Burschenschaftliche Blätter 2014 - 4
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<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Rezensionen<br />
Von Jena nach Brittnau<br />
Ein hervorragendes Zeitgemälde erbringt<br />
der Historiker Max Baumann mit seiner Biographie<br />
über Johann Jakob Baumann. Dieser<br />
wurde am 21. Oktober 1824 in Stilli geboren,<br />
besuchte die Kantonsschule in Aarau<br />
(offenbar ohne im KTV mitzumachen, dem<br />
damals einzigen Verein), um sich dann von<br />
dort an der berühmten Universität Jena am<br />
12. Mai 1846 zu immatrikulieren. Selbstverständlich<br />
interessiert den Studentenhistoriker<br />
besonders diese Zeit. nicht zuletzt, weil<br />
er dort aktiv bei der berühmten Burschenschaft<br />
Arminia auf dem Burgkeller wurde.<br />
Aktiv bei der Burschenschaft<br />
Arminia auf dem Burgkeller<br />
Doch ausgerechnet darüber erfahren wir in<br />
der ansonsten hervorragenden Biographie<br />
so gut wie nichts. Wie stand es damals um<br />
diese Verbindung? Wie war das Verhältnis<br />
der Schweizer zu ihren deutschen Bundesbrüdern?<br />
Hat er gefochten? Wo sonst Max<br />
Baumann eine perfekte Quellenarbeit leistet<br />
– in corporationsspezifischer Hinsicht stützt<br />
er sich auf einen Internetbeitrag, auf Günter<br />
Steigers Jena-Buch (Weimar 1989), sowie<br />
auf eine Magisterarbeit. Hat denn die Arminia<br />
kein Archiv? Wir erhalten keine Antwort.<br />
Drei Mal stützt sich der Autor auf Vermutungen:<br />
Vermutlich war Baumann mit Emil Welti<br />
aktiv. Vermutlich nahm er nicht am Marsch<br />
nach Weimar am 11. März 1848 teil. Und vermutlich<br />
hat er das Burschenleben so genossen,<br />
daß sein Studium darunter litt. Auf Seite<br />
53 zitiert der Biograph die Beiträge von Alfred<br />
Thullen im Lexikon der Deutsche Burschenschaft<br />
sowie in der SH 1993/Heft 17,<br />
Seiten 15 f. Gemäß Fußnote 35 auf Seite 53<br />
hatte er auch mit dem bekannten Studentenhistoriker<br />
Peter Kaupp, selber AH der Arminia,<br />
Kontakt. Warum fragte er ihn nicht<br />
wegen archivarischer Quellen?<br />
Davon daß der Student aus Stilli die Burschenzeit<br />
auskostete, zeugt die folgende,<br />
köstliche Episode: Baumann war seit 1849<br />
Vikar in Brittnau, einem Dorf vier Kilometer<br />
südwestlich von Zofingen. Im September<br />
1854 besuchte ihn der legendäre Burgkeller-Wirt<br />
Gottlieb Dietsch. Was wollte denn<br />
der in jenem Kaff? Dieser wollte das Geld<br />
für das in Jena konsumierte Bier eintreiben,<br />
Max Baumann: Kirche, Schule, Fürsorge.<br />
Das Leben und Wirken des<br />
Aargauer Pfarrers Johann Jakob<br />
Baumann (1824-1889), Verlag<br />
hier+jetzt Baden 2013, 183 S., ill.;<br />
ISBN 978-3-03919-268-7<br />
starb aber ausgerechnet an einer Cholera<br />
fern der Heimat: „Vikar Baumann mußte<br />
also seinem Wirt aus frohen Burschenschaftsjahren<br />
auf dem Friedhof in Brittnau<br />
begraben.“ Er soll dann auf seinem Grabstein<br />
die Inschrift erhalten haben: „Hier ruht<br />
Gottlieb Dietsch, Gastwirt aus Jena. Er war<br />
ein Gläubiger.“ Diese Geschichte werde<br />
heute noch bei jeder Stadtführung in Jena<br />
den Touristen erzählt. Die wahre Inschrift<br />
lautete freilich anders.<br />
Rezensionen<br />
Eine engagierte Persönlichkeit<br />
Nach vier Semestern kehrte Baumann in die<br />
Schweiz zurück und studierte im SS 1848 in<br />
Zürich und im WS 1848/49 in Tübingen. Einen<br />
universitären Abschluß machte er<br />
nicht, nur mit Ach und Krach ein theologisches<br />
Diplom vor dem Aargauer Kirchenrat.<br />
1850 begann er sein Erwerbsleben in Brittnau,<br />
einem Dorf fünf Kilometer südwestlich<br />
von Zofingen, ab 1855 bis zu seinem Tod<br />
1889 als Pfarrer. Als solcher engagierte er<br />
sich rastlos auf der Grundlage einer liberalaufgeklärten<br />
