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Burschenschaftliche Blätter 2014 - 4

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<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Das Mensurwesen heute<br />

Schwerpunkt<br />

Von Wilhelm E. Nordmeier<br />

„Die Mensur gehört zur burschenschaftlichen<br />

Tradition wie die Blume zu einem<br />

frisch gezapften Bier“, so erklärte es mir<br />

ein Alter Herr in meiner Fuxenzeit. Diese<br />

Metapher ist relativ platt ausgedrückt, jedoch<br />

schon von erster Zeit unserer Gründungsväter<br />

an, war die Mensur ein immanent<br />

wichtiger Teil des burschenschaftlichen<br />

Lebens und ist es auch noch heute.<br />

Die Mensur hat sich über die Zeit verändert,<br />

das ist bekannt und soll hier nicht näher erörtert<br />

werden, im Blickpunkt steht das Mensurwesen<br />

heute. Ein Mitglied des Verbandes<br />

der Fechtmeister (VdF) erzählte mir vor ein<br />

paar Jahren, daß heutzutage fast annähernd<br />

so viele Mensuren gefochten werden wie in<br />

den 1960ern, der einzige Unterschied dazu<br />

ist jedoch, daß weniger Paukanten diese Leistung<br />

vollbringen. Diese These habe ich<br />

über die vergangenen zehn Jahre verfolgt<br />

und muß meinem damaligen Gesprächspartner<br />

recht geben. Als junger Bursch erlebte<br />

ich wenig Verbands- und Waffenbrüder,<br />

die über eine zweistellige Partienanzahlen<br />

verfügten. Heutzutage ist es keine Seltenheit,<br />

mehr solcher Paukanten anzutreffen.<br />

Meines Wissens existierte im Jahre 2000 nur<br />

ein Verbandsbruder in der DB, der über 20<br />

ziehende Partien nach dem Krieg aufzuweisen<br />

hatte – heute sind es meines Kenntnisstandes<br />

nach schon fünf und einige aktive<br />

Fechter stehen kurz davor. Abzuwarten ist<br />

jetzt, ob die Einführung von Bachelor und<br />

Master diesem Trend ein Ende setzen kann,<br />

da die jungen Studenten in diesem System<br />

weniger Zeit haben.<br />

Auffallend ist auch, daß immer mehr junge<br />

Alte Herren zur Klinge greifen und noch auf<br />

Mensur stehen. Persönlich war zu meiner<br />

Aktivenzeit ein Mensuren schlagender AH<br />

eine echte Seltenheit. Heute gibt es unzählige<br />

Beispiele von jungen Philistern, die<br />

noch diverse Partien nach der Philistrierung<br />

geschlagen haben. Meist sind diese jungen<br />

Philister auch hochmensurige Fechter, wie<br />

ich es an meinem eigenen Werdegang<br />

selbst sehen kann. Woher dieser neue<br />

Trend stammt, weiß ich nicht; aber ich vermute,<br />

daß der Grund darin zu finden ist,<br />

daß viele Altaktive bei den schwindenden<br />

Mitgliederzahlen der Bünde auch öfters<br />

noch zum Einpauken der jungen Bundesbrüder<br />

gebeten werden und so den „normalen“<br />

Absprung nicht geschafft haben.<br />

Rückkehr zu alten Comments<br />

Ein weiterer Trend ist in den letzten Jahren<br />

ebenso zu beobachten, denn neuerdings<br />

werden auch wieder Partien auf ausgestorbenen<br />

Comments gefochten. So wurden<br />

zum Beispiel in den letzten zwei Jahren<br />

eine Partie auf dem<br />

originalen Königsberger<br />

Comment<br />

gefochten, eine auf<br />

den Vorkriegscomment<br />

Marburgs und<br />

zwei Partien auf<br />

dem Breslauer<br />

