Burschenschaftliche Blätter 2014 - 4
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<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Gerichtsnotorisch wurde Jahns Urheberschaft<br />
durch das Urteil des Oberlandesgerichts<br />
Breslau vom 21. November 1833,<br />
durch das er zu einer zweijährigen Festungsstrafe<br />
verurteilt wurde. Im April hatten<br />
Heidelberger Burschenschafter den Frankfurter<br />
Wachensturm inszeniert, um eine<br />
deutsche Revolution mit dem Ziel eines einigen<br />
und freien Deutschland auszulösen.<br />
Nach dem Scheitern des Unternehmens<br />
galt es die „Demagogen“ und „Revolutionäre“<br />
dingfest zu machen. Jahn geriet in<br />
den Verfolgungsstrudel und zur Last gelegt<br />
wurde ihm die „Gründung der Burschenschaften<br />
auf den Universitäten Deutschlands“.<br />
Weiter hieß es, man habe unter seinen<br />
Papieren den Entwurf für eine Heidelberger<br />
Burschenschaft mit dem Titel „Über<br />
Ordnung und Einrichtungen der deutschen<br />
Burschenschaften“ gefunden. Außerdem<br />
habe Jahn mit dem Rektor der Berliner Universität,<br />
Johann Gottlieb Fichte, bereits<br />
1811 über die Gründung einer Burschenschaft<br />
gesprochen und verhandelt. Im gegenwärtigen<br />
Falle sei ihm zwar keine<br />
Schuld nachzuweisen, aber als geistiger Urheber<br />
der Burschenschaften sei Jahn sicherlich<br />
anzusprechen: „Wenn also auch<br />
aus einzelnen Briefen und Papieren von<br />
Mitgliedern der Burschenschaften Data zu<br />
entnehmen sind, daß Inkulpat [= Jahn, H.<br />
L.] sich für die Einführung und weitere Verbreitung<br />
der Burschenschaften auf den Universitäten<br />
Deutschlands interessiert und<br />
mit mehreren eifrigen Mitgliedern dieser<br />
Burschenschaften in Bekanntschaft gestanden,<br />
so ist dadurch noch nicht der Tatbestand<br />
eines begangenen Verbrechens gegen<br />
ihn festgestellt“. Dies gelte aber nur<br />
für den konkreten Heidelberger Fall, nicht<br />
für die vielen anderen Burschenschaften auf<br />
den deutschen Hochschulen, als deren geistiger<br />
Urheber Jahn gelten müsse.<br />
Jahn als geistiger Wegbereiter<br />
der Burschenschaft<br />
Jahn war einer der geistigen Väter jener<br />
Studentenbewegung, die als Burschenschaft<br />
im 19. Jahrhundert Geschichte<br />
machte. Über den von ihm mitgegründeten<br />
Berliner Deutschen Bund wirkten Jahn,<br />
Friesen und andere maßgeblich auf die<br />
Studenten ein. Besonders in Jena, wo viele<br />
Hochschüler im gerade vergangenen Krieg<br />
mitgekämpft hatten, war man empfänglich<br />
für ihre Ideen. Hier entstand im Winter<br />
1814/15 eine „Wehrschaft“, eine Art akademischer<br />
Landsturm, der eifrig körperliche<br />
Übungen trieb und auch eine Turnanstalt<br />
unterhielt. Als aus ihren Reihen am 12.<br />
Juni 1815 die erste Burschenschaft hervorging,<br />
stützte sich ihre Konstitution auf eine<br />
Ausarbeitung der Studenten Johann Carl<br />
Heinrichs und Wilhelm Peter Kaffenberger.<br />
Sie hatten Jahns Ratschläge nicht nur beachtet,<br />
sondern teilweise sogar wortwörtlich<br />
übernommen. Der Anteil und die Anteilnahme<br />
Jahns ist auch daran zu ermessen,<br />
daß er 1816 seine Lieblingsschüler<br />
Eduard Dürre und Hans Ferdinand Massmann<br />
nach Jena sandte, um nicht nur als<br />
Vorturner den neuen Turnplatz einzu -<br />
richten und das Turnen zu leiten, sondern<br />
auch um in der „noch auf schwachen<br />
Füßen stehenden ‚Burschenschaft‘ tätig zu<br />
sein“.<br />
Schwerpunkt<br />
Das Wartburgfest von 1817, das erste<br />
deutsche überregionale Nationalfest überhaupt,<br />
richtete die Jenaer Burschenschaft<br />
aus. Dürre propagierte es bereits 1816 als<br />
ersten Schritt zur Einigung der deutschen<br />
Studenten, der Wissen und Leistung kumulierenden<br />
künftigen Akademiker. Gedacht<br />
war dabei an eine Vorwegnahme<br />
der deutschen Einheit in Freiheit, denn<br />
wenn die künftige Elite – Rechtsanwälte<br />
und Richter, Ärzte, Pfarrer, Lehrer und Professoren<br />
– ein einiges und freies Deutschland<br />
erstrebte, konnte sich diesem Ansinnen<br />
niemand ernsthaft widersetzen. Jahn<br />
hatte Dürre bestärkt, auch wenn sich<br />
Massmann später die Idee zum Fest zuschrieb.<br />
Dürre schrieb dazu: „Gleich viel,<br />
wer den Gedanken zuerst gehabt, er ist<br />
nur die Folge des Einheitsstrebens, das in<br />
Jahn so lebhaft wirkte und von ihm sich auf<br />
seine Schüler übertrug.“ Der Burschenschafter<br />
Heinrich Leo behauptete sogar,<br />
der Gedanke des Festes sei nicht in Jena<br />
entstanden, sondern in Jahns Umfeld in<br />
Berlin.<br />
Auf dem Wartburgfest wurde Jahns gedacht.<br />
Beim Festmahl brachte man ein<br />
Hoch aus auf die „Lehrer der deutschen Jugend:<br />
Arndt, Friesen und Jahn“ und ehrte<br />
Jahn besonders durch eines auf „die löbliche<br />
Turnkunst und ihren Meister“. Schriften<br />
der Jahn-Gegner Franz Daniel Friedrich<br />
Wadzeck und Wilhelm Scheerer „und aller<br />
anderen schreibenden, schreienden und<br />
schweigenden Feinden der löblichen Turnkunst“<br />
wurden auf dem Wartenberg bei Eisenach<br />
zusammen mit anderen burschen-<br />
In der Aula der Friedrich-Schiller-Universität in Jena hängt das Bild „Aufbruch der Jenenser Studenten in den Freiheitskrieg 1813“, gemalt von Ferdinand Hodler.<br />
124 Heft 4 - <strong>2014</strong>