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„Die Leiden des jungen Todors“<br />
Von Todor Ovtcharov<br />
Trifon „Fußballgott“ Ivanov<br />
Jörg und ich sind vereint in unserem Leid.<br />
Wir trinken traurig Bier und erinnern uns an<br />
den gerade verstorbenen Trifon Ivanov. Der<br />
legendäre Verteidiger von Rapid Wien und<br />
der bulgarischen Fußballnationalmannschaft mit dem<br />
Aussehen eines aus dem Knast entlaufenen Kannibalen<br />
ist ein Liebling von uns beiden. Jörg erinnert sich mit<br />
Nostalgie an die große Mannschaft Rapids aus der Mitte<br />
der 90er Jahre und an die (gefühlten) Europacupsiege<br />
und ich an die „goldene Generation“ des bulgarischen<br />
Fußballs aus der Fußballweltmeisterschaft 1994 in den<br />
USA. Damals erreichte die bulgarische Mannschaft das<br />
Halb<strong>final</strong>e, indem es als krasser Außenseiter gegen den<br />
amtierenden Weltmeister Deutschland mit Toren der<br />
Barcelona-Stars Hristo Stoichkov und Yordan „goldene<br />
Glatze“ Letschkov im Viertel<strong>final</strong>e gewann. Man sagt,<br />
dass der nicht nur durch sein angsteinflößendes Aussehen,<br />
sondern auch durch sein harten Blutgrätschen<br />
bekannte Trifon Ivanov vor dem Spiel zum Nationaltrainer<br />
Dimitar Penev sagte: „Hab keine Angst vor diesem<br />
Rudi Völler, wenn ich ihm nur ins Gesicht hauche, wird<br />
er tot umfallen!“<br />
Trifon Ivanovs Rapid-Mitspieler und jetziger FC-<br />
Köln-Trainer Peter Stöger soll auch gesagt haben, dass<br />
Trifon der einzige Fußballspieler sei, der rasiert zur<br />
ersten Halbzeit hinauslaufe und zur Pause wieder einen<br />
Vollbart habe. Ivanovs Vokuhila wird auch als popkulturelle<br />
Referenz angegeben: vor einiger Zeit sah ich in<br />
Wien einen mit einem T-Shirt mit der Aufschrift „Wear<br />
your hair like Trifon“. 1994 war Bulgarien im totalen<br />
Chaos versunken, nur das Verbrechen war organisiert.<br />
Trotzdem haben viele meiner Landsleute diese<br />
Jahre aufgrund der Fußballsiege als die besten ihres<br />
Lebens in Erinnerung. „Die Vierten der Welt“ waren<br />
sehr gute Fußballer, erwiesen sich aber als schlechte<br />
Funktionäre. Nachdem sie das Ruder des bulgarischen<br />
Fußballs übernommen haben, stürzte er immer tiefer in<br />
die Mittelmäßigkeit. Zum letzten Mal qualifizierte sich<br />
Bulgarien für eine Fußball-WM 1998, wo die „goldene<br />
Generation“ von der großen Fußballbühne niederstieg.<br />
Das Siegestor in der allesentscheidenden Qualifikation<br />
gegen Russland erzielte Trifon Ivanov.<br />
DER GETROFFENE PANZER<br />
In Wien erinnern sich auch alle nur mit guten Gefühlen<br />
an Trifon Ivanov. Jörg hat auch ein paar nette Erinnerungen<br />
an ihn. Ich erzähle ihm, wie ich ihn am Busbahnhof<br />
in Wien getroffen habe, wo er ein Päckchen<br />
nach Bulgarien schicken wollte. Jörg sah ihn auf einer<br />
Tankstelle, wo er aus seinem Ferrari ausstieg. In meiner<br />
Erinnerung fuhr Trifon Ivanov einen Mercedes, aber das<br />
ist heute sowieso egal.<br />
Ivanov starb in Folge eines massiven Herzinfarkts.<br />
Laut den Leuten, die ihn gekannt haben, war er ein<br />
Bohemien, der gerne viel aß und noch mehr trank.<br />
Er rauchte Zigaretten schon seit der Schulzeit und<br />
während seiner gesamten Karriere als Profifußballer.<br />
Ich habe irgendwo gelesen, dass Trifon Ivanov sich<br />
während des Höhepunkts seines Ruhms einen Panzer<br />
gekauft hat, den er auf den Feldern rund um seine<br />
Geburtsstadt Veliko Tarnovo gefahren ist. Später hatte<br />
er keinen Spaß mehr daran und verkaufte den Panzer.<br />
Trifon Ivanov lebte wie ein Panzer und starb getroffen<br />
von einer Panzerfaust.<br />
Jörg und ich sind uns einig, dass es heutzutage keine<br />
solchen Fußballspieler mehr gibt. Hart, hässlich und<br />
authentisch. Mit dem Aussehen eines Auftragskillers<br />
und mit einem Herzen aus Gold.<br />
RIP Trifon Ivanov! ●<br />
70 / MIT SCH<strong>AR</strong>F /