Schlägerbrauch.<br />

Geplant ist ebenso<br />

eine Partie auf dem<br />

alten Prager Comment<br />

von 1875. Die<br />

Hauptschwierigkeit<br />

stellt sich jedoch<br />

meist schon in der<br />

Auffindung des<br />

Comments selber<br />

dar. So war die Suche<br />

nach dem Breslauer<br />

Comment verbunden<br />

mit vielen<br />

epostalischen Anfragen<br />

bei diversen<br />

Archiven deutschlandweit.<br />

Die einzig<br />

erhaltene Version<br />

war nur noch im<br />

Bundesarchiv zu finden<br />

und wurde von<br />

Verbandsbrunder<br />

Lönnecker dankenswerterweise<br />

den<br />

Vbr. Nordmeier beim Höhenausgleich vor seiner 20. Mensur.<br />

Paukanten in Kopie zur Verfügung gestellt.<br />

Ebenso ist es schwierig einen ausgestorbenen<br />

Comment auszulegen, ihn mit Leben<br />

zu erfüllen, da meist die Zeitzeugen nicht<br />

mehr dazu in der Lage sind, so daß auf erfahrene<br />

Fechtmeister zurückgegriffen werden<br />

muß. Nichtsdestotrotz ist schön zu sehen,<br />

daß die jungen Aktiven der alten Vergangenheit<br />

wieder neuen Lebensodem<br />

einhauchen und somit ein wichtiges Stück<br />

burschenschaft licher Geschichte vor dem<br />

Vergessen bewahren.<br />

Als Fechtbeauftragter der Deutschen Burschenschaft<br />

habe ich damit begonnen, ein<br />

offizielles Commentarchiv in Dateiform aufzubauen,<br />

da immer wieder Fragen und Bitten<br />

an mich nach ortsfremden Comments<br />

herangetragen wurden. Dank der Mithilfe<br />

einiger engagierter Verbandsbrüder<br />

konnte so eine beachtliche Sammlung erstellt<br />

werden, die auch das Fundament der<br />

zukünftigen dachverbands-übergreifenden<br />

Commentsammlung der Arbeitsgemeinschaft<br />

Andernach der mensurbeflissenen<br />

Verbände (AGA) sein wird. Diese Sammlung<br />

enthält neben aktuellen Fechtcomments<br />

auch die Vorkriegscomments Breslaus,<br />

Königsbergs, Marburgs und Prags. Für<br />

jede weitere Zusendung aktueller und auch<br />

alter Comments ist der Fechtbeauftragte<br />

immer dankbar.<br />

Nichtsdestotrotz müssen sich in der heutigen<br />

Zeit viele schlagende Bünde verstärkt<br />

Kritik gefallen lassen, daß sie mit der Mensur<br />

archaischen Ritualen nachgehen würden.<br />

Gerade auf antifaschistischen Internetportalen<br />

der linksradikalen Szene wird<br />

hierüber in maßloser Art und Weise gehetzt.<br />

Sicherlich ist die Mensur ein Relikt einer<br />

längst vergangenen Epoche, das ist unbestreitbar.<br />

Jedoch ist dieses Relikt, das ich<br />

eher als Artefakt bezeichnen möchte, mehr<br />

denn je aktuell. Nicht nur, daß die Mensur<br />

Entschlußkraft, Schneid und Selbstbeherrschung<br />

fordert und fördert, sie ist unbestreitbar<br />

eines der besten Integrationsinstrumente<br />

einer Verbindung.<br />

Die nächsten Jahre und Jahrzehnte werden<br />

zeigen, welchen Weg die Mensur und mit<br />

ihr die Paukanten einschlagen werden. Aus<br />

heutiger Sicht kann ich nur attestieren, daß<br />

der in den letzten Jahren beschrittene Weg<br />

nicht der schlechteste ist.<br />

Wilhelm E. Nordmeier<br />

(Ghibellinia-Leipzig Hannover, Germania<br />

Leipzig, Raczeks Breslau zu Bonn)<br />

120 Heft 4 - <strong>2014</strong>

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