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Tassilo, Ausgabe März/April 2017 - Das Magazin rund um Weilheim und die Seen

Kreishandwerksmeister Stefan Zirngibl auf der Roten Couch - Sven Deutschmann und die Erstbesteigung des Kokodak Dome - Jiu Jitsu und Shaolin-Tempelboxen beim TSV Weilheim - Das Umweltprojekt "Kinder helfen Bienen" - Therapie im Pfaffenwinkel: wenn Kühe statt Drogen den Tag bestimmen - Sonderteil BAUEN & WOHNEN - Dr. Karl Flock, Bergsteiger, Orthopäde und Knie-Pionier - Die IHK-Geschäftsstelle in Weilheim - Flohmärkte im Tassiloland - Jochberg Musikanten: Auf zum Woodstock der Blasmusik - Job- und Ausbildungsmessen in der Region - Hasen zu Ostern: die "Deutschen Riesen", eine imposante Erscheinung - Veranstaltungskalender für März und April 2017

Kreishandwerksmeister Stefan Zirngibl auf der Roten Couch - Sven Deutschmann und die Erstbesteigung des Kokodak Dome - Jiu Jitsu und Shaolin-Tempelboxen beim TSV Weilheim - Das Umweltprojekt "Kinder helfen Bienen" - Therapie im Pfaffenwinkel: wenn Kühe statt Drogen den Tag bestimmen - Sonderteil BAUEN & WOHNEN - Dr. Karl Flock, Bergsteiger, Orthopäde und Knie-Pionier - Die IHK-Geschäftsstelle in Weilheim - Flohmärkte im Tassiloland - Jochberg Musikanten: Auf zum Woodstock der Blasmusik - Job- und Ausbildungsmessen in der Region - Hasen zu Ostern: die "Deutschen Riesen", eine imposante Erscheinung - Veranstaltungskalender für März und April 2017

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gen, dass Handwerk bei uns bei<br />

weitem noch nicht so kommerzialisiert<br />

ist, wie etwa in München<br />

oder anderen Ballungsrä<strong>um</strong>en.<br />

Wir machen noch Handwerk! Und<br />

auch wenn unsere Maschinenausstattung<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Möglichkeiten<br />

der Fertigung verschiedenster<br />

Arbeiten stetig zunehmen, so machen<br />

wir viele Dinge auch noch<br />

so, wie sie unsere Väter gemacht<br />

haben. Liebe z<strong>um</strong> Detail, Funktionalität<br />

<strong>und</strong> Ästhetik. Wenn Dinge<br />

einfach gut sein sollen, Handwerk<br />

halt.<br />

Sie arbeiten seit 1976 in der eigenen<br />

Bau- <strong>und</strong> Kunstschmiede. Seit<br />

1986 tragen Sie den Meistertitel.<br />

Wie hat sich Ihrer Meinung nach<br />

das Handwerk generell in den letzten<br />

Jahrzehnten entwickelt?<br />

Wenn ich <strong>die</strong> G<strong>r<strong>und</strong></strong>werte der<br />

