03.02.2017 Aufrufe

SHOWTIME FÜR ANKE

277734-00_DB_MOBIL_02_17

277734-00_DB_MOBIL_02_17

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

FREIZEIT<br />

Die ersten Runden laufen gut für mich und Benny, schlecht für<br />

Claudia, die sich deswegen als „ganz armes Mäuschen“ bezeichnet.<br />

Klaus ruht gravitätisch in seinem Korbstuhl, für ihn läuft’s okay.<br />

„Beim Spielen schalte ich ab“, erzählt er, „jedes Spiel ist für mich<br />

wie ein kleiner Urlaub.“ Wenn das Spiel gut ist, versteht sich. Wie<br />

es ausgeht, kümmere ihn hingegen wenig. Nur einmal, als er eingeladen<br />

war, bei der Catan-Weltmeisterschaft gegen die drei Finalisten<br />

anzutreten, wollte Klaus auf keinen Fall Letzter werden. Erster<br />

aber auch nicht, „das hätte doch komisch ausgesehen“. Am Ende<br />

teilte er sich den dritten Platz, und alles war gut.<br />

Ich versuche, mich von seiner Ruhe einfangen zu lassen. Der<br />

Zeitpunkt ist allerdings schlecht dafür. Gerade ist mein Plan gescheitert,<br />

mein einziger: schnell eine Straße bauen. Für mich ist<br />

Spielen immer Stress, zwar wohltuender, wie beim Achterbahnfahren,<br />

aber Stress. Mein Trost: Auch Benny wird langsam nervös. Der<br />

Räuber steht auf seinem produktivsten Feld. Wieder wird die Zehn<br />

gewürfelt, wieder entgehen Benny drei wertvolle Holzkarten. Er<br />

lässt den Kopf auf das Spielfeld sinken.<br />

„Früher war ich ein schlechter Verlierer“, erzählt er. Mit der Zeit<br />

hat er gelernt, „dass es mal ungerecht zugeht, dass es Niederlagen<br />

gibt, dass andere gewinnen“. Unvermittelt meldet sich Klaus zu<br />

Wort: „Beim Spielen zeigt sich, wie ein Mensch wirklich ist.“<br />

Interessant, dass er das erwähnt, denn im Silicon Valley sieht<br />

man das genauso. Reid Hoffman, Mitgründer des Netzwerks<br />

Linked-In, nutzt das Spiel als Psychotest für seine angehenden Führungskräfte.<br />

