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Burschenschaftliche Blätter 2014 - 4

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<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />

Einheit und Freiheit – Vorgeschichte und Entwicklung<br />

der Grundrechte in Deutschland seit<br />

Beginn des 19. Jahrhunderts<br />

Von Helma Brunck<br />

Ideengeschichtliche Wurzeln der Grundund<br />

Freiheitsrechte gehen zurück auf Ansätze<br />

dazu bei den Philosophen der griechischen<br />

und römischen Antike, so bei<br />

der Stoa und bei den Sophisten. Auch<br />

Platon (427-347 v. Chr.), Aristoteles<br />

(384–322 v. Chr.) und der bedeutende römische<br />

Staatsmann, Redner und Publizist<br />

Cicero (106–43 v. Chr.) haben sich mit<br />

den Grundrechten auseinandergesetzt.<br />

Bekanntestes Beispiel aus dem Mittelalter<br />

ist die englische „Magna Charta (libertatum)“,<br />

die „Große Urkunde der<br />

Freiheiten“ vom 15. Juni 1215, eine verfassungsähnliche<br />

Urkunde zur Wiederbelebung<br />

und Erweiterung älteren Rechts<br />

und zur Sicherung des Feudalsystems gegen<br />

Übergriffe des Königtums, wobei<br />

das Recht auf Leben und Eigentum im<br />

Mittelpunkt stand. Sogenannte staatlich<br />

verbriefte Rechte für jeden Menschen<br />

bzw. für jeden Staatsbürger wurden jedoch<br />

erst im Zeitalter der Aufklärung thematisiert<br />

und gemeinsam mit dem bürgerlichen<br />

Verfassungsstaat der Moderne<br />

entwickelt.<br />

Seit dem 17. Jahrhundert wurde das<br />

neuzeitliche Naturrecht zu einem entscheidenden<br />

Kernpunkt innerhalb der Rechtsentwicklung.<br />

Im Zeitalter der Aufklärung<br />

fanden Gelehrte, schwerpunktmäßig aus<br />

West- und Mitteleuropa, ein breites Forum<br />

für ihre Interpretation zu den Grundfrei -<br />

heiten des Menschen sowie zu den Grundrechten.<br />

So erhob, nachdem bereits<br />

Erasmus von Rotterdam (1466–1536) die<br />

Willensfreiheit des Menschen als Urgrund<br />

humaner Kultur definiert hatte, der niederländische<br />

Jurist, Diplomat und Publizist<br />

Hugo Grotius (1583–1645) neben dem Naturrecht<br />

das Völkerrecht (ius gentium) zum<br />

Hauptprinzip der Menschheit. In seinem<br />

Hauptwerk „De jure belli ac pacis“ von<br />

1625 legte er die rechtlichen Grundlagen<br />

der internationalen Beziehungen und sogar<br />

legitime Kriegsgründe fest, forderte aber<br />

auch zur Toleranz aller positiven Religionen<br />

auf. Neben dem Niederländer Hugo Grotius<br />

waren vor allem zwei Engländer Protagonisten<br />

der Freiheitsrechte: Thomas Hobbes<br />

(1588–1679), zu dessen bekanntesten<br />

Werken der „Leviathan“ (1651) gehört, sowie<br />

John Locke (1632–1704) mit seinem<br />

staatsphilosophischen Hauptwerk „Two<br />

treatises of government“ (1690). In Lockes<br />

Lebenszeit fielen die 1689 verkündeten<br />

Dinghofer-Symposium 2013 aus der Veranstaltungsreihe „Res Publica“:<br />

„Die Verfassung im Wandel der Zeit“ und zur Verleihung der Franz-Dinghofer-<br />

Medaille am 18. Oktober 2013 in Wien. Podium v. links: Professor Dr. Christian<br />

Neschwara, Hans Achatz, Dr. Helma Brunck<br />

Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/Mike Ranz<br />

„Bill of Rights“. Hauptsächliche Punkte waren<br />

die Eigentums- und Freiheitsgarantie<br />

durch den Staat. Unter den Franzosen<br />

zeichneten sich während der Zeit der Aufklärung<br />

insbesondere Montesquieu<br />

(1689–1755) und Voltaire (1694–1778) in<br />

der Diskussion um die Grundrechte aus.<br />

Montesquieu sprach vor allem die Grundbedürfnisse<br />

des Menschen an, darunter das<br />

Bedürfnis nach freier Entfaltung der Persönlichkeit<br />

und nach der Freiheit der Person,<br />

die auch Voltaire in seinen Werken betonte.<br />

Der Schweizer Jean Jaques Rousseau<br />

(1712–1778) wurde mit seiner Forderung<br />

nach Volkssouveränität zum Protagonisten<br />

moderner Demokratien. Berühmtes Zitat<br />

aus seinem Werk „Gesellschaftsvertrag“,<br />

Buch I, Kap. 1.1: „Der Mensch ist frei geboren,<br />

und überall liegt er in Ketten“. Von<br />

deutscher Seite aus wurde besonders<br />

durch Immanuel Kant (1724–1804) der moderne<br />

Staatsbegriff definiert. In seinen<br />

staatstheoretischen Werken gab Kant zu<br />

verstehen, daß vor allem die Vernunft die<br />

oberste Hüterin der menschlichen Freiheit<br />

sei. Gegen Ende des Ancien régime, ausgelöst<br />

durch den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg,<br />

besiegelt durch die Unabhängigkeitserklärung<br />

der befreiten nordamerikanischen<br />

Staaten vom 4. Juli 1776<br />

und die Virginia Bill of Rights, verabschiedet<br />

am 12. Juni 1776 als erste katalogisierte<br />

Aufstellung von Menschenrechten in<br />

die verbindliche Form des positiven Rechts<br />

gegossen, folgte 1787 die Unionsver -<br />

fassung, hervorgegangen aus freiheitlichen<br />

Überlieferungen puritanischer Sekten und<br />

aus der Aufklärungsphilosophie des 18.<br />

Jahrhunderts, die durch nachträgliche Zusatzartikel<br />

im Jahr 1791 um eine Menschenrechtserklärung<br />

erweitert wurde. Durch die<br />

Französische Revolution bekamen die Menschenrechte<br />

auch in Europa eine größere<br />

Bedeutung. Die Diskussion um die Menschenrechte<br />

zog sich durch alle gesellschaftlichen<br />

Schichten hindurch. In der das<br />

egalitäre Prinzip der Demokratie unterstreichenden<br />

französischen Verfassung von<br />

1791 wurden in Artikel 1 diese Rechte definiert<br />

als „Freiheit“, „Eigentum“, „Sicherheit“<br />

und „Widerstand gegen unterdrückende<br />

Maßnahmen“.<br />

In Deutschland entwickelten sich während<br />

der Phase des Konstitutionalismus‘ der<br />

Neuzeit die Grundrechte erst langsam. Verantwortlich<br />

dafür war das frühe deutsche<br />

Naturrecht der Neuzeit. Samuel von Pufendorf<br />

(1632–1694) hatte erstmals die Idee einer<br />

natürlichen Freiheit des Menschen im<br />

deutschen Naturrecht behandelt. Ausgangspunkt<br />

Pufendorfs war der Mensch im<br />

130 Heft 4 - <strong>2014</strong>

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