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1-2 /09 - Erzherzog Johann - Steiermark

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johann.<br />

Fo t o s: gi s e L b r e c h t<br />

18<br />

steirische berichte 1-2 /<strong>09</strong><br />

„Gerichte mit Geschichte“<br />

Es ist rund 150 Jahre her, dass Anna Plochl, die<br />

bürgerliche Ehefrau des <strong>Erzherzog</strong>s <strong>Johann</strong> von<br />

Österreich, ihren Gemahl mit viel Gefühl und Liebe<br />

„bekochte“.<br />

Kein Wunder, dass es fast ein Jahrhundert dauerte,<br />

bis erzherzögliche Gerichte nachgekocht werden,<br />

denn massige Mengen von Schmalz und 18 Eiern<br />

hinterließen einen bombigen Eindruck. Werden die<br />

Mengen aber auf vier Personen umgerechnet, so<br />

verlieren die Gerichte viel an Kalorienschreck. Erst<br />

mussten Umrechnungen von Loth, Quintel, Vierting,<br />

Pfund, Seidel und Maß vorgenommen werden,<br />

bis sich die Mengen aus der Anna-Plochl-Küche<br />

nachempfinden lassen.<br />

Die reiche Ernährung adeliger und bürgerlicher Zeit<br />

mag vielleicht auch an der Lebensfreude, die uns<br />

aus Volkstänzen und Walzern entgegenschwingt,<br />

zu tun haben. Germspeisen, Salsen und Sulzen,<br />

Bratensäfte und Brieschen finden sich zum Abendmahle<br />

ein, bitte zu Tisch auch für Fasansuppe und<br />

Ente mit kleinen Zwiebeln.<br />

Mit Chips oder Pommes Frites hätte die Adelsküche<br />

keine großen Schlagzeilen gemacht, umso spannender<br />

die Gerichteküche, in der viele internationale<br />

und traditionelle Speisen aus der Pfanne gezaubert<br />

wurden. So verraten Pastete à la Plochl und<br />

Parmesankrustenbraten französisch-italienische<br />

Kochneigungen, ohne dass bei den teuren Zutaten<br />

gespart wurden, hatte dennoch der Wert der Wirtschaftlichkeit<br />

im Haushalt eine bedeutende Stellung.<br />

Nicht zu vergleichen mit dem „Arme-Leute-<br />

Essen“ der Bauersleut’, die noch in jenen Tagen mit<br />

Hungersnöten und Missernten kämpften.<br />

Gerichte<br />

Trends in der Biedermeierküche waren vor allem<br />

Rahm und eierreiche Speisen, sogar an Zucker hatte<br />

man sich nichts vom Mund abgespart. Aus dem<br />

<strong>Erzherzog</strong>-<strong>Johann</strong>-Kochbuch ist herauszulesen,<br />

dass es vor allem das Brot war, dem eine besondere<br />

Wertschätzung zukam. So wurde Brot in Form von<br />

Mehlspeisen, Pofesen, Semmelbrösel, Panadel<br />

(Semmelbrei, Weißbrotsuppe) veredelt. Auf Panier<br />

hatte man in diesen Tagen noch eher verzichtet,<br />

doch war die Fleischzubereitung, auf Wurzelwerk<br />

aufgesetzt, nicht aus der Küche wegzudenken.<br />

Krapfen wie Schneeballen und Spagatkrapfen waren<br />

auf dem „Speiszettl“ angeführt. Hirn, Milz und<br />

Leber galten damals als geheime Liebesextrakte.<br />

So änderte sich im Laufe der Jahrzehnte das Image<br />

von Innereien, und sie finden heute seltener den<br />

Eintritt in die Menüauswahl. Steirische Küche am<br />

Hof war bekannt für Markigkeit und Kraft!<br />

Das Kochbuch –<br />

„ein heiliges Buch“<br />

Alle Ehre den Dirnd’ln der damaligen Zeit, da<br />

wurden Rezepte penibel genau in das Kochbuch<br />

eingetragen. Ein gut geführtes Kochbuch war für<br />

eine junge Frau quasi wie ein Bewerbungsbrief an<br />

den Zukünftigen. Vergleicht man die Zeilen der<br />

Rezepte aus der Zeit von Anna Plochl, so ist es<br />

lustig zu erlesen, mit welcher Muße die Gerichte<br />

beschrieben wurden.<br />

Zum Beispiel die Hühnerpüreesuppe: Eine alte<br />

Henne, eine junge Henne, Rindsuppe, ein abgezogenes<br />

Kalbshirn, im Mörser gestoßen, 20 abgezogene<br />

gestoßene Mandeln, mit Obers angefeuchtet, eine<br />

ganze abgeriebene, in Obers geweichte Semmel, 6<br />

Eidotter von hartgesottenen Eiern, ebensoviel Butter,<br />

wenig Mußkatnuß, als Einlage Semmelcroutons<br />

oder Konsumé.<br />

Die Art der Zubereitung gleicht fast einer kleinen<br />

geheimen Geschichte, um deren Kräuter und Zutaten<br />

sich der Hochadel berät.<br />

In Anna Plochls Kochbuch verstecken sich zwischen<br />

den Zeilen geheime Liebesbeweise. Wohl wissend,<br />

dass niemand in das Kochbuch einsehen darf,<br />

außer ihrem Liebsten. Je nach Seelenstimmung<br />

verwendete Sie das Kochbuch wie einen stillen<br />

„Postillion d’amour“ (Liebesbotschafter):<br />

Wenn schon Entfernung macht, daß du auf mich<br />

vergisst, so denke dann und wann, die unterschrieben<br />

ist. Nany<br />

Nach einem Rezept „Tiroler Strudel“ schrieb die<br />

auch mit dem Spitznamen „Nany“ genannte Anna<br />

Plochl: Lustig wohlauf in Steuerinnen Brauch, und<br />

der meinige auch.<br />

Geduld im Leiden, sonst mutig und schweigen, nicht<br />

ohne Noth klagen, mehr denken als zagen.<br />

Hildegard Giselbrecht

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