18.01.2016 Aufrufe

Burschenschaftliche Blätter 2014 - 4

  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Schwerpunkt<br />

Das kraftzerrende Wandern durch die Alpen bereitet dennoch Freude.<br />

Regelung ist der gerade im hochalpinen<br />

Gelände besonders geforderte Sicherheits -<br />

aspekt. Dies bedeutet wiederum, daß das<br />

Team bestens aufeinander abgestimmt<br />

sein und miteinander harmonieren muß –<br />

denn das Team ist nur gemeinsam stark. An<br />

Moral und Motivation mangelte es uns<br />

nicht und in den folgenden Tagen peitschten<br />

wir uns gegenseitig nach vorne. Unsere<br />

Ausgangsposition war mehr als verheißungsvoll.<br />

Auch bei der 2. und 3.<br />

Etappe landeten wir am Ende Vorne und<br />

erreichten inmitten der starken internationalen<br />

Phalanx jeweils als sechstes Team das<br />

Ziel. Ob das wohl gut geht?<br />

Die Losung nach der 4. Etappe:<br />

Einfach nur ankommen!<br />

Bereits der vierte Tag holte uns auf dem<br />

Boden der Tatsachen zurück. Die Etappe<br />

von Prettau über die 2.600 Meter hohe<br />

Bretterscharte bis nach Sand in Taufers mit<br />

knapp 2.000 Höhenmetern im Aufstieg und<br />

rund 2.400 Höhenmetern im Abstieg läutete<br />

den Wendepunkt ein. Nach dem Gipfel<br />

streikten meine Knie. Statt zügig bergab<br />

zu rennen konnte ich nur noch gehen. Jeder<br />

Schritt schmerzte. Wir verloren wertvolle<br />

Minuten und erreichten am Ende als<br />

17. Team das Ziel. Die Moral war im Keller.<br />

Doch es half nichts, es mußte ja irgendwie<br />

weiter gehen! Regeneration, Massage, Behandlung<br />

durch den Physio, Knieverband<br />

mit rosafarbenem Tape, Kompressionsstrümpfe.<br />

Jetzt wurden alle Register gezogen!<br />

Als äußeres Zeichen dessen: bei der<br />

nun folgenden 5. Etappe – ein Bergsprint<br />

über 1.000 Höhenmeter – gingen wir mit<br />

Stöcken an den Start, um uns auch mit den<br />

Armen nach oben zu schieben und so die<br />

Gelenke zu schonen.<br />

Unser Plan schien aufzugehen. Bei der 6.<br />

Etappe, wieder knapp 40 Kilometer mit<br />

über 2.000 Höhenmetern im Auf-und Abstieg<br />

– bissen wir nochmal kräftig auf die<br />

Zähne. Immer mehr Teams hatten in der<br />

vergangen Tagen aufgeben müssen. Sogar<br />

das bis dato in Führung liegende Team aus<br />

Schweden schied aufgrund einer Verletzung<br />

aus dem Rennen. Doch wir wollten<br />

den Transalpin Run auf jedem Fall schaffen<br />

und einfach nur noch ankommen! Nach einem<br />

heftigen Schlußanstieg über 1.400<br />

Höhenmetern hoch auf den Kronplatz<br />

folgte ein langes Bergabstück, das den<br />

Knochen wieder sehr zusetzte. Total erschöpft<br />

erreichten an diesem Tag das Ziel<br />

in St. Vigil. Wieder liefen wir als sechstes<br />

Team ein. Das erhoffte Comeback? Jetzt<br />

waren es noch zwei Etappen und 74 Kilometer<br />

bis zum Ziel.<br />

<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Im Wettstreit Alpen vs. Mensch<br />

siegte letztlich Mutter Natur<br />

Doch trotz aller Willensstärke und gegenseitiger<br />

Motivation war es letztlich die Natur,<br />

die mir zeigte, wo die Grenzen verliefen.<br />

Ausgerechnet die vorletzte von insgesamt<br />

acht Etappen war es, die mich verletzungsbedingt<br />

zum Aufgeben zwang. Nach<br />

mehr als 230 Kilometern und knapp 10.000<br />

Höhenmetern in sechs Tagen war Schluß.<br />

Die Knie streikten, der rechte Oberschenkel<br />

war gezerrt. Laufen war nicht mehr möglich,<br />

nur noch ein gebrechliches Gehumpel. Mit<br />

Sport hatte dies nichts mehr zu tun. Jetzt<br />

eine langwierige Verletzung riskieren? Das<br />

kann es nicht wert sein, sagte mir die Vernunft.<br />

Ich ließ meinen Teampartner ziehen.<br />

Das herrliche Panorama der Dolomiten –<br />

ich konnte es an diesem Tag nur aus der<br />

passiven Zuschauerperspektive genießen.<br />

Im sportlichen Wettstreit Alpen vs. Mensch<br />

siegte letztlich Mutter Natur. Und dies hatte<br />

wohl seine Richtigkeit.<br />

Geteiltes Leid gleich halbes<br />

Leid – geteilte Freude gleich<br />

doppelte Freude<br />

Mit diesem Schicksal war ich nicht alleine.<br />

Von 100 Männerteams in der Hauptkategorie<br />

erreichten am Ende gerade mal 49<br />

Teams zu zweit das Ziel in Sexten in Südtirol.<br />

Mein Teampartner lief auch bei der<br />

letzten 8. Etappe außerhalb der offiziellen<br />

Wertung weiter, um in Sexten die ersehnte<br />

Finisher-Medaille zu bekommen und diese<br />

stellvertretend für uns beide entgegenzunehmen.<br />

Oben an den berühmten Drei<br />

Zinnen der Dolomiten – ich war mit dem<br />

Begleitfahrzeugt vorgefahren und hatten<br />

die letzten Kilometer bis zum Paß als Wanderer<br />

zurückgelegt – feuerte ich meinen<br />

Teampartner lautstark an und motivierte<br />

auch alle weiteren Läufer, die diesen allerletzten<br />

Anstieg zu bezwingen hatten. Die<br />

Sonne strahlte. Nach etlichen Tagen im<br />

Regen und allen Widrigkeiten auf der<br />

Strecke wurden die Läufer heute für Ihre<br />

Strapazen entschädigt. Ich freut mich für<br />

jeden Einzelnen, der es bis hierhin geschafft<br />

und nun nur noch die wenigen Kilometer<br />

bergab bis nach Sexten zu laufen<br />

hatte.<br />

Und ich war nicht alleine. Weitere „Versehrte“<br />

waren extra nach oben gewandert,<br />

taten es mir gleich und gemeinsam<br />

peitschten wir die gesund gebliebenen<br />

Läufer des 10. Gore-Tex Transalpin Run<br />

nach vorne. Wir freuten uns gemeinsam<br />

mit ihnen über ihr geglücktes Abenteuer,<br />

das auch das unsrige war. Hier war geteilte<br />

Freude gleich doppelte Freude. Und<br />

neben der Erkenntnis, daß der Körper<br />

keine Maschine ist und die eigene Gesundheit<br />

vor dem sportlichen Erfolg zu<br />

stehen hat, war es im Nachhinein vor allem<br />

diese emotionale Erfahrung, die den<br />

Transalpin Run im Nachhinein für mich zu<br />

einem ganz besonderen Erlebnis gemacht<br />

hat.<br />

Matthias Müller<br />

(Dresdensia-Rugia Geißen 2005, Raczeks<br />

Breslau zu Bonn 2008)<br />

Heft 4 - <strong>2014</strong> 115

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!