11.12.2012 Aufrufe

Mai 2008 - Lazarus Orden in Deutschland

Mai 2008 - Lazarus Orden in Deutschland

Mai 2008 - Lazarus Orden in Deutschland

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Streites mit der klappernden W<strong>in</strong>dmühle,<br />

die heute noch <strong>in</strong> Betrieb ist,<br />

kennen, sah durch die Spaliere die<br />

Neuen Kammern und die Muschelgrotte<br />

und bemerkte, wie lange die<br />

„grande tour“ doch dauern würde.<br />

Man verabschiedete sich und das Ehepaar<br />

Barton, das erst am nächsten Tag<br />

se<strong>in</strong>en Flug gebucht hatte, g<strong>in</strong>g weiter<br />

mit.<br />

Der Bau des Neuen Palais wurde von<br />

Friedrich II. angeordnet zu dem<br />

Zweck, die Großmacht Preußens zu<br />

demonstrieren. Obgleich man zu dieser<br />

Zeit (Mitte 18. Jahrh.) schon den<br />

Klassizismus bevorzugte, verharrte der<br />

König auf se<strong>in</strong>em bevorzugten Barock/Rokoko-Stil.<br />

Man war über das<br />

imposante Ausmaß der Schlossanlage<br />

sehr erstaunt. Das 240 m lange Schloss<br />

hat 300 Räume und 322 Fenster. Die<br />

Fassade, oberflächlich <strong>in</strong>takt wirkend,<br />

verbirgt, dass es mit dem Gebäude<br />

exorbitante, nicht sichtbare Probleme<br />

gibt. Aus ästhetischen Gründen hat<br />

man ke<strong>in</strong>e äußerlich sichtbaren Fallrohre<br />

für die Dachentwässerung angebracht.<br />

Die h<strong>in</strong>ter der Fassade verlaufenden<br />

Regenrohre s<strong>in</strong>d längst brüchig<br />

und lassen die Feuchtigkeit <strong>in</strong> das<br />

Mauerwerk sickern. Dazu kommt, dass<br />

auf dem feuchten Grund, auf dem das<br />

Schloss errichtet wurde, Fundamente<br />

aus Sandste<strong>in</strong> verwendet wurden. Und<br />

dieses Material leitet ebenfalls Feuchtigkeit<br />

<strong>in</strong> den Bau.<br />

An der Außenfassade stehen 488<br />

Figuren, von denen erst der kle<strong>in</strong>ere<br />

Teil restauriert wurde. Auf diese Weise<br />

konnten sich unsere Gäste e<strong>in</strong> Bild<br />

davon machen, welche Schäden es<br />

noch <strong>in</strong> Zukunft zu beseitigen gibt.<br />

Aber all das Unangenehme war vergessen,<br />

als wir im Schloss mit sachkundiger<br />

Führung herumg<strong>in</strong>gen. Der hochberühmte<br />

Muschelsaal, den darüber<br />

liegende Festsaal, beide von gewaltigen<br />

Ausmaßen, die vielen prächtigen<br />

Appartements waren so überwältigend,<br />

dass man nur zu gerne die vorher<br />

besprochenen Probleme vergaß.<br />

Zurück im Park besichtigten wir das<br />

bezaubernde Teehaus. Es war <strong>in</strong> der<br />

DDR-Zeit recht herunter gekommen<br />

und wurde mit Geldern aus Japan hervorragend<br />

hergerichtet. Die Figuren<br />

bekamen e<strong>in</strong> neues Blattgoldkleid und<br />

auch das Innere des kle<strong>in</strong>en Hauses ist<br />

wieder wunderschön ausgemalt. Man<br />

bemerkte auch, dass die Figuren zwar<br />

Ch<strong>in</strong>esen darstellen sollten, doch<br />

überaus europäische Gesichtszüge<br />

haben.<br />

Total erschöpft verabschiedeten wir<br />

uns für den nächsten Morgen, denn<br />

das Ehepaar Barton hatte vor, wenigstens<br />

EINEN Blick auf das Berl<strong>in</strong>er<br />

Brandenburger Tor zu werfen. E<strong>in</strong><br />

wenig verspätet g<strong>in</strong>g es dann am<br />

darauf folgenden Tag weiter mit der<br />

<strong>in</strong>teressanten Stadtgeschichte Potsdams.<br />

Wir spazierten durch das Barockviertel<br />

das eigentlich aus klassizistischen<br />

Gebäuden besteht. Unser Ziel<br />

war das berühmte Holländische Viertel<br />

mit se<strong>in</strong>en 128 (von ursprünglich 134)<br />

erhaltenen Häuschen. Die niederländische<br />

Regierung hatte vor e<strong>in</strong>igen<br />

Jahren bedeutende Mittel zur Wiederherstellung<br />