Handwerker oder des Handwerks<br />

betrachte, gilt heute das gleiche<br />

wie früher: Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit,<br />

Pünktlichkeit, Miteinander<br />

<strong>und</strong> vieles mehr. Ohne<br />

<strong>die</strong>se eigentlich ganz allgemein<br />

geltenden Tugenden funktioniert<br />

Handwerk in unseren meist kleinen<br />

Betrieben überhaupt nicht.<br />

Die fachlichen Anforderungen, <strong>die</strong><br />

Komplexität der Leistungen, der<br />

Anspruch der K<strong>und</strong>en haben sich<br />

allerdings gravierend verändert.<br />

Wenn ich heute <strong>die</strong> Ausbildungsinhalte<br />

betrachte, ist unglaublich<br />

viel dazu gekommen. Ich denke<br />

hier an Computer gestützte Maschinen<br />

oder <strong>die</strong> Entwicklung im<br />

Kraftfahrzeugbereich. Dafür haben<br />

wir aber bestens ausgebildete<br />

Meister, <strong>und</strong> außerdem kann man<br />

auch heute noch alles lernen,<br />

wenn man will <strong>und</strong> Interesse hat.<br />

Hat sich in der öffentlichen Wahrnehmung<br />

<strong>und</strong> Wertschätzung gegenüber<br />

dem klassischen Handwerk<br />

etwas verändert?<br />

Ich meine schon. Die Menschen<br />

legen wieder mehr Wert auf Qualität<br />

<strong>und</strong> damit auf Nachhaltigkeit.<br />

Sicher kann man heute im Ba<strong>um</strong>arkt<br />

einen Stuhl, Tisch oder eine<br />

Gartentüre für 2,50 Euro kaufen.<br />

Aber ob man daran lange Freude<br />

hat? Es ist z<strong>um</strong> Teil ein solches<br />

„Gl<strong>um</strong>p“, dass sich nicht einmal<br />

eine Reparatur lohnt, wenn sie<br />

denn überhaupt möglich ist. Und<br />

das kommt heute bei den Menschen<br />

wieder wesentlich stärker<br />

ins Bewusstsein.<br />

Auf dem Weg in <strong>die</strong> Selbstständigkeit<br />

gibt es für einige Branchen<br />

innerhalb des Handwerks den sogenannten<br />

„Meisterzwang“, für<br />

andere nicht. War<strong>um</strong> <strong>die</strong> Unterschiede?<br />

Offiziell heißt es „Meistervorbehalt“,<br />

aber ich weiß, was Sie<br />

meinen. Die EU sieht im Meistervorbehalt<br />

eine Beschränkung des<br />

Marktzugangs anderer Firmen<br />

auf den deutschen Auftragsmarkt.<br />

Den Meistervorbehalt <strong>und</strong> damit<br />

verb<strong>und</strong>en <strong>die</strong> duale berufliche<br />

Ausbildung gibt es — abgesehen<br />

von einigen Ausnahmen — nur bei<br />

uns. Die ganze Welt lobt uns für<br />

<strong>die</strong>se berufliche Ausbildung <strong>und</strong><br />

versucht zunehmend, <strong>die</strong>ses System<br />

zu kopieren. Nur <strong>die</strong> EU kapiert<br />

das irgendwie noch nicht so<br />

richtig. Und so hat man vor Jahren<br />

begonnen, <strong>die</strong> Handwerksordnung<br />

zu novellieren, wie man so<br />

schön sagt. Trotz heftiger Gegenwehr<br />

unserer Handwerksverbände<br />

ist es nicht gelungen, für alle<br />

Handwerke den Meistervorbehalt<br />

zu erhalten. So muss man heute<br />

beispielsweise als Fliesenleger<br />

keinen Meisterbrief mehr haben.<br />

Gibt es unmittelbare Auswirkungen?<br />

Ja, <strong>und</strong> zwar gravierende. Denn<br />

ohne Meisterbrief ist man nicht<br />

berechtigt, auszubilden. Die Folgen<br />

sind immer weniger wirkliche<br />

Facharbeiter in den betroffenen<br />

Berufen. Die zurückgehende Qualität<br />

der Leistung <strong>und</strong> der Verlust<br />

des „gewusst wie“ wird uns in<br />

absehbarer Zeit „auf <strong>die</strong> Füße fallen“.<br />

Seit 2008 ist Ihre Tochter Julia in<br />

den Betrieb eingestiegen <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Bau- <strong>und</strong> Kunstschlosserei Zirngibl<br />

damit bereits in der dritten Generation.<br />

Sind Sie besonders stolz?<br />

Ja, sehr. Wobei das nicht so sehr<br />

mein Ver<strong>die</strong>nst ist. Julia hatte ja<br />

bereits eine Lehre als Rechtsanwalts-<br />

<strong>und</strong> Steuerfachgehilfin<br />

erfolgreich abgeschlossen. Eines<br />

Tages ist sie gekommen <strong>und</strong> hat<br />

gesagt, dass sie <strong>die</strong>sen Job nicht<br />

den Rest ihres Lebens machen<br />

will. Sie will Schlosser werden. Ich<br />

sagte ihr, dass sie spinnt. Aber sie<br />

meinte dann nur, dass sie dann<br />

halt woanders lernt. Ich wollte<br />

dann aber doch, dass sie lieber zu<br />

mir kommt <strong>und</strong> mittlerweile ist sie<br />

Meisterin <strong>und</strong> Schweißfachfrau.<br />

Arbeiten ohne Julia kann ich mir<br />

heute nicht mehr vorstellen.<br />

Die neue Berufsschule im <strong>Weilheim</strong>er<br />

Norden mit voraussichtlich<br />

<strong>r<strong>und</strong></strong> 65 Millionen Euro Kosten ist<br />

nicht nur das teuerste Projekt in<br />

der Geschichte des Landkreises,<br />

sondern durchaus auch <strong>um</strong>stritten.<br />

Für Sie als Kreishandwerksmeister<br />

dennoch alternativlos?<br />

Ich mag das Wort „alternativlos“<br />

eigentlich nicht besonders. Es gibt<br />

immer eine Alternative, wobei im<br />

Bezug auf <strong>die</strong> neue Berufsschule<br />

jede eine schlechte wäre. Hier<br />

geht es <strong>um</strong> <strong>die</strong> Notwendigkeit! Ich<br />

möchte jetzt nicht im Detail auf <strong>die</strong><br />

Ausstattung <strong>und</strong> <strong>die</strong> Rä<strong>um</strong>lichkeiten<br />

