend entwickelte<br />
Christian Thomasius (1655–1728) ein<br />
Staatsverständnis zur Stärkung der Souveränität<br />
des Landesfürsten. Dieser sollte die<br />
Glückseligkeit des einzelnen regeln, die individuellen<br />
und die gesellschaftlichen Interessen<br />
sollten dabei berücksichtigt, aber<br />
ausgeglichen werden. Das Naturrecht<br />
wurde bei ihm zur Frage der inneren Vernunft,<br />
das positive Recht war bindend und<br />
das natürliche Recht galt als Gewissensverpflichtung.<br />
Somit schwächte Thomasius<br />
auch wieder die Bindungskraft des Naturrechts.<br />
Christian Wolff (1679–1754), frühester<br />
Verfechter des modernen freiheitlichen<br />
Rechtsstaats, dennoch Kritiker einer modernen<br />
Demokratie unter Mitwirkung des<br />
aus seiner Sicht noch zu unreifen Volkes, ermöglichte<br />
dennoch erstmals eine ausführliche<br />
und nahtlos ineinandergreifende systematische<br />
Darstellung von Freiheitsrechten,<br />
wodurch er auch auf die nordamerikanischen<br />
Menschenrechtserklärungen einwirkte.<br />
Das deutsche Naturrecht war zwar<br />
nicht revolutionär, aber staatswandelnd.<br />
Anschließend waren Verbindungen zu Kant<br />
erklärbar.<br />
Nach der Auflösung des Heiligen Römischen<br />
Reiches Deutscher Nation im Jahr<br />
1806, in dem vor allem zwei Großmächte,<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Der damalige 3. Nationalratspräsident Martin Graf bei seiner Begrüßungsan -<br />
sprache.<br />
Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/<br />
Mike Ranz<br />
nämlich Habsburg<br />
und Preußen, miteinander<br />
rivalisiert<br />
hatten, kam es zur<br />
weit verbreiteten<br />
Fürstenwillkür in<br />
den einzelnen<br />
Kleinstaaten, vergleichbar<br />
mit einem<br />
Flickenteppich, den<br />
seit 1815 bis 1866<br />
in Frankfurt am<br />
Main die Bundesversammlung<br />
des<br />
Deutschen Bundes<br />
zusammenhielt. Der<br />
Deutsche Bund war<br />
kein Parlament im<br />
modernen Sinn,<br />
sondern ein Gesandtengremium<br />
von 39 souveränen<br />
Bundesstaaten, zu<br />
denen auch die vier<br />
Freien Städte<br />
gehörten. In einigen<br />
dieser Einzelstaaten<br />
fanden damals<br />
schon die ersten<br />
Diskussionen<br />
um eine Modernisierung<br />
der Verfassung<br />
unter besonderer<br />
Berücksichtigung<br />
von Grundrechten<br />
statt, so im<br />
damaligen Herzogtum<br />
Nassau (heute<br />
zum Bundesland<br />
Hessen gehörend). Freiherr vom Stein<br />
(1757–1831) als einer der ersten Wortführer<br />
hatte damals großen Anteil am Zustandekommen<br />
dieser Verfassung, und er wurde<br />
unterstützt von jungen Leuten, die sich entweder<br />
zu den damaligen „Deutschen Gesellschaften“,<br />
zum Hoffmann’schen Bund<br />
sowie zu den ersten Burschenschaften beziehungsweise<br />
zu den „Gießener<br />
Schwarzen“ bekannten. Deren Hauptvertreter,<br />
die Brüder August Adolf und Karl<br />
Follen, nahmen weitestgehend Einfluß auf<br />
die Verfassungsentwicklung, vor allem in<br />
Nassau und in Hessen-Darmstadt. Sie fühlten<br />
sich wie die Anhänger der am 12. Juni<br />
1815 in Jena gegründeten Deutschen Burschenschaft<br />
ganz dem freiheitlichen Geist<br />
verpflichtet. Die Burschenschafter waren<br />
beeinflußt durch die Spätfolgen der Französischen<br />
Revolution und die daraus resultierende<br />
Rechts- und Verfassungsentwicklung,<br />
forderten die nationale Einheit<br />
Deutschlands, die Beseitigung von Partikularismus<br />
und Selbstherrlichkeit der Souveräne,<br />
die Partizipation des Volkes und die<br />
sogenannte „Preßfreiheit“. Das waren alles<br />
Optionen, die später, in den Jahren<br />
1848/49, in den Mittelpunkt rückten.<br />
Die Dinghofer-Medaille.<br />
Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/Mike Ranz<br />
1817 jährte sich zum 300. Mal das Reformationsfest,<br />
was die Jenaischen Studenten<br />
dazu veranlaßte, die Wartburg zum Schauplatz<br />
des ersten deutschen Nationalfestes<br />
zu wählen. Der eigentliche Grund war jedoch<br />
der vierte Jahrestag der Leipziger<br />
Völkerschlacht, daher die Festlegung auf<br />
Heft 4 - <strong>2014</strong> 131
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
den 18./19. Oktober 1817. Das Wartburgfest<br />
sollte ursprünglich keine politische Veranstaltung<br />
sein, sondern dem gegenseitigen<br />
freundschaftlichen Austausch und dem<br />
geselligen Beisammensein „vaterländischer“<br />
Hochschulen dienen. Ein Volksfest,<br />
vergleichbar mit dem Hambacher Fest mit<br />
etwa 20.000-30.000 Besuchern, war es<br />
auch nicht, denn es nahmen insgesamt<br />
etwa nur 500 Studenten (von damals insgesamt<br />
8.500 an deutschen Hochschulen immatrikulierten)<br />
teil, die von allen Hochschulen<br />
Deutschlands angereist waren. Das Einladungsschreiben<br />
hatte gewisse Einschränkungen<br />
verlauten lassen, denn es richtete<br />
sich an die protestantischen deutschen<br />
Hochschulen. Die katholischen Universitäten<br />
sowie Wien und Graz waren nicht eingeladen.<br />
Zu den Hauptakteuren und wichtigsten<br />
Festrednern gehörten Heinrich Hermann<br />
Riemann (1793–1872), vormals Teilnehmer<br />
an den Befreiungskriegen und Ritter<br />
des Eisernen Kreuzes, der Philosophie-<br />
Burkhard Mötz für den Preisträger ,Deutsche Burschenschaft’ am Rednerpult.<br />
Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/<br />
Mike Ranz<br />
und Theologie student Ludwig Rödiger sowie<br />
Wilhelm Carové (1789– 1852), der später<br />
auch im Vorparlament von 1848 saß und<br />
somit weitreichenden Einfluß hatte, da er<br />
seine Erfahrungen vom Wartburgfest in die<br />
Paulskirchenversammlung mitnahm.<br />
Während des Festes wurde allmählich<br />
deutlich, daß hier doch politisch etwas bewegt<br />
werden sollte. Das kam schon in Reden<br />
zum Thema „Vaterland“ zum Ausdruck,<br />
mehr aber noch während einer spektakulären<br />
Bücherverbrennung von etwa 25-<br />
30 Werken (Makulaturbänden) mit angeblich<br />
„undeutschem“ Inhalt, darunter jener,<br />
in denen das Ancien régime sowie der Wiener<br />
Kongreß verherrlicht wurden. Den<br />
Flammen zum Opfer fiel auch der Code Napoléon<br />
als Symbol französischer Vorherrschaft.<br />
Der Wunsch nach Einheit und Freiheit<br />
Deutschlands stand im Mittelpunkt. Bedeutsam<br />
waren aber auch die Resultate<br />
dieses Festes: die Gründung der „Allgemeinen<br />
Deutschen Burschenschaft“ am 19.<br />
Oktober 1818 in Jena sowie die<br />
„Grundsätze und Beschlüsse des achtzehnten<br />
Octobers, gemeinsam beraten, reiflich<br />
erwogen, einmütig bekannt und den studierenden<br />
Brüdern auf anderen Hochschulen<br />
zur Annahme, dem gesamten Vaterlande<br />
aber zur Würdigung vorgelegt von<br />
den Studierenden<br />
zu Jena“. Als Heinrich<br />
Hermann Riemann,<br />
einer der<br />
Festredner vom Oktober<br />
1817, gemeinsam<br />
mit Karl<br />
Müller auf Anregung<br />
des Jenaer<br />
Historikers Luden<br />
diese „Grundsätze<br />
und Beschlüsse“<br />
1817 als politische<br />
Programmatik dieses<br />
Wartburgfestes<br />
verfaßte, die sowohl<br />
vom Anführer<br />
der radikalen<br />
„ G i e ß e n e r<br />
Schwarzen“, Karl<br />
Follen, als auch von<br />
Heinrich von Gagern,<br />
dem späteren<br />
Paulskirchenpräsidenten,<br />
mitdiskutiert<br />
und weiterentwickelt<br />
wurden, begann<br />
ein Meilenstein<br />
innerhalb der<br />
Geschichte der<br />
Grundrechte. Die<br />
„Grundsätze und<br />
Beschlüsse“ von<br />
1817 wurden offiziell<br />
nie verabschiedet,<br />
galten aber damals<br />
schon mehr als<br />
ein bloß studentisches Programm. Es war<br />
das erste geschlossene Programm des<br />
deutschen Liberalismus und ein wichtiger<br />
Anstoß zum deutschen Verfassungsstaat.<br />
Wesentliche Bestandteile sind nämlich neben<br />
den Forderungen nach deutscher Einheit<br />
die Thematisierung von Menschenund<br />
Bürgerrechten, von sozialen und gewerblichen<br />
Anliegen, wie zum Beispiel die<br />
Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />
Bauernbefreiung und die Forderungen<br />
nach wirtschaftlicher Freizügigkeit und Gewerbefreiheit.<br />
„Wir wollen uns der untersten<br />
Klassen der Gesellschaft umso lebendiger<br />
annehmen, je tiefer sie im Elend<br />
sind“. Dieser Aufruf aus den „Grundsätzen<br />
und Beschlüssen“ verdeutlicht die soziale<br />
Seite des Programms. Es waren Impulse,<br />
die auch die Frankfurter Reichsverfassung<br />
von 1848/49 später entscheidend prägten,<br />
worauf noch einzugehen ist. Schon hier ist<br />
ein Votum für bürgerliche Freiheit, Vorurteilslosigkeit<br />
und Anerkennung der wahren<br />
Menschenwürde erkennbar. Das waren die<br />
zentralen Leitgedanken dieses Festes.<br />
Deutlich geht aus den „Grundsätzen und<br />
Beschlüssen“ aber auch die klare Absage<br />
an Wien und Metternichs Politik hervor.<br />
Statt dessen wurden Forderungen nach politischer<br />
und wirtschaftlicher Einheit<br />
Deutschlands laut. So heißt es im „Grundsatz“<br />
Nr. 1 (K. I), der wie eine Präambel zu<br />
verstehen ist: „Ein Deutschland ist, und ein<br />
Deutschland soll sein und bleiben. Je mehr<br />
die Deutschen durch verschiedene Staaten<br />
getrennt sind, desto heiliger ist die Pflicht<br />
für jeden frommen und edlen deutschen<br />
Mann und Jüngling, dahin zu streben, daß<br />
die Einheit nicht verloren gehe und das Vaterland<br />
nicht verschwinde.“ Die nicht verabschiedeten,<br />
aber als Druck überlieferten<br />
„Grundsätze und Beschlüsse“ enthielten in<br />
ihren Formulierungen bereits Bestandteile,<br />
die in weitere deutsche Verfassungen Eingang<br />
fanden und dort fortentwickelt wurden.<br />
Sie bildeten eine Ausgangsbasis für<br />
die Frankfurter Reichsverfassung von 1849,<br />
die Weimarer Verfassung von 1919 und das<br />
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland<br />
von 1949. So wird in den „Grundsätzen<br />
und Beschlüssen“ schon die Glaubensund<br />
Religionsfreiheit angesprochen<br />
(„Grundsatz“ Nr. 6), die Gleichheit vor dem<br />
Gesetz und die Freiheit in den Grundsätzen<br />
Nr. 7 und in Nr. 19, die Freizügigkeit in Nr.<br />
11, das Eigentumsrecht in Nr. 20, das Freiheitsrecht<br />
im Sinne des heutigen Artikels 2<br />
GG in den „Grundsätzen“ Nr. 28 und 29,<br />
die Meinungs- und Pressefreiheit im<br />
„Grundsatz“ Nr. 31. Aber auch allgemeine<br />
rechtliche und politische Forderungen lagen<br />
dem Wartburgprogramm zugrunde.<br />
Neben dem bereits zitierten Grundsatz Nr.<br />
1, woraus deutlich die Vorstellung von der<br />
Zukunft Deutschlands hervorgeht, werden<br />
im „Grundsatz“ 32 (K 14) die Öffentlichkeit<br />
der Rechtspflege und der Schwurgerichtsbarkeit<br />
sowie die Schaffung eines einheitlichen<br />
Gesetzbuchs und die Abschaffung der<br />
Patrimonialgerichtsbarkeit gefordert. Weiterhin<br />
behandeln diese „Grundsätze und<br />
Beschlüsse“ des Wartburgfestes den Ausbau<br />
der deutschen Wehrkraft unter Förderung<br />
des Landwehrgedankens (Nr. 10), die<br />
Absage an die Ableistung des Kriegsdienstes<br />
bei einem bewaffneten Konflikt zwischen<br />
deutschen Staaten (Nr. 9) sowie die<br />
Ablehnung jedes Amtes in der Geheimpolizei,<br />
in gesetzeswidrigen, außerordentlichen<br />
132 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />
Kommissionen oder bei der Bücherzensur<br />
(Nr. 34). Als Staatsform wurde eine konstitutionelle<br />
Monarchie mit einer landständischen<br />
Verfassung und Ministerverantwortlichkeit<br />
bei Abschaffung aller Privilegien<br />
vorgeschlagen. Die Absage an den damaligen<br />
Partikularismus in Deutschland wurde<br />
um so deutlicher, als im Grundsatz 5 die<br />
Lehre von der Spaltung Deutschlands in<br />
Nord- und Süddeutschland als „irrig“,<br />
„falsch“ und „verrucht“ bezeichnet wurde.<br />
Diese Impulse kamen in gebündelter Form<br />
aus der frühen Burschenschaftsbewegung,<br />
die durch ihre oppositionelle Haltung gegenüber<br />
der napoleonischen Fremdherrschaft<br />
und durch die siegreich verlaufenden<br />
Befreiungskriege ein Selbstwertgefühl entwickelt<br />
hatte, das ihr die Fähigkeit verlieh,<br />
allmählich politisches Bewußtsein und das<br />
Vaterland als Wertbegriff auch in die bürgerliche<br />
Gesellschaft einfließen zu lassen.<br />
Dabei wurden die jungen Akademiker unterstützt<br />
von namhaften Professoren aus<br />
Jena und geistigen Wegbereitern, wie u. a.<br />
Ernst Moritz Arndt (1769–1860), Johann<br />
Gottlieb Fichte (1762–1814), Friedrich Ludwig<br />
Jahn (1778–1852), Heinrich Luden<br />
(1778–1847), Lorenz Oken (1779–1851), Jakob<br />
Friedrich Fries (1773–1843), Dietrich<br />
Georg Kieser (1779–1862) sowie von Karl<br />
Follen, dem Dozenten aus Gießen, der<br />
auch der Anführer der besonders radikalen<br />
Gießener Schwarzen war. Einige der Genannten<br />
waren später in der Nationalversammlung<br />
in der Frankfurter Paulskirche<br />
vertreten, brachten dort ihre Ideen ein und<br />
entwickelten sie weiter.<br />
Auch wenn das Wartburgfest einen nachhaltigen<br />
Eindruck hinterlassen hatte, besaßen<br />
die „Grundsätze und Beschlüsse“<br />
trotz überzeugender Formulierung<br />
zunächst keine Breitenwirkung und wurden<br />
durch die Karlsbader Beschlüsse von 1819<br />
im Keim erstickt. Die große Resonanz beim<br />
Hambacher Fest 1832 mit insgesamt zwischen<br />
20.000 und 30.000 Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmern (ein Vielfaches der Wartburgfestbesucher<br />
also), begleitet von der<br />
Erhebung der Farben Schwarz-Rot-Gold zu<br />
den deutschen Nationalfarben, waren jedoch<br />
Lichtblicke für die Zukunft. Einige der<br />
Wartburgfestteilnehmer waren auch zum<br />
Hambacher Schloß gekommen, vor allem<br />
aber viele Vertreter der Liberalen der späteren<br />
Paulskirchenversammlung, unter ihnen<br />
Johann Adam von Itzstein, Karl von<br />
Rotteck und Karl Theodor Welcker, die<br />
schon Ende 1831 ein neues badisches Pressegesetz<br />
konzipiert hatten, das im Widerspruch<br />
zu den Karlsbader Beschlüssen<br />
stand. Welcker stellte mit einer 150-seitigen<br />
Petition an die Bundesversammlung in<br />
Frankfurt die Pressefreiheit als Naturrecht<br />
dar und meinte dazu: „Das beste Preßgesetz<br />
ist gar keines“.<br />
Am Frankfurter Wachensturm vom 3. April<br />
1833, einer sogenannten „Revolution vor<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
der Revolution“, waren Burschenschafter<br />
aus Frankfurt und Heidelberg sowie der<br />
näheren Umgebung beteiligt, aber auch<br />
spätere Paulskirchenabgeordnete wie Itzstein<br />
und der Marburger Professor und<br />
„Vater“ der Kurhessischen Verfassung Sylvester<br />
Jordan sowie vom Vorstand des<br />
Preß- und Vaterlandsvereins der Frankfurter<br />
Rechtsanwalt Gustav Peter Körner. Somit<br />
bestehen auch Querverbindungen von der<br />
Burschenschaft zur Paulskirchenversammlung.<br />
Der Wachensturm war unter anderem<br />
– politisch gesehen – ein Plädoyer für freie<br />
Presse und freie Rede und letztendlich gegen<br />
den in Frankfurt tagenden Bundestag<br />
(der Fürsten) gerichtet.<br />
In der Frankfurter Nationalversammlung<br />
saßen – von ihrem in der Heidelberger und<br />
Jenaischen Burschenschaft wurzelnden<br />
Präsidenten Heinrich von Gagern abgesehen<br />
– immerhin 169 Burschenschafter neben<br />
anderen Korporierten, darunter<br />
106–115 Alte Corpsstudenten, die zum<br />
Teil auch als Burschenschafter geführt wurden,<br />
unter den insgesamt etwa 585 Abgeordneten.<br />
Zu den Verdiensten dieser Nationalversammlung<br />
gehört die Verfassung<br />
des Deutschen Reiches vom 28. März 1849<br />
– nach Lothar Gall „die modernste Verfassung<br />
Europas, mit allgemeinem Wahlrecht,<br />
Judenemanzipation und Rechtsstaatlichkeit“<br />
unter Betonung der Grundrechte. Sie<br />
wurde mit knapper Mehrheit angenommen<br />
und bestand aus 197 Paragraphen. Zu den<br />
Von links: Preisträger Peter Wrabetz, 3. Nationalratspräsident Martin Graf und Preisträger die „Deutsche Burschenschaft“.<br />
Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/Mike Ranz<br />
Heft 4 - <strong>2014</strong> 133
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
dort enthaltenen Grundrechten wurde<br />
schon 1848 viel Vorarbeit geleistet. Das<br />
Vorparlament, dem auch Carové angehörte,<br />
hatte vor seinem Auseinandergehen<br />
am 4. April 1848 einen Fünfzigerausschuß<br />
gebildet, der in Abstimmung mit der<br />
Bundesversammlung die nun legalen<br />
Wahlen zur „Constituierenden Nationalversammlung“<br />
einleiten sollte. Noch am 4.<br />
April wurde ein Programm veröffentlicht,<br />
das auch einen Katalog „Grundrechte und<br />
Forderungen des deutschen Volkes“ enthielt,<br />
wobei sogar erstmals der Arbeitslosenschutz<br />
angesprochen wurde. Seit Beginn<br />
der Tagung der Nationalversammlung<br />
in der Paulskirche am 18.5.1848 lag<br />
ein Grundrechtskatalog vor. Dieser Grundrechtsteil<br />
wurde nach sechs Monaten, am<br />
20. Dezember 1848, als Teil der künftigen<br />
Reichsverfassung verabschiedet. Eine Verkündigung<br />
im Reichsgesetzblatt Nr. 8 vom<br />
28. Dezember 1848 sollte dafür eine Verbindlichkeit<br />
herstellen, was jedoch nicht in<br />
allen deutschen Ländern geschah (nicht in<br />
Preußen, Hannover und Bayern) und auch<br />
nicht in Österreich. Am 28. März 1849 wurden<br />
die Grundrechte von § 130 bis § 183<br />
(dazu sechs weitere Paragraphen) als Abschnitt<br />
VI. verbindlicher Bestandteil der<br />
Reichsverfassung. Die Grundrechte hatten<br />
in Frankfurt vorübergehend Gesetzeskraft<br />
und wurden am 23. August 1851 durch<br />
Bundesbeschluß aufgehoben. Die Aufbewahrung<br />
des Originals der Frankfurter<br />
Reichsverfassung ist übrigens dem damaligen<br />
Frankfurter Abgeordneten und<br />
Rechtsanwalt Dr. Friedrich Jucho, der zu<br />
den Führern der liberalen Bewegung in<br />
Frankfurt gehörte, zu verdanken. Jucho,<br />
seinerzeit auch aktiv in den Burschenschaften<br />
in Halle (1823), Jena (1824) und Gießen<br />
(1826), war Schriftführer und nahm nach<br />
der Auflösung des Paulskirchenparlaments<br />
die Urschrift der Reichsverfassung in Verwahrung.<br />
1854 wurde ihre Auslieferung<br />
verlangt, die Jucho aber verweigerte, weshalb<br />
er sich einem politischen Prozeß unterwerfen<br />
mußte. Das Original der Frankfurter<br />
Reichsverfassung rettete er nach<br />
England und schickte dieses im Jahr 1870<br />
an Eduard von Simson, den Präsidenten<br />
des Reichstages des Norddeutschen Bundes,<br />
der es später dem Archiv des Deutschen<br />
Reichstages übergab.<br />
In der Reichsverfassung von 1871 wurden<br />
die Grundrechte, bis auf das allgemeine<br />
und freie Wahlrecht, ausgeklammert, wenngleich<br />
ansonsten nach der Reichsgründung<br />
(mit erbkaiserlicher Spitze) zumindest eine<br />
Teilrealisierung der Vorstellungen von<br />
1848/49 erfolgte. Bismarck maß den Grundrechten<br />
des Volkes keine Bedeutung bei,<br />
was unter anderem auf seine Vorbehalte<br />
gegenüber der Revolution von 1848/49<br />
zurückzuführen ist. Eine weitgehend liberale<br />
Gesetzgebungspolitik sollte im Kaiserreich<br />
den rechtsstaatlichen Schutz der Bürger<br />
absichern, Grundrechte konnten nur<br />
auf dem ordentlichen Rechtsweg geltend<br />
gemacht und eingeklagt werden.<br />
Erst in der Weimarer Reichsverfassung von<br />
1919 tauchen die Grundrechte im Zweiten<br />
Hauptteil wieder auf. Die „Grundrechte<br />
und Grundpflichten der Deutschen“ (Art.<br />
109-181) sollten auch hier zunächst nicht<br />
aufgenommen werden, doch der Rat der<br />
Volksbeauftragten setzte diese durch. Die<br />
Weimarer Reichsverfassung stand auf unsicherem<br />
Boden. Grund dafür ist, daß der im<br />
späteren GG von 1949 eingeführte Passus<br />
des Artikel 79 „Änderungen des Grundgesetzes“,<br />
