Burschenschaftliche Blätter 2014 - 4
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<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Aus dem burschenschaftlichen Leben<br />
Die Zukunft des deutschen Konservatismus<br />
Anläßlich des Gedenkwochenendes „100 Jahre Langemarck“ hielt Farbenbruder<br />
David Steinmann (Erfurter Wingolf Georgia), Student der katholischen Theologie und<br />
Philosophie, auf der abendlichen Festkneipe folgende Rede:<br />
Lange habe ich überlegt, welchen Einstieg<br />
ich für die heutige Festrede wählen<br />
soll. Das Thema „Zukunft des deutschen<br />
Konservatismus“ ist so mannigfaltig und<br />
könnte so ausladend sein, es ist so umfangreich<br />
wie es letztlich unklar ist.<br />
Scheinbar sind die Begriffe alle klar. Links<br />
– Rechts. Konservativ – Progressiv.<br />
Scheinbar, da man leicht ins Straucheln<br />
gerät, wenn man denn Begriffen klare Inhalte<br />
zuweisen möchte, die so und nur so<br />
diesen politischen Unterscheidungstermini<br />
inhärent sind.<br />
Lange also habe ich nach einen passenden<br />
Einstieg für die heutige Festrede gesucht.<br />
Vor einigen Wochen sah ich in der Reihe<br />
„37 Grad“ einen Beitrag zur deutschen<br />
Massentierhaltung. Einige Großbetriebe –<br />
um es gleich vorweg zu nehmen: nicht die<br />
schlechtesten –, die sich auf Hähnchen-, Puten-,<br />
und Schweinemast, auf Tierverarbeitung<br />
im Allgemeinen spezialisiert haben,<br />
wurden so gut es im Rahmen einer solchen<br />
Sendung möglich ist, vorgestellt. Angefangen<br />
von der Produktion der Tiere – abertausende<br />
von Küken allein in einem Betrieb<br />
pro Tag –, über deren Aufzucht bis schließlich<br />
zur Schlachtung. Die gezeigten Großbetriebe<br />
waren sauber, die medizinische<br />
Versorgung der Tiere streng nach Vorschrift.<br />
Alles eben funktional. Und dennoch<br />
intendierte der Beitrag Unbehagen: eine<br />
absolute Effizienz bei der Verwertung tierischen<br />
Lebens, die selbst blaues Licht und<br />
Panflötenmusik bei Transport und Schlachtung<br />
einschließt, um die Tiere vor ihrem<br />
letzten Gang zu beruhigen.<br />
Für mich war es beklemmend zu sehen, wie<br />
die Schlachttiere auf Förderbändern in eine<br />
Vergasungsetage gefahren und betäubt,<br />
anschließen aufgehängt und an einem<br />
Schlachtermesser, das ihren Hals aufschlitzte,<br />
vorbei gefahren wurden, damit<br />
die Tiere schlußendlich verbluteten. Eine<br />
industrielle Vernichtung von Leben. Dieser<br />
ebenso umfangreiche Themenkreis soll<br />
aber nicht Gegenstand des heutigen<br />
Abends sein.<br />
Bei strömendem Regen erwiesen die Verbandsbrüder den Gefallenen und Verstorbenen die letzte Ehre.<br />
Schlachthof gen Mekka<br />
Was ebenso beklemmend für mich gewesen<br />
war, ist die Tatsache, daß die gezeigten<br />
Schlachtanlagen – so der Kommentator<br />
– nach Mekka ausgerichtet seien. Neben<br />
dem Schlachtermesser prangte eine von<br />
einem Imam zertifizierte Tafel mit der Aufschrift<br />
„Allahu Akbar“ – „Gott ist groß“<br />
oder „Gott ist am größten“ – jene oft verwendete<br />
Glaubensformel moslemischer<br />
Gebete, besonders bekannt durch den<br />
vom Muezzin ausgerufenen „Adhan“. Der<br />
