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Militaer_1_2017

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WELTGESCHEHEN<br />

Aktuelle Konflikte,<br />

Krisen und<br />

Analysen — S. 8<br />

ZERBRECHLICHER BALKAN<br />

Alte & neue Konflikte<br />

sorgen für Unruhe in<br />

Südosteuropa — S. 10<br />

militär<br />

TRUPPENBESUCH<br />

Militär Aktuell im<br />

Stellungshaus NÖ<br />

in St. Pölten — S. 30<br />

DAS NEUE<br />

ÖSTERREICHISCHE<br />

MILITÄRMAGAZIN<br />

AUSGABE 1|17<br />

EURO 3,80<br />

AKTUELL<br />

OSZE-GENERALSEKRETÄR<br />

LAMBERTO ZANNIER:<br />

„Wir wollen ein<br />

neuerliches<br />

Wettrüsten um<br />

jeden Preis<br />

verhindern!“<br />

Immer mehr Streitkräfte<br />

überlegen, ihre akuten<br />

Rekrutierungsprobleme mit<br />

der Gründung einer eigenen<br />

Fremdenlegion zu lösen.<br />

Könnte diese Strategie auch<br />

für Österreich interessant sein?<br />

FRANKREICHS SÖLDNER ALS VORBILD?<br />

Renaissance der<br />

Fremdenlegion


E D I T O R I A L<br />

0 0 3<br />

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER<br />

COV E R FOTO : W W W. L E G I O N - E T R A N G E R E .CO M / A D J P E LOT E FOTO S : G E O R G M A D E R , S E B AST I A N F R E I L E R<br />

