FOTOS: IRENE DIMITROPOULOS Petra Werner, stellvertretende Leiterin der Tagesstätte 30 | greifsWelt v Die Angst allein zu sein Die Tagesstätte und das Obdachlosenhaus in Greifswald unterstützen Menschen bei der Bewerkstelligung ihrer schwierigen Lebenssituation. moritz berichtet über die Einrichtungen und gibt einen Einblick in das Leben der Betroffenen. Bericht: Irene Dimitropoulos, Natascha Gieseler & Laura-Ann Schröder Z um elften To<strong>des</strong>stag <strong>des</strong> in Greifswald ermordeten Obdachlosen Eckhard Rütz fand am 25. November vergangenen Jahres eine Gedenkveranstaltung vor der Mensa statt. Vordergründig ging es um die rechtsextreme Problematik, hintergründig schwingt jedoch auch die in Greifswald öffentlich wenig präsente Obdachlosigkeit mit. Im Vergleich zu Großstädten, in denen Obdachlose Teil <strong>des</strong> Stadtbilds sind, rücken sie in der Universitätsstadt anscheinend aus dem Blickfeld der Bürger. Um die Belange der obdachlosen Menschen in Greifswald kümmern sich Mitarbeiter verschiedener Einrichtungen. Neben Unterkünften bieten sie Hilfestellungen, die die Selbstständigkeit fördern und somit aus der Obdachlosigkeit führen sollen. Petra Werner arbeitet seit sechs Jahren in der Greifswalder Tagesstätte <strong>des</strong> Kreisdiakonischen Werks (KDW). Täglich treffen hier Menschen mit und ohne Wohnraum aufeinander. Verurteilt wird keiner. Das Ziel der Tagesstätte sei es, Beratungsmöglichkeiten für Betroffene zu schaffen und ihnen zugleich Ansprechpartner für Behördengänge <strong>zur</strong> Seite zu stellen. „Wenn man an den Rand dieser Gesellschaft gerutscht ist, fällt es schwer diese Wege alleine zu gehen oder man hat Angst davor es nicht zu schaffen und Ablehnung zu erfahren“, berichtet die stellvertretende Leiterin der Einrichtung. Hilfe brauchen die Klienten unter anderem nach einer Haftentlassung, bei der Suche nach neuem Wohnraum oder bei der Beantragung wesentlicher Gelder. „Oftmals ist es auch ein Stück Einsamkeit“, die die Betroffenen in die Tagesstätte führt, erläutert Werner. Die Einrichtung hat innerhalb der Woche von 8 bis 16 Uhr geöffnet und bietet neben Beratungsgesprächen einen Aufenthaltsraum, eine Küche und einen Essensraum an. Das Mittagessen wird für einen Obu- lus von zwei Euro angeboten, wovon sich die Besucher für abends etwas mitnehmen dürfen. Auch Frühstück und Kaffee sind erhältlich. „Aber es ist nicht so, dass sie alles geschenkt bekommen, das möchten sie in der Regel auch nicht.“ Im Keller befinden sich unter anderem eine Tischtennisplatte und eine Dartscheibe für gemeinschaftliche Aktivitäten, die laut Werner gern in Anspruch genommen werden. Für Abwechslung sorgen Fahrten nach Polen und Grillen am Strand. Vor kurzem wurde gemeinsam das Theaterstück „Woyzeck“ inszeniert und öffentlich aufgeführt. Das Projekt fand laut Werner bei den Bewohnern großen Anklang. Ihre Arbeit bezeichnet sie als „ein angenehmes Miteinander mit den Klienten“ und empfindet die unvoreingenommene Annahme der Menschen als wichtig: „Einige schauen gar nicht danach, warum ein Mensch dorthin gekommen ist.“ Die Wohnungssuche stelle jedoch eine der größten Hürden auf dem Weg in ein selbstständiges Leben dar. Aufgrund der geringen Anzahl von Wohnungsgesellschaften und möglichen Vermietern in Greifswald sei es zudem schwer einen „bezahlbaren Wohnraum zu finden.“ Auf die Frage, was man als Außenstehender beitragen könne, antwortet die stellvertretende Leiterin: „Wohnungen vermieten“. Für Menschen, die ehemalige Mietschuldner sind, stellt dieser Status eine besonders große Herausforderung dar, die es zu bewältigen gilt. Werner sagt, dass das Konzept <strong>des</strong> Kreisdiakonischen Werks so sei, dass es Wohnungen anmiete, diese Wohnungen und das Wohnen für eine Zeit begleite und die Mietverträge dann ändere. Sie fügt hinzu, dass das Anmieten von Wohnungen ebenso für das KDW schwierig geworden ist. Nicht nur die problematische Wohnsituation fordert die obdachlosen Bürger Greifswalds. Neben häufiger
oben: Die Küche und der Essensraum der Tagesstätte Unten: Der Hinterhof <strong>des</strong> Obdachlosenhauses, in dem die Bewohner Gemüse anbauen und grillen. v greifsWelt | 31