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COMPACT-Magazin 11-2016

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<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

exorbitant teuer. Klar war bald, das dieses Fluggerät<br />

mit den Stummelflügeln nur im Prinzip flog – und<br />

zwar, konstruktionsbedingt, je schneller, desto stabiler.<br />

Unklar war freilich, ob es auch Waffen tragen<br />

konnte, was man von einem Abfangjäger eigentlich<br />

verlangen sollte. Als sich aber kluge und auch tapfere<br />

Piloten an ihre Weltkriegseinsätze zu erinnern begannen,<br />

stellten sie fest, dass es zuletzt absolut üblich<br />

gewesen war, Jagdflugzeuge auch Bomben abwerfen<br />

zu lassen, etwa die Focke-Wulf 190.<br />

Nun ist es normalerweise so, dass von Kriegswaffen<br />

eine tödliche Gefahr für den Feind ausgehen sollte.<br />

Beim Starfighter war dies nicht der Fall, da es zum<br />

Glück zu seinen Lebzeiten keine kriegerische Auseinandersetzung<br />

in Europa gab. Doch nicht nur das:<br />

Bei ihm war es nachgerade umgekehrt. Der schwerversehrte<br />

ehemalige Jagdflieger Johannes Steinhoff,<br />

der es später noch bis zum Luftwaffeninspekteur<br />

bringen sollte, urteilte: «Der Starfighter ist ein<br />

technisches Wunder, ein Fernlenkgeschoss mit Steuermann,<br />

das steil in die Höhe schießt, mit doppelter<br />

Schallgeschwindigkeit fliegt – gefährlich für jeden<br />

Piloten, der nicht aufpasst.» Dass das so nicht ganz<br />

stimmte, sollte sich bald erweisen: Der Starfighter<br />

war auch für Piloten lebensgefährlich, die voll konzentriert<br />

und erfahren waren. Insgesamt stürzten 269<br />

Fluggeräte ab. <strong>11</strong>6 Luftwaffenangehörige kamen dabei<br />

ums Leben. Der Volksmund bespöttelte den Vogel<br />

als Witwenmacher.<br />

Beim Starfighter und seiner Anschaffung von einem<br />

Skandal zu sprechen, ist schon wegen dieser<br />

Ereignisse eine milde Einschätzung. Alsbald kam<br />

also die Frage auf, wer diese Entscheidung getroffen<br />

hatte. Es war Franz Josef Strauß, der Verteidigungsminister<br />

und CSU-Vorsitzende. Doch warum?<br />

Geld stinkt nicht<br />

Auch das Starfighter-Geschäft hat eine Vorgeschichte<br />

mit immens politischem Hintergrund:<br />

Um den bundesdeutschen Auftrag konkurrierte neben<br />

dem Starfighter, der den Atlantikern in Bonn gefiel,<br />

die Mirage der Firma Dassault aus dem benachbarten<br />

Frankreich – eine europäische Lösung, wenn<br />

man so will. Strauß schwankte zunächst und schien<br />

für das Angebot aus Paris zu optionieren, doch er erhielt<br />

Widerspruch aus der jungen deutschen Luftwaffe.<br />

Diese besaß ein paar vor der Verschrottung gerettete<br />

amerikanische F86-Kampfjets – und sonst nicht<br />

viel. Dementsprechend eng war die Einflussnahme<br />

aus Washington.<br />

wurde seinerzeit nichts aufgedeckt, obwohl beide<br />

Konkurrenten im Bonner Königshof ihre einschlägigen<br />

Hauptquartiere installiert hatten. Doch was in der<br />

Bundeshauptstadt nur hinter vorgehaltener Hand gemunkelt<br />

wurde, machte der US-Senat nach einer einschlägigen<br />

Untersuchung 20 Jahre später öffentlich:<br />

Er bezichtigte Lockheed, Schmiergelder in Millionenhöhe<br />

an «befreundete Regierungen» gezahlt zu haben.<br />

Insgesamt stürzten 269 Starfighter<br />

ab, <strong>11</strong>6 Piloten kamen ums Leben.<br />

Hinzuzufügen wäre: Die Franzosen hatten es den<br />

konkurrierenden Amerikanern allzu einfach gemacht.<br />

Paris ließ in den 1950er Jahren keine Gelegenheit<br />

aus, die NATO-Strukturen zu boykottieren, und schon<br />

1954, als die Europäische Verteidigungsgemeinschaft<br />

auf der politischen Agenda stand, hatten sie<br />

das Projekt platzen lassen. Bonn hing bei solcherlei<br />

Verhalten trotz guten Willens förmlich in der Luft und<br />

sah keinen anderen Weg, als sich an Washington anzulehnen.<br />

Obwohl sich dann ganz am Ende des Jahrzehnts<br />

die Dinge zwischen Deutschland und Frankreich<br />

– nicht zuletzt aufgrund der etwas skurrilen<br />

Freundschaft zwischen den beiden alten Männern<br />

Konrad Adenauer und Charles de Gaulle – zum Besseren<br />

wandten, war der Zug mit der Kampfjet-Beschaffung<br />

schon abgefahren.<br />

Ehrenkompanie der Bundeswehr tritt 1960 zum Empfang eines<br />

belgischen Generals an. Foto: picture alliance / Wolfgang Hub<br />

Drang nach Atomwaffen<br />

«Geradezu schicksalhaft für<br />

viele Starfighter-Piloten wurde<br />

(…) der Beschluss der NATO im<br />

Jahr 1959: Danach sollten auch<br />

einige derjenigen europäischen<br />

Bündnispartner, die keine Atommächte<br />

waren, mit Nuklearwaffen<br />

ausgerüstet werden. Strauß<br />

sah die Chance einer bundesdeutschen<br />

Atombomberflotte.<br />

Und er war geplagt von der<br />

Sorge, die NATO könnte ihren<br />

Beschluss revidieren.<br />

Eile war also geboten. Statt<br />

Umschau zu halten nach einem<br />

passenden Bombertyp und in<br />

weitere, womöglich jahrelange<br />

Kaufverhandlungen einzusteigen,<br />

ließ er den Starfighter zu<br />

einem Universalflugzeug umrüsten,<br />

das nicht nur abfangen,<br />

sondern auch angreifen können<br />

sollte.<br />

Tatsächlich standen damals<br />

in jedem der fünf F-104-G-<br />

Geschwader in der Bundesrepublik<br />

jeweils sechs vollgetankte<br />

Jets mit einer Atombombe am<br />

Rumpf – unter US-Aufsicht. »<br />

(welt.de, 14.1.2015)<br />

Die Entscheidung für den Starfighter beruhte<br />

nach ersten Erkenntnissen auf Beeinflussung unter<br />

Vorspiegelung falscher Tatsachen und schien deswegen<br />

zunächst keine Bestechungsangelegenheit<br />

im primitiven geldlichen Sinne zu sein. Jedenfalls<br />

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