B<br />

ei der Stellung kommen die meisten<br />

Jugendlichen erstmals in Kontakt mit dem<br />

Bundesheer. Erstmals erklärt ihnen ein<br />

Gegenüber in Uniform die Abläufe, erstmals<br />

müssen sie die Tore einer Kaserne<br />

passieren und erstmals ihren gewohnten<br />

zivilen Alltag hinter sich lassen. Jetzt könnte man den<br />

eineinhalb Tage dauernden Untersuchungsmarathon<br />

natürlich (und viele tun das leider auch) als notwendiges<br />

Übel abtun, das zum männlichen Erwachsenwerden in<br />

Österreich einfach dazugehört. Man könnte die Musterung<br />

aber auch als Chance begreifen, junge Männer für<br />

das Militär und eine Karriere beim Heer zu begeistern,<br />

wie das Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil tut.<br />

In seinem Gastkommentar (nachzulesen auf Seite 37)<br />

vergleicht er die Stellung mit einer Visitenkarte, die<br />

mitentscheidet, ob sich jemand für den Zivildienst<br />

meldet oder doch den Grundwehrdienst bevorzugt –<br />

und in weiterer Folge möglicherweise auch seine<br />

berufliche Zukunft beim Bundesheer sieht.<br />

Wie bei vielen Dingen klaffen trotz aller Bemühungen<br />

und Reformen auch in manchen Bereichen des Stellungswesens<br />

Anspruch und Wirklichkeit noch auseinander<br />

– allerdings weit weniger, als oft vermutet.<br />

Militär Aktuell-Redakteur Johannes Luxner zeigte sich<br />

bei seinem Besuch im Stellungshaus Niederösterreich<br />

Truppenbesuch im Stellungshaus<br />

„Das Personalwesen und das gesamte<br />

Stellungswesen ist Prioritätsaufgabe Nummer<br />

eins.“ Laut Niederösterreichs Militärkommandanten<br />

Brigadier Martin Jawurek (rechts mit<br />

Militär Aktuell-Autor Johannes Luxner) könne<br />

die Bedeutung des Stellungswesens nicht<br />

hoch genug eingeschätzt werden. Immerhin<br />

geht es dabei darum, das Bundesheer als<br />

attraktiven Arbeitgeber zu präsentieren und<br />

in Konkurrenz zu Polizei und Justiz die besten<br />

Kräfte für das Heer zu gewinnen.<br />

(ab Seite 30) jedenfalls von den Abläufen dort begeistert.<br />

Er traf nicht nur auf hochprofessionelle Mitarbeiter,<br />

sondern auch auf viele motivierte Jugendliche, die<br />

teils sehr konkrete Vorstellungen von ihrer Zeit beim<br />

Heer haben. Trotz dieses positiven Eindrucks soll<br />

die „Visitenkarte Stellungswesen“ in den kommenden<br />

Monaten und Jahren weiter verbessert werden. Welche<br />

Maßnahmen konkret geplant sind, hat Kollege Dieter<br />

Muhr recherchiert und zusammengefasst (Seite 37).<br />

Chefredakteur Jürgen Zacharias hat einstweilen – und<br />

abseits von Musterung und Stellungswesen – den<br />

Entminungsdienst auf den Sprengplatz Riegers in<br />

Allentsteig begleitet (ab Seite 38) und Militärzahnarzt<br />

Armando Guruianu im Einsatzlazarett der Bundeswehr<br />

in Camp Prizren im Kosovo (ab Seite 42) besucht.<br />

Georg Mader hat sich mit OSZE-Generalsekretär<br />

Lamberto Zannier über den österreichichschen<br />

OSZE-Vorsitz unterhalten (ab Seite 14), IFK-Experte<br />

Predrag Jureković analysierte für uns die Sicherheitslage<br />

am Westbalkan (ab Seite 10) und in unserer Covergeschichte<br />

beleuchten wir eine kaum beachtete Seite<br />

der Fremdenlegion (ab Seite 18): Die sagenumwobene<br />

Spezialeinheit bildet nämlich nicht nur das Rückgrat<br />

der französischen Streitkräfte, sondern trägt als Integrationsmodell<br />

auch ganz entscheidend zum (friedlichen)<br />

Zusammenleben in der französischen Gesellschaft bei.<br />

OSZE-Generalsekretär im Interview<br />

„Ohne ein System der Erfassung konventioneller<br />

Rüstungsgüter können Konflikte nicht gelöst<br />

werden.“ Im Gespräch mit unserem Autor<br />

Georg Mader fordert OSZE-Generalsekretär<br />

Lamberto Zannier eine Wiederbelebung der<br />

Gespräche zur konventionellen Rüstungskontrolle.<br />

Zudem sieht er die OSZE mit dem neutralen<br />

Österreich an der Spitze „bestens aufgestellt“,<br />

wenn es darum geht, die drängendsten<br />

sicherheitspolitischen Fragen anzugehen.<br />

ImprESSum<br />

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m I l I T ä r a k T u E l l


0 0 4 I N H A L T<br />

INHALT<br />

014<br />

Mehr<br />

018<br />

Vive la France! Frankreichs Fremdenlegion gilt vielen<br />

Politikern und Militärs neuerdings als taugliches Vorbild<br />

zur Kaderbefüllung und Integration von Migranten.<br />

Tauglich? Bei<br />

einem Besuch im<br />

Stellungshaus<br />

Niederösterreich<br />

haben wir das<br />

österreichische<br />

Stellungswesen<br />

auf Herz und<br />

Nieren geprüft.<br />

030<br />

Kontrolle: OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier<br />

fordert im Militär Aktuell-Interview eine Wiederbelebung<br />

der Gespräche zur konventionellen Rüstungskontrolle.<br />

003 EDITORIAL, IMPRESSUM<br />

006 MOMENTUM<br />

Proben für den Ernstfall:<br />

Bundesheer-Helis üben am<br />

Dachstein mit Bergrettern.<br />

008 WELTGESCHEHEN<br />

Aktuelle Kurzmeldungen<br />

aus aller Welt.<br />

010 DROHT WIEDER KRIEG?<br />

Der Friede in Südosteuropa steht<br />

auf zunehmend wackeligen<br />

Beinen – IFK-Experte Predrag<br />

Jureković mit einem aktuellen<br />

Lagebild vom Westbalkan.<br />

014 INTERVIEW<br />

Der scheidende OSZE-<br />

Generalsekretär Lamberto<br />

Zannier im Gespräch mit Militär<br />

Aktuell-Autor Georg Mader.<br />

018 FREMDENLEGION<br />

Die Légion étrangère gilt als<br />

eine der härtesten Militäreinheiten<br />

der Welt, zugleich aber auch<br />

als eine mögliche Vorlage<br />

zur Lösung der Rekrutierungsprobleme<br />

vieler westlicher<br />

Armeen.<br />

022 PRO UND CONTRA<br />

Wäre das Modell einer Fremdenlegion<br />

auch für Österreich<br />

vorstellbar?<br />

028 NEUES AUS DEM HEER<br />

Aktuelle Kurzmeldungen aus<br />

dem Bundesheer.<br />

030 TRUPPENBESUCH<br />

Militär Aktuell-Autor Johannes<br />

Luxner zu Gast im Stellungshaus<br />

Niederösterreich in St. Pölten.<br />

037 STELLUNG NEU<br />

Maßnahmenpaket: So soll<br />

die Stellung schon bald mehr<br />

Lust auf eine Karriere beim<br />

Heer machen.<br />

040 NAHKAMPF-SCHULE<br />

Wie verteidigen sich Soldaten<br />

im Falle eines körperlichen<br />

Angriffs am effektivsten? Soldaten<br />

der Heerestruppenschule<br />

Bruckneudorf demonstrierten<br />

uns verschiedene Abwehrtechniken.<br />

FOTO S : G E T T Y I M AG E S , S E B AST I A N F R E I L E R I L LU ST R AT I O N : C L AU D I A M O L I TO R I S<br />

M I L I T ä R A K T U E L L


I N D I E S E M H E F T<br />

042 EIN TAG MIT …<br />

… Militärzahnarzt Armando<br />

Guruianu im Einsatzlazarett (ELAZ)<br />

der Deutschen Bundeswehr in<br />

Camp Prizren im Kosovo.<br />

044 RÜSTUNGSNEWS<br />

Neuheiten aus der Welt der<br />

Rüstungs- und Sicherheitstechnik.<br />

046 MADE IN AUSTRIA<br />

Wie ein steirisches Unternehmen<br />

für mehr Durchblick bei der<br />

Lagebeurteilung sorgt.<br />

048 RÜSTUNGSAUFTRÄGE<br />

Die aktuellsten Deals vom<br />

globalen Rüstungsmarkt.<br />

050 SCHLUSSPUNKT<br />

Unter dem neuen US-Präsidenten<br />

Donald Trump ist die Außenpolitik<br />

der Vereinigten Staaten<br />

kaum wiederzuerkennen – eine<br />

Analyse von ISS-Experte<br />

Gunther Hauser.<br />

051 INFOGRAFIK<br />

Die Leistungsmerkmale der<br />

neuen Sentry XP Mid Cut<br />

Helmets des Bundesheeres.<br />

051<br />

Mehr Tragekomfort, höhere<br />

Funktionalität & Flexibilität:<br />

Das Bundesheer verbessert<br />

mit den Sentry XP Mid Cut<br />

Helmets die Ausrüstung<br />

seiner Soldaten.


0 0 6 P A N O R A M A<br />

FOTO : G O R U P/ KO M M A N D O LU F T U N T E R ST Ü TZ U N G<br />

Alpin-Einsatz<br />

Um auf allfällige Rettungseinsätze<br />

im Gebirge bestmöglich vorbereitet<br />

zu sein, probt das Bundesheer in<br />

unregelmäßigen Abständen mit<br />

Bergrettern den Ernstfall. So auch<br />

Ende Jänner, als am Dachstein rund<br />

30 Bergretter aus Oberösterreich<br />

gemeinsam mit Hubschraubern des<br />

Bundesheeres trainierten. Geübt<br />

haben sie unter anderem das sichere<br />

Ein- und Aussteigen nach Landungen<br />

im Hochgebirge sowie das Retten<br />

von Verunglückten mit Hilfe der<br />

Seilwinde.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


M O M E N T U M<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 0 8 W E L T & S T R A T E g I E<br />

CHINA HOLT<br />

WEITER AUF<br />

China will „kein Wettrüsten mit den<br />

USA“ und kündigte daher dieser Tage<br />

ein Plus des Wehretats von „nur“ sieben<br />

Prozent auf rund 140 Milliarden Euro<br />

an – der geringste Zuwachs seit 2010.<br />

Die militärische Aufholjagd des Landes<br />

geht trotzdem ungebremst weiter:<br />

China ist dabei, zu westlichen Armeen<br />

aufzuschließen, so das Stockholmer<br />

Friedensinstitut Sipri in einer aktuellen<br />

Analyse. China kopiere nicht länger<br />

russische Technologie, sondern investiere<br />

seine Anstrengungen und Mittel in<br />

eigene Forschung, sei in Teilen der<br />

Hochtechnologie sogar global führend.<br />

Daher sind die offiziellen Zahlen laut<br />

Militärexperten auch „mit Vorsicht zu<br />

genießen“, nicht alle Ausgaben sind im<br />

offiziellen Verteidigungsetat enthalten.<br />

„Es ist davon auszugehen, dass die<br />

gesamten Militärausgaben um etwa<br />

50 Prozent höher sind als angegeben“,<br />

so Sipri-Forscher Siemon Wezemann.<br />

IM FOKUS<br />

STREITKRÄFTE<br />

KANADAS<br />

IM ÜBERBLICK<br />

95.000<br />

Soldaten<br />

181<br />

Kampfpanzer<br />

64<br />

Kampfflugzeuge<br />

KANADA<br />

Um Russland abzuschrecken hat die NATO in den vergangenen<br />

Monaten ihre Truppenstationierungen und die Zahl ihrer Manöver<br />

in östlichen Bündnisstaaten erhöht. Laut einem Beschluss<br />

vom Nato-Gipfel im vergangenen Juli sollen je tausend<br />

Soldaten nach Polen und in die baltischen Staaten Litauen, Estland<br />

und Lettland entsendet werden. Während die NATO-Verbände<br />

in Polen von den USA, in Litauen von Deutschland und<br />

in Estland von Großbritannien geführt werden, ist für Lettland<br />

Kanada verantwortlich. Das (flächenmäßig) zweitgrößte Land<br />

der Welt engagiert sich seit Jahren – trotz seiner vergleichsweise kleinen Berufsarmee von 95.000 Soldaten<br />

(davon 68.000 aktiv) – intensiv im Rahmen des transatlantischen Militärbündnisses. So war das Land etwa<br />

Teil des NATO-Kampfeinsatzes in Afghanistan und sind kanadische Soldaten auch sonst im Rahmen zahlreicher<br />

Beobachter-, Ausbildungs- und UN-Missionen überall auf der Welt zu finden. Seit dem Ende des Zweiten<br />

Weltkriegs nahm Kanada an mehr als 200 Auslandseinsätzen (u. a. in Korea, im Kosovo und in Libyen) teil.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


W E LT G E S C H E H E N<br />

TOP 3<br />

Terrorismushochburgen<br />

1 Laut dem Global Terrorism Index<br />

(GTI) 2016 des Institute for Economics<br />

& Peace ist der Irak mit einem GTI-<br />

Wert von 9,96 (die Höchststufe<br />

wäre 10,0) der am meisten unter<br />

Terrorismus leidende Staat der Welt.<br />

2 Auf Platz 2 liegt mit einem GTI-Wert<br />

von 9,444 Afghanistan. In die Bewertung<br />

fließen neben der Zahl terroristischer<br />

Vorfälle auch die Zahl der<br />

Todesopfer und Verletzten sowie die<br />

Höhe des entstandenen Schadens über<br />

einen Zeitraum von zehn Jahren ein.<br />

3 Auf Rang drei folgt mit einem<br />

GTI-Wert von 9,314 Nigeria vor<br />

Pakistan (8,613) und Syrien (8,587).<br />

CYBERANGRIFFE AUF NORDKOREA<br />

Anfang März ließ Nordkorea (wieder einmal) mit dem Start von ballistischen<br />

Testraketen in Richtung Japanisches Meer aufhorchen. Drei der<br />

vier Raketen seien in der 200-Meilen-Zone vor der japanischen Küste ins<br />

Meer gestürzt, so der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe (Bild), der<br />

