COMPACT-Magazin 11-2016
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<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Die vergessene<br />
Frau Mohn<br />
33 Jahre lang war Magdalene<br />
Mohn mit Reinhard Mohn verheiratet<br />
– bis Elisabeth Beckmann<br />
1982 ihre Nachfolgerin<br />
wurde. Nach dieser langen Ehe<br />
fühlt sie sich «einfach gelöscht»,<br />
gestand sie dem Westfalen-<br />
Blatt 2007. Der Anlass für die<br />
Klage: In der 60-minütigen<br />
Film-Doku zum 85. Geburtstag<br />
des Bertelsmann-Patriarchen<br />
wurde die damals 83-Jährige<br />
mit keinem Wort und keinem<br />
Bild erwähnt. «Mich hat es<br />
nie gegeben», beklagte sie sich,<br />
nachdem 500 Konzernmitarbeiter<br />
den Streifen in Gütersloh hatten<br />
sehen dürfen. Dabei liege<br />
ihr Bertelsmann noch immer am<br />
Herzen. «Manchmal bin ich traurig,<br />
wenn ich die vielen Veränderungen<br />
im Unternehmen sehe»,<br />
sagte sie.<br />
Der Ursprung des Verlagshauses<br />
liegt in der protestantischen Erweckungsbewegung.<br />
Foto: Bertelsmann<br />
Ergebnisse dieser Veranstaltung umgehend persönlich<br />
an Angela Merkel weiterleitet. Zuletzt sogar mit<br />
«Handlungsempfehlungen» angesichts «einer weltweiten<br />
Führungskrise». Mohn schlug der Kanzlerin<br />
dabei vor, «weniger hierarchisch zu agieren».<br />
Pikant ist auch, was die Bertelsmann-Eignerin<br />
nach einem Treffen «in kleiner Runde» mit der Kanzlerin<br />
zu Papier brachte. Sie lobte zunächst Merkels<br />
«kluge Worte», um ihrem Idol dann auch noch an anderer<br />
Stelle des Briefes ausgiebig zu huldigen: «Sie<br />
führen und gestalten unser Land in einer Zeit spürbarer<br />
gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Umbrüche<br />
mit Umsicht, Überzeugungskraft und außerordentlichem<br />
Verantwortungsbewusstsein.» Sie<br />
freue sich, so Liz Mohn, schon auf «die nächste Gelegenheit<br />
zu einem persönlichen Treffen!»<br />
Die Vertraulichkeit wirft Fragen auf. Wie stark<br />
beeinflusst die Frau aus Gütersloh die Bundesregierung?<br />
Hört die notorisch misstrauische Merkel schon<br />
längst mehr auf sie als auf ihre engsten politischen<br />
Berater? Kanzleramtsminister Peter Altmaier und der<br />
CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder sollen<br />
über den Einfluss aus der westfälischen Provinz jedenfalls<br />
alles andere als glücklich sein. Für Liz Mohn<br />
habe Merkel immer Zeit, heißt es aus der Fraktion.<br />
Altmaier und Kauder müssten sich hinten anstellen.<br />
Wahlkampfhilfe durch RTL<br />
Eine weitere Frage drängt sich auf: Wie stark<br />
nimmt Liz Mohn Einfluss auf die journalistischen Inhalte<br />
beim Sender RTL und bei der Illustrierten Stern?<br />
Zwei Tage vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern<br />
am 4. September präsentierte Chefmoderator<br />
Peter Kloeppel in der Hauptnachrichtensendung<br />
RTL-Aktuell Ausschnitte aus seinem auffallend handzahm<br />
geführten Interview mit der Kanzlerin. Die wirklich<br />
kritischen Fragen darin kamen nicht von ihm, sondern<br />
von zwei Zuschauern… In der Überleitung zum<br />
nächsten Beitrag erklärte Kloeppel schlussendlich:<br />
«In dem Gespräch hat die Bundeskanzlerin auch die<br />
Menschen in Mecklenburg-Vorpommern aufgerufen,<br />
am Sonntag zur Landtagswahl zu gehen und der AfD<br />
nicht die Stimme zu geben.» Das Wort «nicht» betonte<br />
Kloeppel ausdrücklich. Die Kanzlerin diktiert dem Volk,<br />
wie das Volk gefälligst zu wählen hat. Und ein Nachrichten-Moderator<br />
macht sich zu ihrem Sprachrohr.<br />
«Sie führen … unser Land … mit außerordentlichem<br />
Verantwortungsbewusstsein.»<br />
Mohn zu Merkel<br />
Exakt 14 Tage später, am Freitag vor der Wahl zum<br />
Berliner Abgeordnetenhaus, ein ähnliches Spielchen.<br />
«Was denken die Menschen über die AfD? Constantin<br />
Schreiber hat für unser Trendbarometer nachgefragt»,<br />
verkündete der RTL-Aktuell-Moderator.<br />
Wie auf Bestellung kam im nachfolgenden Beitrag<br />
eine Frau zu Wort, die ziemlich unverblümt die AfD<br />
in die Nähe des Nationalsozialismus rückte. Schließlich<br />
verwies Constantin Schreiber als Reporter vor<br />
Ort auf eine angeblich repräsentative Forsa-Umfrage:<br />
«Nur 23 Prozent der befragten Deutschen halten<br />
die AfD für eine normale demokratische Partei.<br />
67 Prozent ordnen sie am rechtsradikalen Rand an.»<br />
Was die RTL-Zuschauer in dieser Nachrichtensendung<br />
natürlich nicht erfahren haben: Forsa ist jenes<br />
Meinungsforschungs-Institut, dessen Geschäftsführer<br />
von der AfD und ihren Wählern eine sehr spezielle<br />
Meinung hat. Dieser Manfred Güllner äußerte<br />
im Deutschlandfunk: «Das ist ein brauner Bodensatz.<br />
Das sind keine normalen Menschen. Man muss<br />
sie ächten. Man muss sie in die rechte Ecke stellen.»<br />
Kritische Zeitgenossen fragen sich, wie objektiv<br />
Forsa- Umfragen angesichts solcher Äußerungen<br />
noch sein können.<br />
Und der Stern? Je heftiger der Gegenwind für<br />
die Kanzlerin bläst, desto breiter baut sich das Blatt<br />
vor ihr auf. Chef-Kolumnist Hans-Ulrich Jörges verkündet,<br />
Merkel habe «keinen Grund zu resignieren»,<br />
denn es sei ja schon «Unglaubliches geschafft». Und<br />
weil der früher eher rot-grün orientierte Stern und<br />
sein Vordenker jetzt ihre Liebe zur CDU entdeckt haben,<br />
empfehlen sie der Merkel-Partei gleich noch,<br />
den kommenden Bundestagswahlkampf moralisch<br />
aufzuladen und als «Entscheidung zwischen dem anständigen<br />
Deutschland und dem AfD-Milieu» zu präsentieren.<br />
Liz und Angela dürften zufrieden sein.<br />
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Liz Mohn gehört neben Friede Springer zum innersten Zirkel um<br />
Angela Merkel. Foto: picture alliance / Eventpress Herrmann