Cruiser im Juni 2012
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
CRUISER Edition <strong>Juni</strong> <strong>2012</strong><br />
Reisen<br />
Europas Hauptstadt zieht<br />
nicht nur Politiker und Parlamentarier<br />
an, sondern<br />
– und das erstaunt – viele<br />
Gays aus der ganzen europäischen<br />
Union. Das Leben<br />
<strong>im</strong> bunt zusammengewürfelten<br />
Gay-Village ist vielfältig,<br />
spannend und erfrischend.<br />
Brüssel geniesst ja nicht gerade den Ruf einer typischen Gay-Destination.<br />
Brüssel ist eher bekannt als Sitz der Europäischen Union und der Nato.<br />
Allerdings weit gefehlt, denn die kleine belgische Metropole hat in der<br />
quirligen City ein pulsierendes und ein äusserst aktives Gaylife zu bieten.<br />
Da ich geschäftlich in der Nähe von Brüssel zu tun habe, fahren wir mit<br />
dem Auto ins Zentrum hinein. Mit der Bahn dauert die Reise nach Brüssel<br />
rund sieben Stunden, der Flug, beispielsweise mit Swiss, 70 Minuten.<br />
Mit dem Auto muss man, ohne Frage, Nerven aus Stahl haben, Traffic<br />
überall und <strong>im</strong>mer. Dementsprechend leer sind die ÖVs dann auch. In<br />
Brüssel wird gebaut, aufgerissen, abgerissen und umgeleitet. Und Vorsicht,<br />
in Brüssel fährt man wie in Neapel! Hier wird gehupt, gedrängelt,<br />
weggedrängt und stehengelassen. Im Stau hat man dann auch richtig<br />
schön Zeit, all die bunten Sexshops zu bestaunen und zu studieren. Und<br />
von denen gibt es in Brüssel reichlich. Kein Wunder, bei so vielen Parlamentariern.<br />
Heruntergekommen, aber auch herausgeputzt<br />
Die City ist an einigen Orten, man kann es nicht anders sagen, ziemlich<br />
heruntergekommen. Alles, was sich in Touristen- und in EU-Nähe befindet,<br />
ist schön herausgeputzt, weiter hinten hinterlässt die City einen schalen<br />
Nachgeschmack, ramponierte Strassen, massenhaft leere Geschäfte,<br />
gammlige Wohnhäuser und leider auch viele Obdachlose und Bettler.<br />
Dann und wann sieht man wieder tolle moderne Wolkenkratzer um die<br />
Wette glitzern, natürlich finanziert von der EU. Aber genau das macht<br />
den Charme und das Flair dieser Stadt aus. Prunkvolle Euro-Paläste neben<br />
abgefackelten Plattenbauten, Kebabstände und Sexshops. Herrlich<br />
trashig und unerhört faszinierend. Die echten Bewohner sind authentisch,<br />
schlecht gekleidet und nicht wirklich en vogue, trotzdem bieten<br />
sie den vielen Tausend Mitarbeitern der EU Paroli und das ist auch gut so!<br />
Am Wochenende und an Feiertagen trennt sich dann der Spreu vom Weizen<br />
und man sieht tatsächlich das wahre Gesicht einer Stadt, die leider<br />
ihre Identität gegen Macht und Geld eingetauscht und so fast ihre Seele<br />
verkauft hat. Trotzdem, oder besser gesagt genau deshalb, habe ich mich<br />
in diese wunderbare Stadt verliebt. Einen Besuch <strong>im</strong> so genannten Gay<br />
Village rund um den Grote Markt ist absolut sehenswert und verspricht<br />
eine Reise der herzlichen Art zu werden. Hier reihen sich verschiedene<br />
Gaybars, Restaurants und Klubs aneinander, und man findet sich in einem<br />
skurrilen und sympathischen Mikrokosmos wieder.<br />
Hier spielt sich dann auch das ganze Brüsseler Gaylife ab. Für jeden Geschmack<br />