wo in Abs. II die Änderung der Zustimmung<br />
2/3 der Mitglieder des Bundestages<br />
und 2/3 der Stimmen des Bundesrates<br />
bedarf und wo nach Abs. III keine föderativen<br />
Interessen verletzt werden dürfen,<br />
damals fehlte. Somit war es während der<br />
NS-Zeit möglich geworden, die Weimarer<br />
Verfassung 1933 in sämtlichen verfassungsmäßigen<br />
Bestimmungen für ungültig zu erklären<br />
und die rechtsstaatlichen Grundlagen<br />
außer Kraft zu setzen. Die Grundrechte<br />
wichen somit der Hitler-Diktatur und der<br />
Menschenverachtung.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die<br />
Grundrechte zum wichtigsten Bestandteil<br />
unseres Grundgesetzes und daher ganz an<br />
den Anfang gestellt. In der Präambel des<br />
Grundgesetzes für die Bundesrepublik<br />
Deutschland vom 23. Mai 1949 wird auf die<br />
Verantwortung vor Gott und den Menschen<br />
verwiesen sowie auf die Wahrung der nationalen<br />
und staatlichen Einheit. Erstmals<br />
wurde die Würde des Menschen zum wichtigen<br />
Bestandteil der Verfassung erklärt. So<br />
lautet der Artikel 1 Abs. I des Grundgesetzes:<br />
„Die Würde des Menschen ist unantastbar.<br />
Sie zu achten und zu schützen ist<br />
Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Das<br />
Bekenntnis des deutschen Volkes zu unverletzlichen<br />
und unveräußerlichen Menschenrechten<br />
als Grundlage jeder menschlichen<br />
Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit<br />
in der Welt geht aus Abs. II hervor<br />
und trägt den grausamen Erfahrungen<br />
mit der NS-Diktatur Rechnung. An folgenden<br />
Beispielen wird die Kontinuität seit<br />
1848, teilweise aber auch seit den<br />
„Grundsätzen und Beschlüssen“ von 1817<br />
deutlich:<br />
1. Zur Freiheit der Person<br />
In den „Grundsätzen und Beschlüssen des<br />
achtzehnten Octobers“ heißt es im Grundsatz<br />
Nr. 28 (K 13): „Das erste und heiligste<br />
Menschenrecht, unverlierbar und unveräußerlich,<br />
ist die persönliche Freiheit. Die<br />
Leibeigenschaft ist das Ungerechteste und<br />
Verabscheuungswürdigste, ein Greuel vor<br />
Gott und jedem guten Menschen…“<br />
Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />
In der Frankfurter Reichsverfassung von<br />
1849 heißt es in § 138 I/II: „Die Freiheit der<br />
Person ist unverletzlich. Die Verhaftung einer<br />
Person soll, außer im Falle der Ergreifung<br />
auf frischer That, nur geschehen in<br />
Kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen<br />
Befehls. Dieser Befehl muß im Augenblicke<br />
der Verhaftung oder innerhalb<br />
der nächsten vierundzwanzig Stunden dem<br />
Verhafteten zugestellt werden…“<br />
In der Weimarer Reichsverfassung (WRV)<br />
von 1919 steht dazu im Art. 114: „Die Freiheit<br />
der Person ist unverletzlich. Eine Beeinträchtigung<br />
oder Entziehung der persönlichen<br />
Freiheit durch die öffentliche Gewalt<br />
ist nur auf Grund von Gesetzen zulässig.<br />
Personen, denen die Freiheit entzogen<br />
wird, sind spätestens am darauffolgenden<br />
Tage in Kenntnis zu setzen, von welcher<br />
Behörde und aus welchen Gründen die Entziehung<br />
der Freiheit angeordnet worden<br />
ist; unverzüglich soll ihnen Gelegenheit gegeben<br />
werden, Einwendungen gegen ihre<br />
Freiheitsentziehung vorzubringen.“<br />
Im Grundgesetz (GG) der BRD heißt es in<br />
Art. 2 II: „Jeder hat das Recht auf Leben<br />
und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit<br />
der Person ist unverletzlich. In diese<br />
Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes<br />
eingegriffen werden.“<br />
2. Zum Gleichheitssatz<br />
In den „Grundsätzen“ von 1817 lautet Nr.<br />
7: „Alle Deutschen sind Brüder und sollen<br />
Freunde sein.“ Und im Grundsatz Nr. 19 (K.<br />
10) steht: „Freiheit und Gleichheit ist das<br />
Höchste, wonach wir zu streben haben, und<br />
wonach zu streben kein frommer und ehrlicher<br />
deutscher Mann jemals aufhören kann.<br />
Aber es gibt keine Freiheit als in dem Gesetz<br />
und durch das Gesetz, und keine<br />
Gleichheit als mit dem Gesetz und vor dem<br />
Gesetz.“<br />
FRV, § 137 III lautet: „Die Deutschen sind<br />
vor dem Gesetz gleich.“<br />
WRV, Art. 109 I: „Alle Deutschen sind vor<br />
dem Gesetz gleich.“<br />
GG, Art. 3: „Alle Menschen sind vor dem<br />
Gesetz gleich.“<br />
3. Zur Glaubens- und<br />
Gewissens freiheit<br />
„Grundsätze“ Nr. 6: „Die Lehre von der<br />
Spaltung Deutschlands in das katholische<br />
und das protestantische Deutschland ist irrig,<br />
falsch und unglückselig… Wir Deutsche<br />
haben alle einen Gott, an den wir glauben,<br />
einen Erlöser, den wir verehren, ein Vaterland,<br />
dem wir angehören. – Wenn wir im<br />
Sinne dieser Einheit fromm leben und ehrlich<br />
handeln, so hat keiner von uns den anderen<br />
zur Rechenschaft zu ziehen, und alle<br />
können alles dem Allerbarmer vertrauensvoll<br />
anheimgeben.“<br />
FRV, § 144: „Jeder Deutsche hat volle<br />
Glaubens- und Gewissensfreiheit. Niemand<br />
ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung<br />
zu offenbaren.“<br />
134 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />
WRV, Art. 135: „Alle Bewohner des Reichs<br />
genießen volle Glaubens- und Gewissensfreiheit.<br />
Die ungestörte Religionsausübung<br />
wird durch die Verfassung gewährleistet<br />
und steht unter staatlichem Schutz.“ In Art.<br />
136, Abs. III heißt es dann weiter: „Niemand<br />
ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung<br />
zu offenbaren.“<br />
GG, Art. 4: „Die Freiheit des Glaubens, des<br />
Gewissens und die Freiheit des religiösen<br />
und weltanschaulichen Bekenntnisses sind<br />
unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung<br />
wird gewährleistet.<br />
4. Zur Meinungs- und Presse -<br />
freiheit<br />
In den „Grundsätzen“ Nr. 31 sieht man gerade<br />
am Anfang eine starke Ähnlichkeit zu<br />
späteren Formulierungen, wenn da steht:<br />
„Das Recht, in freier Rede und Schrift seine<br />
Meinung über öffentliche Angelegenheiten<br />
zu äußern, ist ein unveräußerliches Recht<br />
jedes Staatsbürgers, das ihm unter allen<br />
Umständen zustehen muß. Wo Rede und<br />
Schrift nicht frei sind, da ist überhaupt keine<br />
Freiheit, da herrscht nicht das Gesetz, sondern<br />
die Willkür. Wer das Recht des freien<br />
Gedankenverkehrs durch Rede und Schrift<br />
den Bürgern zu entziehen, zu verkümmern<br />
und wegzukünsteln sucht, der begeht Frevel<br />
an seinem Volk.“<br />
FRV, § 143: „Jeder Deutsche hat das Recht,<br />
durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung<br />
seine Meinung frei zu äußern. Die<br />
Pressefreiheit darf unter keinen Umständen<br />
und in keiner Weise durch vorbeugende<br />
Maßregeln, namentlich Zensur, Konzessionen,<br />
Sicherheitsbestellungen, Staatsauflagen,<br />
Beschränkungen der Druckereien oder<br />
des Buchhandels, Postverbote oder andere<br />
Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt,<br />
suspendiert oder aufgehoben werden.“<br />
WRV, Art. 118: „Jeder Deutsche hat das<br />
Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen<br />
Gesetze seine Meinung durch<br />
Wort, Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger<br />
Weise frei zu äußern. An diesem Rechte<br />
darf ihn kein Arbeits- oder Anstellungsverhältnis<br />
hindern, und niemand darf ihn benachteiligen,<br />
wenn er von diesem Rechte<br />
Gebrauch macht. Eine Zensur findet nicht<br />
statt.“ Interessant ist hierbei, daß – im Gegensatz<br />
zur FRV – hier in Abs. II ein einschränkender<br />
Passus eingefügt ist: „Auch<br />
sind zur Bekämpfung der Schund- und<br />
Schmutzliteratur sowie zum Schutz der Jugend<br />
bei öffentlichen Schaustellungen und<br />
Darbietungen gesetzliche Maßnahmen<br />
zulässig.“ Diese einschränkenden Bestimmungen<br />
sind auch wieder im GG der Bundesrepublik<br />
zu finden:<br />
GG, Art. 5: „Jeder hat das Recht, seine<br />
Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu<br />
äußern und zu verbreiten und sich aus<br />
allgemein zugänglichen Quellen unge -<br />
hindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit<br />
und die Freiheit der Berichterstattung<br />
durch Rundfunk und Film werden gewährleistet.<br />
Eine Zensur findet nicht statt. Diese<br />
Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften<br />
der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen<br />
Bestimmungen zum Schutz der<br />
Jugend und in dem Recht der persönlichen<br />
Ehre.<br />
5. Zum Eigentum<br />
„Grundsätze“ Nr. 20: „Alle Gesetze haben<br />
die Freiheit der Person und die Sicherheit<br />
des Eigentums zum Gegenstande…“<br />
FRV, § 164: „Das Eigenthum ist unverletzlich…“<br />
WRV, Art. 153: „Das Eigentum wird von der<br />
Verfassung gewährleistet.“<br />
GG, Art. 14: „Das Eigentum und das Erbrecht<br />
werden gewährleistet.“<br />
Dieser Vergleich macht deutlich, daß unser<br />
seit 64 Jahren bewährtes Grundgesetz in<br />
wesentlichen Bestandteilen, vor allem wie<br />
hier in den Grundrechten, auf Elemente –<br />
fast wortgetreu – sowohl der Paulskirchenals<br />
auch der Weimarer Reichsverfassung, in<br />
einer Reihe von Ansätzen aber auch auf die<br />
„Grundsätze und Beschlüsse“ des burschenschaftlichen<br />
Wartburgfestes von 1817<br />
zurückzuführen ist. Gerade hieran ist bei aller<br />
Verschiedenheit der Verfassungsentwicklung<br />
in- und außerhalb Europas eine<br />
direkte Kontinuität zu erkennen.<br />
Die Grundrechte spielten in der ehemaligen<br />
„DDR“ eine besondere Rolle. In der<br />
„DDR“-Verfassung von 1949 war unter dem<br />
Kapitel „Bürgerrechte“ eine Vielzahl von<br />
Rechten genannt, die in ihren Formulierungen<br />
teilweise sehr große Ähnlichkeit mit<br />
den Grundrechten des Grundgesetzes der<br />
Bundesrepublik hatten, jedoch besaßen<br />
die Grundrechte dort bei weitem nicht dieselbe<br />
Bedeutung wie in Westdeutschland.<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
„Die DDR“-Verfassung gab keine Mechanismen<br />
vor, die eine Durchsetzung der Bürgerrechte<br />
als Freiheitsrechte gegenüber<br />
dem Staat garantierten. Der Grund dafür<br />
war, daß der Ausgangspunkt der „DDR“-<br />
Verfassung das sogenannte Prinzip der Gewalteneinheit<br />
war, eine Gewaltenteilung<br />
wurde damals als „bürgerlich“ abgelehnt.<br />
Eine von der Regierung unabhängige<br />
„dritte“ Gewalt war nicht vorgesehen, vielmehr<br />
diente die Rechtspflege durch die<br />
Gerichte der Lösung der Aufgaben der „sozialistischen<br />
Staatsmacht“ bei der Gestaltung<br />
der vom Sozialismus geprägten Gesellschaft.<br />
(Zum Vergleich: In der Verfassung<br />
von 1871 war zur Durchsetzung der<br />
bürgerlichen Rechte auch nur der Rechtsweg<br />
vorgesehen). Somit waren eine unabhängige<br />
Verfassungsgerichtsbarkeit sowie<br />
eine Verwaltungsgerichtsbarkeit von der<br />
DDR-Verfassung bewußt nicht vorgesehen,<br />
und bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit<br />
von Rechtsvorschriften entschied die<br />
Volkskammer. Es herrschten im Gegensatz<br />
zur Bundesrepublik ganz andere Vorstellungen<br />
zum Verhältnis von Mensch und Staat<br />
in der ehemaligen „DDR“, was sich auch in<br />
der dortigen Verfassung niederschlug. Den<br />
Grundrechten kam zwar darin auch ein Vorrang<br />
zu, wobei jedoch mit den Grundrechten<br />
immer auch zugleich die Grundpflichten<br />
der Bürgerinnen und Bürger genannt<br />
wurden, was im GG der Bundesrepublik<br />
(mit Ausnahme der elterlichen Pflichten und<br />
dem Eigentum) so nicht vorgegeben ist. Im<br />
GG steht die Würde des Menschen am Anfang,<br />
der Staat ist demnach um des Menschen<br />
willen da, nicht umgekehrt. Demgegenüber<br />
wurde in der „DDR“ die Bedeutung<br />
der Grundrechte und –pflichten immer<br />
in Verbindung mit der Aufgabe der<br />
Bürger(-innen), i.e.S. mit dem Aufbau der<br />
sozialistischen und kommunistischen Gesellschaft<br />
gebracht. Nicht die Verwirklichung<br />
des Individuums war das große Ziel,<br />
sondern die Verwirklichung des Kommunismus.<br />
Somit kann man auch hier von einer<br />
Instrumentalisierung der Grundrechte ausgehen.<br />
Unsere Autorin Dr. Helma Brunck ist freiberufliche Historikerin.<br />
Im Jahr 1996 promovierte sie an der Johannes-Gutenberg-Universität<br />
Mainz mit dem Thema „Die Entwicklung der Deutschen<br />
Burschenschaft in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus.<br />
– Eine Analyse – “. In erweiterter Form erschien ihre Dissertation<br />
1999 mit dem Titel „Die Deutsche Burschenschaft in der<br />
Weimarer Republik und im Nationalsozialismus“. In Zusammenarbeit<br />
mit der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung<br />
in Wiesbaden liegen zahlreiche Veröffentlichungen vor. Der vorliegende<br />
Aufsatz ist die Wiedergabe ihres Vortrags auf einem<br />
Symposium des Dinghofer-Instituts am 18. Oktober 2013 in Wien<br />
zum Thema „Die Verfassung im Wandel der Zeit“. Bereits im Jahr<br />
1999 erschien zum Thema in den BBl ihr Aufsatz „Von der Wartburgfeier<br />
über die Paulskirche zum Grundgesetz – Ein Rechtsvergleich<br />
mit Beispielen“. Ein darauf basierendes Faltblatt wurde<br />
am 17. Mai <strong>2014</strong> in einer Presseveröffentlichung der DB herausgegeben<br />
(Vergleiche: Deutsche Burschenschaft – Presse – Aktuelles).<br />
Heft 4 - <strong>2014</strong> 135
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Berliner Burschenschafter gedachten<br />
Mauerfall-Jubiläum<br />
Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />
Rund 150 Burschenschafter und befreundete<br />
Korporierte trafen sich am 1.<br />
November <strong>2014</strong>, um dem 25jährigen Jubiläum<br />
des Mauerfalls im Rahmen eines<br />
Kommerses zu gedenken. Die Veranstaltung<br />
fand im Logenhaus in der Petervon-Lenné-Straße<br />
in Berlin-Dahlem<br />
statt. Eingeladen hatte die Vereinigung<br />
Alter Burschenschafter Berlin. Es chargierten<br />
die Berliner Burschenschaften<br />
Gothia, Thuringia, Germania und der<br />
Märker sowie die Katholische Studentenverbindung<br />
Askania-Burgundia.<br />
Durch den Kommers führte Torsten<br />
Lüdtke (Märker Berlin, Germania Berlin),<br />
der auch an die Geschichte der Berliner<br />
Mauer erinnerte.<br />
Die erste Ansprache hielt Siegfried Gleißner<br />
(Arminia Marburg), ehemals Oberpfarrer<br />
beim Bundesgrenzschutz. Er erinnerte<br />
in seinem geistlichen Wort an das Spruchband,<br />
das einst bei den Feiern zum Sedantag<br />
das damals offene Brandenburger Tor<br />
zierte: „Welch eine Wendung durch<br />
Gottes Fügung!“ Gleißner wollte nun wissen:<br />
„Wirkte Gott auch bei der Wende<br />
mit?“ Damit warf er eine Frage auf, die der<br />
bedeutende katholische Theologe Eugen<br />
Biser (1918–1924) schon vor 25 Jahren<br />
glaubte beantworten zu können. „Ja“, so<br />
Biser; der 9. November 1989 sei ein „Werk<br />
Gottes“ und ein „Zeichen göttlichen Wirkens“.<br />
Für den Protestanten Gleißner ist,<br />
so wurde bei seinem Vortrag deutlich – die<br />
Sache nicht so eindeutig. Dass Gott direkt<br />
in die Geschichte eingreife, verneinte er.<br />
„Gott wirkt durch die Menschen“, sagte<br />
er. Dann erinnerte er, wie Christen den<br />
Freiraum der evangelischen Kirche für ihre<br />
Opposition gegen das „DDR“-Regime<br />
nutzten. Aus den Kirchen sei der Protest<br />
auf die Straße hinausgetragen worden und<br />
habe die Mauer zu Fall gebracht.<br />
Anschließend sprach Eberhard Diepgen<br />
(Saravia Berlin) in seiner Festrede über<br />
„1989 – Die Deutschen und ihren Umgang<br />
mit der Geschichte“. Der ehemalige Regierende<br />
Bürgermeister von Berlin wies<br />
darauf hin, dass es zwei Feiertage gebe,<br />
an denen der Ereignisse rund um die Wiedervereinigung<br />
gedacht werde: Der 3. Oktober<br />
und der 9. November. Diepgen zitierte<br />
Helmut Kohl, der ihm auf seine<br />
Frage: „Warum der 3. Oktober?“ die Antwort<br />
gegeben habe, daß da „das Wetter<br />
schöner“ sei. Diepgen überzeugte das<br />
nicht und so war seine Festrede ein flammendes<br />
Plädoyer für den 9. November als<br />
wahren Gedenktag. Er lobte die „Lichtgrenze“,<br />
eine Installation aus leuchtenden<br />
Luftballons entlang des Verlaufs der<br />
Mauer als „würdevolle“ und „gute Idee“<br />
des Berliner Senats zur Erinnerung an die<br />
Ereignisse vor einem Vierteljahrhundert.<br />
Die Feiern am 3. Oktober seien hingegen<br />
ein föderalistischer Wanderzirkus, der<br />
an bürokratischen Akt zum Anlaß habe.<br />
Er forderte die Deutschen und die<br />
Berliner dazu auf, sich nicht die Erinne -<br />
rungen an den glücklichsten Tag der jüngsten<br />
deutschen Geschichte nehmen zu<br />
lassen.<br />
Grußworte sprachen je ein Vertreter der<br />
Aachen-Dresdner Burschenschaft Cheruscia<br />
und der Burschenschaft Teutonia zu<br />
Jena.<br />
VAB zu Berlin e.V.<br />
136 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />
Gedenkveranstaltung zum Tag<br />
der Deutschen Einheit <strong>2014</strong><br />
Seit 1991 veranstaltete die Vereinigung alter Burschenschafter<br />
(VaB) Salzgitter ihre traditionelle Feierstunde mit<br />
festlicher Kneipe zum Tages der Deutschen Einheit.<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Der Kommers stieg im Großen Saal des<br />
Hotels „Burgberg“, welcher mit regionalen<br />
Flaggen und selbstredend dem<br />
schwarz-rot-goldenem Banner der Deutschen<br />
Burschenschaft mit dem Zirkel und<br />
dem Wahlspruch „Ehre – Freiheit – Vaterland“<br />
geschmückt war.<br />
Mehr als 70 Korporierte, meist Burschenschafter<br />
aus der Welfenregion, folgten der<br />
Einladung der VaB Salzgitter, die 1948 gegründet<br />
wurde und derzeit 30 Mitglieder<br />
hat. Wichtig ist, daß diese Veranstaltung<br />
immer wieder das gute Verhältnis zu Rat<br />
und Verwaltung der Stadt widerspiegelt.<br />
So waren auch der ehemalige Oberbürgermeister<br />
Rudolf Rückert (CDU) und der<br />
Kulturausschußvorsitzende Klaus Poetsch<br />
(CDU) anwesend; letzterer betonte in seinem<br />
Grußwort die bedeutende Rolle, die<br />
die Burschenschaft in der politischen Gesellschaft<br />
der Stadt Salzgitter spielt. Hermann<br />
Struck, ehemaliger SPD-Bürgermeister,<br />
ließ in einem schriftlichen Grußwort<br />
zum Thema „Tag der Deutschen Einheit“<br />
Erstaunliches verlauten: „Für mich als<br />
Pommer ist die Deutsche Einheit erst dann<br />
vollbracht, wenn die Millionen Deutschen,<br />
die aus dem Osten unseres Vaterlandes<br />
gewaltsam vertrieben worden sind, in völkerrechtlich<br />
verbriefter freien Selbstbestimmung<br />
über ihr zukünftiges Schicksal<br />
und das ihrer Heimat entscheiden können.“<br />
Die Festcorona vom 2. Oktober <strong>2014</strong><br />
Der diesjährige Festredner, Rechtsanwalt<br />
Gernot Preuß, seit 1956 beim Corps Teutonia<br />
Marburg aktiv, berichtet über seine<br />
Konflikte mit der „DDR“-Gerichtsbarkeit<br />
und der Stasi in den Jahren nach dem Mauerbau<br />
1962 bis 1964. Unter dem Titel „800<br />
Seiten meines Lebens“ – so umfangreich<br />
waren seine Stasiakten – dokumentiere<br />
Preuß Verfolgung und Verurteilung. In seinem<br />
packendem Zeitzeugenvortrag legte<br />
er seine Motivation zur Fluchthilfeaktion dar<br />
und berichtete über den anschließenden<br />
Prozeß gegen ihn und seine Haftzeit.<br />
Lange zögerte Preuß, nach der Wende Einsicht<br />
in seine Stasi-Akte zu nehmen. Das Ergebnis<br />
ist eine lupenreine Dokumentation<br />
des Lebensabschnittes eines Menschen,<br />
der indirekt ein „Opfer von Mauer und Stacheldraht“<br />
ist: Den Mauer-Bau empfand<br />
der damalige Gerichtsreferendar aus Niedersachsen<br />
als großes Unrecht. In Berlin<br />
wollte er daher anderen bei der Flucht in<br />
den Westen helfen. Der für den 8. April<br />
1962 geplante „Grenzdurchbruch“, so das<br />