vor Journalisten von einer „neuerlichen Provokation“ sprach. Tage zuvor<br />

war nach einem Bericht der New York Times bekannt geworden, dass die<br />

Regierung des früheren US-Präsidenten Barack Obama in den vergangenen<br />

Jahren mehrmals versucht hatte, Nordkoreas Raketenprogramm<br />

durch Cyberattacken zu sabotieren. Ob die Angriffe Erfolg hatten, ist dem<br />

Bericht zufolge allerdings<br />

unklar. Kurz nach dem Beginn<br />

der Attacken seien<br />

zwar einige Raketenstarts<br />

missglückt, die Fehlschläge<br />

könnten aber auch auf die<br />

schlechte Verarbeitung der<br />

Raketen oder andere Probleme<br />

zurückzuführen sein.<br />

„Die usA müssen ihre<br />

nuklearen Fähigkeiten<br />

erheblich verstärken und<br />

ausbauen, bis die Welt in<br />

sachen Atomwaffen zur<br />

Vernunft kommt.“ Donald Trump<br />

Nur wenige Stunden nach einer Ankündigung Wladimir<br />

Putins, die strategischen Atomwaffen Russlands zu modernisieren,<br />

ließ Donald Trump kurz vor Weihnachten diesen Tweet folgen. Die USA müssten ihre<br />

nuklearen Fähigkeiten „erheblich verstärken“, so Trump, der danach das Thema mehr<br />

als zwei Monate ruhen ließ. Erst Ende Februar griff er es in einem Interview mit der<br />

Nachrichtenagentur Reuters wieder auf. Darin äußerte er zwar den Wunsch nach einer<br />

„atomwaffenfreien Welt“, zugleich erklärte er aber seine Absicht, das amerikanische<br />

Nukleararsenal wieder zum führenden der Welt zu machen. „Solange Staaten<br />

Atombomben besitzen, müssen wir die Spitze des Rudels sein.“<br />

FOTO S : G E T T Y I M AG E S , P I C T U R E D E S K , 1 2 3 R F<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />

WIRBEL<br />

SPANNUNGEN IN SÜDOSTEUROPA NEHMEN ZU<br />

AUF DEM BALKAN<br />

Aktuelle Umbrüche im internationalen System führen zu nationalistischen<br />

Rückschlägen auf dem Westbalkan. Eine Analyse von Predrag Jureković.<br />

S<br />

eit Ende der Jugoslawien-Kriege<br />

basierte<br />

die Absicherung des<br />

Friedens im südslawisch-albanischen<br />

Gebiet auf zwei politischen<br />

Sicherheiten: Erstens auf dem<br />

Grundvertrauen darauf, dass die Lösung<br />

der noch offenen Konflikte in<br />

dieser Region durch die gemeinsame<br />

Heranführung der Westbalkanländer<br />

an die EU-Standards – mit dem Endziel<br />

der EU-Mitgliedschaft – erleichtert<br />

wird. Zweitens auf der engen politischen<br />

Allianz zwischen der EU und<br />

den USA im Hinblick auf die Konsolidierung<br />

des Friedens am<br />

Westbalkan. Die Zuspitzung EU-interner<br />

Krisen durch den geplanten EU-<br />

Austritt des Vereinigten Königreichs<br />

und die unberechenbarer gewordene<br />

US-Außenpolitik als Folge der Amtsübernahme<br />

von Präsident Donald<br />

Trump haben nun aber diese Eckpfeiler<br />

der westlichen Balkanpolitik ins Wanken<br />

gebracht.<br />

Die intern von ihren eigenen Nationalisten<br />

angegriffene EU bekennt sich<br />

zwar weiterhin zur „Integrationsperspektive“<br />

für die Westbalkanländer und<br />

versucht in dort auftretenden<br />

Konflikten zu vermitteln. Insgesamt hat<br />

der Elan der EU in Bezug auf ihr Balkan-Engagement<br />

– vor dem Hintergrund<br />

eigener Krisen – aber erkennbar<br />

nachgelassen. Das geostrategische Gewicht<br />

anderer internationaler Akteure,<br />

vor allem von Russland und der Türkei,<br />

nimmt deshalb am Westbalkan zu.<br />

Russland hat bisher ohnehin nur einen<br />

Teil der westlichen Stabilisierungsziele<br />

auf dem Westbalkan unterstützt. Speziell<br />

die NATO-Pläne, Montenegro als<br />

neues Mitglied aufzunehmen, riefen<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


S P A N N U N G E N A M W E S T B A L K A N<br />

FOTO : P I C T U R E D E S K<br />

und rufen in Moskau starke Kritik hervor.<br />

Islamistische Tendenzen in der<br />

Türkei lassen derzeit auch die türkische<br />

Balkanpolitik in einem kritischeren<br />

Licht erscheinen als es noch vor einigen<br />

Jahren der Fall war. Die aktuellen<br />

Probleme innerhalb der EU und die<br />

geostrategischen Veränderungen ermutigen<br />

auf dem Westbalkan zudem nationalistische<br />

Politiker unterschiedlicher<br />

Nationalität, ihre destruktive politische<br />

Agenda konsequenter als in früheren<br />

Jahren zu verfolgen.<br />

So erblicken beispielsweise serbische<br />

Nationalisten in der „Krise des westlichen<br />

Modells“ eine neue Chance, um<br />

die aus ihrer Sicht ungerechte und unnatürliche<br />

Friedensordnung auf dem<br />

Westbalkan zu beenden, die spätestens<br />

1999, nach dem Ende des Kosovokriegs,<br />

etabliert wurde. Dabei hoffen sie<br />

auf die Unterstützung von nationalistischen<br />

Politikern aus der EU und –<br />

möglicherweise verfrüht – auf eine<br />

enge außenpolitische Allianz zwischen<br />

dem EU- und NATO-kritischen Trump<br />

und dem russischen Präsidenten<br />

Wladimir Putin. Selbst die sich<br />

(noch) proeuropäisch gebenden Politiker<br />

vom Westbalkan tendieren immer<br />

öfter zu Aussagen und Handlungen, die<br />

der Normalisierung der nachbarschaftlichen<br />

Beziehungen in dieser Region<br />

Schaden zufügen oder den Frieden<br />

überhaupt gefährden könnten.<br />

Das zunehmend riskante Spiel mit politischen<br />

Provokationen hat die zaghaften<br />

Versuche der Annäherung in den<br />

intraregionalen Beziehungen abgelöst.<br />

Dazu gehören nach längerer Zeit auch<br />

wieder Kriegsdrohungen. Mitte Jänner<br />

drohte der serbische Präsident Tomislav<br />

Nikolić, dass er gemeinsam mit der<br />

serbischen Armee in den Kosovo einmarschieren<br />

werde, falls dort Serben<br />

getötet werden. Nikolićs Drohung fiel<br />

im Zusammenhang mit einem Einsatzbefehl<br />

aus Priština für die kosovarische<br />

Sonderpolizei Rosu. Sie hätte einen aus<br />

Serbien kommenden Personenzug mit<br />

der Aufschrift „Kosovo ist Serbien“ an<br />

der Grenze aufhalten sollen. Letztlich<br />

hatte der Zug aber – auf Weisung des<br />

serbischen Premierministers<br />

Alexander Vučić – schon auf serbischem<br />

Staatsgebiet seine Reise beendet.<br />

Sowohl in Serbien als auch im Kosovo<br />

mobilisieren ultranationalistische Parteien<br />

ihre Anhänger gegen den Kosovo-<br />

Dialog, bei dem die EU-Außenbeauftragte<br />

Federica Mogherini als Vermittlerin<br />

auftritt. Damit politische Konflikte<br />

nicht wieder eine gewaltsame Entwicklung<br />

nehmen, ist die Präsenz der<br />

internationalen Friedenstruppe Kosovo<br />

Force (KFOR) auch weiterhin von substanzieller<br />

Bedeutung. Österreich beteiligt<br />

sich im Rahmen der NATO-<br />

„Partnerschaft für den Frieden“ mit bis<br />

zu 500 Militärpersonen an dieser Friedensoperation,<br />

die derzeit eine Gesamtstärke<br />

von 4.300 Militärpersonen<br />

hat.<br />

Auch in Bosnien und Herzegowina<br />

(BuH) nahmen nationalistische Spannungen<br />

zuletzt erkennbar zu. Die unter<br />

österreichischem Kommando stehende<br />

EUFOR-Friedenstruppe (die Gesamt-<br />

PROVOKATION<br />

Mitte Jänner haẗte dieser Zug von<br />

Serbien in den Kosovo fahren sollen.<br />

Die unmissverständliche Botschaft:<br />

„Kosovo is Serbia – der Kosovo ist<br />

serbisch“. Der serbische Premierminister<br />

Aleksandar Vucǐć ließ den Zug<br />

letztlich noch vor der Grenze stoppen.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 2 W E l T & S T R A T E G I E<br />

