SHOWTIME FÜR ANKE

FREIZEIT
DER ERSTE SIEDLER
Wie viele Menschen ist unser Autor fasziniert von Catan, dem wohl
erfolgreichsten Brettspiel unserer Zeit. Also haben wir ihn gebeten,
gegen den Mann anzutreten, der es erfunden hat: Klaus Teuber
TEXT: FREDERIC LÖBNITZ
FOTOS: ANDREAS REEG FÜR DB MOBIL
Der Karton knarzt beim Öffnen. Klaus Teuber nimmt
die Anleitung heraus und legt sie beiseite. Jeder am
Tisch kennt die Regeln. Teuber baut das sechseckige
Spielfeld auf, verteilt die Spielsteine und drückt
mir die beiden Würfel in die Hand. „Gutes Spiel“,
sagt er. Ich frage mich: Wünscht er mir damit Glück,
oder bewertet er das Spiel? Ich beginne zu würfeln.
„Halt!“, ruft Benny, Teubers Sohn. „Bonbons! Ich
spiele nie ohne Bonbons.“ Er springt auf, holt eine Packung Fruchtkaramellen
und verteilt sie auf dem Tisch. Das Spiel kann beginnen.
Ich bin zu Besuch in Roßdorf bei Darmstadt, 12 000 Einwohner.
In einem weißen Reihenhaus am Ende eines Hügels am Waldesrand
wohnt und arbeitet Klaus Teuber, 64, das Haar ergraut, auf der
Schädeldecke licht geworden. Er hat ein freundliches Gesicht, das
mich an einen Geschichtslehrer erinnert, am rechten Ringfinger
einen dunkelblauen Siegelring. Er spricht sanftes Hessisch. Teuber
denkt sich Gesellschaftsspiele aus, seit mehr als 30 Jahren, über 50
tragen seinen Autorennamen. „Drunter & Drüber“, „Barbarossa“
und „Adel verpflichtet“, jedes davon „Spiel des Jahres“. Ausgezeichnet
mit nationalen wie internationalen Preisen, für sein Lebenswerk.
Damit ist er einer der erfolgreichsten Spieleerfinder, vor
allem wegen des Spiels, das hier auf Teubers Küchentisch aufgebaut
ist: „Die Siedler von Catan“.
Ein Erz für ein Lehm? Der Handel ist
essenziell bei Catan. So sehr, dass
Personalchefs das Spiel einsetzen, um die
Kompetenzen ihrer Bewerber zu testen.
Unser Autor (o. l.) hatte also Grund,
nervös zu sein am Tisch der Teubers
Seit 1995 hat sich das Spiel mit dem ikonischen Sonnenuntergang
auf der Schachtel mehr als 22 Millionen Mal verkauft. Es gibt
zahllose Erweiterungen und Sondereditionen, Fanartikel, Weltmeisterschaften.
Es wurde in über 30 Sprachen übersetzt und erlebt
in den USA gerade eine Renaissance – ausgerechnet unter
Tech-Nerds. Das Spielprinzip von Catan: Drei bis vier Spieler landen
auf einer einsamen Insel. Sie würfeln, handeln und feilschen
um Rohstoffe und die siedlerische Vormachtstellung.
Mich fasziniert dieses Spiel schon lange, ohne dass ich benennen
könnte, warum. Kluge Menschen haben sich an einer Antwort versucht,
von ihnen wird noch die Rede sein. Ich möchte es gern aus
erster Hand erfahren. Deswegen spiele ich heute mit ihm, dem
Schöpfer. Mit Klaus Teuber, seiner Frau Claudia und seinem Sohn
Benjamin, genannt Benny, Mitte 30, der ins väterliche Spiele-Unternehmen
eingestiegen ist. Wir spielen dort, wo alle neuen Werke
der Teubers entstehen: an diesem Tisch aus Birkenfurnier. Hier
hoffe ich zu ergründen, wie man sich diese Spielewelten ausdenken
kann, und was das überhaupt für ein Beruf ist: Spieleerfinder. Wir
sind schnell per Du, die Straßenschuhe habe ich ausgezogen.
Claudia zeigt auf die neue Deckenlampe. „Die ist doch viel besser
zum Spielen als die alte“, stellt sie fest und freut sich, dass Benny
ihr zustimmt. Ihre Brille sitzt auf ihrer Nasenspitze, daher legt sie
den Kopf immer leicht in den Nacken, wenn sie das Spielfeld betrachtet.
Ihr mütterlicher Tonfall sorgt dafür, dass ich mich geborgen
fühle am Tisch der Teubers. Werden sie mich gewinnen lassen?
„Klassischer Aufbau“, attestiert Claudia unserem Spielfeld. Die
Rohstoffe auf den 19 bunten Sechsecken sind gut verteilt, die am
meisten gewürfelten Zahlen Sechs und Acht liegen auf unterschiedlichen
Baustoffen – Catan ist uns gewogen. Wir spielen nach Art
des Hauses: Der Räuber wird erst eingesetzt, wenn der erste Spieler
drei Siegpunkte gesammelt hat. Es beginnt die höchste Würfelzahl,
nicht der Älteste, wie im Regelheft vorgesehen.
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02/2017 47