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LAND UNTER / VENEDIG<br />
„Das Hochwasser<br />
scheint ein Feigling<br />
zu sein. Es kommt<br />
oft nachts“<br />
“Acqua alta is a coward,<br />
it comes at night”<br />
die nicht mehr. Dann stülpt sie ihren Tischbeinen<br />
Plastikflaschen über, entfernt das unterste Fach<br />
ihrer Kommode, wirft die Wasserpumpe an <strong>und</strong><br />
wartet sechs St<strong>und</strong>en auf die Ebbe.<br />
„Das Hochwasser scheint ein Feigling zu sein.<br />
Es tritt bevorzugt in den Nachtst<strong>und</strong>en ein“,<br />
berichtet sie. „Vor ein paar Jahren kam es am<br />
Weihnachtsabend <strong>und</strong> alle Ladenbesitzer in dieser<br />
Straße kamen in ihren Gummistiefeln <strong>und</strong> setzten<br />
sich in einem Geschäft um einen Tisch im Wasser,<br />
um die Pumpen zu überwachen. Wir aßen<br />
Panettone <strong>und</strong> tranken Wein. Das Hochwasser<br />
macht uns Ladenbesitzer solidarisch.“ Dem MOSE<br />
Projekt steht sie skeptisch gegenüber, vermutet<br />
gar, dass die Arbeiten an der Sperre die Strömung<br />
in der Lagune beeinflusst haben <strong>und</strong> sich das<br />
Hochwasser dadurch noch verschlimmert hat.<br />
Auch Pierpaolo Campostrini hat für MOSE<br />
nicht viel übrig. Er ist Ingenieur <strong>und</strong> gehört<br />
dem Gremium der Prokuratoren des Markusdoms<br />
an, eine renommierte ehrenamtliche<br />
Position. Die Prokuratoren übernehmen die<br />
weltlichen Angelegenheiten des Doms <strong>und</strong> sind<br />
verantwortlich für seine Instandhaltung. Mit<br />
8400 Quadratmetern weisen die vergoldeten<br />
Decken seiner fünf Kuppeln eine der größten<br />
zusammenhängenden Mosaikflächen der Welt<br />
auf – ohne Zweifel ein erhaltenswertes Bauwerk.<br />
Aber schon bei 70 Zentimetern Wasserstand<br />
blubbert es aus den Regenkanälen auf den ><br />
boot-wearing tourists who splash aro<strong>und</strong> gleefully<br />
in the ankle-deep water and slosh it into her shop<br />
particularly irritating. “I chase them away with my<br />
broom,” she says. Whenever high water is<br />
predicted, Longo closes her shop and fixes her<br />
flood barrier against the door. But above 1.31m even<br />
that is no use. That’s when she puts plastic bottles<br />
over her table legs, removes the lowest shelf from<br />
her chest of drawers, turns on the water pump and<br />
waits the six hours till the waters recede.<br />
“The aqua alta seems to be a coward. Most of<br />
the time it arrives by night,” she says. “A few years<br />
ago it arrived on Christmas Eve. The shop owners<br />
in this street had to keep an eye on their pumps.<br />
So they gathered aro<strong>und</strong> a table standing in the<br />
water in one shop, wearing Wellington boots.<br />
Someone brought panettone and we had a glass of<br />
wine. The aqua alta brings about solidarity among<br />
the shop owners.” Longo is sceptical about the<br />
MOSE project and even suspects that work on the<br />
barrier has affected currents in the lagoon and<br />
made the flooding worse.<br />
Likewise, Pierpaolo Campostrini is no fan of<br />
MOSE. He is an engineer with a prestigious<br />
voluntary position on the management board of St<br />
Mark’s Basilica. The Basilica’s five domes have<br />
gilded ceilings covered with one of the world’s ><br />
Von oben nach unten:<br />
Giuliana Longo in ihrem<br />
Laden; Hauptsache<br />
Hut; Essen mit Blick auf<br />
den Canal Grande<br />
From top to bottom:<br />
Giuliana Longo; her<br />
hat display; canalside<br />
dining