Die Juden - unsere Geschwister im Glauben - Erzbistum Freiburg
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6. daß die Verkündigung des Gotteswillens durch Jesus (seine »Ethik«) nicht als eine neue<br />
(<strong>im</strong> Sinn von: unjüdische) Ethik (etwa als »das Neue des Evangeliums«, als Liebes- gegen<br />
Gerechtigkeitsethik, als Gnade gegen Gesetz o.a.) ausgegeben, sondern verstanden<br />
wird als eigengeprägte Auslegung und Gewichtung von Geboten, wodurch das Zusammenleben<br />
der Menschen von der Gottesherrschaft her ermöglicht und best<strong>im</strong>mt werden<br />
soll. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsrufe und Handlungsappelle, die in den<br />
Gleichnissen Jesu zur Sprache kommen;<br />
7. daß der aus den Evangelien und aus den »in ihnen verarbeiteten Traditionsschichten«<br />
erkennbare Befund beachtet wird, »daß die Pharisäer zunehmend als die speziellen<br />
Gegner Jesu herausgestellt wurden, und zwar <strong>im</strong> Zusammenhang des zum Teil harten<br />
und schwierigen Ablösungsprozesses, der nach Ostern die Kirche und Israel voneinander<br />
trennte« (Erklärung der deutschen Bischöfe über das Verhältnis der Kirche zum <strong>Juden</strong>tum,<br />
V. 2). Deshalb ist die verbreitete Kennzeichnung der Pharisäer als Vertreter einer<br />
unmenschlichen »Gesetzesstrenge« und als Mit- oder gar Hauptschuldige am Tod<br />
Jesu ausgeschlossen. Statt dessen ist für ein gerechteres Pharisäerbild der Aufweis der<br />
Verwandtschaft von Aussagen der pharisäisch-rabbinischen Tradition und der Jesus-<br />
Überlieferung notwendig;<br />
8. daß die Passionsdarstellungen, die so wenig wie die Evangelien <strong>im</strong> Ganzen historische<br />
Berichte sind, in ihren positiven Verkündigungsanliegen (das jeweilige Christusbekenntnis;<br />
das in Leid, Tod und Auferweckung Jesu gestiftete Heil) zur Geltung gebracht werden.<br />
Allerdings ist von einer best<strong>im</strong>mten Altersstufe an eine ausdrückliche Beschäftigung<br />
mit den antijüdischen Aussagen in den Passionstexten wegen der verhängnisvollen<br />
Auswirkung in der Geschichte (Gottesmordvorwurf) und wegen der Gefahr ihrer Erneuerung<br />
durch die regelmäßige Wiederholung in der Karwochenliturgie unumgänglich;<br />
9. daß die Entstehung der Kirche nach Ostern zunächst als eine Gruppenbildung innerhalb<br />
des <strong>Juden</strong>tums und die Aufnahme von Heiden als ein Vorgang aufgewiesen werden, der<br />
dann von Christen aus dem Diasporajudentum eingeleitet und durch Paulus am wirkungsvollsten<br />
gefördert wurde. Das rasche Anwachsen der Heidenkirche und die Ereignisse<br />
<strong>im</strong> Zusammenhang des jüdisch-römischen Kriegs von 66 bis 70 führten zu einer<br />
Entfremdung von Kirche und <strong>Juden</strong>tum, gegen die sich Paulus ausdrücklich gewehrt<br />
hatte (vgl. das »Ölbaumgleichnis« in Rom 11). Durch das Auseinandergehen von Kirche<br />
und <strong>Juden</strong>tum ist die Würde des jüdischen Volkes als Volk Gottes nicht aufgehoben (vgl.<br />
Röm9,4f und 11,28f);<br />
10. daß die wechselseitigen Bezüge in der Geschichte von Christentum und <strong>Juden</strong>tum -<br />
sowohl positiv (etwa die Anregungen für Naturwissenschaften, Philosophie und Theologie<br />
<strong>im</strong> christlichen Mittelalter) als auch negativ (kirchliche Schuld und Versagen angesichts<br />
von <strong>Juden</strong>verfolgungen, einschließlich der Sho'a) - wahrgenommen werden. Nur<br />
wenn die Erfahrungen der Geschichte dazu bereit machen, auch verborgene religiöse<br />
Vorurteile zu überwinden, wird die kirchliche Neubesinnung greifbare Früchte tragen.<br />
[aus: Kirche und Israel, 2. Jg., Heft 1/1987, S. 169-171]