FRIEDENS-<br />

TRUPPE<br />

Die Kosovo Force<br />

(KFOR) sorgt für<br />

Ruhe im Land<br />

und garantiert die<br />

internationale<br />

Souveränitaẗ<br />

des Kosovo.<br />

Österreich stellt<br />

aktuell rund 500<br />

der insgesamt<br />

4.300 KFOR-<br />

Soldaten.<br />

stärke liegt bei 830 Soldaten, Österreich<br />

stellt davon mit 330 mehr als ein Drittel)<br />

bleibt deshalb ein wichtiger Sicherheitsgarant.<br />

Sehr kontroversiell wurde<br />

die Idee des bosniakischen Mitglieds<br />

im Staatspräsidium, Bakir Izetbegović,<br />

aufgenommen, eventuell eine neue Klage<br />

gegen Serbien wegen Völkermords<br />

im letzten Krieg (1992–95) beim UNO-<br />

Gerichtshof in Den Haag einzureichen.<br />

Es gab darauf nicht nur negative Reaktionen<br />

aus Serbien. Serbische Politiker<br />

in Bosnien drohten in einem solchen<br />

Fall sogar mit ihrem Rückzug aus den<br />

gesamtstaatlichen Institutionen. Auf<br />

kroatischer Seite wurde zuletzt verstärkt<br />

die Forderung nach Schaffung eines<br />

eigenen kroatischen Staatsteils in<br />

Bosnien erhoben. Es folgten erboste<br />

Reaktionen, insbesondere von bosniakischen<br />

Politikern. Als größtes Hindernis<br />

für einen funktionsfähigen Staat<br />

Bosnien und Herzegowina gilt aber die<br />

gegen den Gesamtstaat ausgerichtete<br />

Politik des Präsidenten der Republika<br />

Srpska, Milorad Dodik. Als eine ihrer<br />

letzten Amtshandlungen hatte die Obama-Administration<br />

deshalb im Jänner<br />

Finanzsanktionen und ein Einreiseverbot<br />

gegen Dodik verhängt. Mittlerweile<br />

in den Ruhestand versetzte bosniakische<br />

Generäle drohten Dodik sogar mit<br />

einem neuen Krieg, falls er seine Ankündigung<br />

von der Abspaltung der Republika<br />

Srpska wahr machen würde.<br />

Krisenhafte Entwicklungen auch in anderen<br />

Westbalkanländern wie Montenegro<br />

und Mazedonien zeigen, wie<br />

wichtig ein proaktives Engagement der<br />

EU für die Friedenskonsolidierung in<br />

dieser Region noch immer ist.<br />

Der Autor ist wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am IFK mit Forschungsschwerpunkt<br />

Südosteuropa.<br />

„Nationalismus – Radikalismus – Terrorismus“<br />

BRIGADIER WALTER<br />

FEICHTINGER ist seit<br />

2002 Leiter des Instituts<br />

für Friedenssicherung und<br />

Konfliktmanagement (IFK)<br />

an der Landesverteidigungsakademie.<br />

Der tägliche Blick in die Medien zeigt,<br />

welche Themen und damit auch Herausforderungen<br />

den Alltag bestimmen. Es<br />

ist ziemlich egal, auf welchen Erdteil man<br />

blickt, die Zeit der „ISMEN“ scheint –<br />

wieder einmal – angebrochen zu sein:<br />

NationalISMUS, RadikalISMUS und TerrorISMUS<br />

haben Saison und stellen viele<br />

politische und gesellschaftliche Errungenschaften<br />

infrage, die vor allem in der<br />

westlichen Welt als gesichert galten.<br />

Sei es die „USA first“-Ansage von US-<br />

Präsident Donald Trump oder Wladimir<br />

Putins „neues Russland“, sei es der Brexit<br />

oder die rigorose Abschottungspolitik<br />

des ungarischen Regierungschefs<br />

oder seien es die unverhohlenen Versuche<br />

von Politikern des Westbalkans, mittels<br />

nationalistischer Töne Gefolgschaften<br />

zu finden – sie alle stellen die<br />

mühsam errungene Friedensordnung infrage.<br />

Der Rückschritt in den Nationalismus<br />

oder Isolationismus scheint für<br />

manche vordergründig Erfolg zu bringen,<br />

dabei übersehen sie aber die negativen<br />

Begleiterscheinungen. Denn überzogene<br />

Abgrenzungen („wir sind das<br />

Volk“) bewirken Ausgrenzungen (die<br />

„anderen“), sie diskreditieren liberales<br />

und fördern radikales Gedankengut und<br />

tragen damit zum Entstehen extremistischer<br />

Gruppierungen bei. Der Übergang<br />

von radikaler Rhetorik zu Gewaltakten<br />

kann schnell erfolgen und muss nicht politisch<br />

beabsichtigt sein. Die Ausgrenzung<br />

ganzer Gruppen ist auch ein gefundenes<br />

Fressen für die Propaganda<br />

radikaler Islamisten, die sich massiv auf<br />

eine pauschal unterstellte Unterdrückung<br />

aller Muslime durch den Westen<br />

stützt.<br />

Eine Abgrenzungspolitik tendiert dazu,<br />

Gesellschaften zu spalten und internationale<br />

Kooperationen eher als notwendiges<br />

Übel denn als konstruktives Mittel<br />

gemeinsamer Problemlösungen zu sehen.<br />

Globale Herausforderungen wie<br />

der Klimawandel, transnationaler Terrorismus<br />

oder Cyberangriffe sind damit<br />

nicht zu bewältigen. Die liberale Welt<br />

sollte sich rasch der Zusammenhänge<br />

und Reichweiten bewusst werden, um<br />

nicht in den Teufelskreis dieser „ISMEN“<br />

zu geraten.<br />

FOTO S : N A D j A M E I ST E R , B U N D E S H E E R / R E I C H<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 1 4 W E L T & S T R A T E G I E<br />

„ES STEHT<br />

VIEL AUF<br />

DEM SPIEL“<br />

Der scheidende<br />

OSZE-Generalsekretär<br />

Lamberto Zannier im<br />

Gespräch über<br />

die Zukunft<br />

der SMM-Beobachtermission<br />

in der<br />

Ostukraine,<br />

seine Erwartungen<br />

an den OSZE-Vorsitz<br />

Österreichs und Pläne<br />

zur verstärkten<br />

Rüstungskontrolle in<br />

Europa.<br />

Interview: GEORG MADER<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I N T E R V I E W<br />

