FernUni-Jahrbuch 2015
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Veränderungen: Wirklich gewünscht?<br />
Prof. Dr. Sylvia Marlene Wilz ist Leiterin des<br />
Lehrgebiets Organisationssoziologie und qualitative<br />
Methoden an der <strong>FernUni</strong>versität in Hagen. Ihre<br />
Forschungsschwerpunkte sind unter anderem die<br />
mikrosoziologische Analyse von Arbeit und Organisation,<br />
Entscheidungen von und in Organisationen<br />
sowie Personalauswahl und Personalberatung.<br />
http://e.feu.de/jb15s13<br />
Hierfür muss der oder die „Neue“ eine besondere innere Haltung<br />
haben, die unter anderem auf festen Werten, Überzeugungen<br />
und Mut beruht. Ohne Haltung kann keine grundlegende Veränderung<br />
angestoßen werden. Auch durch Integrität, Integrationsfähigkeit<br />
und Kommunikation kann man andere Führungspersönlichkeiten<br />
mitnehmen, die die neuen Verhältnisse ihren<br />
Mitarbeitenden vermitteln, was wiederum Strukturen verändern<br />
kann: „Es gibt einen Einflusskreislauf zwischen Personen mit<br />
Deutungshoheit und den organisationalen Strukturen.“<br />
Wie findet man die jeweils optimale Person? Wilz: „Gar nicht,<br />
zu glauben, dies sei möglich, ist eine Illusion. Das Anforderungsprofil<br />
steht am Ende eines Prozesses, auf den die verschiedensten<br />
Bereiche und Individuen mit unterschiedlichsten<br />
Aufgaben und Interessen Einfluss nehmen. Auch Unternehmenskultur<br />
und -strukturen spielen mit, sogar individuelle Biografien<br />
der Beteiligten. Und Personen mit besonderer Macht<br />
haben auch besondere Einflussmöglichkeiten.“<br />
„Personen mit besonderer<br />
Macht haben auch besondere<br />
Einflussmöglichkeiten.“<br />
Doch wollen die Top-Manager überhaupt eine Person, die die<br />
Probleme wirklich angeht? Ihre Vorgaben, wie ethische Normen<br />
und Gesetze ausgelegt werden – streng oder mit einem gewissen<br />
Laissez-faire –, gelten ja weiter. Soll das geändert werden?<br />
„Ungeschriebene Gesetze“ sind Teil jeder Organisation. Sie zeigen<br />
nicht nur, ob bei den Umgangsformen zum Beispiel das<br />
Duzen akzeptiert wird. Sondern auch, welcher Führungsstil vorherrscht:<br />
autokratisch und machiavellistisch oder überzeugend<br />
und teilhabend. Bei VW beispielsweise erkennt auch Sylvia Wilz<br />
„eine offensichtlich an starken Männern orientierte Kultur der<br />
Leistung und Effizienz, in der sich die Entscheider gerne als unangreifbar<br />
und als von der Belegschaft bestätigt fühlen. Das diffundiert<br />
bis auf die Produktions- und die Sachbearbeitungsebenen.“<br />
Hinterfragen ist nicht gewünscht. Die Mitarbeitenden versuchen<br />
sich dann am Handeln der Führungskräfte, an oft nicht formulierten<br />
Vorgaben zu orientieren: Was ist gewünscht, was ist erlaubt,<br />
wo gibt es Ermessensspielräume?<br />
Mit einem Veränderer werden viele Führungskräfte und Mitarbeitende<br />
also auch Probleme haben: „Er verursacht Widersprüche,<br />
die zu Verunsicherungen führen. Eingefahrene Routinen und<br />
‚ungeschriebene Gesetze‘ sollen nicht mehr gelten – die Leute<br />
müssen wieder anders denken!“, so Wilz. „Und das ist gut so.“<br />
Daher ist für sie auch ein ‚Querdenker‘ eine Überlegung wert, jemand<br />
aus einer ganz anderen Branche, der frischen Wind bringt.<br />
Auf jeden Fall müssen die Entscheiderinnen und Entscheider<br />
frühzeitig die Strukturen, Machtverhältnisse und das Klima analysieren.<br />
Eigentlich also das Unternehmen neu erkennen. Und<br />
berücksichtigen, dass in ihre Vorstellungen eigene Interessen,<br />
Werte, Erfahrungen und vieles mehr einfließen.<br />
„Einsame Entscheidungen führen zu nichts. Und: Der eigentlich<br />
wichtige Zeitpunkt für einen Neubeginn liegt weit vor dem<br />
Beginn der Auswahl“, so Sylvia Wilz.<br />
FORSCHUNG<br />
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