Er findet, Catan sei die perfekte Simulation echten<br />

Unternehmertums. Er fordere auch seine Businesspartner zu einer<br />

Partie heraus, um Chancen- und Risikokalkül, Empathie und Diplomatie<br />

zu testen und zu schulen. Auch Facebook-Gründer Mark<br />

Zuckerberg ist großer Fan des Spiels, der aber nur zum Spaß.<br />

Der amerikanische Autor Blake Eskin ernannte Catan 2010 zum<br />

Spiel unserer Zeit, das damit Monopoly ablöste. Es repräsentiere<br />

eine Welt mit endlichen Ressourcen und abhängigen Reichtümern<br />

und könne daher als Modell dienen, um zeitgenössische Probleme<br />

wie Handels ungleichgewicht und Klimaveränderung zu lösen.<br />

„Das habe ich alles nicht geplant“, sagt Klaus lächelnd. Er freue sich<br />

aber natürlich, was aus seinem Spiel geworden sei, das am Ende<br />

„einfach ein riesiger Glückstreffer war“.<br />

„ALS KIND KONNTE ICH ALLE<br />

RÖMISCHEN KAISER SAMT<br />

AMTSZEITEN AUFZÄHLEN“<br />

An diesem Tisch im<br />

südhessischen Roßdorf<br />

muss sich jede Erfindung<br />

beweisen, hier werden<br />

alle neuen Spiele getestet.<br />

Bei einer Partie Catan<br />

messen sich (gr. Bild;<br />

v. l.): Benjamin, Claudia<br />

und Klaus Teuber sowie<br />

unser Autor Frederic<br />

Löbnitz. Immer dabei:<br />

Fruchtkaramellen (r.,<br />

Mitte). Sohn Benjamin<br />

kennt das Spiel, seit er<br />

acht Jahre alt ist – es<br />

packt ihn immer noch<br />

(u. l.). „Spielen ist<br />

Urlaub“, sagt Klaus<br />

Teuber. Deshalb: Schuhe<br />

aus! (u. r.)<br />

Eigentlich ist Teuber von Beruf Zahntechniker, wie sein Vater.<br />

In seiner Freizeit nutzte er sein handwerkliches Geschick, um<br />

Brettspiele zu entwickeln. 1988 nahm er eines zur Spielwarenmesse<br />

nach Essen mit. Es heißt „Barbarossa und die Rätselmeister“.<br />

Im selben Jahr wurde es zum „Spiel des Jahres“ gekürt. Klaus bastelte<br />

an weiteren Spielen, lieber als an Zähnen. Inspirieren ließ er<br />

sich von Geschichtsbüchern. „Als Kind konnte ich sämtliche römische<br />

Kaiser samt Amtszeiten hintereinander aufzählen. Ich wollte<br />

Geschichte spielbar machen.“ Mitte der Neunziger hatten es ihm<br />

die Wikinger angetan. „Aufbruch ins Ungewisse, der Aufbau neuer<br />

Welten, das faszinierte mich ungemein. Die wenigsten Wikinger<br />

waren ja irgendwelche Mordbanden, das waren ganz normale Bauern.<br />

Was machten die? Holz fällen, um ihre Schiffe zu bauen, Getreide<br />

anbauen, um sich zu ernähren.“<br />

Die ganze Familie tüftelte mit. Klaus dachte sich die Regeln aus,<br />

Guido, der ältere Sohn, der mittlerweile die Teuber-Geschäfte in<br />

den USA betreut, bemalte die Karten. Benny, damals acht Jahre alt,<br />

klebte Holzklötze zu kleinen Figuren zusammen. Allabendlich probierte<br />

Klaus seine neue Erfindung im Kreise der Familie aus. Benny<br />

brachte immer ein Micky-Maus-Heft an den Spieltisch mit. Langweilte<br />

er sich, fing er an, darin zu blättern. Dann wusste Klaus, dass<br />

er das Spiel noch spannender machen musste. Bis das Heft vom<br />

Tisch verschwand.<br />

Oberster Anspruch an ein Spiel müsse immer der Spaß sein, finden<br />

Teuber und Sohn. „Dafür braucht ein gutes Spiel unbedingt<br />

eine Glückskomponente“, weiß Klaus, sonst sei es Sport. „Außerdem<br />

Konfliktpotenzial“, ergänzt Benny, „ein Dilemma, eine Not.<br />

Man muss drei Optionen haben, Ressourcen aber nur für eine davon.“<br />

Damit hat er treffend meine Spielsituation beschrieben.<br />

Meinen Stapel Bonbons habe ich inzwischen aufgegessen. Die<br />

Papierchen liegen in geknüllten Kügelchen vor mir, wie meine<br />

Chancen, das Spiel noch zu gewinnen. Klaus hat seine zu kleinen<br />

geometrischen Gebilden gefaltet. Er lächelt, schon die ganze Zeit,<br />

ein Augurenlächeln, als wüsste der Schöpfer von Anfang an um den<br />

Ausgang der Partie. Mit Benny zählt er die Siegpunkte. Jeder der<br />

Teubers hat neun. Ich vier. Das Spiel geht bis zehn. Benny ist an der<br />

Reihe. Mit leuchtenden Augen überblickt er seinen Kartenfächer.<br />

Er rechnet noch einmal nach. Drei Erz, zwei Getreide – das reicht.<br />

Er legt die Karten auf den Tisch und tauscht eine Siedlung gegen<br />

eine Stadt. Das ist der Sieg, nach einer Stunde und zwei Minuten.<br />

Alle lassen sich in ihre Korbstühle fallen, ausgemergelt von der<br />

Anspannung, erholt von der kurzen Weltflucht. „Das Spiel war<br />

48 dbmobil.de 02/2017<br />

49

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!