Stasi-Vokabular, wurde jedoch verraten. Er<br />
als Bürger der Bundesrepublik wurde in der<br />
„DDR“ verhaftet. Es folgte Vernehmung,<br />
Anklage und Prozeß, wie es die „DDR“ damals<br />
für rechtens hielt: Vernehmung von 20<br />
Uhr bis 6 Uhr – Schlafentzug – Schauprozeß<br />
über drei Tage, obwohl alle fünf Angeklagte<br />
geständig waren. Das Urteil: 2 Jahre<br />
und 3 Monate Haft.<br />
Die 1994 eingeweihte Gedenkstätte „Kanzel von<br />
Salzgitter“ erinnert mit Tafeln und Findlingen an die<br />
kommunistische Verfolgung von 1945 bis 1989 in<br />
der SBZ/DDR. Sie ist die einzige Gedenkstätte dieser<br />
Art im Westen Deutschlands und wurde bereits<br />
mehrfach geschändet.<br />
Die folgende Haft in verschiedenen Vollzugsanstalten<br />
brachte für Preuß Tätigkeiten<br />
im Gleisbau und in der Waschküche sowie<br />
teilweise auch die Gesellschaft von<br />
„Schwerverbrechern“ mit sich. Die Taktik<br />
der Stasi war zwiespältig, aber gleichermaßen<br />
teuflisch: Zuerst wurde versucht, die<br />
Gefangenen „umzudrehen“ und als Spion<br />
für das MfS zu gewinnen. Da der Kandidat<br />
Preuß gegen solche Angebote gefeit war,<br />
versuchte man ihm eine Agententätigkeit<br />
für westdeutsche Geheimdienste anzuhängen.<br />
Da auch dies scheiterte, so daß versucht<br />
wurde, ihn zu kompromittieren und<br />
diskriminieren.<br />
Sein Zuchthaus-Martyrium endete Herbst<br />
1964. Doch Preuß engagierte sich anschließend,<br />
zurück in der Bundesrepublik,<br />
weiter für die Menschen in der „DDR“: er<br />
organisierte Freikäufe, Familienzusammenführungen,<br />
Beratungen und Strafverteidigungen.<br />
So fiel das Urteil über sein<br />
Wirken bei den Gästen überwältigend aus:<br />
„Noch nie haben wir einen so ergreifenden<br />
Bericht eines Zeitzeugen über eine<br />
dunkle Zeit unserer Geschichte gehört.<br />
Und das aus dem Mund eines Korporationsstudenten!“<br />
Ein donnernder Salamander<br />
und der kräftige Kommersgesang des<br />
Liedes der Deutschen mit unserer Nationalhymne<br />
dankten dem sichtlich gerührten<br />
Redner.<br />
Klaus Gossow<br />
(Ghibellinia-Leipzig Hannover 1956,<br />
Plessavia Leipzig 1990)<br />
Heft 4 - <strong>2014</strong> 137
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />
„Alle Erinnerung ist Gegenwart“ (Novalis)<br />
Von Wolfgang Gäbler<br />
Ein Denkmal allein für die deutschen zivilen<br />
Opfer des Zweiten Weltkrieges<br />
wurde am 3. August <strong>2014</strong> in Thüringen<br />
eingeweiht. Der Besuch vor Ort lohnt<br />
sehr. Zudem besteht dort eine gute Möglichkeit<br />
für Veranstaltungen, auch für Burschenschaften.<br />
Die Entstehungsgeschichte<br />
des Denkmals ist zugleich ein<br />
Lehrstück über den Zustand unserer Demokratie.<br />
Die Erinnerung in Form von Denkmälern<br />
hat in Deutschland auch heute noch Konjunktur.<br />
Vor allem in unserer Hauptstadt<br />
war dazu in den letzten Jahren, trotz leerer<br />
Kassen, eine rege Bautätigkeit zu verzeichnen.<br />
Doch fällt auf, daß die Erinnerungskultur<br />
von einer ausgeprägten Einseitigkeit<br />
bestimmt ist. Handelt es sich nämlich um<br />
Erinnerungen die deutsche Inhalte betreffen,<br />
wird daraus schnell ein „Erinnerungskampf“<br />
(Norbert Frei). Schon Denkmäler zu<br />
so erfreulichen Anlässen wie für die friedliche<br />
Revolution verursachen manchen<br />
Bauchschmerzen und werden förmlich zerredet.<br />
Nahezu unerträglich wird es, wenn<br />
an Eigenes im Zusammenhang mit den<br />
Kriegen erinnert werden soll. Die „Erkenntnis“<br />
der Antifa – „Deutsche Täter sind keine<br />
Opfer“ – hat sich offensichtlich schon tief in<br />
die Köpfe eingegraben.<br />
Dieser Situation zum Trotz hat es eine<br />
kleine Gruppe von mutigen Bürgern unseres<br />
Landes geschafft, ein Denkmal für die<br />
Millionen zivilen deutschen Opfer des Zweiten<br />
Weltkrieges zu errichten. Es steht im<br />
thüringischen Guthmannshausen, einem<br />
Dorf nahe Weimar, auf einem privaten<br />
Gelände.<br />
Der Verein, der dies bewerkstelligt hat,<br />
nennt sich „Gedächtnisstätte e.V.“ und<br />
wurde im Jahre 1992 in Vlotho für diesen<br />
Zweck gegründet. Die Initiatoren empfanden<br />
es als unzumutbar, daß es noch keine<br />
würdige zentrale Gedenkstätte für unsere<br />
deutschen Opfer gab. Dieses sollte an die<br />
Landsleute und deren grausame Schicksale<br />
erinnern, die während und in den unmittelbar<br />
nach dem Kriege folgenden Jahren<br />
schweres Leid ertragen mußten und zu<br />
Tote kamen: durch den Bombenterror,<br />
durch Verschleppung, Vertreibung, in Gefangenenlagern<br />
oder auf andere Art und<br />
Weise.<br />
Erster Anlauf in Borna<br />
Bald nach der Gründung machte man sich<br />
ans Werk. Zunächst wurden Gelder von den<br />
Vereinsmitgliedern und von Spendern gesammelt.<br />
Staatliche Unterstützung mußten<br />
trotz intensiver anfänglicher Bemühungen<br />
Auf zwölf solchen Stehle wird an die verschiedenen<br />
Opfergruppen erinnert.<br />
Gäbler<br />
für dieses Projekt ausgeschlossen werden.<br />
Durch die großzügige Zuwendung eines<br />
Architektenehepaares war es damals möglich,<br />
ein geeignetes Objekt in der Stadt<br />
Borna südlich von Leipzig zu erwerben, das<br />
ehemalige Gebäude der Bergbauverwaltungsgesellschaft,<br />
welches auf einem etwa<br />
ein Hektar großen Areal ungenutzt stand.<br />
Der Verein begann alsbald das Gebäude<br />
für seinen Zweck herzurichten. Aus den vormaligen<br />
Büros wurden Erinnerungsräume<br />
mit Exponaten für die einzelnen ostdeutschen<br />
Provinzen. Es wurden Tagungssäle<br />
und Räume für Übernachtungen und Versorgung<br />
eingerichtet. Die Stadt unterstütze<br />
das Unterfangen und freute sich, daß dort<br />
nun wieder Leben einzog. Bald wurden<br />
nach Fertigstellung des Gebäudes im monatlichen<br />
Abstand Seminare zu verschiedenen,<br />
meist politischen Themen abgehalten.<br />
So kamen Besucher in die Stadt, wo jede<br />
Mark von Auswärtigen sehr willkommen<br />
war. Seinerzeit hatte das wohl noch kein<br />
politisch Korrekter mitbekommen.<br />
Die Ideen für das Denkmal nahmen ebenfalls<br />
bald Gestalt an. Es sollte eine im<br />
Durchmesser gut 15 Meter große Kreisanlage<br />
im Garten neben dem winkelförmigen<br />
Hauptgebäude errichtet werden, in deren<br />
Mitte ein zwölf Meter hohes Stahlkreuz geplant<br />
war. Im äußeren Ring waren im regelmäßigen<br />
Abstand zwölf Steinstehlen von<br />
gut zwei Meter Höhe als eigentliche Erinnerungsmale<br />
vorgesehen. Der Bau erfolgte<br />
schrittweise, je nach Eingang der Gelder.<br />
Bei den doch recht beachtlichen Ausmaßen<br />
waren natürlich entsprechende Baugenehmigungen<br />
einzuholen. Das wurde genau<br />
befolgt, es gab auch keine Probleme mit<br />
der Erteilung. Der Bürgermeister, als Eigner<br />
einer Stahlbaufirma, bekam den Auftrag zur<br />
Anfertigung des Mittelkreuzes und machte<br />
sich sogleich ans Werk.<br />
Im Jahre 2008 war der Autor bei einer der<br />
Vortragsveranstaltungen in Borna. Abends<br />
wurde auch schon eine Ehrung am im Bau<br />
befindlichen Denkmal durchgeführt. Da die<br />
Stehlen noch nicht geliefert waren, hatte<br />
man zwölf Fackelträger auf den Fundamentplatten<br />
positioniert, die die für die Inschriften<br />
vorgesehenen Texte reihum sprachen<br />
– ein sehr beeindruckender Moment.<br />
Anfeindungen gegen das<br />
Gedenk-Projekt<br />
Kurz vorher hatte es jedoch die ersten Anfeindungen<br />
gegeben. Die ahnungslose<br />
Stadtverwaltung Bornas wurde plötzlich mit<br />
der veröffentlichten Meinung über solche<br />
Vorhaben konfrontiert. Die Presse, allen<br />
voran die Leipziger Volkszeitung, stürzte<br />
sich förmlich auf das Thema. Nun traten<br />
auch die politisch Korrekten mit ihrem „verklemmten<br />
deutschen Selbsthaß“ (Botho<br />
Strauß) in der Umgebung und am Ort gegen<br />
das Vorhaben auf. Überregional hielt<br />
man das Geschehen jedoch unter der<br />
Decke. Bald zogen sich auch die Stadt<br />
Borna und die Behörden zurück, Baugenehmigungen<br />
waren plötzlich nicht mehr in<br />
Ordnung und wurden storniert. So durften<br />
die ersten Stehlen plötzlich nicht aufgestellt<br />
werden. Hart traf es den Bürgermeister, der<br />
das Zwölf-Meter-Kreuz mittlerweile fertiggestellt<br />
hatte. Politisch korrekt ausgerichtet,<br />
verweigerte er nun dessen Auslieferung.<br />
Die Leipziger Volkszeitung hatte sich vorgenommen,<br />
die Ausführung des Denkmals<br />
zu unterbinden und die angeblich rechte<br />
Vereinigung aus der „bunten und weltoffenen“<br />
Gegend zu vertreiben. Nach zahlreichen<br />
politischen Hetzartikeln kam augenblicklich<br />
das eingespielte antifaschistische<br />
Ritual auf allen Ebenen in Gang.<br />
Damals verstarb leider der Käufer des Areals.<br />
Das war zwischenzeitlich an Wert deutlich<br />
gestiegen und weckte nun die Begehrlichkeit<br />
der Erben. Schließlich gab die Ehefrau,<br />
die nun alleinige Eigentümerin war,<br />
nach und veräußerte die Liegenschaft ohne<br />
138 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />
Das großzügige Wohnhaus des Ritterguts in Gutmannshausen dient als Kultur- und Tagungsstätte.<br />
Absprache mit dem Verein an einen Investor,<br />
der darauf mittlerweile ein Pflegeheim<br />
erstellt hat. Das im Bau befindliche Denkmal<br />
fiel dem Bagger zum Opfer. In zähen<br />
Verhandlungen konnte der Verein Gedächtnisstätte<br />
e.V. seine bereits eingebrachten<br />
Spenden aus dem Kaufbetrag<br />
zurückerhalten.<br />
Auf ein Neues nahe Weimar<br />
Dieser herbe Rückschlag entmutigte die<br />
Betreiber des Vorhabens jedoch nicht. Man<br />
begab sich erneut auf die Suche nach einem<br />
geeigneten Objekt und wurde im<br />
Jahre 2011 in Thüringen im Herzen<br />
Deutschlands fündig. Der Freistaat veräußerte<br />
nach zwei Jahren Leerstand das<br />
Herrenhaus eines früheren Rittergutes in<br />
Guthmannshausen, circa 20 Kilometer<br />
nördlich von Weimar gelegen, in dem zur<br />
„DDR“-Zeit, wie auch danach, ein Schulungszentrum<br />
für die Land- und Forstwirtschaft<br />
untergebracht war. Hier gab es bereits<br />
Übernachtungszimmer, Küche, Kantine<br />
sowie größere und kleinere Unterrichtsräume.<br />
Das Gebäude steht auf einem<br />
zugehörigen Parkgrundstück, alles in recht<br />
gutem Zustand, jedoch gegenüber Borna<br />
deutlich kleiner.<br />
Gäbler<br />
2013 beim Oberlandesgericht in Jena verlor<br />
der Freistaat Thüringen ebenfalls,<br />
zusätzlich schloß das Gericht auch eine<br />
weitere Revision aus. Damit ist diese alt -<br />
ehrwürdige und schöne Immobilie juristisch<br />
gesichert in der Hand des neuen Eigen -<br />
tümers, und der Verein kann unbehindert<br />
seiner ehrenwerten Aufgabe nach -<br />
gehen.<br />
Die Planung für das Denkmal wurde komplett<br />
überarbeitet und dem neuen Grundstück<br />
angepaßt. Entstanden ist eine Rotunde<br />
mit etwa zehn Metern Durchmesser.<br />
Mittig steht nun ein fast vier Meter hoher<br />
Granitobelisk, einen steingewordenen<br />
Lichtstrahl symbolisierend. Kreisförmig<br />
sind zwölf, auf der Vorder- und Rückseite<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
beschriftete, anthrazitfarbene Granitsteine<br />
für die einzelnen deutschen Opfergruppen<br />
aufgestellt. Die Einweihung erfolgte<br />
am 3. August <strong>2014</strong> in einem würdigen<br />
Festakt mit großer Beteiligung.<br />
Gäste sind willkommen<br />
Der Verein Gedächtnisstätte e.V. führt<br />
weiterhin acht bis zehn Seminarwochenenden<br />
im Jahr mit Vorträgen über politische,<br />
historische und kulturelle Themen durch.<br />
Auch über gesunde Lebensführung wird<br />
referiert. Als Kultur- und Tagungszentrum<br />
steht das Haus aber auch gerne Gruppen<br />
gleichen Geistes für deren Veranstaltungen<br />
zur Verfügung. Achtzehn Gäste -<br />
zimmer – alle mit Bad – zu einem erschwinglichen<br />
Preis bietet das Gebäude.<br />
Weiter sind ausreichende Räumlichkeiten<br />
im Erdgeschoß für die Versorgung und die<br />
Veranstaltungen vorhanden. Ein Haus -<br />
meisterehepaar versorgt die Anlage.<br />
Auch Gäste, die nur das Denkmal besich -<br />
tigen wollen, sind willkommen. Hierzu<br />
ist jedoch eine Voranmeldung erforderlich.<br />
Burschenschafter sollten dieser mutigen<br />
Tat Anerkennung zollen und einen<br />
Besuch vor Ort bei Gelegenheit ein -<br />
planen. Für eine Fuxenreise eine ideale<br />
Station.<br />
Wolfgang Gäbler<br />
(Cheruscia Dresden, Vandalia Hamburg,<br />
Salamandria Dresden)<br />
www.verein-gedaechtnisstaette.de<br />
Anmeldung für Besichtigungen beim<br />
Hausmeister unter 036373-998783,<br />
für die Vermietung beim Vereinsvorsitzenden<br />
unter 04185-2784.<br />
Das neue Kultur- und Tagungszentrum<br />
stand so bald dem Verein Gedächtnisstätte<br />
für seine wiederaufgenommene Vortragsund<br />
Bildungstätigkeit zur Verfügung. Als<br />
diese Aktivitäten bekannt wurden, traten<br />
nun jedoch die Fraktionen der Grünen und<br />
Linken auf und verlangten vom Freistaat die<br />
Rückabwicklung des Kaufvertrages. Erstmals<br />
wurde dieses Ansinnen im März 2013<br />
beim Landgericht Erfurt verhandelt. In der<br />
ersten Instanz lief das Land voll gegen die<br />
juristische Wand. Die daraufhin anberaumte<br />
Revisionsverhandlung im Dezember<br />
Am 3. August <strong>2014</strong> wurde endlich ein Ehrenmal für unsere deutschen zivilen Opfer des Zweiten Weltkrieges<br />
eingeweiht.<br />
Gäbler<br />
Heft 4 - <strong>2014</strong> 139
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />
Die Zukunft des deutschen Konservatismus<br />
Anläßlich des Gedenkwochenendes „100 Jahre Langemarck“ hielt Farbenbruder<br />
David Steinmann (Erfurter Wingolf Georgia), Student der katholischen Theologie und<br />
Philosophie, auf der abendlichen Festkneipe folgende Rede:<br />
Lange habe ich überlegt, welchen Einstieg<br />
ich für die heutige Festrede wählen<br />
soll. Das Thema „Zukunft des deutschen<br />
Konservatismus“ ist so mannigfaltig und<br />
könnte so ausladend sein, es ist so umfangreich<br />
wie es letztlich unklar ist.<br />
Scheinbar sind die Begriffe alle klar. Links<br />
– Rechts. Konservativ – Progressiv.<br />
Scheinbar, da man leicht ins Straucheln<br />
gerät, wenn man denn Begriffen klare Inhalte<br />
zuweisen möchte, die so und nur so<br />
diesen politischen Unterscheidungstermini<br />
inhärent sind.<br />
Lange also habe ich nach einen passenden<br />
Einstieg für die heutige Festrede gesucht.<br />
Vor einigen Wochen sah ich in der Reihe<br />
„37 Grad“ einen Beitrag zur deutschen<br />
Massentierhaltung. Einige Großbetriebe –<br />
um es gleich vorweg zu nehmen: nicht die<br />
schlechtesten –, die sich auf Hähnchen-, Puten-,<br />
und Schweinemast, auf Tierverarbeitung<br />
im Allgemeinen spezialisiert haben,<br />
wurden so gut es im Rahmen einer solchen<br />
Sendung möglich ist, vorgestellt. Angefangen<br />
von der Produktion der Tiere – abertausende<br />
von Küken allein in einem Betrieb<br />
pro Tag –, über deren Aufzucht bis schließlich<br />
zur Schlachtung. Die gezeigten Großbetriebe<br />
waren sauber, die medizinische<br />
Versorgung der Tiere streng nach Vorschrift.<br />
Alles eben funktional. Und dennoch<br />
intendierte der Beitrag Unbehagen: eine<br />
absolute Effizienz bei der Verwertung tierischen<br />
Lebens, die selbst blaues Licht und<br />
Panflötenmusik bei Transport und Schlachtung<br />
einschließt, um die Tiere vor ihrem<br />
letzten Gang zu beruhigen.<br />
Für mich war es beklemmend zu sehen, wie<br />
die Schlachttiere auf Förderbändern in eine<br />
Vergasungsetage gefahren und betäubt,<br />
anschließen aufgehängt und an einem<br />
Schlachtermesser, das ihren Hals aufschlitzte,<br />
vorbei gefahren wurden, damit<br />
die Tiere schlußendlich verbluteten. Eine<br />
industrielle Vernichtung von Leben. Dieser<br />
ebenso umfangreiche Themenkreis soll<br />
aber nicht Gegenstand des heutigen<br />
Abends sein.<br />
Bei strömendem Regen erwiesen die Verbandsbrüder den Gefallenen und Verstorbenen die letzte Ehre.<br />
Schlachthof gen Mekka<br />
Was ebenso beklemmend für mich gewesen<br />
war, ist die Tatsache, daß die gezeigten<br />
Schlachtanlagen – so der Kommentator<br />
– nach Mekka ausgerichtet seien. Neben<br />
dem Schlachtermesser prangte eine von<br />
einem Imam zertifizierte Tafel mit der Aufschrift<br />
„Allahu Akbar“ – „Gott ist groß“<br />
oder „Gott ist am größten“ – jene oft verwendete<br />
Glaubensformel moslemischer<br />
Gebete, besonders bekannt durch den<br />
vom Muezzin ausgerufenen „Adhan“. Der<br />
lakonische Kommentar des 37-Grad<br />
Beitrages: um auch den muslimischen<br />
Konsumenten den Verzehr des Fleisches<br />
zu ermöglichen. Ob auch bei der<br />
Schweineschlachterei im Geiste deutschen,<br />
vorauseilenden Gehorsams ein<br />
solches Schild angebracht worden war, ist<br />
mir nicht mehr erinnerlich. Für möglich<br />
halte ich es im heutigen Deutschland allemal.<br />
Vor einigen Jahren schwappte eine Welle<br />
der Entrüstung über dieses unser Land, weil<br />
in öffentlichen Gebäuden, in Schulen und<br />
Gerichten immer noch zahlreiche Kruzifixe<br />
zu sehen waren und in einer aufgeklärten,<br />
Religion zur Privatsache erklärenden Gesellschaft,<br />
in einem Religionsfreiheit garantierenden<br />
Staat, der zur Einhaltung strikter<br />
Neutralität in Glaubensdingen aufgerufen<br />
sei, dies nicht hingenommen werden<br />
könne. Selbst mehrere Gerichte haben sich<br />
mit dieser Angelegenheit zu befassen gehabt.<br />
Ich habe nach dem 37-Grad-Beitrag aufmerksam<br />
verfolgt, ob es zu einem medialen<br />
Sturm der Entrüstung gekommen ist. Die<br />
Vermutung liegt nahe, daß ein neben der<br />
Schlachtanlage hängendes christliches<br />
Glaubenssymbol für Aufregung gesorgt<br />
hätte. So aber: Fehlanzeige. Sicherlich liegt<br />
der Fall ein wenig anders: jene Schlachtereien<br />
sind keine öffentliche Gebäude, sondern<br />
private Betriebe. Daß aber die deutsche<br />
Fleischindustrie des Absatzes wegen<br />
sich religiösen Speisevorschriften unterwirft,<br />
halte ich für beachtenswert.<br />
Beachtenswert und bedenklich finde ich<br />
nicht den religiösen Kontext. Mir persönlich<br />
als gläubigen Katholiken ist es egal, ob<br />
mein Hähnchen auf seiner letzten Fahrt in<br />
Sichtweite arabischen Schrift zu Tode gekommen<br />
ist oder nicht. Das hat für mich<br />
keine Bedeutung.<br />
Beachtenswert und persönlich bedenklich<br />
finde ich, daß sich dieses Land, in dem ich<br />
groß geworden bin, spürbar gewandelt<br />
hat. Es hat sich so sehr geändert, daß es bei<br />
mir nur mehr Beklemmung auslöst – letztlich<br />
nur ein Achselzucken – daß Schlachtanlagen<br />
nach Mekka ausgerichtet sind, daß in<br />
einigen Kantinen in diesem Land der Rücksichtnahme<br />
wegen auf Schweinefleischgerichte<br />
verzichtet wird. Ein Achselzucken nur,<br />
weil all dies vorherzusehen war. Wer aufmerksam<br />
die Entwicklung der letzten Jahre<br />
verfolgt hat, den kann dergleichen nicht<br />
mehr überraschen.<br />
Die Zukunft des Konservatismus<br />
Es soll in dieser Festrede nicht um den Islam<br />
und seine Auswirkungen auf unser<br />
Land gehen. Das Schlachtanlagenbeispiel<br />
eignet sich nur hervorragend zum Einstieg<br />
in unser Thema. Es soll am heutigen Abend<br />
um den Konservatismus und seine Zukunft<br />
gehen. Um die Zukunft des Konservatismus<br />
in Deutschland. Dazu ist es nötig, sich zu<br />
vergegenwärtigen, was mit dem Begriff des<br />
Konservatismus überhaupt gemeint sein<br />
soll.<br />
Die Begriffe „links“ und „rechts“, die heute<br />
immer noch gerne bemüht werden und die<br />
auf die Sitzungsordnung im parlamentarischen<br />
System zurückzuführen sind, bieten<br />
140 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />
sich für eine politische Standortbestimmung<br />
