09.12.2016 Aufrufe

s'Positive Magazin 09.2016

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

MICHAEL HERMANN<br />

s’Positive: Wie ist es möglich, aus dem<br />

beschaulichen Oberaargau zur nationalen<br />

politischen Fgur aufzusteigen?<br />

Michael Hermann: Das ist doch nicht so ungewöhnlich.<br />

Unser Bundespräsident Johann<br />

Schneider-Ammann und der Berner Regierungspräsident<br />

Hans-Jürg Käser kommen<br />

auch aus dem Oberaargau. Es gibt sogar<br />

Sportreporter, die es aus dem Oberaargau<br />

heraus zu nationaler Bedeutung gebracht<br />

haben.<br />

Wir sehen diese beiden herausragenden<br />

Persönlichkeiten eher als Ausnahmen,<br />

und in den kantonalen und nationalen<br />

Parlamenten spielen die Oberaargauer<br />

keine Rolle. Deshalb nochmals die Frage:<br />

Wie wird man von Huttwil aus zu einer<br />

nationalen Figur?<br />

Meine Herkunft hat mir geholfen. Ich bin von<br />

aussen, mit unverstelltem Blick in die Welt<br />

der Politik gekommen. Ich habe nicht einmal<br />

Politologie studiert. Sondern im Hauptfach<br />

Geografie sowie Volkswirtschaft und Geschichte<br />

im Nebenfach.<br />

Sie sind also sozusagen über die<br />

Landkarte zur Politik gekommen?<br />

Ja, so können wir es sagen. Ich bin als<br />

Huttwiler nach Zürich und somit als<br />

Aussenseiter aus einer anderen Welt<br />

gekommen. Dabei habe ich nicht nur<br />

im geografischen Sinne Welten durchschritten.<br />

Für eine klassische akademische<br />

Karriere wäre es einfacher<br />

gewesen, wenn ich am Zürichberg<br />

aufgewachsen und mich von Anfang<br />

an in diesem System bewegt hätte. Ich<br />

kam jedoch von aussen, ich musste<br />

meinen eigenen Weg gehen …<br />

…und ein eigenes Profil entwickeln.<br />

Ich strebte nicht nach einem Karriereweg<br />

durch die Institutionen oder<br />

nach einer Professur. Ich wollte etwas<br />

wagen und so begann ich, interessante<br />

Stoffe auf meine Weise zu verarbeiten.<br />

Wie gelang es Ihnen, die Medien<br />

auf sich aufmerksam zu machen?<br />

Kaum vorstellbar, dass Geografie<br />

als Fachrichtung sexy genug ist.<br />

Gerade, wenn es darum geht, Karriere<br />

zu machen.<br />

Mit der Idee, politische Landkarten zu<br />

erstellen. Also die politischen Verhältnisse<br />

auf Karten zu übertragen und sie<br />

so sichtbar zu machen. Als Geograf<br />

war es für mich einfacher, eigene Wege<br />

zu gehen und mich zu entfalten.<br />

So wie in Comics Geschichten in<br />

Bildern erzählt werden, so haben<br />

Sie gewisser massen politische Comics<br />

gezeichnet.<br />

So ungefähr. Es war jedenfalls eine<br />

völlig neue Art, sich mit Politik zu befassen<br />

und Politik darzustellen. Komplexe Sachverhalte<br />

und Zusammenhänge werden auf einmal<br />

sichtbar und verständlich.<br />

Zum Beispiel?<br />

Der Begriff «Röstigraben» ist allgemein bekannt.<br />

Aber wie dieser «Röstigraben» wirklich<br />

aussieht, wurde erst durch seine Darstellung<br />

im politischen Raum richtig klar.<br />

Wie waren die Reaktionen auf ihre neue<br />

Art, Politik darzustellen?<br />

Erstmals habe ich die Idee an der Universität<br />

vorgestellt. Die ersten Reaktionen waren<br />

heftig, teilweise positiv, oft aber auch ablehnend.<br />

