Tassilo - das Magazin um Weilheim und die Seen, März/April 2016
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Die Lehrgangsangebote der Hauptstelle für <strong>das</strong> Grubenrettungswesen<br />
Brandaktuelles Bergbauerbe<br />
Das Verwaltungsgebäude der Hauptstelle für <strong>das</strong> Grubenrettungswesen<br />
in Hohenpeißenberg. Links hinter dem Haus liegt <strong>die</strong> Halle mit den<br />
Übungs- <strong>und</strong> der Keller mit den Brandsimulationsstollen.<br />
Hohenpeißenberg | Eingedenk der<br />
längst vergangenen Epoche des<br />
Kohlebergbaus im Pfaffenwinkel<br />
klingt <strong>die</strong> Bezeichnung wie<br />
aus längst vergangenen Zeiten:<br />
„Hauptstelle für <strong>das</strong> Grubenrettungswesen<br />
Hohenpeißenberg“.<br />
Doch an der Hauptstraße prangen<br />
<strong>die</strong>se Worte auf einem blitzblanken<br />
Schild. Die Institution ist seit<br />
1955 im Ort ansässig, <strong>und</strong> ihre<br />
Aufgaben sind brandaktuell, im<br />
unmittelbaren Wortsinn: „Unser<br />
Potenzial ist riesig“, sagt Hauptstellenleiter<br />
Martin Rauscher.<br />
Knapp 2 000 Gäste hat er im Jahr<br />
2015 begrüßt: 950 Atemschutzgeräteträger<br />
von Freiwilligen<br />
Feuerwehren, 870 Menschen, <strong>die</strong><br />
hauptberuflich in einer Werksfeuerwehr<br />
arbeiten oder für Atemschutz<br />
<strong>und</strong> Noteinsätze etwa in<br />
Chemiewerken zuständig sind,<br />
dazu 170 Mitarbeiter von Grubenwehren.<br />
Für sie koordiniert Alois<br />
Kirchbichler in Hohenpeißenberg<br />
Lehrgänge, teils über mehrere<br />
Tage, auch wieder <strong>2016</strong>.<br />
Die Schulungsstätte ist eine von<br />
b<strong>und</strong>esweit vier, <strong>die</strong> <strong>die</strong> „Berufsgenossenschaft<br />
Rohstoffe <strong>und</strong><br />
chemische Industrie“ (BG RCI) unterhält.<br />
Die anderen sind ansässig<br />
in Herne, Leipzig <strong>und</strong> Clausthal-<br />
Zellerfeld, Rauscher hat dort Bergbauwesen<br />
stu<strong>die</strong>rt. Vor drei Jahren<br />
kam er nach Bayern, wo noch in<br />
drei Bergwerken industriell geschürft<br />
wird: Graphit in Kropfmühl<br />
bei Passau, Salz in Berchtesgaden<br />
<strong>und</strong> Gips im fränkischen Hüttenheim<br />
bei Iphofen. Sicherheitskräfte<br />
von dort kommen ebenso nach Hohenpeißenberg<br />
wie von vier Standorten<br />
in Baden-Württemberg: Aus<br />
der „Grube Clara“ in Oberwolfach<br />
im Schwarzwald, wo Fluss-Spat<br />
<strong>und</strong> Schwerspat abgebaut wird,<br />
vom Gipsbruch in Obrigheim <strong>und</strong><br />
aus zwei Salzbergwerken, in Heilbronn<br />
<strong>und</strong> Stetten auf der Schwäbischen<br />
Alb.<br />
Sie lernen bei Kirchbichler, wie<br />
Menschen aus Notsituationen gerettet<br />
werden, oder frischen mit<br />
ihm ihr Wissen auf. Die Ausbildungsstätte<br />
geht zurück auf Dr. Josef<br />
Engelmann, ihren ersten Leiter,<br />
der sie zu jener Zeit, als der Kohlebergbau<br />
in Peißenberg, Hohenpeißenberg<br />
<strong>und</strong> Peiting noch auf<br />
Hochtouren lief, zentral zwischen<br />
den drei Standorten aufbaute, <strong>um</strong><br />
Retter auf den Ernstfall vorzubereiten.<br />
An <strong>das</strong> cremefarbene Gebäude<br />
mit der bezeichnenden Adresse<br />
Unterbau 71 ¹/8, <strong>das</strong> heute Verwaltungsrä<strong>um</strong>e<br />
<strong>und</strong> einen Schulungssaal<br />
mit modernster Präsentationstechnik<br />
beherbergt, schließt sich<br />
ein Gebäudekomplex an, der von<br />
außen wie eine triste Industriehalle<br />
anmutet. Ihr Inneres hat es aber<br />
in sich.<br />
Engelmann plante <strong>und</strong> baute hier<br />
zwei riesige, dreistöckige, r<strong>und</strong><br />
acht Meter hohe Stahlcontainer,<br />
<strong>und</strong> richtete auf vier Ebenen<br />
Stollengänge ein. Sie können per<br />
Steuerpult von außen verraucht,<br />
erhitzt <strong>und</strong> verdunkelt werden<br />
<strong>und</strong> sind mit allen Hindernissen<br />
ausgestattet, denen Bergleute<br />
begegnen: Loren zur Kohleabfuhr,<br />
rutschige Schrägpassagen,<br />
am Boden liegende Förderketten,<br />
hölzerne Stützpfosten <strong>und</strong> Querstreben,<br />
Flachgänge nicht höher<br />
als 40 Zentimeter, Durchlässe aus<br />
Stahlrohr, durch <strong>die</strong> sich <strong>die</strong> Retter<br />
zwängen. „Das Innenleben ist<br />
einzigartig, ein originaler Nachbau<br />
des Bergwerks in Peißenberg,<br />
<strong>das</strong> damals zu den modernsten<br />
in Deutschland zählte — <strong>das</strong> war<br />
Stand der Technik“, erzählt Kirchbichler.<br />
Falls drinnen jemand in<br />
Panik gerät, sind mehrere Fenster<br />
<strong>und</strong> Türen als Notausgänge von<br />
außen über Treppen <strong>und</strong> Wege<br />
aus Stahlgitterrost erreichbar.<br />
Lehrgänge auch für<br />
Fremdfirmen<br />
Was wie ein Muse<strong>um</strong> anmutet,<br />
leistet bis heute beste Dienste. Neben<br />
Mitgliedsunternehmen der BG<br />
RCI — zu denen im Landkreis etwa<br />
Roche in Penzberg <strong>und</strong> UPM in<br />
Schongau gehören — buchen aktuell<br />
auch Fremdfirmen <strong>die</strong> Lehrgänge,<br />
<strong>die</strong> Tunnels für <strong>das</strong> Bahnprojekt<br />
„Stuttgart 21“ durch <strong>die</strong><br />
Schwäbische Alb treiben. „Eine<br />
normale Feuerwehr geht dort<br />
nicht rein“, weiß Rauscher. Die<br />
Ausschreibungen verpflichteten<br />
<strong>die</strong> Tunnelbauunternehmen, eigene<br />
Rettungskräfte auszubilden.<br />
„In den vergangenen zweieinhalb<br />
Jahren hatten wir einige 100 Leute<br />
Z<strong>um</strong> Film:<br />
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