nicht an. Sie waren in ihrer starren<br />
und strengen Fixierung dazu eigentlich nie<br />
geeignet, heute sind sie es in Zeiten überbordender<br />
Meinungsdiversität schon gar<br />
nicht. Zurückgehend auf die Französische<br />
Revolution, drückte die Sitzordnung – man<br />
kann es vielleicht vereinfachend so sagen –<br />
die Intensität der Revolutionsbereitschaft<br />
der einzelnen Abgeordneten aus. Die Geschichte<br />
der Französischen Revolution und<br />
ihre teils horrenden Auswüchse sind bekannt.<br />
Später, durch das revolutionäre Vorbild<br />
aus Frankreich inspiriert, wurde auch in<br />
Deutschland eine solche Links-Rechts-Sitzordnung,<br />
sowie eine solche politische Verortung<br />
in deutschen Parlamenten übernommen.<br />
Über klare politische Standpunkte<br />
hingegen vermag dieses politische<br />
Richtungsschema nichts auszusagen, gerade<br />
weil sich politische Standpunkte mit<br />
der Zeit gewandelt haben, wandeln mußten.<br />
Auch die Studentische Bewegung des<br />
19. Jahrhunderts, besonders die dezidiert<br />
politische <strong>Burschenschaftliche</strong> Bewegung<br />
ist bestes Beispiel für die Unmöglichkeit eines<br />
solchen Links-Rechts-Schemas. Gestartet<br />
mit der Forderung nach Nationalstaat<br />
sowie demokratischer Partizipation und<br />
Mitbestimmung stand die Burschenschaft<br />
nach diesem Verständnis weit links im<br />
damaligen politischen Spektrum, eine Verortung,<br />
die in heutiger Zeit – wenn überhaupt<br />
noch bekannt – gerne geleugnet<br />
wird.<br />
Derzeit einen Burschenschafter als politisch<br />
Links zu bezeichnen, dürfte in studentischen<br />
Korporationen allenfalls zu einem<br />
Stirnrunzeln führen. Im gesellschaftlichen<br />
Rahmen würde man für eine solche politische<br />
Verortung der Burschenschaft bestenfalls<br />
ausgelacht.<br />
Die Ineinssetzung von rechts und konservativ,<br />
die ich gerade stillschweigend vorgenommen<br />
habe, halte ich ebenfalls für problematisch.<br />
Rechts und Links reduzieren –<br />
wie gerade angeführt – eine politische<br />
Standortbestimmung auf öffentlichkeitswirksame<br />
Schlagworte ohne inneren definitorischen<br />
Kern. Der Terminus „konservativ“<br />
beschreibt hingegen eine Geisteshaltung.<br />
Ich glaube, daß eigentliche Gegensatzpaar,<br />
das eine politische Verortung zutreffend<br />
beschreiben kann, ist konservativ und progressiv.<br />
„Konservativ“ verstanden als klares,<br />
nüchternes und rationales Betrachten<br />
der Wirklichkeit und „progressiv“ als Handeln,<br />
um ein ideologisches Wunsch- und<br />
Utopiegebilde zum Durchbruch zu verhelfen.<br />
Oder um es politikwissenschaftlicher auszudrücken:<br />
Jedem Menschen ist ein Perzeptionshorizont<br />
zu eigen, der seinen Zugang<br />
zur Welt beschreibt; der ausdrückt, wie die<br />
Welt wahrgenommen, subjektiv von jedem<br />
Einzelnen erfahren wird. Das Problem der<br />
Im Gedenken an die in den Kriegen gefallenen<br />
Burschenschafter wurde der Kranz niedergelegt.<br />
Perzeption ist, das Wahrnehmungen, das<br />
die Sicht auf die Welt trügen kann. Lese ich<br />
nur Marx und Lenin nehme ich die Welt anders<br />
wahr, als wenn ich nur Carl Schmitt, Armin<br />
Mohler oder Moeller van den Bruck<br />
lese.<br />
„Konservativ“ meint in diesem Zusammenhang<br />
ein Maß an Skepsis, das den einzelnen<br />
Menschen veranlaßt, sich selbst, seine<br />
Erfahrungen, seine Sicht auf die Welt zu<br />
hinterfragen. Um einen philosophischen<br />
Begriff zu bemühen: Trotz begrenzter<br />
Wahrnehmungs- und Zugangswege gibt es<br />
für den Konservativen neben der eigenen<br />
Perzeption auch die Wahrheit, der es sich<br />
durch Skepsis anzunähern gilt. Der „Progressivität“<br />
muß diese Skepsis nicht zu eigen<br />
sein; vielmehr gewinnt politisches progressives<br />
Handeln gerade durch den starken<br />
Fokus auf Mißstände, die subjektiv in<br />
der Welt erlebt werden, seine starke, innere<br />
Triebkraft. Mißstände zu beseitigen ist kein<br />
Fehler; das mangelnde, nicht am gesunden<br />
Menschenverstand orientierte Hinterfragen<br />
seiner eigenen Position hingegen kann gefährlich<br />
sein.<br />
Einordnung der Geisteshaltung<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Daher die vorgenommene Einordnung von<br />
„konservativ“ und „progressiv“ als Geisteshaltungen.<br />
In der Theologie wird – wie sicherlich<br />
bekannt – zwischen Gläubigen und<br />
Nichtglaubenden unterschieden, zwischen<br />
Atheisten und Theisten, wobei dieser Begriff<br />
nicht besonders kohärent zu der<br />
Summe möglicher Glaubensvorstellungen<br />
ist. Deistische, polytheistische oder animistische<br />
Glaubende sind in ihm nicht involviert.<br />
Zwischen den Glaubenden auf der einen<br />
und den Nichtglaubenden auf der anderen<br />
Seite gibt es jene Gruppe von Menschen,<br />
die man unter dem Begriff des<br />
Agnostikers zusammenfaßt. Also Menschen,<br />
die sich wegen der letztlich nicht zu<br />
beantwortenden Frage nach Gott weder für<br />
noch gegen den Glauben an eine höhere,<br />
nichtirdische Macht entscheiden wollten.<br />
Vereinfachend ausgedrückt: der Gläubige<br />
beantwortet die Frage nach Gott mit ja, der<br />
Atheist mit nein und der Agnostiker weiß<br />
sich nicht zu entscheiden. Im Zuge der weitgehenden<br />
Entchristlichung in Deutschland<br />
– besonders hier in Mitteldeutschland, aber<br />
keineswegs darauf beschränkt, gibt es eine<br />
neue Beobachtung: Viele Menschen stellen<br />
sich die Frage nach Gott überhaupt nicht<br />
mehr. Sinnfragen werden relativ konsequent<br />
aus dem eigenen Leben ausgeklammert<br />
oder mit Konsumismus übertüncht. Allenfalls<br />
werden Sinnfragen für diese Menschen<br />
im fortschreitenden Alter ersichtlich<br />
beim Kauf eines Motorrads und der einsamen<br />
Fahrt zum Nordkap oder dem Erwerb<br />
neuer Kleidung im gepunkteten Leoparden-Stil<br />
und der Hinwendung zu jüngeren<br />
Männern.<br />
Diese Gruppe wird in der Theologie als religiös<br />
indifferent bezeichnet. Warum dieser<br />
kurze theologische Einschub? Ich glaube,<br />
es gibt in unserem politischen System nicht<br />
nur konservativ und progressiv und in der<br />
Mitte eine ominöse schweigende Mehrheit<br />
– in Analogie also die politischen Agnostiker<br />
– es gibt auch die politisch Indifferenten,<br />
die sich von politischen Fragen nicht<br />
mehr angesprochen fühlen, die ein Leben<br />
ohne politische Einstellung ganz gut bestreiten<br />
können. Und ich wage die These,<br />
daß diese Gruppe nicht allzu klein ist. Sie<br />
dürfte sogar die größte sein. Seinen politischen<br />
Erfolg auf diese Gruppe zu setzen,<br />
wird für eine neue politische Kraft gefährlich<br />
sein.<br />
Derzeit ist in Deutschland eine gewisse politische<br />
Unruhe zu spüren, die selbst in der<br />
Werbung ihren Niederschlag findet. Dort<br />
wurde der Spießbürger als positive Gestalt<br />
gerade wieder in Szene gesetzt. Das Idyll<br />
einer Familie, vom Haus im Grünen, von Rasenmähen<br />
und dergleichen scheint wieder<br />
modern zu werden. Es wird eine Normalität<br />
angesprochen und in den Fokus genommen,<br />
die eigentlich Mut machen könnte. So<br />
wie wir und unsere Eltern groß geworden<br />
sind, wie sie und wir dieses Land geprägt<br />
haben und von ihm geprägt wurden, so<br />
wird es auch in Zukunft sein.<br />
Das ist die positive Deutung. Als zutreffender<br />
empfinde ich aber folgende: Diese<br />
Normalität, diese vielleicht auch verklärende<br />
heile Welt wird als nicht mehr gegeben<br />
erahnt. Intuitiv empfindet der Bür-<br />
Heft 4 - <strong>2014</strong> 141
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
ger einen Zwiespalt zwischen dem im Alltag<br />
erlebten und seiner Wunschvorstellung von<br />
diesem Land, seinem Wunsch, wie dieses<br />
Land eigentlich aussehen sollte. Die Menschen<br />
sind verunsichert. Demographie,<br />
Rente, Verschuldung, fehlschlagende oder<br />
schon fehlgeschlagene Integration. All dies<br />
sind Unsicherheitsfaktoren, die sich in das<br />
Bild der Normalität eingeschoben haben.<br />
Langsam aber stetig – und wie es scheint<br />
auch unaufhaltsam.<br />
Psychologisiert drückt sich dieser Zwiespalt<br />
zwischen erhoffter Normalität und entnormalisierter<br />
Realität im Hervorkehren des<br />
neuen Spießers aus. Auch der Versicherer<br />
Ergo wirbt neuerdings mit flexiblen Versicherungsleistungen<br />
für das Alter und benennt<br />
als Kundenkreis all jene, die noch<br />
nicht wissen, wo sie in dreißig Jahren stehen.<br />
Dies dürften meiner Meinung nach<br />
ziemlich viele Menschen in Deutschland<br />
sein.<br />
Tradition und Werte sind nicht<br />
mehr Normalität<br />
Sehr geehrte Farbenbrüder, die Normalität,<br />
die sie und ich am heutigen Abend leben –<br />
die Eingebundenheit in eine Werte- und<br />
Überzeugungsordnung, die auf eine nunmehr<br />
zweihundertjährige Tradition zurückblicken<br />
kann – diese Normalität ist nicht die<br />
Normalität der Mehrheit dieser unseren<br />
Gesellschaft. Ich gehe noch weiter und behaupte:<br />
Diese Normalität existiert bereits<br />
nicht mehr – höchstens noch in unseren<br />
Köpfen. Sie ist nurmehr eine Scheinnormalität.<br />
Sie ist Trugbild und Wunschvorstellung<br />
einer marginalen Gruppe von Menschen<br />
– uns.<br />
Wer diese Worte zu drastisch und hart<br />
empfindet, sie vielleicht auch einfach als<br />
falsch verstanden wissen möchte, der<br />
schaue sich doch einmal genau in unserem<br />
Deutschland um. Sowohl der Heilige Vater<br />
Benedikt XVI. als auch der derzeitige Bischof<br />
von Dresden-Meißen sind Mitglied<br />
einer CV-Verbindung. Unlängst wollte ein<br />
junger Dresdner CVer zur katholischen Studentengemeinde<br />
in Dresden und wurde<br />
vom dortigen Studentenpfarrer mit den<br />
Worten barsch abgewiesen, solche Leute<br />
wie Sie brauche man hier nicht.<br />
Ich weiß, daß dies eine ausgesprochene<br />
Lappalie ist und in letzter Zeit viel gravierendere<br />
Ereignisse die korporative Welt erschüttert<br />
haben. Aber es ist nicht mehr nur<br />
der politische Gegner der uns militant ans<br />
Leder will, es grassiert eine weitgehende<br />
Antipathie, zumindest ein großer Rechtfertigungs-<br />
und Distanzierungszwang. Dies<br />
stimmt mich nicht gerade optimistisch, was<br />
die zaghafte Verschiebung der politischen<br />
Kräfteverhältnisse in diesem Land betrifft.<br />
Der derzeitige Erfolg der Alternative für<br />
Deutschland mag in diesem Zusammenhang<br />
aus der Analyse fallen. Ich glaube dies<br />
aber nicht. In Deutschland habe – wie<br />
schon häufig gesagt wurde – eine Verschiebung<br />
des politischen Spektrums stattgefunden:<br />
von rechts nach links. Mit der Sozialdemokratisierung<br />
der Unionsparteien sei<br />
am rechten Rand eine Leerstelle entstanden,<br />
diese aufzufüllen neuen politischen<br />
Fraktionen große Möglichen biete.<br />
Ist dem aber wirklich so? Was eindeutig<br />
stattgefunden hat, ist der Verlust von Konservativität.<br />
Der gesunde Menschenverstand,<br />
das Hinterfragen von politischen<br />
Vorstellungen ist unmodern geworden.<br />
Hier ist die wahre Leerstelle entstanden.<br />
Aktionismus und Reformismus sind wesentlicher<br />
Bestandteil unseres politischen Lebens<br />
geworden. Ob Bildungsreformen,<br />
Euro-Rettung oder Rentenreform, politische<br />
Entscheidungsträger haben die Konsequenzen<br />
ihres Handelns längst aus dem<br />
Blick verloren. Unser repräsentatives Parlamentssystem<br />
fokussiert den Blick allzu sehr<br />
auf die kommende Wahl und weniger auf<br />
langfristiges politisches Engagement.<br />
Jene, die sich früher von einem realitätsbezogenen<br />
Gegengewicht zu allzu „visionären“,<br />
veränderungslastigen politischen<br />
Handeln vertreten fühlten, sind<br />
heute politisch heimatlos geworden. Die<br />
Union, seit dem Agieren Merkels spätestens<br />
offensichtlich, hat ihre konservative<br />
Wurzeln gekappt und ist einzig am Machterhalt<br />
interessiert: um jeden Preis – die<br />
Konzessionen, die die Union bereit ist einzugehen,<br />
sind unübersehbar. Verwalten<br />
und Aussitzen – zwei Schlagworte, die die<br />
derzeitige Politik der Kanzlerin gut beschreiben.<br />
Diese Leerstelle setzt die Alternative für<br />
Deutschland an zu erobern. Dabei spricht<br />
sie jene Konservative an, die sich nicht<br />
mehr vertreten fühlen. Ja vielleicht fängt<br />
auch die Gruppe derer – um zu den adaptierten<br />
theologischen Begriffen zurückzukehren<br />
– , die sich bisher keiner bestimmten<br />
politischen Richtung anzuschließen bereit<br />
gewesen sind, vielleicht stellen sich die<br />
politischen Agnostiker langsam die Frage,<br />
wohin es mit diesem Land gekommen ist.<br />
Vielleicht erwächst daraus eine große<br />
Chance. Aber um die politisch Indifferenten<br />
aufzurütteln, sie mithin zur schweigenden<br />
und dann auch rufenden Mehrheit zu machen,<br />
dafür ist der Lebensstandard zu groß,<br />
sind die auf uns hereinbrechenden Probleme<br />
noch nicht zu sehr ins Bewußtsein<br />
dieser Menschen gerückt.<br />
Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />
Und mit Verweis auf die friedliche Revolution<br />
vor 25 Jahren: Die Menschen gingen<br />
auf die Straße, als die Probleme manifest<br />
waren, für jeden ersichtlich. Als die Verschuldung<br />
der „DDR“ ein unerträgliches<br />
Maß angenommen, die Sowjetunion ein<br />
Eingreifen ausgeschlossen hatte. Die Friedliche<br />
Revolution kam letztlich erst dann, als<br />
der Musterstaat des real-existierenden Sozialismus<br />
bereits im Sterben begriffen war.<br />
Dieser Hinweis soll die damaligen Massendemonstrationen<br />
und den Mut der auf die<br />
Straße gehenden nicht schmälern.<br />
Probleme werden verschoben<br />
Aber so lange zu warten, bis die Probleme<br />
omnipräsent sind und erst dann zu handeln<br />
ist höchst gefährlich. Ich habe eingangs die<br />
Unterscheidung zwischen progressiv und<br />
an der Ratio orientiertem Konservatismus<br />
vorgenommen. Ich komme darauf noch<br />
einmal zurück. Die Zeiten eines grassierenden<br />
Positivismus, der eine klare und vollständige<br />
Erkennbarkeit der Welt postulierte,<br />
sind Gott sei dank vorüber. Ob in<br />
Physik, Mathematik oder Philosophie, überall<br />
stoßen die Wissenschaften an Grenzen<br />
der Erkennbarkeit, die zumindest eine gewisse<br />
Demut erheischt und den grenzenlosen<br />
Zukunftsoptimismus des 19., aber auch<br />
noch des 20. Jahrhunderts Lügen straft.<br />
Gleichwohl hat sich viel von diesen utopischen<br />
Vorstellungen auch in heutiger Zeit<br />
erhalten. Wenn ich hier zwischen konservativen<br />
und progressiven Denken unterscheide,<br />
dann sollen einige Beispiele zur<br />
Verdeutlichung dienen. Die kürzlich im<br />
Bundestag beschlossene Rentenreform bediente<br />
sich in ihrer Begründung der Formel:<br />
Die Reform sei nötig, eine bestehende Gerechtigkeitslücke<br />
zu schließen. Dies mag<br />
vielleicht sogar zutreffend sein. Der nüchterne<br />
Blick auf die Finanzierbarkeit des Umlagefinanzierten<br />
Rentensystems, auf seine<br />
jetzt schon bedenkliche Finanzielle Ausstattung,<br />
auf die jetzt schon Absehbaren aber<br />
gerne Verdrängten Probleme durch die zunehmende<br />
Überalterung durch den mit<br />
dem schamlosen Euphemismus benannten<br />
demographischen Wandel, dieser nüchterne<br />
Blick wurde einfach übergangen. Ralf<br />
Stegner, Sprachrohr des linken SPD-Flügels,<br />
log sogar gänzlich unbelastet – und<br />
wohl selbst noch von seinem zum Besten<br />
gegebenen Unsinn überzeugt – als er darauf<br />
hinwies, daß das beste Mittel gegen Altersarmut<br />
jetzt gute Lohnabschlüsse seien.<br />
Zum Verständnis des Umlagesystems:<br />
wenn jetzt viel in die Rentenversicherung<br />
durch verbesserte Lohnabschlüsse eingezahlt<br />
wird, vergrößert sich der Kuchen zu<br />
verteilender Mittel an Rentner jetzt. Daß<br />
dieser Kuchen durch die vermehrt spürbar<br />
werdende demographische Krise zukünftig<br />
zunehmend kleiner wird und immer weniger<br />
immer mehr einzuzahlen haben um ein<br />
gleichbleibendes Rentenniveau zu erhalten,<br />
daran ändern bessere Tarifabschlüsse<br />
nicht das Geringste. Höchstens ließe sich<br />
dergleichen auffangen, würden vermehrt<br />
Rücklagen in der Rentenversicherung geschaffen.<br />
Rücklagen, die gerade zur Finanzierung<br />
besagter Rentenversicherung für<br />
die nächsten zwei Jahre herangezogen<br />
werden.<br />
142 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />
Nehmen wir das Beispiel Mindestlohn. Das<br />
Versprechen ist denkbar einfach: jeder, der<br />
Arbeit hat, soll einen Lohn bekommen, von<br />
dem ihm ein Leben ohne Aufstockung<br />
durch Hartz IV – um das sozioökonomische<br />
Existenzminimum zu erreichen – möglich<br />
ist. In einer Marktwirtschaft ist die Preisbildung<br />
von Angebot und Nachfrage abhängig.<br />
Dieser Preisbildungsmechanismus wird<br />
hier durchbrochen. Der höhere Lohn, auf<br />
das Produkt, in den meisten Fällen wohl auf<br />
die Dienstleistung darauf geschlagen, muß<br />
bezahlt werden. Und dies zahlt der Kunde,<br />
letztlich wir. Daß der Mindestlohn von der<br />
Mehrheit für gut befunden, daß jetzt aber<br />
Preissteigerungen von den Konsumenten<br />
bezahlt werden müssen, das ist eine so<br />
große Überraschung, die nur unwissende<br />
Menschen überraschen konnte. Und es sind<br />
unglaublich viele überrascht.<br />
Über den Euro ist schon so viel gesprochen<br />
worden, das es weh tut, daß die Probleme<br />
mit ihm immer noch nicht ausgestanden<br />
sind. Es hat die mahnenden Stimmung gegeben,<br />
die darauf hinwiesen, daß eine<br />
funktionierende Währungsunion Grundlagen<br />
braucht, die mit der Einführung des Euros<br />
nicht gegeben waren und die zwangsläufig<br />
zu den gravierenden Umverteilungslasten<br />
führen mußten, wie sie heute bestehen.<br />
Wunsch und Realität trafen sich, der<br />
Wunsch, die Utopie hat gewonnen und<br />
wurde schließlich doch von der Realität eingeholt.<br />
Seit vier Wochen in Folge finden sich in<br />
Dresden zunehmend mehr Menschen bereit,<br />
um auf die Konsequenzen der nicht<br />
vorhandenen deutschen Einwanderungspolitik<br />
aufmerksam zu machen. Die Mechanismen,<br />
wie mit dieser politischen Artikulation<br />
öffentlich umgegangen werden wird,<br />
sind bereits jetzt zu antizipieren: Die Menschen<br />
werden in ihren Sorgen nicht ernst<br />
genommen werden, unter dem Hinweis<br />
auf den Kampf gegen Rechts wird die berechtigte<br />
Forderung desavouiert, die politische<br />
Auseinandersetzung wird sich darauf<br />
einigen, daß es eigentlich kein Problem<br />
gäbe, die Demonstrationen nur unbegründete<br />
Ängste artikuliere, die es aufzuklären<br />
gelte. Und in Konsequenz wird es kein Einwanderungsgesetz<br />
geben, keinen Diskurs<br />
über die deutsche Einwanderungspolitik.<br />
Die Realität wird die deutsche Gesellschaft<br />
erst in Jahren einholen, wenn die Probleme<br />
für jeden offensichtlich geworden<br />
sind.<br />
Nehmen wir den Umgang mit der Türkei:<br />
Die Wunschvorstellung, daß sich dieses<br />
Land demokratisiert und an Europa<br />
annähert, bis hin zu einer Aufnahme in die<br />
Europäische Union. Mit großen Beifall<br />
wurde das Handeln Erdogans in Deutschland<br />
begrüßt, gegen Militär und Justiz vorzugehen.<br />
Hierin wurde fälschlicherweise ein<br />
positives politisches Handeln gegen einen<br />
schlechten, autoritativen Auswuchs der Türkei<br />
gesehen, der dieses Land noch von Europa<br />
trennte. Daß Erdogan die Axt an die<br />
Wurzeln der kemalistischen Ordnung anlegte<br />
und sein politisches Handeln die Türkei<br />
von Europa wegführen würde, haben<br />
nur wenige gesehen und diese sind unter<br />