Was macht der da? Der hat doch gar<br />

keine Ahnung. Aber die Medien fanden es<br />

lässig. An der Uni bin ich für meine Kreativität<br />

zumindest am Anfang kritisiert worden,<br />

die Medien sind aber sofort darauf angesprungen.<br />

Die sind offener für Neues, weil<br />

sie ja immer nach Themen suchen und viele<br />

Gefässe mit Inhalten füllen müssen. Deshalb<br />

fühle ich mich unter Journalisten wohler als<br />

an der Uni.<br />

«Mit Online-Umfragen<br />

erreichen wir viel mehr<br />

Leute als per Telefon.<br />

Kommt hinzu: Die Befragten<br />

sind offener und<br />

wohl auch ehrlicher.»<br />

Wo haben Sie Ihre Ideen erstmals publiziert?<br />

Im «<strong>Magazin</strong>» des «Tages-Anzeigers».<br />

Nicht in der NZZ? Wer Karriere machen<br />

will, publiziert in der NZZ.<br />

Nein. Das «Tagimagi» als unkonventionelles<br />

Medium mit dem Mut zu neuen Darstellungsweisen<br />

hat mir gefallen. Wir haben<br />

eine Landkarte des Parlamentes gezeigt und<br />

wo die Gemeinden politisch stehen. Wir erstellten<br />

einen Atlas der politischen Landschaft.<br />

Das hat auch den Eliten gefallen.<br />

Woher haben Sie den Mut genommen,<br />

sozusagen gegen den Strich zu bürsten?<br />

Ich wollte ja eigentlich Psychologie studieren<br />

und habe ein paar Seminare bei den grossen<br />

Gurus der Fachrichtung besucht. Der Guru<br />

hat etwas vorgetragen, seine Schüler haben<br />

zugehört und artig seine Ansichten diskutiert.<br />

Da ist mir klargeworden, dass man von<br />

Gurus zwar gefördert wird, aber immer ein<br />

Schüler bleibt. So entwickeln sich keine kritischen,<br />

starken Persönlichkeiten mit eigenen<br />

Ansichten.<br />

Woher nehmen Sie die Erkenntnisse,<br />

die Sie auswerten?<br />

Durch Umfragen, die wir online machen.<br />

Gerade haben wir eine gemacht<br />

zu den Lebensentwürfen der<br />

Menschen. Mit Online-Umfragen<br />

können wir viel mehr Leute erreichen<br />

als mit telefonischen Umfragen.<br />

So sind differenziertere Aussagen<br />

für kleinere Gruppen möglich.<br />

Dazu kommt: Die Befragten sind<br />

offener und wohl auch ehrlicher.<br />

Dabei haben wir die Erfahrung gemacht,<br />

dass es gerade bei emotional<br />

aufgeladenen politischen Themen<br />

nicht einfach ein schwarz-weisses<br />

Bild gibt. Gerade die Jungen sind<br />

zwar vielleicht nicht mehr so links<br />

wie früher, aber sie sind neugierig.<br />

Ihre Sicht ist nicht durch Vorurteile<br />

verstellt.<br />

Gibt es grosse Unterschiede zwischen<br />

den Jungen der 1990er-<br />

Jahre und heute?<br />

Nein. Den grossen Gegensatz der<br />

Generationen haben wir nach 1968<br />

erlebt. Dies hängt mit grossen kollektiven<br />

Erlebnissen zusammen. Die<br />

Kriegsgeneration hatte schwierige<br />

Zeiten durchgemacht, und die<br />

nächste, die 1968er-Generation ist<br />

in Sicherheit, Stabilität und Wohlstand<br />

gross geworden. Die neue<br />

Generation suchte damals eine klare<br />

Abgrenzung zu ihren Vorgängern<br />

und versteifte sich oft auf linke Positionen,<br />

die sie tief im Herzen gar<br />

nicht mitgetragen hatte. Heute sind<br />

die Gräben zwischen den Generati-<br />

6 s’Positive 10 / 2016

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!