s'Positive Magazin 12.2016
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In der Bibel steht nichts<br />
darüber, wann Jesus<br />
Christus geboren wurde,<br />
und auch sonst ist dies<br />
nirgendwo überliefert.<br />
TEXT: BRUNO WÜTHRICH<br />
Die Bibel sagt uns vieles. Aber eben<br />
nicht alles. Was jedes Kind zu<br />
wissen scheint, ist nicht gesichert.<br />
Heilig Abend und Weihnachten<br />
werden erst seit dem 4.<br />
Jahrhundert am 24. und 25. Dezember gefeiert,<br />
weil Papst Liberius im Jahre 353 die Geburt<br />
Christi verbindlich auf den 25. Dezember<br />
datierte. Doch wie kommt er auf diese Daten?<br />
EIN GRUND ZUM FEIERN<br />
Geburtstage zu feiern, galt früher im Christentum<br />
als heidnisch. Das ging eigentlich gar<br />
nicht. Im frühen Christentum war das Feiern<br />
War es draussen<br />
gar nicht kalt,<br />
als Jesus im Stall<br />
zur Welt kam?<br />
von Geburtstagen nicht das Richtige. Mit<br />
Sicherheit feierten weder Jesus noch seine<br />
Jünger je einen Geburtstag. In das Reich<br />
Gottes ging man ja erst ein, wenn man starb.<br />
Der höchste christliche Feiertag ist deshalb<br />
der Karfreitag, also die Kreuzigung Christi,<br />
und dementsprechend auch das Osterfest.<br />
Diese beiden Feste haben, theologisch<br />
gesehen, den höheren Wert als Weihnachten.<br />
Da geht es nämlich um das Leben nach<br />
dem Tod, um die Auferstehung von Gottes<br />
Sohn. Doch auch wenn die Christen das Feiern<br />
von Geburtstagen nicht auf dem Schirm<br />
hatten, so wurde doch gefeiert. Wenn die<br />
römischen Kaiser Geburtstag hatten, wurde<br />
über Tage gefeiert, getrunken, Wettkämpfe<br />
veranstaltet und vieles mehr. Als dann aber<br />
aus dem Staatsfeind Christentum eine<br />
Staatsreligion wurde, galt es, die beiden<br />
Kulturen zusammen zu bringen. Doch steht<br />
in der Bibel gar nichts darüber, wann Jesus<br />
Christus geboren wurde, und auch sonst ist<br />
dies nirgendwo überliefert. Aus dem Lukas-<br />
Evangelium, das von der Geburt erzählt,<br />
wissen wir nicht einmal, dass es kalt war.<br />
Dafür gibt es Hinweise zum Geburtsjahr,<br />
denn «es begab sich aber zu der Zeit, dass<br />
ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging,<br />
alle Welt solle sich einer Zählung unterwerfen»,<br />
und zwar «als Quirinus Landpfleger<br />
von Syrien war» (Lk 2, 1-6).<br />
Damit aber beginnen die Schwierigkeiten.<br />
Publius Sulpicius Quirinus war nämlich<br />
von 6 bis 7 n. Chr. römischer Statthalter in<br />
Syrien. Dass Christus nicht im Jahr 6 oder 7<br />
geboren worden sein kann, ist klar. Die Philologie<br />
des Neuen Testaments hat längst den<br />
Schluss gezogen, dass die angebliche Volkszählung<br />
nur als Grund herhalten musste, um<br />
Christus nicht in Nazareth, wo seine Familie<br />
lebte, sondern in Bethlehem, der Stadt König<br />
Davids, zur Welt kommen zu lassen.<br />
Lukas gibt noch ein zweites Datum an.<br />
Dem Zacharias, also dem Vater des Täufers<br />
Johannes, sei «zur Zeit, als Herodes König<br />
von Judäa war», ein Engel erschienen, um<br />
ihm die Schwangerschaft seiner Frau Elisabeth<br />
mitzuteilen. Das macht alles noch verworrener.<br />
Denn Johannes war fast gleich alt<br />
wie Jesus; er hüpft im Leib seiner Mutter, als<br />
diese der schwangeren Maria begegnet. Aber<br />
Herodes starb bereits im Jahr 4 vor Christus!<br />
Die Berechnung des Geburtsjahres von<br />
Christus scheint anhand solcher Widersprüche<br />
ziemlich aussichtslos. Noch viel schwieriger<br />
ist demnach die Findung des genauen<br />
Datums. Das Gleiche gilt übrigens für den<br />
Todestag. Schon vor gut hundert Jahren stellte<br />
ein Neutestamentler resigniert fest, es gebe<br />
innerhalb der zehnjährigen Amtszeit des<br />
Pontius Pilatus kein einziges Jahr, das nicht<br />
schon einmal als Todesjahr Christi vorgeschlagen<br />
worden sei. Irgendwann zwischen<br />
29 und 33 nach Christus müsse es gewesen<br />
sein, am wahrscheinlichsten sei der 7. April<br />
Foto: shutterstock.com/PFMphotostock<br />
s’Positive 12 / 2016 13