Mai 2008 - Lazarus Orden in Deutschland
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Auf ritterlichen Spuren <strong>in</strong> Rumänien<br />
Gedanken e<strong>in</strong>es Pilgers<br />
Rumänien, 7. September 2007<br />
17 Pilger des <strong>Lazarus</strong>-<strong>Orden</strong>s s<strong>in</strong>d im<br />
Bus der orthodoxen Metropolie der<br />
Moldau und Bukow<strong>in</strong>a unterwegs.<br />
Gestärkt durch e<strong>in</strong>en Gottesdienst und<br />
das vorzügliche Frühstück im Krankenhaus<br />
von Bărticești führt die Reiseroute<br />
der <strong>Lazarus</strong>-Pilger nach Kronstadt.<br />
Im frühen 13. Jahrhundert gründet<br />
der Deutsche <strong>Orden</strong> unter dem<br />
Namen Corona diese südöstlichste<br />
deutse Stadt <strong>in</strong> Siebenbürgen. Sie ist<br />
für viele Jahrhunderte das geistige und<br />
kulturelle Zentrum der Siebenbürger<br />
Sachsen und christliche Frontbastion<br />
gegen das osmanische Reich.<br />
Allerlei Mythen ranken sich um diesen<br />
Ort, der sich vom 13. bis zum 17.<br />
Jahrhundert immer wieder dem<br />
Ansturm von Tataren und Türken<br />
erwehrt. Mittelalterliche Katakomben,<br />
Geheimtunnels, unterirdische Nahrungsmittelhallen,<br />
e<strong>in</strong> versteckter See<br />
und gar der Schatz des Königs Salomon<br />
sollen <strong>in</strong> Kronstadt verborgen<br />
se<strong>in</strong>. Die Pilgergruppe f<strong>in</strong>det ke<strong>in</strong>e<br />
Zeit, diesen Geheimnissen nachzuspüren.<br />
Indes umhüllt die Pilgerreisenden<br />
dennoch der Zauber der Vergegenwärtigung<br />
längst vergangener Zeiten<br />
am Fuße der Z<strong>in</strong>ne.<br />
Wir besuchen die Kirche des Heiligen<br />
Nikolaus aus dem 16. Jahrhundert. Sie<br />
stellt e<strong>in</strong>e Kathedrale der rumänischen<br />
Orthodoxie dar. Zahlreiche Fürsten<br />
aus der Walachei und der Moldau s<strong>in</strong>d<br />
ihre Stifter und die Wiege der rumänischen<br />
Sprache und Literatur s<strong>in</strong>d hier<br />
zu Hause. Das gesamte Ambiente mit<br />
se<strong>in</strong>en alten Häusern, Innenhöfen und<br />
Kapellen verleiht dem mittelalterlichen<br />
Flair Leben. Das Kirchen<strong>in</strong>nere<br />
atmet Gottes Gegenwart. Die Heiligkeit<br />
der Liturgie füllt den Raum ganz<br />
aus. Kerzensche<strong>in</strong> fällt auf die Wandmalereien<br />
und auf die Ikonostase.<br />
Ätherische Weihrauchschwaden durchströmen<br />
unsichtbar mit ihren<br />
schweren Aromen die Kuppel.<br />
Das Himmelstor zum Gottesacker<br />
bewachen zwei Engel. Im Durchgang<br />
bezeugen Wandmalereien was die<br />
armen Seelen erwartet: die Auferstehung.<br />
Auf der e<strong>in</strong>en Seite ist die Auferstehung<br />
des <strong>Lazarus</strong> abgebildet. Auf<br />
der anderen Seite ist die Auferstehung<br />
Jesu Christi dargestellt. Die Zuversicht<br />
der Auferstehung beruhigt das aufgebrachte<br />
und verschreckte Herz. Der<br />
Tod ist nicht die letzte Wirklichkeit.<br />
Gott ist e<strong>in</strong> Gott des Lebens. 98% der<br />
22 Millionen Rumänen bekennen sich<br />
zum christlichen Glauben. Die überwiegende<br />
Mehrzahl gehört der rumänisch-orthodoxen<br />
Kirche an. 5% s<strong>in</strong>d<br />
römisch-katholisch bzw. griechischkatholisch,<br />
1% ist protestantisch.<br />
Unsere Gruppe zieht es <strong>in</strong> die Altstadt.<br />
Auf dem Weg dorth<strong>in</strong> kommen<br />
wir an der Schwarzen Kirche vorbei.<br />
Dieser imposante gotische Kirchenbau<br />
ist der größte <strong>in</strong> Südosteuropa.<br />
Ursprünglich der Heiligen Jungfrau<br />
geweiht und katholisch ist das Gotteshaus<br />
seit der Reformation evangelisch.<br />
Der Bau begann im Jahr 1383, die Fertigstellung<br />
erfolgte um 1480. Ihren<br />
heutigen Namen hat sie aufgrund<br />