FOTO : P I C T U R E D E S K<br />

H<br />

err Zannier, beim<br />

jüngsten Ministerrat<br />

der OSZE im<br />

Dezember in<br />

Hamburg orteten<br />

Sie vor dem Hintergrund<br />

des anhaltenden Ukraine-Konflikts<br />

„eine tief gehende<br />

Spaltung der OSZE“. Was bedeutet<br />

das nun? Ist eine „tief gespaltene“<br />

OSZE noch handlungsfähig?<br />

Es ist richtig, dass wir aktuell eine<br />

sich vertiefende Spaltung der OSZE<br />

erleben. Aber: Die Organisation ist<br />

nach wie vor das einzige Forum, in<br />

dem alle 57 teilnehmenden Länder –<br />

darunter neben den europäischen<br />

Staaten auch die Nachfolgeländer der<br />

Sowjetunion, die Mongolei sowie die<br />

USA und Kanada – in den wöchentlichen<br />

Tagungen des Ständigen Rates<br />

hinter verschlossenen Türen der<br />

Wiener Hofburg direkt miteinander<br />

auch über Krieg und Frieden sprechen.<br />

Der Ständige Rat ist damit<br />

eines der wenigen Foren, in dem<br />

es noch zu regelmäßigen Kontakten<br />

zwischen Russland und den USA<br />

kommt. Es ist zwar richtig, dass<br />

Entscheidungen nur im Konsens<br />

getroffen werden, was die Situation<br />

oft erschwert, aber dafür halten sie<br />

dann auch – auch mit den Russen.<br />

Gilt das auch für die Special Monitoring<br />

Mission (SMM) in der Ost -<br />

ukraine, die auch dafür gesorgt<br />

hat, dass die OSZE nach Jahren<br />

im Hintergrund wieder vermehrt<br />

in den Blickpunkt gerückt ist?<br />

Wir waren zwar nicht wirklich „im<br />

Hintergrund“, sondern nur weniger<br />

im Schweinwerferlicht, aber natürlich<br />

stimmt es, dass uns der Donbass<br />

zurzeit dominiert. Diese bisher größte<br />

OSZE-Mission leistet den wichtigsten<br />

Beitrag zur Beruhigung der<br />

immer noch heiklen und volatilen<br />

Lage entlang der sogenannten Kontaktlinie<br />

zwischen der Ukraine und<br />

ihren von prorussischen Separatisten<br />

kontrollierten Landkreisen Lugansk<br />

und Donezk. Diese Grenze wird von<br />

etwa 600 Militärbeobachtern der<br />

OSZE überwacht, insgesamt sorgen<br />

an die 1.000 Kräfte dafür, dass sich<br />

der Konflikt zumindest nicht weiter<br />

ausbreitet.<br />

Man kann den Konflikt aktuell<br />

also nur eindämmen und nicht<br />

lösen?<br />

Im Vergleich zur Situation Anfang<br />

2015 stellt das eine eindeutige Verbesserung<br />

für die Menschen vor Ort<br />

dar. Um eine weitere Verbesserung<br />

zu ermöglichen – und das muss das<br />

Ziel sein –, brauchen die Beobachter<br />

aber einen Zugang über jene Linie<br />

hinaus. Auch die Ausweitung der<br />

zweiten Beobachtermission an der<br />

russisch-ukrainischen Grenze ist von<br />

entscheidender Bedeutung, wenn es<br />

darum geht, die internationale Gemeinschaft<br />

mit unparteiischen, sachlichen<br />

Informationen zu versorgen.<br />

Frei nach dem Motto: „Wer mehr<br />

weiß, kann bessere Entscheidungen<br />

treffen“?<br />

Das ist aktuell das beste Instrument,<br />

das wir haben, damit der brüchige<br />

Waffenstillstand hält. Parallel dazu<br />

gehen die diplomatischen Bemühungen<br />

zur völligen Beendigung der<br />

Gewalt natürlich weiter.<br />

Trotz der Bemühungen der OSZE<br />

läuft bei der Mission nicht alles<br />

glatt: In unserer vergangenen Ausgabe<br />

haben wir über den Abschuss<br />

von im Rahmen der SMM eingesetzten<br />

Schiebel-Drohnen durch<br />

prorussische Separatisten in den<br />

Jahren 2015 und 2016 berichtet.<br />

Herr Schiebel machte dafür auch<br />

die zu rigiden Missionsregeln mit<br />

immer gleichen Flugzeiten und<br />

-routen verantwortlich.<br />

Es stimmt, dass unsere Drohnen<br />

mehrmals ge- und zerstört wurden<br />

und das nahezu ausschließlich durch<br />

Rohr- und Strela-Lenkwaffen vonseiten<br />

der Separatisten und über deren<br />

Gebiet. Das Problem ist, dass die von<br />

Ihnen angesprochene Flugprozedur<br />

durch eine ukrainisch-russische<br />

Konsultationsgruppe abgestimmt<br />

und angekündigt werden muss.<br />

Durch diese Vorgangsweise hat<br />

die OSZE aber jede Möglichkeit<br />

zur Überwachung aus der Luft<br />

verloren.<br />

Das ist richtig und deshalb läuft aktuell<br />

auch eine neue Ausschreibung,<br />

die gerne auch wieder Schiebel


0 1 6 W E L T & S T R A T E G I E<br />

HANDICAP Seit dem Abschuss zahlreicher Schiebel-Drohnen durch prorussische<br />

Separatisten verfügt die Special Monitoring Mission in der Ostukraine nur noch über<br />