lakonische Kommentar des 37-Grad<br />
Beitrages: um auch den muslimischen<br />
Konsumenten den Verzehr des Fleisches<br />
zu ermöglichen. Ob auch bei der<br />
Schweineschlachterei im Geiste deutschen,<br />
vorauseilenden Gehorsams ein<br />
solches Schild angebracht worden war, ist<br />
mir nicht mehr erinnerlich. Für möglich<br />
halte ich es im heutigen Deutschland allemal.<br />
Vor einigen Jahren schwappte eine Welle<br />
der Entrüstung über dieses unser Land, weil<br />
in öffentlichen Gebäuden, in Schulen und<br />
Gerichten immer noch zahlreiche Kruzifixe<br />
zu sehen waren und in einer aufgeklärten,<br />
Religion zur Privatsache erklärenden Gesellschaft,<br />
in einem Religionsfreiheit garantierenden<br />
Staat, der zur Einhaltung strikter<br />
Neutralität in Glaubensdingen aufgerufen<br />
sei, dies nicht hingenommen werden<br />
könne. Selbst mehrere Gerichte haben sich<br />
mit dieser Angelegenheit zu befassen gehabt.<br />
Ich habe nach dem 37-Grad-Beitrag aufmerksam<br />
verfolgt, ob es zu einem medialen<br />
Sturm der Entrüstung gekommen ist. Die<br />
Vermutung liegt nahe, daß ein neben der<br />
Schlachtanlage hängendes christliches<br />
Glaubenssymbol für Aufregung gesorgt<br />
hätte. So aber: Fehlanzeige. Sicherlich liegt<br />
der Fall ein wenig anders: jene Schlachtereien<br />
sind keine öffentliche Gebäude, sondern<br />
private Betriebe. Daß aber die deutsche<br />
Fleischindustrie des Absatzes wegen<br />
sich religiösen Speisevorschriften unterwirft,<br />
halte ich für beachtenswert.<br />
Beachtenswert und bedenklich finde ich<br />
nicht den religiösen Kontext. Mir persönlich<br />
als gläubigen Katholiken ist es egal, ob<br />
mein Hähnchen auf seiner letzten Fahrt in<br />
Sichtweite arabischen Schrift zu Tode gekommen<br />
ist oder nicht. Das hat für mich<br />
keine Bedeutung.<br />
Beachtenswert und persönlich bedenklich<br />
finde ich, daß sich dieses Land, in dem ich<br />
groß geworden bin, spürbar gewandelt<br />
hat. Es hat sich so sehr geändert, daß es bei<br />
mir nur mehr Beklemmung auslöst – letztlich<br />
nur ein Achselzucken – daß Schlachtanlagen<br />
nach Mekka ausgerichtet sind, daß in<br />
einigen Kantinen in diesem Land der Rücksichtnahme<br />
wegen auf Schweinefleischgerichte<br />
verzichtet wird. Ein Achselzucken nur,<br />
weil all dies vorherzusehen war. Wer aufmerksam<br />
die Entwicklung der letzten Jahre<br />
verfolgt hat, den kann dergleichen nicht<br />
mehr überraschen.<br />
Die Zukunft des Konservatismus<br />
Es soll in dieser Festrede nicht um den Islam<br />
und seine Auswirkungen auf unser<br />
Land gehen. Das Schlachtanlagenbeispiel<br />
eignet sich nur hervorragend zum Einstieg<br />
in unser Thema. Es soll am heutigen Abend<br />
um den Konservatismus und seine Zukunft<br />
gehen. Um die Zukunft des Konservatismus<br />
in Deutschland. Dazu ist es nötig, sich zu<br />
vergegenwärtigen, was mit dem Begriff des<br />
Konservatismus überhaupt gemeint sein<br />
soll.<br />
Die Begriffe „links“ und „rechts“, die heute<br />
immer noch gerne bemüht werden und die<br />
auf die Sitzungsordnung im parlamentarischen<br />
System zurückzuführen sind, bieten<br />
140 Heft 4 - <strong>2014</strong>