e<strong>in</strong>es Stadtbrandes im Jahre 1689, der<br />
ihre Sandste<strong>in</strong>mauern schwärzte. E<strong>in</strong>drucksvoll<br />
s<strong>in</strong>d neben der Schönheit<br />
auch die Größe (Turmhöhe 65 m,<br />
Dachfirst 42 m, Länge 90 m), die große<br />
mechanische Orgel (3.993 Pfeifen)<br />
und die sechs Tonnen schwere und für<br />
ihren Klang beliebte Glocke.<br />
Das Verhandlungsgeschick erfahrener<br />
Pilger<strong>in</strong>nen br<strong>in</strong>gt uns e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick<br />
<strong>in</strong> die größte Hallenkirche zwischen<br />
Wien und Konstant<strong>in</strong>opel<br />
(Istanbul) mit e<strong>in</strong>em Fassungsvermögen<br />
von 2.000 Personen. Das gerade<br />
stattf<strong>in</strong>dende Bachkonzert darf nicht<br />
gestört werden. Der Küster glaubt uns<br />
und wir huschen lautlos, der Holzboden<br />
knarrt nicht, <strong>in</strong> das Gotteshaus,<br />
während sich das Orchester im weit<br />
vorne entfernten Altarraum durch die<br />
Fuge des Deutschen Komponisten<br />
arbeitet. Wir bestaunen die größte<br />
europäische Sammlung orientalischer<br />
Teppiche <strong>in</strong>nerhalb der Kirche, die<br />
ansässige siebenbürgisch-sächsische<br />
Kaufleute von ihren Handelsreisen aus<br />
Kle<strong>in</strong>asien mitbrachten.<br />
Die liturgische Atmosphäre ist völlig<br />
anders als <strong>in</strong> der orthodoxen Kirche.<br />
Hier steht der gute Ton im Mittelpunkt:<br />
Te Deum. Auf Fittichen des<br />
Klanges, vere<strong>in</strong>t mit himmlischen<br />
Chören, wird der andächtige Zuhörer<br />
aus der Enge se<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Welt<br />
herausgeführt. Die göttliche Poesie der<br />
Heiligen Schrift zieht se<strong>in</strong>e verzagte<br />
Seele auf die grüne Au. „Me<strong>in</strong> Hirt, ist<br />
Gott der Herr, er wird mich immer weiden,<br />
darum ich nimmermehr, muss Not<br />
und Mangel leiden.“ E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e technische<br />
Zwischenanmerkung: Die<br />
wuchtige Buchholz-Orgel ist <strong>in</strong> den<br />
Jahren 1836 bis 1839 von der Berl<strong>in</strong>er<br />
Orgelbaufirma Buchholz gebaut und<br />
mit Hilfe der Kronstädter Bürger<br />
<strong>in</strong>stalliert worden.<br />
In die Bewunderung vor so viel<br />
Kühnheit <strong>in</strong> der Architektur und der<br />
damit demonstrierten Macht und<br />
Stärke wider der muslimischen Osmanen<br />
wird mir plötzlich der Widerspruch<br />
zum „Freien Christenmenschen"<br />
bewusst. Wer sich dem Rausch<br />
des Orgelklangs und der Poesie der<br />
Heiligen Schrift e<strong>in</strong>fach h<strong>in</strong>gibt und<br />
sich mitreißen lässt, steht <strong>in</strong> der<br />
Gefahr, sich zu verlieren und schlimmer<br />
noch, se<strong>in</strong>en Glauben. Darum gilt:<br />
„Wacht auf, ruft uns die Stimme!" Der<br />
Protest der Kirchenreformer kommt<br />
mir <strong>in</strong> den S<strong>in</strong>n. Aber woh<strong>in</strong> führt uns<br />
e<strong>in</strong>e irgendwie doch falsch verstandene<br />
Glaubensfreiheit, wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Kirche mehr Konzerte als Gottesdienste<br />
stattf<strong>in</strong>den und e<strong>in</strong> Schild<br />
eigens dafür angebracht werden muss,<br />
dass an Sonntagen die Kirche (für<br />
Besichtigungen) geschlossen ist, weil<br />
Gottesdienst gefeiert wird?<br />
Mit fällt hierzu die Heilung des epileptischen<br />
Jungen e<strong>in</strong>. Der Vater des<br />
epileptischen Jungen ruft <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er seelischen<br />
Not Jesus um Hilfe an. Und<br />
Jesus fragt ihn auf Ehre und Gewissen:<br />
„Vermagst du zu glauben? Denn alles ist<br />
möglich, dem der glaubt.“ Und die Ant-<br />
4 <strong>Lazarus</strong> Journal