bereit gestellt, so dass man<br />

sich davon überzeugen konnte, wie<br />

rasch es nunmehr mit dem Wiederaufbau<br />

g<strong>in</strong>g. Wir durften sogar e<strong>in</strong>es<br />

der Häuser, <strong>in</strong> dem gerade kräftig<br />

gewerkelt wurde, besichtigen. Bartons<br />

waren angetan von der Sorgfalt, mit<br />

der man mit der historischen Substanz<br />

umgeht. Alles, was irgendwie zu retten<br />

ist, wird erhalten: Türen und deren<br />

Zubehör, Fenstergriffe, Kam<strong>in</strong>e, Bemalungen,<br />

historische Treppen usw.<br />

Nur noch etwas Zeit und das Viertel,<br />

das e<strong>in</strong>zige Ensemble <strong>in</strong> dieser Geschlossenheit,<br />

wird wieder hergestellt<br />

se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Verschnaufpause legten<br />

wir e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>em Cafe-Restaurant<br />

„<strong>Mai</strong>son de Chocolat“, das mit französisch<br />

ausgerichteter Küche, wunderbaren<br />

Kuchen und e<strong>in</strong>er Schokolade, <strong>in</strong><br />

der der Löffel steht, e<strong>in</strong>lädt.<br />

So gestärkt konnten wir langsam den<br />

Rückweg antreten. Wir wollten unseren<br />

Gästen das neue Potsdam nicht<br />

vorenthalten und spazierten über den<br />

Bass<strong>in</strong>platz, auf dem, wie <strong>in</strong> früheren<br />

Zeiten Markt abgehalten wird. Durch<br />

die Schluchten hässlicher Plattenbauen<br />

<strong>in</strong> sozialistischer Architektur, an der<br />

der Zahn der Zeit schon heftig nagt,<br />

g<strong>in</strong>g es nur zur Sch<strong>in</strong>kel´schen Nikolaikirche.<br />

Die Kuppel des mächtigen<br />

Gotteshauses hielt dem heftigen Bombardement<br />

im April 1945 stand, denn<br />

alle Geschosse rutschten von der Kuppel<br />

ab, ohne sie zu beschädigen. Erst<br />

die Soldaten der roten Armee gaben<br />

ihr den Rest. Im Innern ist die Kirche<br />

sehr schön wiederhergestellt im<br />

ursprünglichen Nazarener-Stil. Es gab<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em der Seitenräume e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e<br />

Ausstellung, die den Wiederaufbau<br />

und den Stand der Restaurierungsarbeiten<br />

dokumentiert. Auch hier ist viel<br />

zu tun, nur langsam gehen die D<strong>in</strong>ge<br />

voran, denn es mangelt an den nötigen<br />

F<strong>in</strong>anzmitteln.<br />

Gegenüber der Nikolaikirche steht<br />

das wieder erbaute Fortune-Portal des<br />

Stadtschlosses. Dieser Bau war 1945<br />

ausgebrannt. Ich kann mich noch gut<br />

an die gewaltige Ru<strong>in</strong>e er<strong>in</strong>nern. 1960<br />

wurde dieses Denkmal monarchistischen<br />

Größenwahns abgerissen. Man<br />

hatte all die Jahrzehnte ke<strong>in</strong>e Idee, wie<br />

die kolossale <strong>in</strong>nerstädtische Brache zu<br />

füllen sei. Immerh<strong>in</strong> hat man sich<br />

nunmehr dazu entschlossen, wenigsten<br />

die Fundamente frei zu legen. Man<br />

plant, auch dieses Schloss wieder aufzubauen,<br />

denn viele wertvolle Bauteile<br />

hat man gesichert und e<strong>in</strong>gelagert.<br />

Beim Weg <strong>in</strong> das Hotel, denn nun<br />

war die Führung zu Ende, erzählte<br />

Confrater Barton, wie sie doch sehr<br />

verwundert seien, dass es so viel Historisches<br />

zu sehen gäbe. In den Medien<br />

wurde stets berichtet, <strong>Deutschland</strong> sei<br />

nach dem II. Weltkrieg völlig platt<br />

gemacht worden. Und nun dieses. Man<br />

hat beschlossen, es nicht bei dieser ersten<br />

Stippvisite zu belassen, sondern<br />

unser Land auf die Liste der Länder<br />

zusetzen, die es zu besuchen lohnt.<br />

E<strong>in</strong> segensreicher Beitrag zur Völkerverständigung.<br />

Barbara Sambale, DLJ<br />

16 <strong>Lazarus</strong> Journal

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!