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8 | Hochschulpolitik _<br />
»Wir haben sehr attraktive<br />
Studienbedingungen«<br />
Mecklenburg-Vorpommern hat mit Mathias Brodkorb den jüngsten Bildungsminister<br />
Deutschlands. Der Historiker ist durch sein Engagement gegen Rechtsextremismus<br />
bekannt. Kurz nach seinem Amtsantritt unterhielt sich moritz mit ihm.<br />
Interview: Florian Bonn & Luise Röpke // Foto: Luise Röpke<br />
Herr Brodkorb, als Bildungsminister sind Sie für die Umsetzung<br />
der Bologna-Reform zuständig, in der es auch um<br />
Studienzeitverkürzung geht. Sie selbst haben dieses Prinzip<br />
nicht ganz umgesetzt und waren länger an der Uni. Wie<br />
wollen Sie das Studenten vermitteln, die sagen, dass sie<br />
auch gerne länger studieren würden?<br />
Das sind ganz große Legenden. Ich habe Altgriechisch studiert<br />
und musste dazu Latein und Altgriechisch lernen. Gemäß<br />
damaliger Regelungen stand mir<br />
<strong>des</strong>halb je Sprache ein Semester zusätzlicher<br />
Regelstudienzeit zu. Insofern war<br />
meine Regelstudienzeit sowieso nicht<br />
neun Semester, sondern elf. Außerdem<br />
war ich mehrere Semester beurlaubt,<br />
weil ich in den Landtag eingezogen bin<br />
und habe dann nebenher meinen Abschluss<br />
gemacht. Insofern sehe ich da<br />
keinen Widerspruch zwischen meinem<br />
eigenen Abschluss und einem Plädoyer<br />
für einen möglichst schnellen Studienabschluss.<br />
In Greifswald haben sich die Wirtschaftswissenschaftler<br />
geweigert, das<br />
BWL-Diplom abzuschaffen. Inzwi- Mathias Brodkorb, 34<br />
schen ist es einmalig in Deutschland.<br />
Lassen Sie sich dieses gallische Dorf<br />
weiter bieten?<br />
Oktober 2011<br />
Also, ich habe keine Mühe, das zu akzeptieren.<br />
Ich sehe keine Notwendigkeit, Hochschullehrern<br />
und Studierenden vorzuschreiben, welche Abschlüsse sie anbieten<br />
und wie sie das Studium strukturieren. Man wird an<br />
der Fakultät schon wissen, was man tut.<br />
Ist es nicht sehr inkonsequent, wenn einige Fächer an der<br />
Universität ausscheren und das Bachelor-System nicht annehmen?<br />
Konsequenz macht nur Sinn, wenn man sicher ist, dass man<br />
mit einem Instrument alles sachgerecht abbilden kann. Wenn<br />
man das garantieren kann, lohnt es sich, konsequent zu sein.<br />
ist Minister für Bildung, Wissenschaft und<br />
Kultur in Mecklenburg-Vorpommern (MV) seit<br />
Wenn man das nicht garantieren kann, ist Konsequenz verheerend,<br />
weil sie Ungleiches gleich behandelt. Und es hat ja<br />
Gründe, warum in Sozial- oder Geisteswissenschaften und<br />
anderswo über diese Modularisierung massiv geklagt wird.<br />
Die Bologna-Reform ist davon geleitet, einzelne bürokratische<br />
Ideen wie ein Netz über die gesamte Wissenschaftslandschaft<br />
zu werfen - ohne Respekt vor den einzelnen<br />
Wissenschaften und ihren Besonderheiten. Elektrotechnik<br />
funktioniert anders als die Philosophie.<br />
Das hat Konsequenzen.<br />
Ein hypothetisches Szenario: Sie haben<br />
einmalig 1 Million Euro in Ihrem<br />
Haushalt <strong>zur</strong> freien Verfügung. Gleichzeitig<br />
würde eine der Universitäten im<br />
Land gerne einen absoluten Topwissenschaftler<br />
als Professor berufen,<br />
der die Forschungslandschaft in MV<br />
enorm bereichern würde. Für die Berufungsmittel<br />
würde die Uni diese Million<br />
benötigen. Würden sie die Million<br />
für diesen einzelnen Wissenschaftler<br />
einsetzen oder um viele kleine Bau-<br />
stellen zu stopfen?<br />
Also, um ehrlich zu sein, würde ich<br />
dieses Geld nehmen und es in die<br />
Lehrerbildung stecken. Die kognitive<br />
Potenz einer Gesellschaft entscheidet<br />
sich letztlich in den Kindergärten und<br />
Schulen. Wenn wir keine exzellente Lehrerbildung haben,<br />
haben wir auch keine guten Lehrerinnen und Lehrer, keine<br />
guten Schulen, und wenn wir keine guten Schulen haben, haben<br />
wir auch keine guten Abiturientinnen und Abiturienten<br />
und dann auch keine guten Forscherinnen und Forscher von<br />
morgen. So einfach ist die Kette. Man muss allerdings bereit<br />
sein, in einem Zyklus von 20, 30 Jahren zu denken und nicht<br />
nur an Heute. Also, wenn Sie mir heute eine Million Euro auf<br />
den Tisch legen würden, würde ich die für die Lehrerbildung<br />
ausgeben und zwar vor allem in der praxisnahen Lehre.