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COMPACT-Magazin 11-2016

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<strong>COMPACT</strong> Leben<br />

BRD-Sprech _ Aufmarsch<br />

offenkundige semantische Unangemessenheit als<br />

Kampfsprache offenbart, die auch von Journalisten<br />

bedenkenlos gebraucht wird – also von Menschen,<br />

die ihr Berufsethos, zu dem auch treffender, nicht irreführender<br />

Sprachgebrauch gehört, auf diese Weise<br />

mit Füßen treten.<br />

Nicht immer ist es der böse Wille, um des vermeintlich<br />

guten Zwecks willen das Publikum zu täuschen,<br />

der den Autoren die Feder führt. Oft genug ist<br />

es schiere Angst: In einem Umfeld, in dem erwartet<br />

wird, dass man über Angehörige bestimmter politischer<br />

Richtungen grundsätzlich in einer diffamierenden<br />

Sprache schreibt, macht sich ein Journalist, der<br />

auch in solchen Zusammenhängen einfach saubere<br />

Arbeit leistet, von vornherein verdächtig, womöglich<br />

ein Sympathisant der betreffenden Richtung zu sein.<br />

64<br />

Der jährliche Marsch für das Leben<br />

ist Ziel linksradikaler Störer. Foto:<br />

picture alliance / Geisler-Fotopress<br />

Verlag Antaios, 240 Seiten, gebunden,<br />

22,00 Euro (Bestellung über<br />

antaios.de). Foto: Verlag<br />

_ Manfred Kleine-Hartlage ist<br />

Publizist und Diplom-Sozialwissenschaftler.<br />

Wenn in den etablierten Medien das Wort «Aufmarsch»<br />

fällt, kann man sicher sein, dass von einem<br />

Vorgang die Rede ist, den man üblicherweise<br />

eine «Demonstration» nennt und nur dann als «Aufmarsch»<br />

bezeichnet, wenn die Veranstalter der politischen<br />

Rechten angehören. Dabei muss es sich durchaus<br />

nicht um NPD-Anhänger, es kann sich auch um<br />

konservative Christen handeln, die unter Gebeten gegen<br />

Abtreibung demonstrieren. Ebenso wenig spielt<br />

eine Rolle, in welcher Form die jeweilige Demonstration<br />

tatsächlich stattfindet. Das Wort «Aufmarsch»<br />

suggeriert, dass sich hier uniformierte und gestiefelte<br />

Demonstranten in geschlossenen Marschblöcken<br />

als Bürgerkriegstruppe im Wartestand präsentieren<br />

und ihre Gewaltbereitschaft zur Schau tragen: eine<br />

Beschreibung, die auf die spärlich besuchten Kundgebungen<br />

gerade der äußersten Rechten in der Regel<br />

nicht zutrifft (schon gar nicht auf die christlicher Lebensschützer),<br />

wohl aber auf die Gegendemonstrationen,<br />

insbesondere die des sogenannten Schwarzen<br />

Blocks, der sich in der Tat als Bürgerkriegstruppe<br />

in Szene setzt – freilich ohne dass seine Demonstrationen<br />

deswegen mit dem treffenden Wort «Aufmarsch»<br />

bezeichnet würden.<br />

Das Kartell zwischen Medien, Politik und extremen<br />

Linken spiegelt sich in der Uniformität des verwendeten<br />

Vokabulars, das sich gerade durch seine<br />

Es handelt sich um einen Gesslerhutbegriff, das<br />

heißt, um ein Wort, das man benutzt, um die Unterwerfung<br />

unter bestimmte Loyalitätserwartungen zu<br />

demonstrieren. Charakteristisch für solche Begriffe<br />

ist, dass ihr Nichtgebrauch in Zusammenhängen, wo<br />

ihr Gebrauch erwartet wird, als Indiz für eine oppositionelle<br />

Gesinnung gewertet wird. Es ist dies einer<br />

der Mechanismen, mit denen die Freiheitsgarantien<br />

des liberalen Rechtsstaates entwertet und umgangen<br />

werden.<br />

Der Begriff ist gegen die Rechte<br />

gemünzt, träfe aber eher auf die<br />

linken Gegendemonstranten zu.<br />

Offiziell ist es niemandem verboten, eine Demonstration<br />

etwa der NPD als «Demonstration» und<br />

eben nicht als «Aufmarsch» zu bezeichnen – dies allerdings<br />

in demselben Sinne, in dem es vor achtzig<br />

Jahren auch niemandem offiziell verboten war, «Guten<br />

Tag» statt «Heil Hitler» zu sagen. Um die vielbeschworene<br />

Zivilcourage, das heißt, um die Bereitschaft<br />

zu demonstrativer Illoyalität gegenüber illegitimen<br />

Erwartungen von Machthabern, ist es in der<br />

heutigen BRD kaum besser bestellt als unter Hitler<br />

– eher schlechter, wenn man bedenkt, dass der<br />

heutige Staat bei Weitem nicht über die totalitären<br />

Zwangsmittel des damaligen verfügt – die klebrige<br />

Mischung aus ideologischer Verblendung, Konformismus,<br />

Bequemlichkeit und Feigheit aber mindestens<br />

ebenso weit verbreitet ist und nicht durch die<br />

Furcht vor Konzentrationslagern entschuldigt werden<br />

kann.

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