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38 | feuilleton<br />

»Vatermord<br />

gigantischen Ausmaßes «<br />

Bernd Rauschenbach, geschäftsführender Vorstand der Arno Schmidt Stiftung, las<br />

im Koeppenhaus aus dem Roman „KAFF auch Mare Crisium“. moritz sprach<br />

mit ihm über den Schriftsteller und Menschen Arno Schmidt.<br />

Interview & Fotos: Ole Schwabe<br />

Herr Rauschenbach, der 1914 geborene Arno Schmidt war<br />

Schriftsteller, Übersetzer von Edgar Allan Poe, Biograph<br />

<strong>des</strong> Romantikdichters Friedrich de la Motte Fouqué, Außenseiter,<br />

Exzentriker und Genie. Wer war und ist Arno<br />

Schmidt für Sie?<br />

Für mich ist Arno Schmidt der interessanteste und beste<br />

deutschsprachige Autor nach 1945. Wenn man seine Bücher<br />

liest, wird man bestens unterhalten und gleichzeitig belehrt.<br />

Unterhalten und belehren, das ist bei Schmidt in hohem<br />

Maße vorhanden. Zudem ist er sehr witzig und klug.<br />

Können Sie Arno Schmidt und sein literarisches Schaffen<br />

in drei bis vier Sätzen umreißen?<br />

Er hat Erzählungen, Romane und literaturhistorische Arbeiten<br />

geschrieben und versucht, ein Abbild<br />

der Realität auch in der Sprache zu zeigen.<br />

Form und Inhalt waren bei ihm sehr<br />

stark verschränkt. Er hat sich Gedanken<br />

gemacht, wie die Welt mit Mitteln der<br />

Sprache im 20. Jahrhundert abzubilden<br />

ist. Für dieses Abbild waren ihm, im Gegensatz<br />

zu Heinrich Böll oder Wolfgang<br />

Koeppen, nicht nur die Fakten und die<br />

Außenansichten der Welt wichtig, für ihn<br />

gehörten auch der Traum, das Gedankenspiel<br />

und die unbewussten Regungen<br />

im Menschen dazu.<br />

Welche Rolle spielte bei Schmidt die<br />

Sexualität?<br />

Er hat eine eigene Literaturtheorie,<br />

basierend auf der Freudschen Psychoanalyse<br />

entwickelt, die sogenannte<br />

„Ethym-Theorie“. Das begann mit der<br />

Karl-May-Studie, in der er untersuchte, wie sich Sexualität in<br />

der Sprache abbildet. Diesen Ansatz führte er dann in seinem<br />

großen Roman „Zettel‘s Traum“ mit dem Schriftsteller Edgar<br />

Allan Poe weiter. Beide Werke waren der Versuch, über die<br />

Art zu Schreiben Rückschlüsse auf verborgene sexuelle Wünsche<br />

und Strömungen der Autoren zu ziehen.<br />

War Arno Schimdt ein politischer Mensch?<br />

Nicht in dem Sinne, dass er parteipolitisch interressiert oder<br />

engagiert gewesen wäre. Er galt in den 50er Jahren als Lin-<br />

Bernd Rauschenbach, 52<br />

studierte Germanistik und Bibliothekswissenschaften<br />

an der FU Berlin und ist geschäftsführender<br />

Vorstand der Arno-Schmidt Stiftung<br />

ker, aber das war meiner Meinung nach ein Missverständnis.<br />

Schmidt wollte in erster Linie seine Ruhe haben und still am<br />

Schreibtisch arbeiten können. Durch die Wiederaufrüstungspläne<br />

der Adenauerregierung sah er sich darin extrem gestört.<br />

Das waren weniger poltische als vielmehr weltanschauliche<br />

Gründe. Er hat Militär und Kirche abgelehnt und sah<br />

in der Politik dieser Regierung beide Strömungen vereinigt.<br />

Deswegen hat er sie in seinen frühen Schriften immer wieder<br />

bekämpft.<br />

Herr Rauschenbach, Sie wurden im Jahre 1982 Sekretär<br />

der Arno Schmidt Stiftung, seit 2001 sind Sie geschäftsführender<br />

Vorstand.<br />

Was reizt Sie nach so langer Zeit immer noch am Werk und<br />

Leben von Arno Schmidt?<br />

Es ist nach wie vor diese Mischung aus<br />

Gelehrsamkeit und Unterhaltung, die<br />

man sonst in dieser Form nicht findet.<br />

Auch ist seine Sprache von einer derartigen<br />

Präszision und Lockerheit. Er<br />

ist ein sehr widersprüchlicher Mensch,<br />

der einen immer wieder überrascht.<br />

Sowohl in seiner Literatur als auch in<br />

seiner Biographie. Auch wenn man<br />

das Werk schon mehrmals gelesen hat,<br />

kann man immer wieder Neues darin<br />

entdecken. Für mich ist es einfach<br />

schön, sich über 20 Jahre mit guter Literatur<br />

zu beschäftigen.<br />

Wer liest heutzutage Arno Schmidt?<br />

Ist es eher Ihre Generation, die ihn<br />

immer noch liest oder eher meine, die<br />

Arno Schmidt neu entdeckt?<br />

Sowohl als auch. Arno Schmidt war nie ein Bestsellerautor<br />

und wird auch nie einer werden. Einige Jahre war es recht ruhig<br />

um Schmidt, seit einem Jahr ist wieder mehr über ihn in<br />

den Zeitungen zu lesen. Das führt dazu, dass wieder verstärkt<br />

junge Leser zu ihm stoßen.<br />

Woher kommt diese Schmidt-Renaissance?<br />

Wir haben vor ungefähr einem Jahr als Abschluss der Bargfelder<br />

Ausgabe Schmidt‘s Riesenbuch „Zettel‘s Traum“ neu<br />

herausgebracht. Das Buch war die letzten 40 Jahre lieferbar,

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