FernUni-Jahrbuch 2015
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Dem „Niemals!“ näherkommen<br />
Wie ein Tsunami brach der Abgasskandal über VW herein. Viele Unternehmen mussten sich fragen (lassen), ob es auch bei ihnen solche<br />
eklatanten Verstöße gegen ethische Normen und gesetzliche Vorschriften geben könne. Die Standardantwort: „So etwas bei uns?<br />
Niemals!“ Dabei ist das, was „niemals!“ vorkommen sollte, in Abhängigkeit von Unternehmensstrukturen und -klima möglicherweise<br />
schon vorprogrammiert. Drei Wissenschaftler der <strong>FernUni</strong>versität nehmen Stellung dazu, wie aus ihrer fachlichen Sicht Beiträge geleistet<br />
werden können, damit Unternehmen dem „Niemals!“ näherkommen.<br />
Prof. Dr. Jürgen Weibler ist Wirtschaftswissenschaftler<br />
sowie Psychologe und Inhaber<br />
des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre,<br />
insbesondere Personalführung und Organisation<br />
an der <strong>FernUni</strong>versität in Hagen.<br />
In seiner Forschung befasst er sich mit der<br />
theoretischen Fundierung von Grundsatzfragen<br />
zu ausgewählten Bereichen der<br />
Managementlehre sowie mit dem Transfer<br />
wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis.<br />
Hervorzuheben sind hier die Themenfelder<br />
Führung, Organisation, Personalmanagement<br />
und Public Management.<br />
Keine Macht<br />
den Ameisengenerälen!<br />
Für Prof. Jürgen Weibler gibt es meistens nicht nur eine Ursache<br />
für Fehlverhalten: „Ja, es liegt an Führungskräften, aber auch an<br />
Beschäftigten. Und an Strukturen und Kulturen, die Macht konzentrieren.“<br />
Dadurch wird offene Kommunikation verhindert.<br />
Gerade sie hat für Weibler große Bedeutung, wenn es um die<br />
Verhinderung von Verstößen geht. Besonders gefährdet sieht er<br />
Unternehmen, die unbedingt eine „bestimmte Zahl“ erreichen<br />
wollen, einen Plan-Umsatz etwa: „Einnehmender ist doch offensichtlich<br />
die Leitvorstellung, ‚Menschen sicher mobil zu machen‘<br />
oder ‚Aufregendes alltagstauglich zu bauen‘.“<br />
„Ja, es liegt an Führungskräften,<br />
aber auch an Beschäftigten.“<br />
Strukturen und Unternehmensklima<br />
Das ist besonders gefährlich in streng hierarchischen Organisationen,<br />
in denen Widerspruch gegen die Vorgaben von oben unerwünscht<br />
ist. Zusammen mit immer größerem Leistungsdruck,<br />
rigiden Strukturen und monetären Anreizsystemen ist das – so<br />
Weibler – „das Rezept für die Entwicklung einer Kultur, die die<br />
Fähigkeit zu konstruktiver Kritik verliert“. Wenn die Organisationsspitze<br />
alles vorgibt, entwickeln sich zentralistische Strukturen.<br />
In einem solchen Umfeld wird die Missachtung ethischer Normen<br />
und Gesetze leicht als normal empfunden. Diese Einstellung<br />
„vergiftet von oben nach unten die Organisation“.<br />
Nicht selten erkennen Beschäftigte, was passiert, wollen aber<br />
„nicht anecken“. Sie orientieren sich an den Vorgaben und an<br />
dem Verhalten ihrer Vorgesetzten. Diese fühlen sich von den in<br />
ihrem Kielwasser Segelnden bestätigt: „Mit einer offenen Aus-<br />
Fehlern-lernen-Kultur ist es nicht mehr weit her“, erläutert Weibler<br />
auch mit Blick auf VW.<br />
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