fadenscheinigen Gründen nicht in der medialen<br />
Öffentlichkeit beachtet wurden.<br />
Heute wiederum sind viele überrascht.<br />
Nehmen wir noch einmal das Schlachtanlagenbeispiel.<br />
Vegetarisch und vegan waren<br />
gestern. Pleistozän ist heute Mode. Die Intension<br />
des 37-Grad-Beitrages: selbst bei<br />
genauer Befolgung der Tierschutzvorschriften<br />
ist eine artgerechte Haltung nicht gegeben,<br />
die Massenproduktion bleibt ein Ärgernis,<br />
eine Zumutung, die eigentlich nicht<br />
hingenommen werden darf. Schöner wäre<br />
es, wenige Tiere lebten auf einem Hof,<br />
könnten über grüne Wiesen gackern, die<br />
Sauen könnten sich im Schlamm suhlen, ihr<br />
Leben leben, bevor sie vom Menschen verspeist<br />
würden. Über viele Jahrhunderte war<br />
dies wohl die Regel. Das müssen herrliche<br />
Zeiten gewesen sein! Es gab in der Bauernfamilie<br />
vielleicht zwei Mal im Jahr einen<br />
Braten, zu Weihnachten und Ostern. Und<br />
ansonsten höchstens am Sonntag eine Fleischeinlage<br />
im Eintopf. Ich komme aus Mitteldeutschland<br />
und kenne die Erzählungen<br />
meiner Mutter. Wie es bei ihr gewesen ist,<br />
sich ein Nutellaglas mit ihren Schwestern<br />
über ein Jahr lang zu teilen, bis das nächste<br />
von der Verwandtschaft aus dem Westen<br />
geschickt wurde.<br />
Fleischkonsum auf heutigem Niveau mit einer<br />
idyllischen Tierhaltung gleicht der Quadratur<br />
des Kreises. Sie ist nicht möglich.<br />
Diese Beispiele ließen sich durch ungeheuer<br />
viele weitere ergänzen, ich glaube<br />
aber, es wird deutlich, worum es mir geht.<br />
Das konservative Problem<br />
Politisches Handeln hat Konsequenzen und<br />
diese Konsequenzen zu benennen ist Aufgabe<br />
eines rationalen Bewertens der Wirklichkeit.<br />
Dies wäre die Aufgabe der Konservativen<br />
in diesem Land, damit ein Gegenpol<br />
zu all den Weltverbesserern und Gutmenschen<br />
entsteht. Einen Gegenpol, den<br />
dieses Land in den letzten Jahrzehnten so<br />
nötig gehabt hätte. Beschauen wir uns die<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Wirklichkeit einmal genau, kommen wir zu<br />
dem Schluß, daß viele der Probleme in unserem<br />
Land jenen Kulminationspunkt überschritten<br />
haben, der ein Zurück noch ermöglichen<br />
würde.<br />
Daher ist der Konservatismus auch so unattraktiv.<br />
Er entwickelt keine Visionen einer<br />
besseren Welt. Er bewertet höchstens, was<br />
sich bewährt, was erfolgreich ist und was<br />
Wert ist überwunden zu werden. Doch einen<br />
Konservatismus mit Visionen zu finden<br />
wäre Aufgabe unserer Generation. Es wäre<br />
eigentlich die Aufgabe der Generation vor<br />
uns gewesen, aber darüber brauche und<br />
möchte ich mich nicht hier näher auslassen.<br />
Daß sich der klare, nüchterne Geist, der gesunde<br />
Menschenverstand, der auf die Konsequenzen<br />
politischer Handlungen hinweist,<br />
so sehr ins Abseits hat stellen lassen,<br />
daß er sich dem herrschaftsfreien Diskurs,<br />
der letztlich ein autoritärer, gegen den<br />
Konservatismus gerichteter geworden ist,<br />
unterworfen hat, ist schade. Oder um<br />
eine deterministische Sichtweise ins Spiel<br />
zu bringen. Vielleicht war es auch unumgänglich.<br />
Vielleicht wurde er einfach nur<br />
geschichtlich überholt, überflüssig gemacht.<br />
Begünstigt hat diese Entwicklung zweifelsohne<br />
die innere Zerrissenheit unseres Lagers.<br />
Man kämpft lieber Gegeneinander,<br />
glaubt sich nach innen zu konsolidieren,<br />
und marginalisiert sich damit noch weiter.<br />
Ich finde es sehr schade, daß die ursprüngliche<br />
Planung zum Langemarck-Gedenken,<br />
einen breiten interkorporativen Dialog um<br />
die Frage der Zukunft des Konservatismus,<br />
nicht in die Tat umgesetzt wurde. Ich bin<br />
sozusagen das übriggebliebene Relikt dieser<br />
Planung.<br />
Und doch mahne ich für die Zukunft eine<br />
solche Veranstaltung an. Ohne sie, ohne<br />
unser Handeln, wird der Riß zwischen Realität<br />
und erhoffter Normalität immer größer,<br />
ohne daß er noch überbrückt werden kann.<br />
In diesem Zusammenhang wird gerne die<br />
Metapher benutzt: Es ist fünf vor zwölf. Dieses<br />
Bild hat sich erschöpft. Außerdem bin<br />
ich der Überzeugung, daß es bereits um<br />
eins ist.<br />
Eine andere Metapher halte ich für aussagekräftiger.<br />
Der Ertrinkende greift nach<br />
dem letzten Strohhalm. Wir sind die Ertrinkenden.<br />
Dies muß nicht heißen, daß keine<br />
rettende Planke uns doch noch zur Hilfe<br />
schwimmt. Nur ist die Hoffnung darauf meines<br />
Erachtens nicht mehr sehr groß.<br />
Farbenbruder David Steinmann (Georgia Erfurt 2011)<br />
war von 2007 bis 2010 Mitglied der Aachen-Dresdner Burschenschaft Cheruscia.<br />
Heft 4 - <strong>2014</strong> 143
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Viva Chile!<br />
Auf Anraten eines befreundeten Verbandsbruders<br />
der Burschenschaft Araucania<br />
Santiago de Chile und der Burschenschaft<br />
Cheruscia Dresden entschloß<br />
ich mich, im vergangenen Jahr meine Bewerbung<br />
für das Chile-Stipendium des<br />
BCB einzusenden, die auch prompt positiv<br />
beantwortet wurde. Als Gastburschenschaft<br />
war natürlich die Araucania<br />
als größte und älteste der Chilenischen<br />
Burschenschaften vorne mit im Rennen<br />
und die persönliche Bekanntschaft mit<br />
dem Araucano Francisco Bahamonde<br />
Birke („Ghollum“) tat ihr übriges. Gesagt,<br />
getan – mit großem Gepäck (unter anderem<br />
Skiausrüstung und Wanderstiefel)<br />
und einem Spanisch-Schnellkurs entstieg<br />
ich im März der Copa-Airlines Maschine<br />
und betrat das erste Mal in meinem Leben<br />
chilenischen Boden.<br />
Da sich mein Kurs-Spanisch direkt nach der<br />
Ankunft als völlig wirkungs- und nutzlos<br />
entpuppte, war ich sehr erleichtert, daß die<br />
Araucania zu meiner Ankunft ein kleines<br />
Vorauskommando zum Flughafen gesandt<br />
hatte. Die beiden Verbandsbrüder sprachen<br />
Deutsch als Muttersprache und so war<br />
ich zu Beginn positiv vom Deutschniveau<br />
„der Chilenen“ überrascht. Wie sich später<br />
herausstellte, sind nicht alle Verbandsbrüder<br />
so firm in der deutschen Sprache wie<br />
die beiden besagten Araucanen. Nach etwas<br />
unterkühlter Ankunft im Araucanenhaus<br />
und der ersten Nacht in einem ordentlichen<br />
Bett nach längerem Flug wurde ich<br />
freundlich aber reserviert den Verbandsbrüdern<br />
vorgestellt. Schnell wurde mir klar,<br />
daß die Sprachbarriere weniger ein reell<br />
vorhandenes (alle Aktiven der Araucanen<br />
sprechen ein gut verständliches Deutsch)<br />
als soziales Phänomen ist. Wenn eben<br />
abends im Kabuff „Chucha la wea!“ ertönt,<br />
nützt es einem wenig um eine kurze Übersetzung<br />
zu bitten. Glücklicherweise brauchten<br />
wir uns nur ein wenig zu beschnuppern<br />
und nach wenigen Wochen fühlte ich mich<br />
bereits pudelwohl bei „meinen“ Chilenen.<br />
Auch die Sprachbarriere sollte nicht von<br />
Dauer sein, eine weibliche chilenische Bekanntschaft,<br />
die glücklicherweise kein<br />
Deutsch und wenig Englisch sprach, lehrte<br />
mich mehr Spanisch (Si po!), als es drei<br />
Wochen Spanischkurs wohl je vermocht<br />
hätten.<br />
Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />
Schnell wurde mir klar, daß hier in Chile das<br />
freie Wort wirklich noch gilt. Die Bandbreite<br />
vertretener politischer Meinungen in der<br />
Araucania war für mich faszinierend. Vom<br />
überzeugten Kommunisten bis zum beinharten<br />
Nationalisten waren alle Spektren<br />
politischer Meinungsbildung vertreten. Der<br />
Grundsatz, ein „Bund frei denkender Männer“<br />
zu sein, wird hier wirklich mit Inhalt gefüllt<br />
und bleibt keine Phrase. Davon überzeugt,<br />
als Stipendiat auch etwas für mein<br />
Stipendium tun zu müssen, begann ich bald<br />
mit der Vorbereitung und Durchführung<br />
mehrere Deutschkurse bei den verschiedenen<br />
Burschen- und Mädchenschaften hier<br />
in Chile. Die Lernbereitschaft und Wißbegierigkeit<br />
der Teilnehmer überraschte mich<br />
und ich hoffe, andere Stipendiaten nach<br />
mir werden diese fruchtbare Arbeit fortsetzen.<br />
Auch die Reiselust wurde gestillt, abseits<br />
ausgetretener „Gringo“-Pfade erkundete<br />
ich Argentinien, Paraguay und Bolivien. Besonders<br />
dankbar bin ich aber über drei<br />
großartig verbrachte Wochen im Süden auf<br />
dem Hof der Familie Marchant. Dort habe<br />
ich vielleicht mehr über Chile, seine Geschichte<br />
und seine Menschen gelernt, als es<br />
mir sonst möglich gewesen wäre.<br />
Ich scheide mit mehr als einem weinenden<br />
Auge und vielen guten Freunden im<br />
Gepäck.<br />
Viva Chile!<br />
Heil BCB!<br />
Jörg Sobo lew -<br />
ski<br />
(Gothia Berlin<br />
2010)<br />
X. Bielefelder Ideenwerkstatt zum Thema<br />
Energiewende<br />
„Die Energiewende – Jahrhundertprojekt<br />
zwischen Notwendigkeit, Hysterie und<br />
Machbarkeit“ lautet der Arbeitstitel der<br />
X. Bielefelder Ideenwerkstatt. Am Samstag,<br />
25. Oktober beleuchtete der ehemalige<br />
„ZDF-Wetterfrosch“ Dr. Wolfgang<br />
Thüne, der emeritierte Bielefelder Universitätsprofessor<br />
Dr. Joachim Radkau,<br />
Professor Dr. Lutz Hofmann von der Universität<br />
Hannover sowie Markus Brall das<br />
Themenfeld aus verschiedenen Blickwinkeln.<br />
Nach einer kurzen Einführung durch den Aktivensprecher,<br />
der vor allem auf<br />
(umwelt)rechtliche Probleme einging, startete<br />
Verbandsbruder Brall, Mitglied der Burschenschaft<br />
Normannia-Nibelungen zu Bielefeld,<br />
mit seinem Vortrag. Als Projektentwickler<br />
bei der EFI Wind GmbH begleitet er<br />
den Prozeß von der Planung bis zur Realisierung<br />
einer Windkraftanlage. Wie komplex<br />
die Errichtung einer Windkraftanlage in der<br />
Praxis ist, dürfte viele Zuhörer überrascht<br />
haben: Von den ersten Planungsschritten<br />
bis zur Fertigstellung dauert es mindestens<br />
vier Jahre. Doch nicht nur die Standortsuche,<br />
die baurechtlichen Vorgaben und die<br />
technische Umsetzung stellen große Herausforderungen<br />
dar – um die produzierte<br />
Energie auch dem Endkunden effektiv zur<br />
Verfügung stellen zu können, fehlen in<br />
Deutschland Stromtrassen. Zudem stammen<br />
viele Überlandleitungen zumeist noch<br />
aus den 1950er und 1960er Jahren. Zwar<br />
gibt es für die Windkraftanlagenbetreiber<br />
einen gesetzlichen Anspruch an den Anschluß<br />
an das Stromnetz – der kann jedoch<br />
auch mehrere Kilometer weit von der Anlage<br />
weg sein. Brall weist darauf hin, daß die<br />
politisch gewollte Energiewende ein<br />
Schnellschuß der Regierung war. Im Bereich<br />
der Energieversorgung habe die Politik 20<br />
Jahre Entwicklung verschlafen. Die Mehrkosten<br />
haben nun die Verbraucher zu tragen.<br />
Der Historiker Prof. Dr. Joachim Radkau referierte<br />
über die Kernenergie-Kontroverse<br />
und was man daraus beim Umgang mit der<br />
Energiewende lernen könne. Radkau, einst<br />
selbst Anhänger der Kernenergie, vermittelte<br />
einen geschichtlichen Blick auf die<br />
Bewertung der Kernenergie. So gab es in<br />
den 50er und 60er Jahren ein durchaus positives<br />
Bild in der Gesellschaft zur Kernkraft.<br />
Kritik daran kam komischerweise vor<br />
allem aus der RWE-Konzernspitze. Der<br />
emeritierte Professor der Universität Bielefeld<br />
beschrieb im folgenden, wie sich die<br />
gesellschaftlichen Positionen zur Atomkraft<br />
wandelten. Dabei gab Radkau den Teilnehmern<br />
auch einige amüsante Anekdoten<br />
zum besten. Er verwies aber darauf, daß<br />
bei der Energiepolitik – wie in jedem politischen<br />
Bereich – die jeweiligen Experten<br />
auch meist Lobbyisten für eine Sache sind.<br />
Dieses Problem gelte es zu beachten,<br />
früher wie heute. Denn auch die anscheinend<br />
objektive Wahrheit sei häufig Interessen-gebunden,<br />
des weiteren können sich<br />
auch „Wahrheiten“ als vergänglich<br />
erweisen. Anschließend folgte noch eine<br />
144 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />
kleine Diskussionsrunde, da Professor Dr.<br />
Radkau am Nachmittag bereits wieder abreisen<br />
mußte, bevor es in die Mittagspause<br />
ging.<br />
Der Meteorologe und ehemalige „ZDF-<br />
Wetterfrosch“ Dr. Wolfgang Thüne prangerte<br />
im dritten Vortrag des Tages die<br />
„Propheten im Kampf um den Klimathron“<br />
– so auch der Titel seines aktuellen Buches<br />
– an, die mit Ängsten um Geld und Macht<br />
kämpften. Aber: „Einen Meteorologen<br />
nach dem Klima zu fragen“, so Thüne, „ist<br />
wie einem Mediziner nach Gespenstern.“<br />
Dennoch gehe ein Geist um in Europa, der<br />
Geist des „Klimawandels“. Diese, an Marx<br />
angelehnte Zitat, verdeutliche jedoch den<br />
politischen Irrglaube, denn: „Das Klima<br />
gibt es nicht!“, so Thüne, der Mitglied in<br />
drei katholischen Studentenverbindungen<br />
ist. Und der Mensch könne es auch nicht<br />
(ver)ändern. Stattdessen würden Wetterdaten<br />
aus verschiedenen Epochen von<br />
selbsternannten Klimaexperten verglichen<br />
und daraus eine moralisierende Handlungsempfehlung<br />
für die Gegenwart abgeleitet.<br />
„Eine CO²-freie Welt wäre eine<br />
tote Welt!“, mahnt der Wissenschaftler<br />
Thüne. Ohne das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid<br />
gäbe es – wie ohne Licht und<br />
Wasser – kein Wachstum auf diesem Planeten.<br />
Professor Dr. Lutz Hofmann, Mitglied der<br />
Hannoverschen Burschenschaft Alt-Germania<br />
(NDB), referierte über die Herausforderungen<br />
und Lösungsansätze beim für die<br />
Energiewende notwendigen Netzausbau.<br />
In seinem technisch versierten Vortrag erläuterte<br />
er die Funktionsweise der Stromnetze<br />
sowie die technischen Anforderungen<br />
und Probleme beim Transport von<br />
Strom. So habe sich dessen Verteilungsstruktur<br />
geändert – nicht mehr nur von<br />
oben nach unten, sondern durch die Energiewende<br />
auch von unten nach oben, bei<br />
viel Wind und Sonne. Die neuen Energiequellen<br />
führten zu wachsenden Unsicherheiten<br />
im Stromnetz. So muß die Netzspannung<br />
stabil sein, bei einem großem Ausschlag<br />
nach oben oder unten drohe ein<br />
vollständiger Stromausfall (Blackout). Um<br />
dem entgegenzuwirken ist ein Netzausbau<br />
dringend notwendig. Dazu bedürfe es<br />
mehrerer zehntausend Kilometer neuer<br />
Stromtrassen. Dies ließe sich jedoch nicht<br />
von heute auf morgen ändern. Und so<br />
werde der Import und Export von Strom in<br />
Europa, auch auf Grund der Liberalisierung<br />
des Strommarktes, weiter zunehmen, um<br />
eine sichere Energieversorgung zu garantieren.<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Der emeritierte Professor Dr. Joachim Radkau – einst Anhänger der Kernenergie – sprach über die<br />
Geschichte der Kernenergie-Kontroverse.<br />
Zum Abschluß folgte noch eine Podiumsdiskussion.<br />
Dr. Thüne, Prof. Dr. Hofmann<br />
und Brall stellten sich den Fragen der rund<br />
50 Teilnehmer. Unter ihnen waren nicht nur<br />
eine Vielzahl Korporierter aus verschiedensten<br />
Verbindungen und Verbänden, die<br />
zum Teil aus ganz Norddeutschland anreisten,<br />
sondern mit dem Pressesprecher des<br />
Kernkraftwerkes Emsland auch ein externer<br />
Fachmann.<br />
Die X. Bielefelder Ideenwerkstatt konnte<br />
somit zu ihrem kleinen Jubiläum wieder alte<br />
und neue Gesichter auf das Haus in die<br />
Schloßhofstraße locken und mit fachkompetenten<br />
und sympathischen Referenten<br />
den politischen Anspruch der Burschenschaft<br />
verdeutlichen.<br />
Dirk Taphorn<br />
(Normannia-Nibelungen Bielefeld 2003/<br />
2004)<br />
Die korporierten Referenten Dr. Wolfgang Thüne, Marcus Brall und Professor Dr. Lutz Hofmann.<br />
Heft 4 - <strong>2014</strong> 145
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Rossinis Musik in revolutionären<br />
Geschehnissen des 19. Jahr hunderts<br />
Aber Politik und Theater sollten sich auch nahe berühren.<br />
Geschichte<br />
Von Bernd-Rüdiger Kern<br />
I. Einleitung<br />
Der Beitrag soll nicht Rossinis Verhältnis zu<br />
den zahlreichen Revolutionen oder revolutionären<br />
Ereignissen, die er erlebte, beleuchten.<br />
Vielmehr soll gezeigt werden, wie<br />
Rossinis Musik von Revolutionären eingesetzt<br />
wurde oder auch in Umbruchzeiten<br />
wirkte. Das bekannteste Beispiel dürfte die<br />
Umarbeitung der szenischen Kantate Il<br />
viaggio a Reims zur Oper Andremo a Parigi?<br />
sein, die 1848 am Théâtre Italien in Paris<br />
gespielt wurde. Die Reisegesellschaft<br />
will nicht zur Krönung nach Reims fahren,<br />
sondern selbstverständlich nach Paris auf<br />
die Barrikaden.<br />
Die im Folgenden mitgeteilten Funde sind<br />
sicherlich bei weitem nicht erschöpfend,<br />
sondern Früchte, die bei sonstigen Arbeiten<br />
zufällig abfielen. Dass alle drei Beispiele<br />
aus dem damaligen Deutschland stammen,<br />
ist gewiss auch nicht symptomatisch, sondern<br />
gleichfalls zufällig, wie schon im einleitenden<br />
Absatz aufgezeigt.<br />
II. Das Hambacher Fest<br />
Die ersten größeren politischen Unruhen<br />
im Deutschland des Vormärz gipfelten<br />
1832 im Hambacher Fest, das als verspäteter<br />
Nachfolger der französischen Julirevolution<br />
von 1830 angesehen werden kann und<br />
das dreißigtausend Teilnehmer auf dem<br />
Hambacher Schloß bei Neustadt in der<br />
Pfalz zusammenführte. Politische Reden<br />
wurden gehalten und immer wieder „die eigens<br />
zum Fest gedichteten Lieder gesungen“.<br />
Zu diesen Liedern gehörte Das deutsche<br />
Treibjagen („Fürsten, zum Land hinaus!“),<br />
das kurz vor dem Hambacher Fest<br />
entstanden war und dort jedenfalls gesungen<br />
wurde. Den Text mit seinen 23 Strophen<br />
verfaßte Hartwig Hundt-Radowsky<br />
nach Jakobinerart – „Ça ira, ça ira, les aristocrats<br />
à la lanterne“ – und veröffentlichte<br />
ihn 1832 in Straßburg. Auch nach dem<br />
Hambacher Fest blieb es in der Pfalz sehr<br />
populär, wurde aber auch von der im Untergrund<br />
wirkenden Burschenschaft gesungen,<br />
obgleich es von Anfang an unterdrückt<br />
wurde und das Absingen verboten<br />
war. Der Burschenschafter und Dichter Fritz<br />
Reuter sang in der Zeit die folgende Textvariante<br />
(2. Strophe): „Erst hängt den Kaiser<br />
Franz, | dann den im Siegerkranz | auf,<br />
auf, auf!“. Das führte zu einer Anklage wegen<br />
Majestätsbeleidigung. Da sich 1833<br />
beim Verhör eine „Erinnerungslücke“ einstellte,<br />
wurde die bereits verhängte Todesstrafe<br />
in eine 30-jährige Festungshaft umgewandelt.<br />
In Deutschland konnte das Lied<br />
daher legal nicht gedruckt werden, so daß<br />
sich nur wenige Flugblätter erhalten haben.<br />
Im Exil kam es allerdings zu einigen Veröffentlichungen.<br />
Heinrich Albert Oppermann<br />
veröffentlichte unter dem Pseudonym Hermann<br />
Forsch 1835 drei harmlose, unpolitische<br />
Strophen: „Das erste Lied, was man<br />
sang, war das bekannte Hambacher [..] Die<br />
ersten 37 Strophen müssen wir aus bekannten<br />
Gründen hier weglassen, dagegen wollen<br />
wir einige unschuldigere und nicht so<br />
derbe Verse hier hersetzen.“<br />
Zu weiteren politischen Ereignissen wurden<br />
neue Strophen hinzugedichtet, so etwa in<br />
der Revolution von 1848. In den Gesangsbüchern<br />
der studentischen Verbindungen<br />
tauchte das Lied ab 1858 nicht mehr auf,<br />
auch nicht in der „DDR“.<br />
Lange Zeit unklar war die Herkunft der<br />
Komposition, wobei die Lage noch dadurch<br />
zusätzlich erschwert wurde, daß es mehrere<br />
Gesangsfassungen gibt. 1998 jedenfalls<br />
wurde zur CD-Einspielung des Deutschen<br />
Volksliedarchivs noch vermerkt: „Mel.: Walzer<br />
unbek. Herkunft“. Dabei gab es bereits<br />
in der von Forsch zitierten Schrift eine vage<br />
