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COMPACT-Magazin 11-2016

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<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />

De facto wurden derartige Strafzahlungen bereits<br />

eingeführt: Über die Hintertür von Gebührenerhöhungen<br />

– gerechtfertigt als Ausgleich für die<br />

Banken, um ihre niedrigeren Zinserträge zu kompensieren.<br />

Seit Sommer greifen die Geldhäuser ihren<br />

Kunden hier besonders tief in die Tasche, wie<br />

eine Auswertung der FMH-Finanzberatung zeigt. Von<br />

61 untersuchten Banken erhöhten sechs die Kontoführungsgebühren,<br />

etwa die Hypovereinsbank und<br />

die Sparkasse Leipzig. Sieben Geldhäuser, etwa die<br />

Sparda-Bank Hamburg, verlangen jetzt Geld für EC-<br />

Karten, ebenso viele für Überweisungen auf Papier.<br />

Fünf Unternehmen kassieren selbst für Transaktionen<br />

am Automaten – jeweils zwischen 50 Cent und<br />

1,90 Euro. Die Gebühren für Kreditkarten erhöhten<br />

sich bei 19 Instituten.<br />

Bargeldverbot<br />

Knapp 400 Demonstranten protestierten<br />

Mitte Mai gegen die<br />

Abschaffung des Bargeldes. Die Initiativen<br />

Pro Bargeld und Stop Bargeldverbot<br />

hatten dazu nach Frankfurt<br />

eingeladen. Foto: Screenshot<br />

ARD<br />

was bei Vertragsabschluss noch erwartet wurde»,<br />

erklärte bereits 2014 der damalige Chef der Deutschen<br />

Bank, Anshu Jain. Der Präsident des Gesamtverbands<br />

der Deutschen Versicherungswirtschaft<br />

(GDV), Alexander Erdland, machte aus der Dramatik<br />

der Entwicklung keinen Hehl. «Die Niedrigzinspolitik<br />

entwickelt sich zur Schicksalsfrage für Generationen:<br />

Sie zerstört das Fundament für einen sicheren Ruhestand<br />

von Millionen Menschen in Europa.» Insbesondere<br />

die 2002 von Rot-Grün eingeführte Riester-Rente<br />

erwies sich als regelrechter Flopp. CSU-Chef Horst<br />

Seehofer hält das Modell für «gescheitert» und will<br />

sie abschaffen, die Kanzlerin blockt. Den Schaden<br />

haben jene 16,5 Millionen Deutschen, die bislang<br />

einen Riestervertrag abgeschlossen haben.<br />

Die große Abzocke<br />

Bislang scheitert der große Raubzug auf die Konten<br />

jedoch an einem offenen Schlupfloch für die Sparer:<br />

Statt bei der Bank lässt sich das eigene Geld<br />

auch unter der sprichwörtlichen Matratze aufbewahren.<br />

Erst mit dem Aus für Münzen und Scheine wären<br />

die Deutschen der Willkür der Bankster völlig ausgeliefert.<br />

Die Schweizer Nationalbank «hat deshalb<br />

Banken auch schon empfohlen, mit Bargeldnachfragen<br />

(…) restriktiv umzugehen», hieß es in einer Erklärung<br />

der Berner Währungshüter – bezogen jedoch<br />

zunächst nur auf Großkunden. Zumindest auffallend<br />

ist, dass sich parallel zum Sinkflug der Zinsen immer<br />

mehr Ökonomen für ein Ende des Bargeldes aussprechen.<br />

Etwa der Wirtschaftsweise Peter Bofinger, der<br />

frühere Chefökonom der US-geführten Weltbank Larry<br />

Summers, der Exekutivdirektor der Bank von England<br />

Andrew Haldane oder der einflussreiche US-<br />

Volkswirt Paul Krugman. Offiziell argumentieren sie<br />

zumeist, Bargeld würde die Finanzierung von Terrorismus<br />

erleichtern und Kriminalität wie Steuerhinterziehungen<br />

begünstigen.<br />

12<br />

Bundesfinanzminister Wolfgang<br />

Schäuble (CDU). Foto: Armin Kübelbeck,<br />

CC BY-SA 3.0, Wikimedia<br />

Commons<br />

Man könnte einwenden: Selbst wenn die Spareinlagen<br />

nicht mehr wachsen, so schrumpfen sie<br />

doch zumindest nicht. Wer 1.000 Euro eingezahlt<br />

hat, könne später immer noch 1.000 Euro abheben.<br />

Aber auch bei diesem bisher ehernen Gesetz legten<br />

Euroretter und Finanzindustrie die Axt an. Der Präsident<br />

des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes,<br />

Georg Fahrenschon, wollte im April Negativzinsen<br />

für Sparer auf längere Sicht nicht mehr ausschließen.<br />

Inzwischen macht das erste Geldhaus<br />

ernst: Die Volksbank Stendal verlangte im Oktober<br />

von ihren Tagesgeld-Kunden ab einer Anlagesumme<br />

von 100.000 Euro einen Negativzins von minus 0,4<br />

Prozent. «Die Politik der negativen Realzinsen läuft<br />

auf eine gigantische Enteignung der deutschen Sparer<br />

hinaus», sagte Thorsten Polleit, Chefvolkswirt von<br />

Degussa Goldhandel, schon 2013.<br />

«Wenn die Blase platzt, rutschen<br />

wir in eine Depression.» <br />

<br />

Gertrud Traud<br />

Tatsächlich ließe sich ein schnelles Bargeldverbot<br />

wohl politisch nicht durchsetzen. Insbesondere<br />

in Deutschland, wo 2015 nach Angaben der Bundesbank<br />

(BuBa) weiterhin 79 Prozent aller Transaktionen<br />

bar erfolgten. Doch auch hier setzen Banken und Politik<br />

erkennbar auf eine Salamitaktik. In Großbritannien,<br />

Italien, Spanien und Griechenland gelten Obergrenzen<br />

für Abhebungen. In Deutschland wurde eine<br />

solche Kappungsgrenze von 5.000 Euro zumindest<br />

bereits diskutiert. Zudem beschloss die EZB die Ab-

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