ist was dabei. Im Le Belgica treffen sich die Hipsters und die Alternativen,<br />
<strong>im</strong> Duquesnoy die Ledertypen, in der Christobar die Schicken<br />
der Nacht und <strong>im</strong> Le Can Can wird nach Herzenslust Karaoke gesungen!<br />
Kultur<br />
Neben einem wirklich grossen und vielfältigen Gaylife bietet Brüssel aber<br />
auch eine gewaltige Kulturszene. Es gibt eine Vielzahl von Museen wie z.B.<br />
das Comic-Museum (Belgisch Stripcentrum), den Palast der Künste (Bozar),<br />
das jüdische Museum oder das Magritt-Museum. Ein Besuch <strong>im</strong> 92 Hektar<br />
grossen botanischen Garten (etwas ausserhalb von Brüssel) lohnt sich<br />
ebenfalls. Hier kann man in der Orangerie herrlich entspannen und dem<br />
hektischen Treiben der Grossstadt entfliehen. Ein absolutes Muss ist natürlich<br />
auch das Atomium, ein Überbleibsel der zweiten Weltausstellung von<br />
1958. Mode-Liebhaber sind in der Rue Antoine Danseart anzutreffen, Antiquitäten<br />
und sonstigen Kr<strong>im</strong>skrams findet man rund um die Rue Blases.<br />
Besonders gut gefallen haben mir in Brüssel auch die vielen kleinen versteckten<br />
Parks, die schöne Altstadt und die verschiedenen Paläste aus<br />
unterschiedlichen Zeitepochen. Disney lässt grüssen!<br />
Multikulti-Gay-Community<br />
Trotz relativ kleiner Einwohnerzahl – es sind nur rund 150 000 – bietet<br />
Brüssel den Gays eine äusserst grosse, lebendige und kreative Szene. Im<br />
Umkreis von etwa einem Kilometer gibt es rund 26 Bars und rund 17 Restaurants!<br />
In den kleinen verwinkelten Gassen rund um den Grote Markt<br />
befinden sich aber auch kleine Designerlabels, schnuckelige Cafés, süsse<br />
Confisserien (mit dem weltberühmten belgischen Konfekt) sowie Architektur<br />
und Kultur vom Feinsten. Auch für das erotische Wohl ist man besorgt,<br />
denn es stehen nicht weniger als fünf Saunas zur Verfügung, mitunter<br />
eine der grössten Europas, die Spades4our! Bereits ab Donnerstag<br />
kann man in den verschiedenen Klubs, wie z.B. <strong>im</strong> Hunkut oder X-Nice<br />
wild feiern, und dafür sind die Belgier ja bestens bekannt. Besonders beliebt<br />
ist auch der Gay-T-Dance (sonntags). Flirtfaktor hoch zehn!<br />
In der Multikulti-Gay-Community ist man schnell angekommen und<br />
man lernt ohne grosse Umschweife auch Leute kennen (siehe Seite Branko<br />
trifft...). Sehr ehrlich, rustikal und echt, ohne grosses Blabla und doofes<br />
Gezicke. Hier kann man also getrost seine Designer-Garderobe zu Hause<br />
lassen und sich leger und unbekümmert ins Nachtleben stürzen!<br />
Fazit<br />
Brüssel eignet sich bestens für ein verlängertes Wochenende. Die Gayszene<br />
ist gross und sehr zentral gelegen. Hier trifft sich die Community in<br />
den zahlreichen Bars und Restaurants in der Altstadt. Das multikulturelle<br />
Flair ist authentisch und sehr sympathisch. Ein kleiner, liebenswürdiger<br />
und frecher Mikrokosmos inmitten einer pulsierenden Grossstadt.<br />
Hier schert sich dann auch niemand um Political Correctness und lässt<br />
es stattdessen ordentlich krachen!<br />
Infos:<br />
www.brusselsgay.be, www.thewarning.info, www.brusselsmuseum.be<br />
www.hotelbloom.com,<br />
29