Andeutung, hieß es doch an der mit Auslassungszeichen<br />
gekennzeichneten Stelle:<br />
„Davon wurde der erste Vers nach der feierlichen<br />
Melodie „god save the king“, der<br />
zweite aber nach der schnellfüßigen Hambacher,<br />
aus dem Figaro genommenen Weise<br />
gesungen.“ Um welchen Figaro es sich<br />
handelte, läßt sich schon aus einem durchaus<br />
nützlichen Hinweis im Straßburger<br />
Druck von 1832 erschließen: „Tonangabe:<br />
«Ha, bravo, Figaro!»“ Die Veröffentlichung<br />
von 1841 enthält für dieses Lied – anders<br />
als bei anderen dort aufgeführten Liedern –<br />
keine Angabe zur Melodie. Aufschluß gibt<br />
erst die Publikation derselben durch die<br />
Gebrüder Kröher, auch wenn der Vermerk<br />
dazu in die Irre führend und falsch ist: „Melodie:<br />
Volksweise“.<br />
Es handelt sich um einen Ausschnitt aus<br />
dem Quintett von Rossinis Il barbiere di Siviglia,<br />
was freilich nicht so leicht zu erkennen<br />
ist, da die Melodie nur in den Oberstimmen<br />
in der Stretta des Ensembles vorkommt.<br />
Mit diesem Ausschnitt erklärt sich auch<br />
die Verwendung dieser fröhlichen<br />
Buffa-Melodie für ein ernstes Lied.<br />
Zunächst könnte man an freiheitsnähere<br />
Rossinimelodien etwa aus Guillaume<br />
Tell oder Le Siège de Corinthe denken.<br />
Aber es wurde ein Walzer verwendet:<br />
„Kraftvoll und spöttisch“. Deutlich wird der<br />
Sinn bei der Lektüre der deutschen Übersetzung<br />
des Librettotextes: „Der Narr ist<br />
von Sinnen, der Narr ist von Sinnen, wir sind<br />
nun verstanden.“ Die Übernahme dieser<br />
Textstelle verschärft also die Majestätsbeleidigung<br />
des Textes noch einmal deutlich.<br />
Die ungeheure Popularität dieses Liedes in<br />
der Pfalz unterstreicht noch eine weitere<br />
Tatsache. 1832 erschien im Musikverlag<br />
Schott in Mainz ein „2ter Hambacher Favoritwalzer<br />
für das Piano Forte über ein<br />
Thema von G. Rossini“. Das verwendete<br />
Thema im „Trio“ ist das des Liedes.<br />
Über den Arrangeur des Liedes und den<br />
Komponisten des Walzers ist nichts zu ermitteln.<br />
146 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Geschichte<br />
III. Die Revolution von 1848/49<br />
In Breslau wurde im März 1848, in den ersten<br />
Tagen der Revolution, eine angekündigte<br />
Aufführung des Rossinischen Tell<br />
durch Verfügung des schlesischen Oberpräsidenten<br />
Wilhelm Felix Heinrich Magnus v.<br />
Wedell verboten. Grund dafür war, daß es<br />
im Vorfeld öffentliche Auseinandersetzungen<br />
während einer Versammlung gegeben<br />
hatte. Darüber hinaus traute die Regierung<br />
der ungewöhnlichen Ruhe am Faschingsdienstag<br />
nicht. Die lapidare Meldung der<br />
«Frankfurter Oberpostamts-Zeitung» lautete:<br />
„Durch eine Verfügung vom hiesigen<br />
königl. Polizei-Präsidium ist die für heute angekündigte<br />
Aufführung der Oper ‚Wilhelm<br />
Tell’ untersagt worden.“ An diesem Tag<br />
verbreitete sich in Breslau „das Gerücht, der<br />
bekannte Volksmann Graf Reichenbach<br />
würde im Theater erscheinen und eine Demonstrationsrede<br />
an das Publikum halten.<br />
Die ‚gefährliche‘ Oper mußte auf Befehl der<br />
Polizei in letzter Stunde abgesetzt werden<br />
und da eine andere Vorstellung in der Eile<br />
nicht möglich war, so fiel sie ganz aus.“<br />
Am 24. März 1848 wurde die Oper dann<br />
aber doch aufgeführt: „An dem Abend dieses<br />
Tages war das Breslauer Theater der<br />
Schauplatz einer seltenen Feier und eines<br />
Volks-Enthusiasmus, wie wir ihn seit 1813 in<br />
Breslau nicht gesehen haben.“ Mit diesen<br />
Worten beginnt der Bericht des Breslauer<br />
Kaufmanns Karl Friedrich Hempel<br />
(1789–1851) über die Geschehnisse. Im<br />
Folgenden beruft er sich auf eine nicht<br />
näher definierte Schilderung:<br />
„Es schien“, sagt ein Berichterstatter, „nicht<br />
ein Theater-Publikum sich versammelt zu<br />
haben, nicht Menschen, die gleichgültig<br />
und zufällig nebeneinander sitzen und da<br />
gekommen sind, um einige Stunden durch<br />
Sinnenreiz zu tödten. Nein! eine<br />
einzige große Familie war es,<br />
die sich versammelt hatte, um<br />
ein heiliges, für alle Glieder<br />
gleichen Antheil bietendes Fest<br />
zu feiern; die morschen Schranken<br />
der verschiedenen Stände<br />
schienen gefallen und alle wollten<br />
nur für einen Zweck für ein<br />
edles Gefühl sich einen. Ein<br />
Volksfest war es, dessen Sinn<br />
man nicht allein in der freudigen<br />
Stimmung erkannte, sondern<br />
auch in allen Äußerlichkeiten,<br />
wie die glänzenden Toiletten<br />
der Damen, geschmückt<br />
mit Bändern deutscher und des<br />
Landes Farben, das schönste<br />
Zeugniß gaben.“<br />
Das Theater selbst war festlich<br />
decorirt und erleuchtet; in der<br />
Mitte, der Bühne gegenüber,<br />
entfaltete sich mächtig das<br />
Banner Deutschland in seiner<br />
dreifarbigen Pracht. Als der<br />
Vorhang sich erhob, war auf<br />
der Bühne das sämtliche<br />
Opern-Personal im altdeutschen Costum<br />
und welches Fahnen deutscher Farben<br />
trug, in einem Halbkreis aufgestellt. (sic!)<br />
Herr Heese, ein junger talentvoller Schauspieler,<br />
als Genius der jungen deutschen<br />
Freiheit, trat vor und sprach, eine dreifarbige<br />
Fahne in der Hand, schön und erhebend<br />
den hierauf sich beziehenden Prolog<br />
von Lasker. Nachdem dieser mit dem allgemeinsten<br />
Beifall aufgenommen worden,<br />
sang Herr Rieger den Festgesang „Ich bin<br />
ein Deutscher, kennt ihr meine Farben“,<br />
ebenfalls von unserem Landsmann Lasker<br />
gedichtet. Das Publikum, förmlich electrisirt,<br />
sang im vollen Chor den Refrain mit<br />
und verlangte stürmisch die Wiederholung,<br />
die dann auch, gleichen Enthusiasmus erzeugend,<br />
erfolgte. Hierauf begann die<br />
Oper „Wilhelm Tell“, die von unserem<br />
peinlichen, engherzigen Ober-Präsidenten<br />
noch vor wenigen Tagen aufs strengste verboten<br />
worden und deren flammensprühende<br />
Musik ganz für die heutige Stimmung<br />
geeignet war. Nach dem ersten Akt<br />
stimmte die Versammlung zum dritten Mal<br />
den Laskerschen Festgesang an und nach<br />
dem zweiten Akt verlangte es die Marseillaise<br />
und beruhigte sich nicht eher, bis das<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Orchester nachgab und das französische<br />
Volkslied spielte. Letzteres wurde später<br />
von der gesamten Presse scharf getadelt.<br />
Aus anderen deutschen Städten sind keine<br />
derartigen Zwischenfälle überliefert. Das<br />
liegt nicht etwa daran, daß die Oper nicht<br />
gespielt wurde. Vielmehr gab es 1848 zahlreiche<br />
Aufführungen. In Frankfurt am Main<br />
etwa wurde die Oper am 30. März 1848 am<br />
Vorabend der Versammlungseröffnung in<br />
der Frankfurter Paulskirche im Stadttheater<br />
aufgeführt. Erst 1849 ging die Zahl der Aufführungen<br />
etwas zurück. Die Oper wurde<br />
aber zumindest an vier Hofopern gespielt.<br />
Aber auch außerhalb der Theater wurde<br />
Rossinis Musik 1848 für politische Zwecke<br />
eingesetzt, vermutlich weil seine Musik immer<br />
noch sehr populär war. Am 7. August<br />
1848 kam es im Orangeriehaus zu Bessungen<br />
bei Darmstadt zu einer „Großen musikalischen<br />
Aufführung zum Besten der deutschen<br />
Kriegsflotte“, zu dem der Melomanen-Verein<br />
einen Trinkchor – vermutlich aus<br />
Le Comte Ory – von Rossini beisteuerte.<br />
Damit wurde Rossinis beliebter, aber gänzlich<br />
unpolitischer Chor für eine eminent politische<br />
Sache vereinnahmt, handelte es<br />
sich doch um ein Benefizkonzert zugunsten<br />
der von der Frankfurter Nationalversammlung<br />
gewollten deutschen Kriegsmarine im<br />
Zusammenhang mit dem Schleswig-Holsteinischen<br />
Krieg (1848–1851).<br />
IV. Schluß<br />
Die wenigen, aber markanten Beispiele haben<br />
gezeigt, daß die Musik Rossinis und<br />
die Aufführungen seiner Opern durchaus<br />
geeignet waren, in revolutionären<br />
Zeiten als Brandbeschleuniger zu dienen.<br />
Das ist für die „gefährliche“ Oper „Wilhelm<br />
Tell“ leicht verständlich, „weil die Bezüge<br />
zur aktuellen politischen Situation so einfach<br />
hergestellt werden konnten“. Daß<br />
dazu aber nicht nur geeignete Stoffe und<br />
martialische Musikstücke dienten, verblüfft<br />
auf den ersten Blick, läßt sich aber aus dem<br />
spöttischen, ironischen Charakter leicht erklären.<br />
Auch wenn die Unruhen in Breslau<br />
nicht die Auswirkungen von Aubers La Muette<br />
de Portici hatten, die es immerhin zum<br />
Auslöser der belgischen Revolution<br />
brachte, so zeigt sich doch auch hier eindrücklich<br />
die gesellschaftliche und poli -<br />
tische Bedeutung von Musik im 19. Jahrhundert.<br />
Unser Autor Professor Dr. Bernd-Rüdiger Kern studierte Rechtswissenschaft<br />
an der Universität Heidelberg und war nach dem<br />
ersten juristischen Staatsexamen 1974 Assistent am Institut für<br />
Rechtsgeschichte an der Universität Berlin. Anschließende Tätigkeit<br />
als Referendar am Kammergericht Berlin und zweites Staatsexamen<br />
im Februar 1978. Danach Assistent bei Prof. Laufs in<br />
Heidelberg und Promotion im Jahre 1980 sowie Habilitation 1988<br />
in Tübingen. Von 1993 an Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches<br />
Recht, Rechtsgeschichte und Arztrecht der Universität Leipzig.<br />
Seit Oktober <strong>2014</strong> ist Professor Dr. Bernd-Rüdiger Kern emeritiert.<br />
Heft 4 - <strong>2014</strong> 147
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Interview mit Vbr. Maximilian Krauss<br />
Geschichte<br />
BBl: Die SPÖ möchte Sie ja, entgegen<br />
der gesetzlichen Regelungen, einfach<br />
nicht zulassen zu dem Amt, für welches<br />
sie vorgeschlagen wurden. Was meinen<br />
Sie, ist das Taktik oder Realitätsverweigerung?<br />
Krauss: Naja, wir haben im Wiener<br />
Schul system die Situation, daß alle Zahlen,<br />
die wir haben katastrophal sind. Wir sehen,<br />
daß ein Drittel aller 14- bis 15-Jährigen<br />
nach neun Jahren Schulbildung immer<br />
noch nicht sinnerfassend lesen und schreiben<br />
kann. Wir erleben, daß wir eine extrem<br />
hohe Rate an Schulabbrechern haben und<br />
daß auch von Denjenigen die in Wien eine<br />
Schule abschließen überdurchschnittlich<br />
viele in der Folge arbeitslos werden. Mehr<br />
als 10 Prozent aller Jugendlichen in Wien<br />
sind arbeitslos, was weit über dem Bundesschnitt<br />
in Österreich liegt. All das sind<br />
Dinge wofür die SPÖ mit ihrer Stadtschulratspräsidentin<br />
Brandsteidl Verantwortung<br />
trägt. Und hier wollen sie natürlich nicht,<br />
daß die FPÖ im Stadt schulrat Kontrolle ausüben<br />
kann. Denn sie könnte ja auf Schüler<br />
zugehen und weitere Missstände aufdecken<br />
und in der Folge auch die richtigen<br />
Problemlösungen durch direkte Gespräche<br />
mit den Schülern finden.<br />
Das Einzige was eigentlich gegen Sie vorgebracht<br />
wird, ist die Nazi-Keule und die<br />
beruht in ihrem Fall lediglich darauf, daß<br />
sie Burschenschafter sind. Jetzt wird die<br />
FPÖ deshalb natürlich nicht einknicken<br />
und einen anderen nominieren. In der BRD<br />
läuft so etwas jedoch anders. Dort hat zum<br />
Beispiel die CDU den Berliner Staats -<br />
sekretär Michael Büge, nach einer linken<br />
Hetzkampagne gegen ihn, hinausgeworfen<br />
weil er Burschenschafter ist. Wo sehen<br />
sie da die Unterschiede zwischen der Bundesrepublik<br />
und Österreich?<br />
Ich muß ganz ehrlich sagen, daß ich den konkreten<br />
Fall in der CDU jetzt nicht genau<br />
kenne. Ich weiß allerdings, daß es in der Bundesrepublik<br />
einen noch viel größeren Gegenwind<br />
gibt, wenn man in einer Studentenverbindung<br />
ist und daß es einem dort seitens<br />
der Medien und der linken Gesellschaft noch<br />
schwieriger gemacht werden soll. Ich bin allerdings<br />
froh, daß wir in Österreich die FPÖ<br />
haben, die es fördert, daß auch Farbenstudenten<br />
bei uns in Ämter kommen können<br />
und die hier nicht in die Knie geht, sondern<br />
die dafür steht, daß Burschenschafter und<br />
andere Couleurstudenten, so wie alle anderen<br />
Personen auch, öffentliche Ämter bekleiden<br />
und sie repräsentieren können. Ich sage<br />
ganz klar: Wir leben in einer Demokratie und<br />
da muß es möglich sein, auch als Burschenschafter<br />
ein Amt zum Beispiel im Stadtschulrat<br />
bekleiden zu können.<br />
Maximilian Krauss (21) ist Bezirksvorsitzender der<br />
FPÖ Wien-Josefstadt, Stellvertretender Bundesvorsitzender<br />
des Rings Freiheitlicher Jugend,<br />
sowie Aktivensprecher der Wiener akademischen<br />
Burschenschaft Aldania. Die FPÖ ist zweitstärkste<br />
Fraktion im Wiener Landtag und Gemeinderat. Als<br />
solche hat sie laut Landesverfassung das Vorschlagsrecht<br />
für das Amt des Stadtschulrats-Vizepräsidenten.<br />
Die SPÖ weigert sich jedoch Krauss<br />
anzugeloben und hat eine mediale Hetzkampagne<br />
gegen ihn angezettelt. Einen solchen Fall gab es<br />
bisher noch nicht. Die Freiheitlichen stehen zu<br />
Krauss und haben deshalb eine Verfassungsklage<br />
eingereicht.<br />
Sie sprechen ja diverse Probleme im<br />
Schulsystem, auch die heißen Eisen, ganz<br />
klar an. So möchten sie zum Beispiel die<br />
Anzahl an Schülern ohne ausreichende<br />
Deutschkenntnisse pro Klasse begrenzen.<br />
Da meinen jetzt viele das sei rassistisch.<br />
Was sagen sie dazu?<br />
Die Rassismus-Keule ist natürlich bei Linken<br />
beliebt wenn man als Patriot oder als konservativer,<br />
rechter Politiker Fehler aufzeigt,<br />
die die Linken verursacht haben. Wenn wir<br />
uns einmal das konkrete Problem ansehen,<br />
haben wir wie gesagt in Wien ein Bildungssystem,<br />
das überhaupt nicht funktioniert.<br />
Hier müßte man einmal anfangen, indem<br />
man sagt: Zuerst Deutsch, dann Schule! In<br />
den Schulunterricht sollte nur einsteigen<br />
dürfen, wer bereits Deutsch kann. Und das<br />
ist auch nicht rassistisch, denn so ein System<br />
wäre für alle von Vorteil. Sowohl für<br />
die Schüler die bereits Deutsch können, die<br />
autochthonen und die gut integrierten, als<br />
auch für die Schüler, die noch nicht Deutsch<br />
können und dann in einer verpflichtenden<br />
Deutsch-Lernklasse die Möglichkeit haben,<br />
das nachzuholen. Denn was passiert denn<br />
heute? Derzeit haben wir in sehr vielen<br />
Klassen die Situation, daß 50 bis 70 Prozent<br />
der Schüler dem Unterricht nicht folgen<br />
können, weil sie die Unterrichtssprache<br />
nicht verstehen. Die werden eine Weile<br />
lang mitgeschliffen, haben dann aber keinen<br />
Schulabschluß und werden arbeitslos.<br />
Das ist auch nicht zum Vorteil dieser Schülerinnen<br />
und Schüler. Außerdem sage ich,<br />
daß auch die autochthonen Schüler ein<br />
Recht darauf haben, ab der ersten Klasse<br />
gute Bildung zu genießen und nicht von<br />
denen, die dem Unterricht nicht folgen<br />
können, aufgehalten zu werden. Ich<br />
glaube, das wäre ein System, das für beide<br />
Gruppen am besten wäre und an dem ist<br />
nichts rassistisch. Das ist einfach ein Gebot<br />
der Stunde.<br />
Es gab vor kurzem einen Fall in einer islamischen<br />
Schule, bei dem ein Lehrer hinausgeworfen<br />
wurde, weil er Musik unterrichten<br />
wollte, was im Islam verboten ist.<br />
Es entstehen immer mehr islamische Privatschulen,<br />
aber auch der Islamunterricht<br />
an öffentlichen Lehranstalten wird immer<br />
mehr kritisch betrachtet, weil hier vermehrt<br />
fragwürdige Lehrinhalte auftauchen.<br />
Wie stehen sie dazu, ist es sinnvoll<br />
so etwas weiter zu fördern?<br />
Man muß einerseits zuerst einmal sagen,<br />
daß es im Islam auch gemäßigte Formen<br />
gibt und viele Muslime, die mit diesen radikalen<br />
Auswüchsen nichts zu tun haben. Andererseits<br />
erleben wir allerdings, daß es in<br />
Wien bereits 21 Kindergärten gibt, die unter<br />
salafistischem Einfluß stehen sollen. Wir<br />
erleben, daß in einer islamischen Schule ein<br />
Lehrer gefeuert wird, weil er den Musikunterricht<br />
durchführen will. Also das sind unfaßbare<br />
Zustände, die ich weder in Österreich,<br />
noch in der Bundesrepublik, noch<br />
sonst irgendwo in Europa dulden möchte.<br />
Hier sind alle Freiheitsparteien europaweit<br />
gefragt, um derartige Entwicklungen aufzuzeigen<br />
und ihnen massiv entgegenzutreten.<br />
Wir in Wien haben beispielsweise letzte<br />
Woche eine Kundgebung durchgeführt,<br />
bei der wir gegen eine radikale Imamschule<br />
demonstriert haben, die demnächst eröffnet<br />
werden soll. Durch unseren Druck, den<br />
wir auch auf die Straße gebracht haben, haben<br />
wir bereits erreicht, daß auch der<br />
Stadtschulrat sowie die SPÖ und die ÖVP<br />
bereits zu dieser Imamschule Nein sagen.<br />
Das ist ein Verdienst, den wir Freiheit lichen<br />
uns auf die Fahne heften können, denn<br />
ohne uns hätte diese Mißstände und dieses<br />
konkrete Problem sicherlich niemand aufgedeckt.<br />
Sie haben erwähnt, daß die Linken die<br />
Probleme, die sie selber geschaffen haben,<br />
im Schulsystem und generell in der<br />
Gesellschaft, totschweigen wollen. Auch<br />
die Lehrinhalte sind dahingehend oft<br />
ideologisch gefärbt. Es wird sogenannte<br />
Geschichtspolitik betrieben, generell<br />
wird im Deutschunterricht und in allen<br />
geisteswissenschaftlichen Fächern ein<br />
gewisses linkes Weltbild vermittelt.<br />
Ja, generell vertrete ich die Ansicht, daß<br />
politische Bildung, wenn sie in der Schule<br />
stattfindet, unparteiisch sein muß. Was wir<br />
allerdings erleben ist, daß sehr viele Lehrer<br />
auf Schüler direkten Einfluß nehmen. Ich<br />
148 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Geschichte / Leserbriefe / Personalien<br />
Leserbriefe<br />
Zu: Plädoyer für eine<br />
offensive Burschenschaft,<br />
Bbl 1+2/<strong>2014</strong><br />
Vorweg muß ich sagen, daß ich den Artikel<br />
mit außerordentlicher Begeisterung gelesen<br />
habe – er sprach mir aus dem Herzen.<br />
Bei bundesinterner Diskussion sind, wie<br />
Verbandsbruder Hoewer vorausgesehen<br />
hat, die Reaktionen durchaus sehr geteilt.<br />
Die einen stimmen der Idee, einer offensiveren<br />
Burschenschaft, voll und ganz zu, die<br />
anderen halten das für blinden Aktionismus.<br />
Der Hauptunterschied zwischen diesen<br />
beiden Ansichten, deren Vertreter sich<br />
quer auf Altherrenschaft und Aktivitas verteilen,<br />
liegt meinem Empfinden nach darin,<br />
daß die einen ihr Augenmerk vor allem auf<br />
die Zukunft des Einzelbundes richten, die<br />
anderen, zu denen ich gehöre, zusätzlich<br />
auf die Zukunft der burschenschaftlichen<br />
Bewegung, als ernstzunehmenden politischen<br />
Faktor. Man will den Bund und die<br />
Deutsche Burschenschaft nicht in die<br />
Schußlinie der veröffentlichten Meinung<br />
bringen. Ich hingegen meine erkannt zu haben,<br />
daß die burschenschaftliche Bewegung,<br />
ihrem Wesen nach, genau in dieser<br />
Schußlinie stehen muß.<br />
Weiter bin ich durchaus der Überzeugung,<br />
daß es der burschenschaftlichen Tradition<br />
entspricht, für die Dinge, die man als richtig<br />
erkannt hat, mit Leib und Seele einzustehen.<br />
Daß man für diese Dinge streiten muß,<br />
Personalien<br />
Erich Stadler zum<br />
75.Geburtstag<br />
Am 14. April <strong>2014</strong> vollendete Dipl.-Ing. Erich<br />
Stadler sein 75.Lebensjahr. Aktiv war er<br />
ab 1958 bei der Prager Burschenschaft Arminia,<br />
damals in München. Aktiv ist Erich<br />
Stadler inzwischen im sechsten Jahrzehnt.<br />
Regelmäßig nimmt er an den Veranstaltungen<br />
seiner Burschenschaften teil, kommt<br />
nach Bochum, nach Dresden zur Burschenschaft<br />
Cheruscia, deren Band er seit 1993<br />
habe sehr viele Fälle wo sich junge Menschen<br />
an uns Freiheitliche wenden oder<br />
auch an mich als Schüler-Ansprechpartner<br />
