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BIBER 03_16 AR final ansicht

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Raubtier und Beute<br />

Respekt von klein auf<br />

Mitten am Tag spaziere ich durch die Innenstadt. Ich<br />

lasse meinen Gedanken freien Lauf, als ich plötzlich<br />

imitierte Tiergeräusche höre, die von meiner rechten<br />

Seite kommen. Ich schaue mich um und sehe<br />

zwei Männer, die mich mit ihrem Gezuzel scheinbar zu<br />

locken versuchen, als wäre ich Beute für sie.<br />

Einer schleckt sich die Lippen ab, während der andere<br />

mich von oben bis unten mustert. Ich fühle mich unwohl,<br />

senke den Blick und beschleunige den Schritt. Was ist<br />

passiert? Warum fühle ich mich plötzlich so beschämt?<br />

Ich bin nicht die einzige Frau, die Scham dabei empfindet,<br />

wenn sie sexuell belästigt wird. Vieler meiner Freundinnen<br />

und Bekannten suchen in solchen Situationen die<br />

Schuld bei sich: „War der Ausschnitt vielleicht doch etwas<br />

zu gewagt?“, „War mein Gang vielleicht doch etwas zu<br />

provokant?“ Woher kommt es, dass Frauen die Schuld bei<br />

sexueller Belästigung bei sich suchen? Vielleicht weil uns<br />

Mama im Kindergarten gesagt hat, wir sollen aufpassen,<br />

wie wir sitzen, wenn sie uns einen Rock angezogen hat,<br />

damit die Jungs nicht gucken? Oder dass sich manche<br />

Männer öffentlich darüber aufregen, dass es strafbar ist,<br />

einer Frau auf den Hintern zu fassen. Viele Frauen trauen<br />

sich nicht von ihren Erlebnissen zu erzählen, weil sie<br />

sich schämen oder weil sie es schon normal, nicht mehr<br />

erwähnenswert finden, wenn sie belästigt werden. Wir<br />

erzählen weiter, für alle Frauen, die geschwiegen haben.<br />

Veronika Lukashevich<br />

„Ich<br />

möchte<br />

nicht, dass<br />

ein Mann so<br />

mit mir<br />

redet“<br />

Oft wird Frauen geraten, sich nicht<br />

freizügig anzuziehen, wenn sie nicht<br />

blöd angemacht werden wollen. Es<br />

ist scheinbar ein klares Zeichen, dass<br />

eine Frau Aufmerksamkeit sucht, wenn<br />

sie Haut zeigt. Aber mir wurde schon<br />

„Du bist so scharf, komm her zu mir!“, hinterhergerufen<br />

als ich eine Daunenjacke, Mütze<br />

und Schal trug, welche „Präventionsmaßnahmen“ hätte<br />

ich denn hier bitte noch setzen können?<br />

Viel wichtiger als Mädchen zu sagen, wie sie sich<br />

kleiden sollen, ist es Buben von klein auf Respekt und<br />

Anerkennung für die Autonomie von Frauen und Mädchen<br />

beizubringen. Dass das aber noch immer nicht passiert,<br />

zeigt sich daran, dass ich als Lehrerin mit 25 Jahren<br />

von 14-jährigen Schülern angemacht werde: „Du bist so<br />

geil, du solltest Model sein“, ruft mir einer hinterher und<br />

kommt mir unangenehm nahe, als ich aufgrund eines Projekts<br />

an seiner Schule unterrichte. Auch wenn es eigentlich<br />

keine Relevanz haben sollte, erwähne ich es dennoch:<br />

Ich hatte ein hochgeschlossenes, eher weites schwarzes<br />

Langarmshirt an, das fast bis zu meinen Knien ging und<br />

eine Jeans, außerdem war ich ungeschminkt. Was daran<br />

geil ist, weiß ich nicht. Darum geht es auch nicht, ich<br />

möchte einfach nicht, dass ein Mann, in dem Fall ein Junge,<br />

so mit mir redet, als wäre es selbstverständlich, als<br />

sollte ich mich auch noch geschmeichelt fühlen.<br />

Melisa Erkurt<br />

/ POLITIKA / 15

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