beschränkte Möglichkeiten zur Beobachtung aus der Luft.<br />

Geschichtsbüchern kennt. Und folglich<br />

kann seine Unbekümmertheit<br />

und Unvoreingenommenheit ein<br />

Vorteil im Denken oder im Zugang<br />

sein. An der Konfliktlinie bei Mariupol<br />

in der Ostukraine war er jedenfalls<br />

bereits Tage vor seiner Antrittsrede.<br />

Und dann gleich in Moskau.<br />

Ich trete ja im Sommer nach sechs<br />

Jahren ab, aber ich denke, selbst bis<br />

dahin erlebe ich noch einen sehr<br />

aktiven Vorsitz durch Minister Kurz.<br />

Er ist ein politisches und diplomatisches<br />

Talent, keine Frage.<br />

inkludieren soll. Dabei sind wir aber<br />

noch nicht sicher, ob wir wieder ein<br />

Rotor-System oder alternativ beziehungsweise<br />

ergänzend einen Flächenfliegertyp<br />

einsetzen wollen. Klar<br />

ist, dass wir diese Augen am Himmel<br />

brauchen, weshalb wir nun auch<br />

kleinere, handelsübliche Geräte mit<br />

kürzerer Reichweite im Einsatz haben,<br />

die uns beispielsweise einen<br />

Blick ins nächste Dorf oder hinter<br />

den nächsten Hügel ermöglichen.<br />

Was bedeutet es, dass Österreichs<br />

Außenminister Sebastian Kurz als<br />

neuer OSZE-Vorsitzender SMM<br />

zuletzt noch ausweiten konnte?<br />

Kurz ist mit dem ukrainischen Präsidenten<br />

Petro Poroschenko und dessen<br />

Außenminister Pawlo Klimkin<br />

sowie mit seinem Amtskollegen Sergei<br />

Lawrow in Moskau übereingekommen,<br />

die technische Ausrüstung<br />

etwa mit Nachtsichtgeräten zu verbessern<br />

und die zeitliche Überwachung<br />

auf 24 Stunden auszudehnen.<br />

Derzeit flammen die Gefechte vor<br />

allem nachts auf, wenn unsere<br />

Patrouillen aus Sicherheitsgründen<br />

bislang nicht unterwegs waren.<br />

Sie erwarten sich also einen<br />

positiven Effekt von der zeitlichen<br />

Ausdehnung der Überwachung?<br />

Ja. Ich bin sicher, dass sich mit einer<br />

Rund-um-die-Uhr-Beobachtung ein<br />

Fortschritt erzielen lassen wird.<br />

Was erwarten Sie sich darüber<br />

hinaus vom OSZE-Vorsitz Österreichs<br />

und dem neuen OSZE-<br />

Vorsitzenden Sebastian Kurz?<br />

Wenn es darum geht, die drängendsten<br />

sicherheitspolitischen Fragen<br />

anzugehen, ist die weltweit größte<br />

regionale Sicherheitsorganisation mit<br />

dem neutralen Österreich mit Sebastian<br />

Kurz am Steuer bestens aufgestellt.<br />

Ich bin zuversichtlich, dass es<br />

damit gelingt, einen positiven und<br />

nachhaltigen Beitrag zu internationalem<br />

Frieden und Sicherheit zu leisten.<br />

Man darf nicht vergessen, dass<br />

derzeit sehr viel auf dem Spiel steht.<br />

Gerade in der Beziehung zwischen<br />

Russland und dem Westen könnte<br />

die Jugend von Sebastian Kurz laut<br />

dem heimgekehrten US-Botschafter<br />

bei der OSZE, Daniel Baer, ein<br />

Vorteil sein.<br />

Sebastian Kurz hat Baers Aussage<br />

auch gar nicht abgestritten. Er<br />

kommt aus einer Generation, welche<br />

die Stimmung und die Sprache des<br />

Kalten Krieges nur mehr aus den<br />

Kommen wir abschließend noch<br />

zu einem ganz anderen Thema:<br />

Was wurde beim letzten OSZE-<br />

Ministerrat in Hamburg eigentlich<br />

in puncto konventioneller Rüstungskontrolle<br />

verabschiedet?<br />

Der Beschluss geht auf Frank-Walter<br />

Steinmeier zurück und nennt sich<br />

„strukturierter Dialog zu europäischen<br />

Sicherheitsthemen“. Die Initiative<br />

soll eine Wiederbelebung der<br />

Gespräche zur konventionellen Rüstungskontrolle<br />

ermöglichen, nachdem<br />

das bestehende System 2007<br />

ausgehebelt wurde, als Russland den<br />

Vertrag über konventionelle Streitkräfte<br />

in Europa (KSE) aufkündigte.<br />

Dieser Vertrag sah damals Obergrenzen<br />

für schwere Waffen vor.<br />

Genau. Ohne ein System der Erfassung<br />

und Zählung dieser konventionellen<br />

Rüstung können Konfliktherde<br />

– wie jener in der Ukraine – nicht<br />

gelöst werden und lässt sich ein neuerliches<br />

Wettrüsten nicht verhindern.<br />

Wenn jede Konfliktpartei die<br />

andere verdächtigt, mehr Geräte beschafft<br />

zu haben und zu unterhalten,<br />

initiiert das natürlich eigene Maßnahmen<br />

und führt folglich zu einem<br />

unkontrollierten Wettrüsten. Und<br />

das wollen wir in Zukunft um jeden<br />

Preis verhindern.<br />

FOTO : G E O R G M A D E R<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


M-346.<br />

Training Für Die Zukunft<br />

M-346: eine außerordentlich kosteneffiziente,<br />

technologisch fortgeschrittene Plattform für integrierte<br />

Trainingssysteme der nächsten Generation, Homeland<br />

Security und Air Policing. In den Luftwaffen Italiens,<br />

der Republik Singapur und Israels im Einsatz und in<br />

Produktion für die Luftwaffe Polens.<br />

Leonardo Aircraft ist weltweit führend im Design, der<br />

Produktion und dem Support militärischer Flugzeuge. In<br />

den letzten 50 Jahren haben 2.000 Leonardo-Flugzeuge<br />

über 20.000 militärische und zivile Piloten in über 40<br />

Ländern auf allen fünf Kontinenten trainiert.<br />

Inspiriert von der Vision, dem Forschungsdrang und dem<br />

Genie des großen Erfinders - Leonardo entwickelt die<br />

Technologie von morgen.<br />

leonardocompany.com<br />

Helicopters | Aeronautics | Electronics, Defence & Security Systems | Space


0 1 8 W E L T & S T R A T E G I E<br />

Immer hybridere Formen<br />

der Kriegsführung und die<br />

Rekrutierungsprobleme<br />

vieler Streitkräfte machen<br />

unkonventionelle Lösungen<br />

unausweichlich. Viele<br />

Länder überlegen deshalb<br />

nun nach dem Vorbild der<br />

FRANZÖSISCHEN<br />

FREMDENLEGION<br />

selbst Einheiten mit<br />

ausländischen Soldaten<br />

aufzustellen.<br />

Text: DIETER MUHR<br />

EUROPA:<br />

AUF DEM<br />

WEG ZUR<br />

FREMDE<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L<br />

LEGIO


F R E M D E N L E G I O N<br />

M<br />

it der französischen<br />

Fremdenlegion<br />

verbindet<br />

man nach wie<br />

vor verwegene<br />

Abenteurer mit<br />

außergewöhnlicher Härte und Treue.<br />

„Gefallene Jungs“, die sich auf der Suche<br />

nach einer zweiten Chance für einen<br />

Einsatz in den Tropen oder sonstwo<br />

auf der Welt melden und die ohne<br />

zu zögern ihr Leben für Frankreich<br />

geben. Zeit ihrer Geschichte waren<br />

es mehr als 36.000 Fremdenlegionäre,<br />

die auf bekannten und unbekannten<br />

Schlachtfeldern im Kampf für „la Grande<br />

Nation“ fielen. Die Legion umgibt<br />

nicht nur deshalb ein ganz besonderer<br />

Mythos und eine Anziehungskraft, der<br />

auch Vizeleutnant Robert Lang, ehemals<br />

Legionär beim 2. Fallschirmjäger<br />

Fremdenregiment, erlag: „Ich wusste,<br />

die Legion ist beinhart und die Leute<br />

sind mit sehr großem Stolz dabei.“ Was<br />

ihn an dem Verband faszinierte? „Es<br />

ist doch so: Wenn es irgendwo auf der<br />

Welt scheppert, dann kommt die Legion“,<br />

sagt Lang. „Dieser Ruf hatte auf<br />

mich eine ganz spezielle Anziehungskraft,<br />

da musste ich einfach hin.“<br />

N<br />

N<br />

FOTO : W W W. L E G I O N - E T R A N G E R E .CO M / A D J P E LOT E<br />

Auch heute scheppert es auf der Welt<br />

noch oft, insbesondere in den ehemaligen<br />

französischen Kolonien, denen sich<br />

Paris immer noch stark verbunden<br />

fühlt. Sind dort – beispielsweise vor<br />

wenigen Jahren in Mali – französische<br />

Interessen gefährdet, setzt ein Staatspräsident<br />

am ehesten die Legion ein.<br />

Warum ist für Lang klar: „Die Einheit<br />

operiert mit einem sehr modernen Einsatzkonzept,<br />

ist schnell und flexibel<br />

einsetzbar und hat sich deshalb und<br />

auch wegen ihrer kompromisslosen<br />

Vorgangsweise als politisch wertvolle<br />

Eingreifkraft etabliert.“ Zudem gelten<br />

potenzielle eigene Opfer nicht als französische<br />

Staatsbürger, sind daher politisch<br />

leichter argumentierbar und liegt<br />

über vielen Teilen der Legion der Mantel<br />

des Schweigens. Sie operiert im<br />

Dunkeln, meist dringen nur wenige<br />

oder gar keine Informationen nach außen.<br />

Im Ehrenkodex steht: „la mission<br />

est sacré“, der Auftrag ist heilig.<br />

Und genau diese Punkte machen das<br />

Konzept auch für andere Nationen<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 2 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />

interessant. Beflügelt werden die Wünsche<br />

nach einer eigenen Legion durch<br />

die anhaltenden Nachwuchssorgen und<br />

Rekrutierungsprobleme vieler Streitkräfte,<br />

die die militärischen Strukturen<br />

vielerorts massiv unter Druck setzen.<br />

Nicht nur in Deutschland denkt man<br />

deshalb darüber nach, Asylanten und<br />

Flüchtlingen den Wehrdienst ohne<br />

Staatsbürgerschaft zu erlauben. Kritiker<br />

sehen in derartigen Konzepten das<br />

Ende des Staatsbürgers in Uniform<br />

und warnen vor dem Schreckgespenst<br />

„Fremdenlegion“, doch gerade die hat<br />

den höchsten personellen Zulauf – und<br />

das trotz der sehr speziellen Form der<br />

Rekrutierung.<br />

Robert Lang wurde wie alle anderen als<br />

Freiwilliger unter Vertrag genommen<br />

und erklärt: „Die Legion sucht deinen<br />

Namen aus. Anonymat nennen sie das.<br />

Dabei bleiben die Anfangsbuchstaben<br />

dieselben wie beim richtigen Namen.<br />

So ist man unauffindbar und Frankreich<br />

gibt natürlich keinerlei Auskünfte.<br />

Nach drei Jahren kann man dann seinen<br />

Namen zurückerhalten.“ 2016<br />

wählte die Legion 1.700 Männer mit einem<br />

Durchschnittsalter von 23 Jahren<br />

aus 8.000 Kandidaten. 89 Prozent der<br />

Legionäre sind Fremde, also Nicht-<br />

Franzosen, die aus 150 Nationen kommen.<br />

Der erste Verpflichtungszeitraum<br />

beträgt fünf Jahre. Danach kann man<br />

die Staatsbürgerschaft beantragen und<br />

ist damit auch EU-Bürger – ein Benefit,<br />

der sicher auch bei anderen Streitkräften<br />

eine hohe Anziehungskraft hätte.<br />

Viele der Freiwilligen machen zudem<br />

Karriere in der Legion, als Legionär<br />

oder als Unteroffizier, die ihrerseits aus<br />

den Legionären hervorgehen. Französische<br />

Offiziere kommandieren die Legion<br />

und Lang weiß: „Nur die Besten aus<br />

Saint-Cyr, der Offiziersschule, können<br />

zur Legion gehen.“ Immerhin zehn Prozent<br />

der Offiziere sind heute frühere<br />

Unteroffiziere der Legion. Nach etwa<br />

15 Jahren Dienst erhält man die Mindest-<br />

und nach 20 bis 30 Jahren die<br />

volle Pension. „Viele haben sich damit<br />

eine Existenz in Frankreich aufgebaut",<br />

meint Lang, „und haben es dem<br />

Militärdienst zu verdanken, dass sie<br />

ihr Leben neu gestalten konnten.“<br />

Die Zuteilung zu den Regimentern erfolgt<br />

nach einer viermonatigen Grundausbildung.<br />

Vizeleutnant Lang erinnert<br />

sich: „Am Ende der Grundausbildung<br />

gab es eine harte Abschlussprüfung.<br />

Entsprechend der sich daraus ergebenden<br />

Reihung wird man auf die Regimenter<br />

verteilt. Die Besten kommen<br />

zu den Fallschirmjägern.“ Bei den Regimentern<br />

durchlaufen die Legionäre<br />

dann ihre Spezialausbildungen und<br />

gehen in die Einsätze. Lang über deren<br />

Bedeutung: „Ich kam zu einer Kampfkompanie,<br />

ständig waren Übungen und<br />

FREMDENLEGIONÄR<br />

Ein Caporal vom 2. Fallschirmjägerregiment<br />

der<br />

Fremdenlegion mit dem<br />

Abzeichen der 11. Brigade<br />

Parachutiste, ausgerüstet<br />

mit dem Sturmgewehr<br />

FAMAS 5,56 und Bajonett.<br />

Gut erkennbar die Epaulettes<br />

rouge (Chargenhomme<br />

du rang), Kepi<br />

blanc und Kienriemen.<br />

Wie man sieht, ist das Bild<br />

aber schon einige Jahre alt,<br />

weil er nur die Fouragere<br />

rouge trägt und das Regiment<br />

seit 2 oder 3 Jahren<br />

auch noch dazu die Fouragere<br />

Valeur militaire für<br />

Kolwesi bekommen hat.<br />

FOTO : P I C T U R E D E S K<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 2 2 w e L t & s t r A t e g i e<br />

Die Legion: Eine Idee für Österreich?<br />

Viele Länder überlegen aktuell nach dem Vorbild der französischen Fremdenlegion<br />

eigene Streitkräfte mit Legionären aufzustellen. Wäre ein derartiges<br />

Modell aber auch für das neutrale Österreich und das Bundesheer vorstellbar?<br />

PRO<br />

GENERALMAJOR I. R.<br />

DIETER HEIDECKER war<br />

zuletzt stv. Kommandant<br />

der Streitkräfte. Er hat die<br />

französische Fallschirmjägerschule<br />

in Pau, den Commando-Kurs<br />

in Mont-Louis<br />

und Französisch-Guayana,<br />

den französischen Generalstabskurs<br />

absolviert und war<br />

Verteidigungsattaché in Paris.<br />

THOMAS ROITHNER<br />

ist Friedensforscher und<br />

Privatdozent am Institut<br />

für Politikwissenschaft<br />

der Universität Wien und<br />

kam in der Vergangenheit<br />

auch in Militär<br />

Aktuell immer wieder<br />

als Experte und Autor<br />

zu Wort.<br />

CONTRA<br />

ich habe in meiner Laufbahn sehr viel mit Legionären aller<br />

Dienstgrade zu tun gehabt: Alle privaten gespräche<br />

drehten sich nach kurzer Zeit um Mythos und Motivation<br />

in der Legion. Die grundidee der Legion ist faszinierend:<br />

Ausländern, vor allem Flüchtlingen, eine Möglichkeit zur<br />

militärischen Dienstleistung und damit zum erwerb der<br />

staatsbürgerschaft zu bieten und für eigene staatsbürger,<br />

auch sogenannte „gestrauchelte“, die Möglichkeit einer<br />

akzeptierten „zweiten Chance“ zu schaffen.<br />

somit entsteht mittel- bis langfristig ein, wenn nicht das<br />

tauglichste Mittel zur integration und reintegration: sprachausbildung,<br />

Aus-, Fort - und weiterbildung und schließlich<br />

die Vorbereitung auf die gesellschaftliche integration erfolgen<br />

in einem strukturierten, disziplinierten und geordneten<br />

Umfeld. im gegenzug entsteht eine hervorragend ausgebildete<br />

truppe: man sollte nicht vergessen, dass viele der<br />

„Neuankömmlinge“ schon in ihren jeweiligen streitkräften<br />

gedient haben und einsatzerfahrung mitbringen. Diese<br />

truppe ist innerhalb kürzester Zeit verfügbar, überall und in<br />

allen denkbaren szenarien einsetzbar und voll motiviert –<br />

schließlich handelt es sich um Freiwillige, die eine Heimat<br />

suchen und sich diese verdienen wollen.<br />

Also ja, ich kann mir durchaus eine österreichische truppe<br />

nach Vorbild der französischen Fremdenlegion vorstellen.<br />

eine solche truppe bietet großes politisches Potenzial und<br />

wäre aufgrund der supranationalität auch für einsätze im<br />

rahmen der eU ein brauchbares Konzept. Die eU benötigt<br />

ja, bevor es zu sicherheitspolitischen entscheidungen oder<br />

überhaupt zum einsatz von Militär in Krisen kommt, den<br />

Konsens aller staaten. supranationale Freiwilligenstreitkräfte<br />

unter gemeinsamer Flagge und idee erleichtern dies.<br />

Frankreichs König Louis-Philippe gründete die Fremdenlegion<br />

1831. Zweck war koloniales Management<br />

in Afrika. Heute können westeuropäische soldaten im<br />

Ausland vielerlei Abzeichen tragen. entsendet wird unter<br />

dem Dach der UNo, der osZe, als eU-Militäreinsatz, je<br />

nach Land als NAto-truppe oder in Ad-hoc-Koalitionen.<br />

Völkerrecht und Legitimation sind wichtige Punkte. Manche<br />

Militäreinsätze marschieren flinker: eU-Battlegroups<br />

oder schnelle NAto-eingreiftruppen.<br />

Nicht wenige Militäreinsätze sind umstritten. Der erfolg<br />

und die Nachhaltigkeit mancher einsätze sind mit freiem<br />

Auge wohl kaum zu erkennen. Afghanistan, irak und Libyen<br />

zählen dazu. Langsamer einsatz war dabei selten das Problem<br />

– sie sind militärisch einfach nicht zu gewinnen. Manche<br />

eU-einsätze – wie tschad oder Kongo – werden von<br />

der Kritik in ein neokoloniales Kleid gehüllt.<br />

Zahlreiche in der österreichischen sicherheitsstrategie<br />

genannten Ziele verlangen eine breitere Aufstellung, als<br />

der werkzeugkasten des Militärs sie bietet. Um strukturelle<br />

Konfliktursachen wie Armut geht es, aber auch „Ursachen<br />

der Unsicherheit und nicht nur ihre Auswirkungen zu bekämpfen“.<br />

Prävention ist der Vorrang einzuräumen, so<br />

die strategie. gerade den Neutralen bieten sich dabei<br />

besondere Möglichkeiten.<br />

Militär – auch rasch verfügbares – hat die eU genug. genauso<br />

wie Außenpolitikfelder ohne gemeinsame Haltung<br />

der eU-28. Die eU-Battlegroups können davon ein Lied<br />

singen. Die heutigen Konfliktursachen benötigen mehr<br />

internationale, staatliche und nichtstaatliche zivile Möglichkeiten,<br />

um nicht ständig vor der Aufgabe zu stehen, mit<br />

gewalt vermeintlich Frieden schaffen zu müssen.<br />

Foto s : B M LVs / L A N g , B e i g e st e L Lt<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