und erzählen, daß von ihren Lehrern Druck<br />
ausgeübt wird. Weil man sich in Diskussionen<br />
zur FPÖ bekennt, weil man sagt, daß es<br />
Mißstände gibt oder weil man eben einfach<br />
kein Linker ist. Das hier seitens der Lehrerschaft<br />
in vielen Fällen keine Unparteilichkeit<br />
gegeben ist, ist schon einmal die erste Unglaublichkeit.<br />
Der zweite Skandal, den ich<br />
hier sehe, ist, daß beispielsweise im Geschichtsunterricht<br />
in Österreich überlegt,<br />
und teilweise auch bereits praktiziert wird,<br />
nicht mehr über die Türkenkriege zu berichten,<br />
die es ja historisch gegeben hat 1529<br />
und 1683. Schon damals standen der radikale<br />
Islam und die Türken vor Wien und<br />
heute soll man nicht mehr davon sprechen<br />
dürfen, weil sich manche neue Mitbürger<br />
trägt, und nach Graz zur Burschenschaft Allemannia,<br />
die ihm 2007 ihr Band verlieh.<br />
Auch beim Burschentag ist Erich Stadler jedes<br />
Jahr als Sitzungsvertreter anzutreffen.<br />
Eine Auflistung der Ämter, die Erich Stadler<br />
innehatte, wäre lang.<br />
Der Austausch mit den jüngeren Generationen<br />
scheint Erich Stadler jung zu halten.<br />
Die zwei Wünsche des Menschen gehen<br />
bei Erich Stadler in Erfüllung: alt zu werden<br />
und dabei jung zu bleiben. Wir wünschen<br />
zahlreiche weitere „Aktivensemester“.<br />
Christian Oppermann<br />
(Arminia Bochum 1976, Libertas Aachen<br />
1987, )<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
davon beleidigt fühlen könnten. Ich sage<br />
das ist auch unglaublich und das darf<br />
nicht sein, denn Geschichte hat so unterrichtet<br />
zu werden wie sie war und nicht beschönigt<br />
zu werden, nur weil es manchen<br />
nicht paßt.<br />
Das Gespräch führte der Journalist Waffenbruder<br />
Georg Immanuel Nagel (Akad.<br />
Corps Posonia Wien)<br />
auch wenn die Gefahr besteht, daß die<br />
Deutsche Burschenschaft und der Einzelbund<br />
dabei geschädigt werden. Genau<br />
diese Opferbereitschaft ist doch grundlegend<br />
für uns Burschenschafter. Gerade<br />
auch vor 1848, wo heftigste Repressionen<br />
zwar die Bünde zerstören konnte, nicht<br />
aber den Geist dahinter. Das ist unsere<br />
heroische Zeit, von deren Geist allein wir<br />
zehren müssen. Genauso die Burschenschafter,<br />
die 1921 in Oberschlesien kämpften,<br />
ohne gerufen worden zu sein. Nur die<br />
innere Pflicht fühlend, die ihnen das Vaterland<br />
nicht abverlangte, welches im Gegenteil<br />
sogar versuchte sie an der Ausführung<br />
derselben zu hindern. Das sind die Mythen,<br />
die mich dazu bewegten Burschenschafter<br />
zu werden.<br />
Ein Hauptproblem bei der Durchführung,<br />
der im Artikel beschriebenen Aktionen, ist<br />
sicherlich die fehlende Struktur. Man müßte<br />
dazu einen Kreis innerhalb der Deutsche<br />
Burschenschaft bilden. Eventuell sollten<br />
auch Bünde die nicht in der Deutsche Burschenschaft<br />
sind beziehungsweise nicht in<br />
diesem Kreis mitarbeiten, einen Ansprechpartner<br />
haben, um zu melden, daß an ihrer<br />
Hochschule Aktionen gegen Burschenschaften<br />
geplant sind. Gerade darin sehe<br />
ich auch eine Perspektive, daß man, durch<br />
Aktionen an Hochschulorten mit ausgetretenen<br />
Bünden, diese eventuell wieder in<br />
Richtung Deutsche Burschenschaft bewegen<br />
könnte.<br />
Als Beispiel: Ich bin just nach Rostock gewechselt,<br />
dort gab es bei der feierlichen<br />
Immatrikulation in der Marienkirche ein<br />
AStA/Fachschafts/StuRa/Antifa-Aufgebot<br />
vorm Eingang der Kirche, welche mit Banneraufschriften<br />
wie „Gegen Burschis“ und<br />
„Für Vielfalt“ gegen „anti-emanzipatorisches<br />
Gedankengut“ protestierten. Vor<br />
dem Eingang der Marienkirche, chargieren<br />
zu diesem Anlaß traditionellerweise einige<br />
Rostocker Verbindungen. Dieses Jahr war<br />
wohl nur noch die Burschenschaft Obotritia<br />
vor Ort.<br />
Würde man nun die örtlichen Bünde durch<br />
Anwesenheit und Gegenaktionen unterstützten,<br />
würde das vielleicht positiv von<br />
diesen Bünden aufgenommen. Ob dem so<br />
wäre, müßte man natürlich vorher klären.<br />
Dabei würden, denke ich, zwei Dinge offenkundig:<br />
1. Kommt man durch DB-Austritt nicht aus<br />
der Schußlinie egalitärer Kräfte.<br />
2. Steht man mit der Deutsche Burschenschaft<br />
nicht alleine da.<br />
Der zweite Punkt ist eventuell auch interessant<br />
in Bezug auf das Argument einiger<br />
Verbandsbrüder, daß der Verband dem<br />
Bund zu wenig einbringe. Das bezieht sich<br />
häufig eher auf Angebote der Deutsche<br />
Burschenschaft. Wenn aber egalitäre Aktionen<br />
vor Ort anstehen und der Verband<br />
steht hinter den örtlichen Bünden, könnte<br />
das durchaus zur Entkräftung solcher Argumente<br />
führen.<br />
Kurzum: Ich und der ein oder andere Bundesbruder,<br />
wären sicher bereit, bei solchen<br />
Aktionen mitzutun. Und ich hoffe, daß es zu<br />
einer Bildung eines solchen Kreises kommen<br />
wird und wünsche darüber unterrichtet<br />
zu werden.<br />
Hannes Krünägel<br />
(Arkadia Mittweida zu Osnabrück 2013/<br />
<strong>2014</strong>)<br />
Heft 4 - <strong>2014</strong> 149
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Rezensionen<br />
Von Jena nach Brittnau<br />
Ein hervorragendes Zeitgemälde erbringt<br />
der Historiker Max Baumann mit seiner Biographie<br />
über Johann Jakob Baumann. Dieser<br />
wurde am 21. Oktober 1824 in Stilli geboren,<br />
besuchte die Kantonsschule in Aarau<br />
(offenbar ohne im KTV mitzumachen, dem<br />
damals einzigen Verein), um sich dann von<br />
dort an der berühmten Universität Jena am<br />
12. Mai 1846 zu immatrikulieren. Selbstverständlich<br />
interessiert den Studentenhistoriker<br />
besonders diese Zeit. nicht zuletzt, weil<br />
er dort aktiv bei der berühmten Burschenschaft<br />
Arminia auf dem Burgkeller wurde.<br />
Aktiv bei der Burschenschaft<br />
Arminia auf dem Burgkeller<br />
Doch ausgerechnet darüber erfahren wir in<br />
der ansonsten hervorragenden Biographie<br />
so gut wie nichts. Wie stand es damals um<br />
diese Verbindung? Wie war das Verhältnis<br />
der Schweizer zu ihren deutschen Bundesbrüdern?<br />
Hat er gefochten? Wo sonst Max<br />
Baumann eine perfekte Quellenarbeit leistet<br />
– in corporationsspezifischer Hinsicht stützt<br />
er sich auf einen Internetbeitrag, auf Günter<br />
Steigers Jena-Buch (Weimar 1989), sowie<br />
auf eine Magisterarbeit. Hat denn die Arminia<br />
kein Archiv? Wir erhalten keine Antwort.<br />
Drei Mal stützt sich der Autor auf Vermutungen:<br />
Vermutlich war Baumann mit Emil Welti<br />
aktiv. Vermutlich nahm er nicht am Marsch<br />
nach Weimar am 11. März 1848 teil. Und vermutlich<br />
hat er das Burschenleben so genossen,<br />
daß sein Studium darunter litt. Auf Seite<br />
53 zitiert der Biograph die Beiträge von Alfred<br />
Thullen im Lexikon der Deutsche Burschenschaft<br />
sowie in der SH 1993/Heft 17,<br />
Seiten 15 f. Gemäß Fußnote 35 auf Seite 53<br />
hatte er auch mit dem bekannten Studentenhistoriker<br />
Peter Kaupp, selber AH der Arminia,<br />
Kontakt. Warum fragte er ihn nicht<br />
wegen archivarischer Quellen?<br />
Davon daß der Student aus Stilli die Burschenzeit<br />
auskostete, zeugt die folgende,<br />
köstliche Episode: Baumann war seit 1849<br />
Vikar in Brittnau, einem Dorf vier Kilometer<br />
südwestlich von Zofingen. Im September<br />
1854 besuchte ihn der legendäre Burgkeller-Wirt<br />
Gottlieb Dietsch. Was wollte denn<br />
der in jenem Kaff? Dieser wollte das Geld<br />
für das in Jena konsumierte Bier eintreiben,<br />
Max Baumann: Kirche, Schule, Fürsorge.<br />
Das Leben und Wirken des<br />
Aargauer Pfarrers Johann Jakob<br />
Baumann (1824-1889), Verlag<br />
hier+jetzt Baden 2013, 183 S., ill.;<br />
ISBN 978-3-03919-268-7<br />
starb aber ausgerechnet an einer Cholera<br />
fern der Heimat: „Vikar Baumann mußte<br />
also seinem Wirt aus frohen Burschenschaftsjahren<br />
auf dem Friedhof in Brittnau<br />
begraben.“ Er soll dann auf seinem Grabstein<br />
die Inschrift erhalten haben: „Hier ruht<br />
Gottlieb Dietsch, Gastwirt aus Jena. Er war<br />
ein Gläubiger.“ Diese Geschichte werde<br />
heute noch bei jeder Stadtführung in Jena<br />
den Touristen erzählt. Die wahre Inschrift<br />
lautete freilich anders.<br />
Rezensionen<br />
Eine engagierte Persönlichkeit<br />
Nach vier Semestern kehrte Baumann in die<br />
Schweiz zurück und studierte im SS 1848 in<br />
Zürich und im WS 1848/49 in Tübingen. Einen<br />
universitären Abschluß machte er<br />
nicht, nur mit Ach und Krach ein theologisches<br />
Diplom vor dem Aargauer Kirchenrat.<br />
1850 begann er sein Erwerbsleben in Brittnau,<br />
einem Dorf fünf Kilometer südwestlich<br />
von Zofingen, ab 1855 bis zu seinem Tod<br />
1889 als Pfarrer. Als solcher engagierte er<br />
sich rastlos auf der Grundlage einer liberalaufgeklärten<br />
Theologie, was immer wieder<br />
zu Konflikten mit den Orthodoxen führte,<br />
vor allem in den Bereichen Sozial- und Bildungspolitik.<br />
Oft stand er den politischen<br />
Instanzen und Vereinen als Präsident vor.<br />
Politisch wandte er sich früh der demokratischen<br />
Bewegung zu, stand somit auf linksliberaler<br />
Seite. Maßgebend wirkte er als Verfassungsrat<br />
bei der Schaffung der neuen<br />
Kantonsverfassung von 1885 mit und war<br />
dann noch eine Legislaturperiode Großrat.<br />
Max Baumann zeichnet das Leben einer<br />
überragenden Persönlichkeit nach. Man ist<br />
fast geneigt die Behauptung aufzustellen,<br />
daß – hätte Baumann in Zürich gewirkt –<br />
seine Laufbahn noch spektakulärer verlaufen<br />
wäre. Aber er lebte eben in der Provinz.<br />
Es handelt nicht nur um eine schöne und<br />
fließend verfaßte, sondern geradezu spannende<br />
Biographie, welche die besten Noten<br />
verdient. Das Bestreben des Autors war<br />
es nicht, eine studentenhistorische Arbeit<br />
zu schreiben, aber herausgekommen ist,<br />
zumindest im ersten Drittel eine solche. Zu<br />
ergänzen sind hier die Schilderungen der<br />
damaligen akademischen Welt, welche der<br />
junge Aargauer erfuhr.<br />
Kleinere Mängel<br />
Fünf Mängel möchten wir nicht unerwähnt<br />
lassen. Erstens fehlen, wie oben festgestellt,<br />
präzisere Schilderungen des couleurstudentischen<br />
Lebens in Jena, auch in<br />
Zürich oder in Tübingen. Zweitens wäre<br />
eine Zeittafel kein Luxus gewesen, Drittens<br />
wäre ein Register, vor allem bei so vielen<br />
Baumanns, durchaus nützlich gewesen.<br />
Viertens muß das Fehlen eines Quellenund<br />
Literaturverzeichnis bekrittelt werden.<br />
Schließlich wäre ein Stammbaum nützlich<br />
gewesen. Dies vor allem im Hinblick auf die<br />
Auftraggeber der Biographie, nämlich die<br />
Geschwister Jagmetti. Ihre Großmutter war<br />
Helen, die zweitälteste Tochter von Baumann,<br />
die einen umfangreichen Rückblick<br />
auf ihren verehrten Vater verfaßte. Sie heiratete<br />
den Seidenfabrikanten Louis Jagmetti<br />
in Lyon und gebar zwei Kinder. Eines<br />
davon muß ein Sohn gewesen sein. Dieser<br />
zeugte Antoinette (verh. Habich), Riccardo,<br />
Carlo und Marco. Sie alle brachten es weit<br />
in ihrem Leben. Riccardo war Rechtsprofessor<br />
und Ständerat, Carlo einer der profiliertesten<br />
Diplomaten der Schweiz in der Gegenwart,<br />
und Marco Zürcher Oberrichter.<br />
Verbunden sind sie alle – und hier schließt<br />
sich der corporationsspezifische Kreis –<br />
durch ihre Mitgliedschaft in der Zofingia<br />
Zürich. Dennoch: Eine Biographie erster<br />
Klasse!<br />
Dr. Paul Ehinger<br />
(Zofingia Zürich)<br />
Die Fuxenstunde<br />
Dr. Bernhard Grün und Christoph Vogel,<br />
beide katholisch korporiert, haben unter<br />
dem Titel „Die Fuxenstunde“ ein Handbuch<br />
des Korporationsstudententums herausgegeben.<br />
Wie der Name andeutet, handelt<br />
es sich um ein pädagogisches Hilfsmittel<br />
für die Ausbildung und Bildung der jüngeren<br />
Bundesbrüder. Es eignet sich für jeden<br />
Bund und fügt sich in jeden Verband.<br />
Die Aufbereitung des „Lehrstoffs“ geschieht<br />
in kurzweiliger Form, ohne daß die<br />
Beteiligten Angst haben müßten, nochmals<br />
die harte Schulbank zu drücken. Selbst ein<br />
sattelfester Fuxmajor findet noch Anregungen;<br />
das Buch ist aber auch ein Nachschlagewerk<br />
für Inaktive und Alte Herren, die<br />
sich einen aktuellen Überblick über andere<br />
Verbände und hochschulpolitische Organisationen<br />
verschaffen wollen.<br />
Die Gliederung zerfällt in neun Kapitel – Organisatorisches,<br />
Fuxenstunden, Prinzipien,<br />
Hochschule, Studententum, Brauchtum,<br />
150 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Rezensionen<br />
Verbindung/Verband, Allgemeinbildung<br />
und Fuxenveranstaltungen. Zu jedem<br />
Thema gibt es Anregungen, Winke und<br />
Netzverweise. Das unterstützt die Gestaltung<br />
von Fuxenstunden, es hilft bei der die<br />
Einholung von Informationen über das korporative<br />
und politische Hochschulwesen,<br />
es erleichtert das Auffinden weiterführender<br />
Literatur sowie die Kontaktaufnahme zu<br />
anderen Organisationen. Fragenkataloge<br />
und Diskussionsvorschläge fördern die Beschäftigung<br />
mit den Themen.<br />
Zu bemängeln wäre, daß die Studientexte,<br />
die sich mit den „Prinzipien“ (d. h. Werten<br />
und Betätigungsfelder der Korporierten)<br />
beschäftigen, nicht für die „Fuxenstunde“<br />
bearbeitet, sondern im Originalton verschiedenen<br />
Verbandszeitschriften entnommen<br />
wurden. So bleiben dem Leser Sätze<br />
wie dieser nicht erspart: „Wir müssen den<br />
vielfarbigen Fächer der Ehre entfalten…<br />
Dann werden wir Corpsstudenten Wegbereiter<br />
eines neuen, ehrenhaften Studententums.“<br />
(S. 96). Dann fällt die dezidiert<br />
christliche Sichtweise einzelner Autoren<br />
auf, was wahrscheinlich der korporativen<br />
Bernhard Grün & Christoph Vogel<br />
Die Fuxenstunde – Handbuch des Korporationsstudententums.<br />
Federsee<br />
Verlag, Bad Buchau. 1. Auflage <strong>2014</strong>,<br />
ISBN-Nr. 978-3-925171-92-5<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Herkunft der Herausgeber geschuldet ist.<br />
Angesichts der allgemeinen Retirade des<br />
Christentums schadet das aber nicht. Die<br />
Auflistung der Verbände und Organisationen<br />
nach dem Konfessionsprinzip erscheint<br />
dagegen überholt; unpraktikabel ist, daß<br />
die erloschenen Gruppierungen untergemischt<br />
statt in gesonderter Rubrik behandelt<br />
sind.<br />
Ansonsten ist die „Fuxenstunde“ von Thematik<br />
und Vollständigkeit her nicht zu beanstanden.<br />
Soweit ein Stichwortverzeichnis<br />
fehlt, wäre das durch ein ausführlicheres Inhaltsverzeichnis<br />
leicht auszugleichen. Dann<br />
würde das Buch noch öfter zur Hand genommen<br />
als dies ohnehin der Fall sein wird.<br />
Vivant sequentes!<br />
Hans-Georg Balder<br />
(Frankonia Bonn)<br />
Hinweis: Das Buch „Die Fuxenstunde“<br />
kann über den DB-Materialverstand<br />
(Verlag Thomas Mayer-Steudte) bestellt<br />
werden.<br />
„Für eine neue Nation“ –<br />
ungare Gedanken eines<br />
Chefredakteurs<br />
Dieter Stein: Für eine neue Nation.<br />
Junge Freiheit Verlag Berlin <strong>2014</strong>, gebunden,<br />
272 Seiten, ISBN-13: 978-<br />
3929886436, 19,90 Euro.<br />
Gerade einmal 20 Jahre ist es her, als die<br />
Junge Freiheit (JF), damals noch ein relativ<br />
unbedeutendes Monatsblatt, das auf vielen<br />
Korporationshäusern bei Erscheinen regelrecht<br />
verschlungen wurde, dankenswerterweise<br />
die Strömungen der Konservativen<br />
Revolution in die heutige Zeit transponierte.<br />
Eine „moralischen Wende“, natürlich<br />
wertkonservativ verpackt, sollte sich<br />
endlich im politischen Diskurs der Bundesrepublik<br />
niederschlagen, so die damalige<br />
Blattlinie. Damit ging sie, inhaltlich maßgeblich<br />
durch ihren Chefredakteur Dieter<br />
Stein geprägt, konform mit dem politisch<br />
an den herrschenden Zuständen in der<br />
Bundesrepublik Deutschland und auch der<br />
Republik Österreich unzufriedenen Teil der<br />
burschenschaftlichen Bewegung. Kein<br />
Wunder also, daß damals auch prominente<br />
Burschenschafter Teil der Redaktion waren,<br />
sich JF-Leserkreise auf unseren Häusern<br />
trafen etc. Daß es nach dem inhaltlichen<br />
Niedergang der ehemals dezidiert konservativen<br />
WELT überhaupt noch etwas gibt,<br />
das aus dem Einheitsbrei der am Kiosk erhältlichen<br />
Zeitungen herausragt, verdankt<br />
man in der Tat Dieter Stein. Trotz aller Widrigkeiten,<br />
darunter Brandanschläge auf<br />
die Hausdruckerei, verantwortete er den<br />
bisherigen Erfolg der Jungen Freiheit, die<br />
heute wöchentlich rund 20.000 Leser mit<br />
Nachrichten versorgt. Unternehmerisch ist<br />
Stein, der passionierte Phaeton-Fahrer, unterstützt<br />
durch zahlreiche jahrelange Kleinund<br />
Kleinstspenden, stets auf der sicheren<br />
Seite gewesen: Sein Projekt „Junge Freiheit“<br />
hat er in den vergangenen Jahren<br />
durch eine stark frequentierte Internetseite,<br />
eine knappe Personalkostenkalkulation und<br />
einen Buchdienst geschickt im stark umkämpften<br />
Zeitungsmarkt positioniert.<br />
Nun scheint es Dieter Stein seit Jahren in<br />
die politische Mitte zu ziehen. Sein angeblicher<br />
Wunsch, einmal im ARD-Presseclub<br />
mitdiskutieren zu dürfen, ist in der konservativen<br />
Verlagsbranche vielzitiert. Damit<br />
dies einmal Realität wird, müssen verständlicherweise<br />
breitere Leserschaften gefunden<br />
– und gegebenenfalls alte konservative<br />
Leserschichten geopfert werden. Der<br />
Kreis der nationalkonservativen Leserschaft<br />
dürfte ohnehin überschaubar sein, so<br />
nimmt man im Gegensatz zu früheren Zeiten<br />
und nach dem Wegfall des Rheinischen<br />
Merkurs deutlich wahr, daß häufiger christliche<br />
Themen Eingang in die JF-Berichterstattung<br />
finden. Dagegen ist von der Konservativen<br />
Revolution nahezu nichts mehr<br />
zu lesen. Man mag es Dieter Stein nicht verübeln,<br />
setzt er doch gerne auf das stärkste<br />
Pferd: Anfang der 1990er Jahre traf er sich<br />
zum Zwecke des Ausbaus seiner Zeitung<br />
noch mit hochrangigen NPD-Vertretern,<br />
nach dem Erfolg der Republikaner berichtete<br />
seine ehemalige Schülerzeitung<br />
hauptsächlich über die Schönhuber-Partei,<br />
schwenkte ein wenig später um auf den<br />
Bund Freier Bürger. Und heute – durchaus<br />
verständlich – sekundiert die JF die AfD.<br />
Zugegebenermaßen überaus intensiv, so<br />
daß politische Beobachter unken, die JF sei<br />
das inoffizielle Lucke- und Henkel-Sprachrohr.<br />
Es ist seit jeher Tradition, daß Chefredakteure<br />
namhafter Leitmedien, die sich einen<br />
politischen Auftrag attestieren, von Zeit zu<br />
Zeit auch Bücher verfassen, um ihre Standpunkte<br />
zu definieren. Man erinnere sich<br />
beispielsweise an den kürzlich verstorbenen<br />
Frank Schirrmacher von der FAZ, der<br />
mit „Das Methusalem-Komplott“ oder „Minimum“<br />
das politische Establishment im<br />
Bereich der Feuilletons zumindest temporär<br />
aufwirbelte. Oder an Heribert Prantl<br />
von der SÜDDEUTSCHEN, der zu allerlei<br />
Themen fundierte Streitschriften publiziert<br />
– natürlich mit linksliberaler Färbung. Viel-<br />
Heft 4 - <strong>2014</strong> 151
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
leicht war es Wunsch von Dieter Stein, sich<br />
auf dem Weg zum Presseclub auch einmal<br />
mit einem eigenen Buch zu Wort zu melden.<br />
In Ermangelung einer grundsätzlichen<br />
Positionierung durch Beschäftigung mit einem<br />
einzelnen Thema ist sein Elaborat<br />
„Für eine Neue Nation“ lediglich eine Aneinanderreihung<br />
von Kurzartikeln, gelegentlich<br />
Aufmachern, aus seiner Jungen<br />
Freiheit. Wissenschaftliches Arbeiten<br />