Theologie, was immer wieder<br />
zu Konflikten mit den Orthodoxen führte,<br />
vor allem in den Bereichen Sozial- und Bildungspolitik.<br />
Oft stand er den politischen<br />
Instanzen und Vereinen als Präsident vor.<br />
Politisch wandte er sich früh der demokratischen<br />
Bewegung zu, stand somit auf linksliberaler<br />
Seite. Maßgebend wirkte er als Verfassungsrat<br />
bei der Schaffung der neuen<br />
Kantonsverfassung von 1885 mit und war<br />
dann noch eine Legislaturperiode Großrat.<br />
Max Baumann zeichnet das Leben einer<br />
überragenden Persönlichkeit nach. Man ist<br />
fast geneigt die Behauptung aufzustellen,<br />
daß – hätte Baumann in Zürich gewirkt –<br />
seine Laufbahn noch spektakulärer verlaufen<br />
wäre. Aber er lebte eben in der Provinz.<br />
Es handelt nicht nur um eine schöne und<br />
fließend verfaßte, sondern geradezu spannende<br />
Biographie, welche die besten Noten<br />
verdient. Das Bestreben des Autors war<br />
es nicht, eine studentenhistorische Arbeit<br />
zu schreiben, aber herausgekommen ist,<br />
zumindest im ersten Drittel eine solche. Zu<br />
ergänzen sind hier die Schilderungen der<br />
damaligen akademischen Welt, welche der<br />
junge Aargauer erfuhr.<br />
Kleinere Mängel<br />
Fünf Mängel möchten wir nicht unerwähnt<br />
lassen. Erstens fehlen, wie oben festgestellt,<br />
präzisere Schilderungen des couleurstudentischen<br />
Lebens in Jena, auch in<br />
Zürich oder in Tübingen. Zweitens wäre<br />
eine Zeittafel kein Luxus gewesen, Drittens<br />
wäre ein Register, vor allem bei so vielen<br />
Baumanns, durchaus nützlich gewesen.<br />
Viertens muß das Fehlen eines Quellenund<br />
Literaturverzeichnis bekrittelt werden.<br />
Schließlich wäre ein Stammbaum nützlich<br />
gewesen. Dies vor allem im Hinblick auf die<br />
Auftraggeber der Biographie, nämlich die<br />
Geschwister Jagmetti. Ihre Großmutter war<br />
Helen, die zweitälteste Tochter von Baumann,<br />
die einen umfangreichen Rückblick<br />
auf ihren verehrten Vater verfaßte. Sie heiratete<br />
den Seidenfabrikanten Louis Jagmetti<br />
in Lyon und gebar zwei Kinder. Eines<br />
davon muß ein Sohn gewesen sein. Dieser<br />
zeugte Antoinette (verh. Habich), Riccardo,<br />
Carlo und Marco. Sie alle brachten es weit<br />
in ihrem Leben. Riccardo war Rechtsprofessor<br />
und Ständerat, Carlo einer der profiliertesten<br />
Diplomaten der Schweiz in der Gegenwart,<br />
und Marco Zürcher Oberrichter.<br />
Verbunden sind sie alle – und hier schließt<br />
sich der corporationsspezifische Kreis –<br />
durch ihre Mitgliedschaft in der Zofingia<br />
Zürich. Dennoch: Eine Biographie erster<br />
Klasse!<br />
Dr. Paul Ehinger<br />
(Zofingia Zürich)<br />
Die Fuxenstunde<br />
Dr. Bernhard Grün und Christoph Vogel,<br />
beide katholisch korporiert, haben unter<br />
dem Titel „Die Fuxenstunde“ ein Handbuch<br />
des Korporationsstudententums herausgegeben.<br />
Wie der Name andeutet, handelt<br />
es sich um ein pädagogisches Hilfsmittel<br />
für die Ausbildung und Bildung der jüngeren<br />
Bundesbrüder. Es eignet sich für jeden<br />
Bund und fügt sich in jeden Verband.<br />
Die Aufbereitung des „Lehrstoffs“ geschieht<br />
in kurzweiliger Form, ohne daß die<br />
Beteiligten Angst haben müßten, nochmals<br />
die harte Schulbank zu drücken. Selbst ein<br />
sattelfester Fuxmajor findet noch Anregungen;<br />
das Buch ist aber auch ein Nachschlagewerk<br />
für Inaktive und Alte Herren, die<br />
sich einen aktuellen Überblick über andere<br />
Verbände und hochschulpolitische Organisationen<br />
verschaffen wollen.<br />
Die Gliederung zerfällt in neun Kapitel – Organisatorisches,<br />
Fuxenstunden, Prinzipien,<br />
Hochschule, Studententum, Brauchtum,<br />
150 Heft 4 - <strong>2014</strong>