in der alten Berufsschule<br />

eingehen. Aber es haben sich in<br />

den letzten Jahren ja nicht nur<br />

<strong>die</strong> fachlichen Anforderungen<br />

verändert <strong>und</strong> erweitert. Auch<br />

<strong>die</strong> Unterrichtskonzepte hin zu<br />

einem praktisch <strong>und</strong> theoretisch<br />

integriertem Unterricht gehen in<br />

eine zukunftsweisende Richtung.<br />

Wenn wir den Wirtschaftsbereich<br />

Handwerk in unserem Landkreis,<br />

im Oberland, überhaupt erhalten<br />

oder sogar stärken <strong>und</strong> ausbauen<br />

wollen, dann geht an <strong>die</strong>ser<br />

neuen modernen Berufsschule gar<br />

kein Weg vorbei.<br />

Genau hingesehen: Stefan Zirngibl blickt hinsichtlich der Lehrlingssituation<br />

im Handwerk optimistisch in <strong>die</strong> Zukunft.<br />

Und <strong>die</strong> Kritik?<br />

Bei so einem aufwändigen Bauvorhaben<br />

ist es kein W<strong>und</strong>er, dass<br />

es Kritik gibt. Aber wir bauen<br />

hier nicht nur Klassenrä<strong>um</strong>e. Wir<br />

bauen hier auch eine Vielzahl an<br />

Werkstätten oder Computerrä<strong>um</strong>en.<br />

Die Dimension des Gebäudes,<br />

der Westflügel wird etwa 160<br />

Meter lang, ist dann doch schon<br />

eine Wucht. <strong>Das</strong>s bei so einer Investition<br />

diskutiert wird, ist auch<br />

klar. Aber wir sind auf einem guten,<br />

wenn auch sicherlich noch<br />

weiten Weg. Am Ende werden wir<br />

alle stolz sein, solch eine tolle Berufsschule<br />

in unserem Landkreis<br />

zu haben. Was mir persönlich als<br />

Kreishandwerksmeister immer<br />

ein wenig weh tut: Es gibt immer<br />

wieder Zeitgenossen, <strong>die</strong> meinen,<br />

solch ein Projekt auf dem Altar<br />

des politischen Populismus opfern<br />

zu wollen, aber nicht bereit,<br />

willens oder in der Lage sind,<br />

sich an den sachlichen Diskussionen<br />

zu beteiligen. <strong>Das</strong> Handwerk<br />

hier im Oberland braucht <strong>die</strong>se<br />

Berufsschule dringend. Und ich<br />

hab noch einige Ideen, was wir<br />

noch alles machen könnten. <strong>Das</strong><br />

darf ich aber jetzt noch gar nicht<br />

sagen.<br />

Sind Sie als Kreishandwerksmeister<br />

in <strong>die</strong> Pläne involviert?<br />

Ich war von Anfang an in alle<br />

Diskussionen, Gespräche <strong>und</strong><br />

Planungsbereiche eingeb<strong>und</strong>en.<br />

Es gibt bei <strong>die</strong>sem Projekt nichts,<br />

bei dem ich mich nicht einbringen<br />

konnte oder durfte. Und auch<br />

wenn ich über eine gewisse Erfahrung<br />

mit solchen Dingen verfüge,<br />

habe ich bei <strong>die</strong>sem Leuchtturmprojekt<br />

für unseren Landkreis wieder<br />

viel gelernt.<br />

Diskussionen gab es schon lange<br />

im Vorfeld des Baus <strong>r<strong>und</strong></strong> <strong>um</strong> „abgespeckte<br />

Pläne“. Welche Aspekte<br />

fi elen den „Kürzungen“ z<strong>um</strong> Opfer,<br />

<strong>die</strong> Sie gerne im neuen Berufsschulzentr<strong>um</strong><br />

integriert gesehen hätten?<br />

Offen gestanden, haben wir nach<br />

meiner Lesart nicht „abgespeckt“<br />

<strong>um</strong> der Reduzierung willen. <strong>Das</strong><br />

hat so einen Beigeschmack von billig<br />

Bauen, was wir nicht tun werden.<br />

Sicherlich haben wir Flächen<br />

reduziert, aber in erster Linie, weil<br />

wir nichts bauen wollen, was nicht<br />

notwendig ist. Wir haben großen<br />

Wert auf eine nachhaltige Gebäudehülle<br />

gelegt, ebenso wie auf ein<br />

Dach mit einem hohen Lebenszyklus<br />

<strong>und</strong> auf eine Technik, <strong>die</strong> auch<br />

20 | tassilo

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