scheint ihm, dem Studienabbrecher, aber<br />
unbekannt zu sein, Quellenhinweise sind<br />
eher dürftig gesät. Dagegen regiert der<br />
Konjunktiv.<br />
Und Stein verrät sich mehr oder weniger<br />
als prinzipienlos – oder wohlwollend unterstellt:<br />
Er ist zumindest nicht in der Lage ein<br />
kohärentes Gedankengebäude zu errichten,<br />
wirkt stark von Tagespolitik und Subjektivität<br />
beeinflußt. Er argumentiert aus<br />
dem Bauch heraus, nicht tiefsinnig und<br />
stringent. Ein Beispiel ist der titelgebende<br />
Aufsatz „Für eine Neue Nation“. In diesem<br />
kritisiert er die Deutsche Burschenschaft für<br />
ihre Definition des Volkstumsbezogenen<br />
Vaterlandsbegriffs. Versteht ihn offenbar<br />
aber nicht ansatzweise, meint, die Deutsche<br />
Burschenschaft könne „die Avantgarde<br />
für einen erneuerten Volkstumsbegriff<br />
sein, der eine neue deutsche Identität<br />
vorlebt und definiert, wie eine nationale Integration<br />
in Sprache, Kultur und Volk auch<br />
mit Einwanderern wirklich gelingen kann.“<br />
So spricht er beispielsweise von „Deutsch-<br />
Asiaten“, dokumentiert damit, daß noch<br />
nicht einmal politische Grundbegriffe nationalkonservativer<br />
Weltanschauung sitzen.<br />
Den Aufsatz nutzt er zudem auch für einen<br />
Rundumschlag gegen rechts im allgemeinen<br />
und gegen die Deutsche Burschenschaft<br />
im besonderen. So sähe er wohl<br />
gerne den Begriff des Liberalismus aus konservativer<br />
Sicht einer Neubewertung unterzogen,<br />
wirft wirklichen Denkern der Rechten<br />
wie Armin Mohler vor, zu hart gegen<br />
den Liberalismus polemisiert zu haben. Und<br />
bei der Kritik an unserem Verband läßt er<br />
die Katze aus dem Sack: Die DB habe keine<br />
klare Haltung zum NS-Widerstand, kritisiert<br />
er. Und da ist Stein unerbittlich, wie selbst<br />
Redakteure seines Blatts unverblümt zugeben<br />
und gerne versuchen, es als persönliche<br />
Marotte ihres Chefs abzutun. Die JF hat<br />
sich ja seit jeher der Glorifizierung des 20.<br />
Juli 1944 verschrieben. Der Verband dagegen<br />
hat sich im Jahr 2006, nach fast zweijähriger<br />
Auseinandersetzung mit dem<br />
Thema, eindeutig mehrdeutig zum NS-Widerstand<br />
geäußert, legte sich klugerweise<br />
auf keine Bewertung fest und gab jedem<br />
Burschenschafter die Möglichkeit, den Widerstand<br />
aus persönlicher Sicht zu bewerten.<br />
Ein Beispiel für gelungene Meinungsfreiheit!<br />
So schrieb damals (2006) Henning<br />
Roeder (Alemannia Stuttgart) in den <strong>Burschenschaftliche</strong>n<br />
<strong>Blätter</strong>n: „Als Vorsitzende<br />
Burschenschaft wünschen wir uns,<br />
daß die von unseren Urvätern immer geforderte<br />
Meinungsfreiheit auch bei einem<br />
solch kontroversen Thema in gegenseitigem<br />
Respekt anerkannt bleibt.“ Frei ist der<br />
Bursch ...<br />
Genau seit diesem DB-Beschluß ist die<br />
Junge Freiheit der Deutschen Burschenschaft<br />
äußerst kritisch eingestellt, das läßt<br />
sich akribisch nachweisen. Ein Zufall? Wer<br />
erklärtermaßen kein Stauffenberg-Freund<br />
ist, ist auch kein Stein-Freund, so einfach<br />
scheint die stein sche Logik zu funktionieren.<br />
Die DB-Kritik seitens der JF, wir erinnern<br />
uns, gipfelte im „Rossi-Skandal“: Ein<br />
Burschenschafter aus Saarbrücken verfaßte<br />
in der Jungen Freiheit unter Pseudonym<br />
Angriffe gegen die <strong>Burschenschaftliche</strong> Gemeinschaft.<br />
Als der wirkliche Verfasser bekannt<br />
wurde, gab der Burschenschafter aus<br />
Saarbrücken indes das burschenschaftliche<br />
Ehrenwort, nicht der anonyme Autor zu<br />
sein. Auf Veranlassung Steins – immerhin<br />
Gildenschafter, dem die korporierte Definition<br />
von Ehre nicht ungeläufig sein sollte –<br />
wurde dem Saarbrücker in einem Schreiben<br />
offiziell bescheinigt, daß dieser nicht hinter<br />
dem Pseudonym stecke. Pech für beide<br />
und einen ebenso involvierten Hamburger<br />
Waffenbruder war allerdings, daß die diesbezügliche<br />
Korrespondenz an den Tag kam<br />
und den Schwindel der drei offenlegte.<br />
Stein hatte zugelassen, daß sich ein aktiver<br />
Proponent der innerverbandlichen Scharmützel<br />
der Jungen Freiheit als Druckmittel<br />
bedienen konnte.<br />
Daß Freiheit bei Stein, immerhin ein zentraler<br />
Begriff des eigenen Zeitungstitels, heute<br />
nicht mehr allzu freiheitlich ausgelegt wird,<br />
haben auch zahlreiche frühere Wegbegleiter<br />
erfahren müssen: Das konservative Institut<br />
für Staatspolitik, der Verlag Antaios, so<br />
mancher langjährige JF-Autor, der es gewagt<br />
hat, bei unliebsamen anderen Zeitschriften<br />
zu publizieren, und auch so mancher<br />
Bund, dessen <strong>Burschenschaftliche</strong><br />
Abende im Terminkalender der JF heute<br />
einfach nicht mehr berücksichtigt werden,<br />
können ein Lied davon singen. Die weithin<br />
anerkannte „ZurZeit“, das österreichische<br />
Pendant zur Jungen Freiheit, wurde mit<br />
Hilfe dieser aus der Taufe gehoben. Das<br />
stark waffenstudentisch geprägte Blatt –<br />
mit einer ähnlich hohen Auflage wie der JF<br />
Rezensionen<br />
im zehnmal kleineren Österreich – vertritt<br />
eine dezidiert konservative Blattlinie. Die<br />
Gründungshilfe erachtet Stein heute als<br />
„peinlich“. Wer im konservativen Bereich<br />
nicht der stein schen JF-Linie folgt, einen<br />
anderen wertkonservativen Standpunkt einnimmt,<br />
wird als „peinlich“ oder sonstwie<br />
unwürdig abqualifiziert. Eine Sicht nicht<br />
unähnlich der eines Sektenführers, der nur<br />
seine Meinung für die einzig statthafte<br />
hält ...<br />
Und gerade im Hinblick auf seine Thesen<br />
scheint Stein Kritiker nicht gerne zu sehen.<br />
So löscht er gnadenlos Facebook-<br />
„Freunde“, selbst wenn diese verhaltene<br />
sachliche Kritik äußern und lediglich diskutieren<br />
möchten. Dies korrespondiert mit<br />
seiner Tätigkeit als Chefredakteur. Zu seinem<br />
Beitrag „Für eine Neue Nation“ auf<br />
sachliche Fehler hingewiesen, korrigiert er<br />
diese nicht nachträglich. Eine anfangs mit<br />
ihm abgesprochene Replik auf den Artikel,<br />
die ebenfalls in der JF erscheinen sollte,<br />
verhindert er sogar strikt. Der Autor Dr.<br />
Claus Wolfschlag stellte die lesenswerte<br />
Replik dann einfach ins Netz (http://clauswolfschlag.blog.com/2013/11/24/neueburschenschaft).<br />
Darin kommt Wolfschlag<br />
unter anderem zum Schluß: „Ein weiterer<br />
Problempunkt ist die Inkonsequenz der Argumentation.<br />
Häufig liest man in der “Jungen<br />
Freiheit”, daß sich die Kirchen nicht<br />
dem Zeitgeist anpassen dürften. Die Wahrung<br />
der Grundsätze hinsichtlich Homo-<br />
Ehe, Familie, Abtreibung oder Zölibat sei<br />
hier gefragt. Somit ist es aber widersprüchlich,<br />
von den nationalen Milieus, hier besonders<br />
den Burschenschaften, eine Aufweichung<br />
ihrer Grundsätze und eine Liberalisierung<br />
zu verlangen, gleichzeitig diese Liberalisierung<br />
für das christliche Spektrum<br />
abzulehnen.“<br />
Ein Widerspruch von vielen, der das Buch<br />
nicht wirklich lesenswert macht. Neue Impulse<br />
gibt es nicht, es sei denn, man<br />
möchte die Abkehr von bislang gepflegten<br />
nationalkonservativen Standpunkten<br />
als revolutionär bezeichnen. Oder einfach<br />
konstatiert: Die Revolution frißt ihre Kinder<br />
– auch im Zeitungsgewerbe. Dabei soll<br />
dies nicht als grundlegende JF-Kritik<br />
mißverstanden werden. Andere ihrer<br />
Autoren wie Verbandsbruder Michael<br />
Paulwitz (Normannia Heidelberg) oder<br />
Doris Neujahr sind wertkonservative Edelfedern,<br />
deren Beiträge eine in anderen<br />
Publi kationen kaum erreichte Qualität auf -<br />
weisen.<br />
Johann Hagus (Raczeks Breslau 2003)<br />
Die aktuelle Preisliste für eine Werbeanzeige in den <strong>Burschenschaftliche</strong>n <strong>Blätter</strong>n<br />
erhalten Sie bei der Schriftleitung oder dem Schatzmeister.<br />
152 Heft 4 - <strong>2014</strong>
Rezensionen<br />
Sieben Reiter<br />
Der Verlag Antaios erweitert sein Programm<br />
vom Kulturabbildenden zum Kulturschaffenden.<br />
Die „Edition Nordost“ besticht<br />
mit einer Reihe wichtiger belletristischer<br />
Schriften.<br />
Jean Raspails Werk Sept cavaliers quittèrent<br />
la ville au crépuscule par la porte de<br />
l’Ouest qui n’était plus gardée erscheint<br />
nun erstmals in deutscher Übersetzung: „Er<br />
erkennt, daß er nichts mehr ist und daß das,<br />
was er gewesen war, und das, dem er gedient<br />
hatte, von nun an nicht mehr existiert.“<br />
Wie eine nüchterne Bestandsaufnahme<br />
wirkt er, dieser Satz. Wie die Selbsterkenntnis<br />
eines Rechten. Er drückt die<br />
Realität in bedrückender Deutlichkeit aus<br />
und dennoch bedeutet er keine Aufgabe,<br />
keine Kapitulation vor dem Unvermeidlichen,<br />
sondern ist der Eingang der nötigen<br />
Aggressivität.<br />
Das alte und das neue Europa<br />
Jean Raspail zeichnet ein düsteres Europa.<br />
Nicht mehr das schöne, liebliche Bild der<br />
vom stiergestaltigen Zeus entführten Anmutigen,<br />
die einst die Welt betört und mit<br />
ungnädiger Grausamkeit untertan gemacht<br />
hat. Europa ist nunmehr ein Ort der Anarchie,<br />
des Bösen, der Unsitte, des Häßlichen.<br />
Sämtliche Ordnung nicht nur auf den<br />
Kopf gestellt, sondern nicht-existent. Drogen,<br />
Krankheiten, Verrohung: keiner widersteht.<br />
Es sind die Angst und die fette Trägheit<br />
der Zufriedenen, die den Nährboden<br />
für dieses für jeden Geist und jedes Pathos<br />
tödliche Klima schaffen.<br />
Es ist also ein Europa, wie wir es zunehmend<br />
selbst kennen. Die Grenzen verschwimmen.<br />
Schon die Namenswahl der<br />
Reiter mutet an, wie eine Reise durch das<br />
alte Europa: von Pickendorff, van Beck, Venier,<br />
Tankred, Bazin du Bourg, Abai, Wassili.<br />
„Leicht das Herz und die Seele frei, kalt funkelnd<br />
wie Kristall, gerüstet für das, was sie<br />
erwartete. Der Markgraf hatte befohlen –<br />
sie marschierten. So einfach war das“, beschreibt<br />
der Bischof Van Beck den Auszug<br />
der Sieben aus der Stadt.<br />
Die Stadt selbst: ein Trümmerhaufen. Allein<br />
der Markgraf, umgeben von den Treusten,<br />
residiert und herrscht in der Burg über<br />
nichts. Sein letzter Befehl: reitet, um Gottes<br />
willen, reitet und findet, was ihr sucht!<br />
Sucht das Warum! Diese Frage zu beantworten,<br />
ziehen die Sieben aus, wissend, auf<br />
ewig vom Markgrafen zu scheiden, ohne<br />
Aussicht auf Rückkehr. Und er ohne Aussicht<br />
auf Antwort.<br />
Zurück zur Stärke, zum Mut des<br />
Zuversichtlichen<br />
Sie ziehen durch das Land, dasselbe Bild<br />
überall vor Augen, ein Bild der Schande.<br />
Und unbändigen Haß. Und bald ist klar,<br />
daß jeder die grundlegende Frage selbst<br />
beantworten muß. Es gibt diesen einen<br />
Jean Raspail: Sieben Reiter verließen<br />
die Stadt. Edition Nordost 2013, 248<br />
Seiten, ISBN-13: 978-3-944422-01-5,<br />
22,00 Euro.<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Weg aus der Krise nicht. Intrige und<br />
Gefahr sind ständige Wegbegleiter. Es<br />
gilt nur nicht aufzugeben. Zwischenzeitlich<br />
schwindet die Gruppe. Sie schrumpft<br />
Mann um Mann in der Aussichtslosigkeit.<br />
Sie sucht ihren Weg vor der Verzweiflung.<br />
„Sie müssen aus ihren Dörfern heraus, die<br />
Waffe in der Hand, ihr Territorium ausdehnen,<br />
es mit eiserner Faust unterwerfen,<br />
nach dem Recht des Eroberers, ohne<br />
Gnade für die Feinde, zuallererst um der eigenen<br />
Leute willen, dann aus Treue zum<br />
Herrscher, aus freier Entscheidung, weil die<br />
Pflicht es verlangt – und für die Beute.“<br />
Zurück zur Stärke, zum Mut des Zuversichtlichen,<br />
zur Kühnheit des Freien. Das ist der<br />
Weg.<br />
Laßt Raspail in die Herzen!<br />
Zu zweit sind sie, von Pickendorff und Bazin<br />
du Bourg, angekommen an der Grenze, Sephareé.<br />
Und sie finden nicht das gesuchte.<br />
Und plötzlich: ein Treffen im überfüllten<br />
Zug. Bazin du Bourg verkauft Versicherungen,<br />
von Pickendorff schreibt. Sie sind jeder<br />
ein assimilierter Teil.<br />
„Auf der Schwelle zur Ewigkeit darf<br />
man wohl verzweifelt sein.“ Nein!, schreit<br />
Raspail. Kein Flehen zu Gott, keine Verzweiflung.<br />
„Ob Gott existiert oder nicht,<br />
man stöbert ihn nicht auf, um mit ihm<br />
einen Handel zu machen: Gib dich zu<br />
erkennen, tritt heraus aus dem Gewölk,<br />
es geht um meinen Glauben! Das gehört<br />
sich nicht. Das ist ohne Haltung, ohne<br />
Stolz.“ Wo ist der Stolz? Wie kann verändert<br />
werden, was uns mißfällt? Laßt Raspail<br />
in die Herzen. Auch wenn das Haß bedeutet.<br />
„Der Haß entfesselt Kräfte. Angesichts der<br />
Zeiten, die auf uns zukommen, kann ich Ihnen<br />
nur, mit allem Respekt, nahelegen, sich<br />
reichlich damit zu versehen.“<br />
Arndt Novak (Danubia München <strong>2014</strong>)<br />
Heft 4 - <strong>2014</strong> 153
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
Termine<br />
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Der Künstler Hubert Döring, bekannt<br />
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• Was ist Kunst?<br />
• Die gesellschaftliche Bedeutung der<br />
Kunst<br />
• Kunst und Propaganda<br />
• Die Instrumentalisierung von Kunst<br />
und Preisverleihungen<br />
Bei Interesse kontaktieren Sie bitte die<br />
Schriftleitung bzgl. der Kontaktdaten<br />
von Herrn Döring.<br />
Termine / Unsere Toten / Anschriften<br />
Unsere Toten<br />
✟<br />
Dipl.-Ing. Sebastin Ludwig (Suevia zu Coburg), verstorben zu Lichtenfels am 24. August <strong>2014</strong><br />
Dipl.-Ing. Erich Maschik (Suevia zu Coburg), Direktor.i. R., verstorben zu Heidelberg am<br />
14. September <strong>2014</strong><br />
Dr.-med. Robert Brauer (Hevellia Berlin), FA Urologie, verstorben zu Nürnberg am<br />
29. Juni <strong>2014</strong><br />
Diplom-Kaufmann Dr. rer. pol. Helmut Schirmer (Germania Köln 1954), Verwaltungs -<br />
direktor i. R., verstorben zu Moers am 12. September <strong>2014</strong><br />
Heinz Kurz (Thessalia Prag, Moldavia Wien), Redakteur, verstorben in Ostfildern am<br />
24. Oktober <strong>2014</strong><br />
Dr. Peter Katz (Allemannia München), Ltd. Veterinärdirektor a.D., verstorben in Rottenburg<br />
am 9. November <strong>2014</strong><br />
Dr. Walter Leitner (Allemannia München), Schlachthofdirektor a. D., verstorben in Pfarrkirchen<br />
am 10. November <strong>2014</strong><br />
Dr. phil. Eginhard Steiner (Allemannia Graz), Chemiker, verstorben in Graz am 28. April <strong>2014</strong><br />
Dipl.-Ing. Peter Sellner (Silesia Wien), verstorben zu Mondsee am 17. Oktober <strong>2014</strong><br />
Dipl.-Volkswirt Georg Wegscheider (Silesia Wien), verstorben zu Sieghartskirchen am<br />
5. Januar <strong>2014</strong><br />
Dipl.-Ing. Otto Eberhard (Silesia Wien), verstorben zu Feldkirch am 5. Juli 2013<br />
Wolfgang Riedler (Saravia Berlin), verstorben zu Hannover am 27. November <strong>2014</strong><br />
Anschriften der <strong>Burschenschaftliche</strong>n Amtsstellen<br />
1. Deutsche Burschschaft<br />
Vertreten durch die Vorsitzende Burschenschaft,<br />
siehe unter Herausgeber im Impressum.<br />
Verbandsobmann für Hochschul- und allgemeine Politik<br />
Patrick Koerner (Brixia Innsbruck),<br />
Innstrasse 18, A-6020 Innsbruck<br />
Telefon: +43 (0)650 3245591,<br />
E-Post: patrick_koerner@gmx.net<br />
Verbandsobmann für Nachwuchswerbung und Sport<br />
Fritz Hoewer (Germania Köln),<br />
Bayenthalgürtel 3, D-50968 Köln,<br />
Telefon: +49 (0)157 38836135,<br />
E-Post: jhoewer@web.de<br />
Beisitzer im Verbandsrat<br />
Dr. Wilhelm Haase (Saxo-Silesia Freiburg),<br />
Detmolder Straße 52 a, 33813 Oerlinghausen,<br />
Telefon: +49 (0)5202 5230,<br />
E-Post: herford@dr-haase.com<br />
Beisitzer im Verbandsrat<br />
Daniel Stock (Stauffia München),<br />
c/o Münchener Burschenschaft Stauffia,<br />
Stollbergstraße 16, D-80539 München,<br />
E-Post: daniel.stock@burschenschaft.de<br />
Schatzmeister<br />
Volker-Ralf Lange (ABB Raczeks Bonn),<br />
Drachenfelsstraße 35, D-53757 Sankt Augustin<br />
Telefon: +49 (0)171 7799000<br />
E-Post: v.r.lange@gmx.de<br />
Konto<br />
Deutsche Burschenschaft,<br />
Raiffeisenbank Sankt Augustin,<br />
IBAN: DE48 3706 9707 1007 0190 13,<br />
BIC: GENODED1SAM<br />
Vorsitzender des Rechtsausschusses<br />
der Deutschen Burschenschaft<br />
Christian Balzer (Rheinfranken Marburg),<br />
Barmer Straße 4, D-40545 Düsseldorf,<br />
Telefon: +49 (0)176 22365876,<br />
E-Post: rechtsausschuss@burschenschaft.de<br />
Referent für Medien- und Öffentlichkeitsarbeit<br />
Walter Tributsch (Teutonia Wien),<br />
Landstraßer Hauptstraße 4, A-1030 Wien,<br />
Telefon: +43 (0)676 7379745,<br />
E-Post: presse@burschenschaft.de<br />
2. Verband der Vereinigungen Alter Burschenschafter<br />
(VVAB)<br />
Vorort des VVAB: Vereinigung Alter Burschenschafter<br />
Oberösterreich zu Linz<br />
Vorsitzender: Arch. Dipl.-Ing. Paul-Ernst Huppert (Suevia<br />
Innsbruck, Arminia Czernowitz zu Linz),<br />
Tel. +43 (0)664 5528515,<br />
Kassenwart: Mag. Wolfgang Rochowanski (Oberöster -<br />
reicher Germanen zu Wien), Tel. +43 (0)650 7222332,<br />
Kanzleiadresse: Rechtsanwälte Klicnik Lang,<br />
Taubenmarkt 1 / Domgasse 22, A-4020 Linz<br />
Über die E-Post-Adresse vabooe@gmx.at werden alle<br />
Amtsträger des Vorortes parallel erreicht.<br />
3. Bund Chilenischer Burschenschaften (BCB)<br />
B! Vulkania zu Valdivia<br />
Los Manzanos 040, CL-5110665 – Valdivia, CHILE<br />
info@bcb.cl<br />
4. <strong>Burschenschaftliche</strong>r Verein für nationale<br />
Minderheiten<br />
Vorsitzender: Dr. Bruno Burchhart (Olympia Wien),<br />
A-9184 St. Jakob i. Ros. 130, Tel.: +43 (0)664 9163853,<br />
E-Post: burchhart@gmx.net<br />
5. Burschenschaftsdenkmalverein in Eisenach<br />
Vorsitzender: Dr. Marc Natusch (Cheruscia Dresden,<br />
Rheinfranken Marburg), Leiblweg 12, D-70192 Stuttgart,<br />
Tel. +49 / (0)711 82086679, Fax +49 (0)711 82086683, E-<br />
Post: post@marc-natusch.de<br />
6. Denkmalerhaltungsverein Eisenach e.V.<br />
Thomas Mayer-Steudte (Normannia Heidelberg),<br />
Auf dem Hundshövel 6, D-46446 Emmerich am Rhein,<br />
Telefon: +49 (0)172 2093255,<br />
E-Post: thomas.mayer-steudte@t-online.de<br />
7. Sonstige burschenschaftliche Amtsstellen<br />
Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung<br />
e.V.<br />
Vorsitzender: Dr. Klaus Oldenhage (Norddeutsche und<br />
Niedersachsen, Germania Trier), Bismarckstr. 9–11,<br />
D-56068 Koblenz, Tel. +49 (0)261 36256,<br />
E-Post: k.oldenhage@online.de<br />
1. Stellvertretender Vorsitzender und Schatzmeister:<br />
Hans-Jürgen Schlicher (Alemannia München, Germania Trier)<br />
Am Zieglerberg 10, D-92331 Lupburg-Degerndorf,<br />
Tel. +49 (0)9492 6168, Fax +49 / (0)9492 7449,<br />
E-Post: hans-juergen.schlicher@gmx.de,<br />
Bankverbindung: Gesellschaft für burschenschaftliche<br />
Geschichtsforschung e.V., BW-Bank Stuttgart,<br />
Konto-Nr.: 4 320 061, BLZ: 600 501 01,<br />
IBAN: DE37 6005 0101 0004 3200 61, BIC: SOLADEST600<br />
2. Stellvertretender Vorsitzender und Schriftenempfänger:<br />
Dr. Frank Grobe M.A. (Teutonia Aachen,<br />
Aachen-Dresdener B. Cheruscia),<br />
Dotzheimer Straße 56, 65197 Wiesbaden,<br />
Tel.: +49 (0)176 20123495,<br />
E-Post: frank.grobe@gmx.de<br />
8. Archiv und Bücherei der Deutschen Burschenschaft<br />
Dr. Dr. Harald Lönnecker (Normannia-Leipzig zu Marburg,<br />
Normannia Leipzig, Germania Kassel, Ghibellinia zu Prag<br />
in Saarbrücken EM, S! Normannia-Danzig Braunschweig<br />
EM)<br />
Bundesarchiv, Potsdamer Straße 1, D-56075 Koblenz,<br />
Tel. +49 (0)172 4255965,<br />
E-Post: archiv@burschenschaft.de<br />
154 Heft 4 - <strong>2014</strong>
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156 Heft 4 - <strong>2014</strong>