F R E M D E N L E G I O N<br />

Einsätze – wobei nicht alle Kampfeinsätze<br />

waren. Alle vier Monate war<br />

beispielsweise eine Kompanie in<br />

Dschibuti, um die Grenze zu Somalia<br />

und Äthiopien zu überwachen.“<br />

Wie laufen Dienst und Ausbildung,<br />

wenn die Muttersprache vieler Legionäre<br />

nicht Französisch ist? „Das ist<br />

überhaupt kein Problem“, sagt Lang.<br />

„Man lernt viel durch Sehen und<br />

Tun. Die Legion hat viel Erfahrung<br />

bei der Ausbildung von Leuten, die<br />

die Sprache nicht können. In jedem<br />

Zug sind drei oder vier Unteroffiziere<br />

aus verschiedenen Sprachrichtungen.<br />

Die kann man fragen. Es ist nicht<br />

viel geschrien worden, sondern viel<br />

mehr gelehrt. Wir haben bis zur<br />

Perfektion geübt.“<br />

mee und zum Großteil in Frankreich<br />

stationiert. Lang: „Tradition war wichtig,<br />

aber viel Geschichte haben wir<br />

nicht gelernt. Dem Legionär ist es<br />

eigentlich egal, dass die Legion mehrmals<br />

aufgerieben wurde. Er kommt<br />

vor lauter Ausbildung und Drill sowieso<br />

nicht zum Nachdenken.“ Eine<br />

Eigenheit der Legion ist: Sie versteht<br />

sich als Kampforganisation. Jeder<br />

Legionär muss also mit der Waffe in<br />

der Hand kämpfen können. Und wenn<br />

ihre Verbände auch aufgeteilt sind, so<br />

hat sie trotzdem nur einen Kommandanten.<br />

Sie verfügt über ein eigenes<br />

Kommando und ist auch für bestimmte<br />

Bereiche, beispielsweise die<br />

Ausbildung, selbst verantwortlich.<br />

Berühmt ist das Erscheinungsbild<br />

der Soldaten. „Ausgang war immer<br />

in Ausgangsuniform und ein Urlaubsschein<br />

hat sich nur auf den Garnisonsort<br />

bezogen. Im ersten Jahr durfte<br />

man bis ein Uhr nachts raus, nach<br />

Im 19. Jahrhundert rein für die Kolonie<br />

Algerien gegründet, ist die Legion<br />

heute mit ihren traditionsreichen Regimentern<br />

Teil der französischen Areinem<br />

weiteren Jahr dann bis sechs<br />

Uhr früh,“ erinnert sich Lang und<br />

sagt: „Zur Ausgangsuniform trugen<br />

wir das berühmte Kepi blanc, die weiße<br />

Kappe. Man trägt es zur Paradeuniform<br />

und bei Paraden auch zum<br />

Kampfanzug. Wir hatten es im Seesack<br />

immer dabei und darauf aufgepasst.<br />

Wer es verliert, bekommt richtig<br />

Ärger. Normalerweise trägt man<br />

das grüne Barett.“ Auch Traditionen<br />

werden in der Legion hochgehalten.<br />

Am wichtigsten das Gedenken an Camerone,<br />

jenen Ort in Mexiko, an dem<br />

sich Legionäre eines französischen<br />

Expeditionskorps bis zum letzten<br />

Atemzug gegen eine Übermacht<br />

mexikanischer Soldaten unter Oberst<br />

Francisco de Paula Milán verteidigt<br />

haben. Lang: „Am Camerone-Tag<br />

bringen die Unteroffiziere den Legionären<br />

das Frühstück in die Unterkunft.<br />

Das ist Tradition. Tradition ist<br />

auch, dass am Heiligen Abend alle gemeinsam<br />

Weihnachten feiern: Offizie-


0 2 4 W E L T & S T R A T E G I E<br />

ERINNERUNGEN Robert Lang<br />

mit Fotos aus vergangenen Tagen,<br />

u. a. als Caporal der Legion während<br />

einer Übung auf Korsika und mit<br />

deutschen Touristinnen, die<br />

offenbar sehr vom Zauber der<br />

Montur der Legionäre angetan sind.<br />

re, Unteroffiziere und Legionäre.“<br />

Bei Paraden fällt der langsame Schritt<br />

der Legion auf. „Deshalb marschiert<br />

die Legion auch zum Schluss“, so<br />

Lang, „sie würde sonst alle anderen<br />

Verbände und Einheiten aufhalten.“<br />

Zu den weiteren Traditionen zählen<br />

die grüne Krawatte, das grüne Barett<br />

und „Le Boudin“, das Hauptlied der<br />

Legion.<br />

Die Legion ist weltweit präsent<br />

FOTO S : W W W. L E G I O N - E T R A N G E R E .CO M , P R I VAT<br />

Kommandant der Fremdenlegion ist Divisionsgeneral Jean Maurin. Sein Kommando befindet sich mit dem Stab und drei Einheiten<br />

in Aubagne, wo auch das 1. Regiment stationiert ist. Das 2. Infanterie-Fremdenregiment ist in Nimes stationiert, die 13. Halbbrigade<br />

der Fremdenlegion in Larzac, das 1. Kavallerie-Fremdenregiment in Carpiagne, das 1. Pionier-Fremdenregiment in Laudun, das<br />

2. Fallschirmjäger-Fremdenregiment in Calvi, das 2. Pionier-Fremdenregiment in Saint-Christol und das 4. Regiment der Fremdenlegion<br />

in Castelnaudary. Außerdem befinden sich zwei weitere Formationen in Übersee: Das 3. Infanterie-Fremdenregiment in<br />

Kourou in Französisch-Guayana und ein Detachement der Legion in Mayotte in Dzaoudzi im südlichen Indischen Ozean.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


F R E M D E N L E G I O N<br />

Robert Lang hat in Kolwesi selbst erlebt,<br />

wie die Legion im Einsatz funktioniert:<br />

„Kameradschaftlich und vom<br />

Sprachlichen hat es kaum Probleme<br />

gegeben, obwohl wir aus unterschiedlichen<br />

Nationen waren. Die harte Ausbildung<br />

hat sich im Einsatz bewährt.<br />

Krieg bedeutet Improvisation: Wenn<br />

man immer mit der gleichen Gruppe<br />

abgestimmt ist, dann funktioniert das<br />

auch.“ Und genau dieses Improvisationstalent<br />

ist es auch, das die Legion<br />

extrem flexibel einsetzbar macht und<br />

weshalb sie auch für viele andere<br />

Länder Vorbild ist oder sein kann.<br />

Ein „Allheilmittel“ für aktuelle militärische<br />

Herausforderungen wird und<br />

kann die Legion trotzdem nicht sein.<br />

Wir und unsere Gesellschaft werden<br />

heute von immer perfideren Gegnern<br />

immer öfter über soziale Medien beeinflusst.<br />

In Kombination mit Kriminalität,<br />

Terrorismus, Korruption und Cyber-Attacken<br />

entsteht so ein komplexer<br />

Mix, der das Potenzial hat, sich zu<br />

einem hybriden Krieg auszuwachsen.<br />

Und selbst wenn Streitkräfte heute<br />

nicht mehr das primäre Angriffsziel<br />

sind, suchen Militärs nach Gegenstrategien.<br />

Die Lösung: Unkonventionelle<br />

Gegner müssen mit unkonventionellen<br />

Mitteln bekämpft werden. Nur so kann<br />

man die Asymmetrie aufheben, mit der<br />

hybride Gegner konventionelle militärische<br />

Überlegenheit unterlaufen.<br />

Gegenattacken vom Computer werden<br />

dafür nicht ausreichen. Man braucht<br />

zusätzlich auch eine unkonventionelle<br />

Truppe mit speziellem Fähigkeitsportfolio:<br />

rasch einsetzbar, skalierbar in der<br />

Gewaltanwendung, mit Fähigkeiten,<br />

die über das Militärische hinausgehen,<br />

etwa in Sprache, Kultur und den Religionen.<br />

Aber auch Kenntnisse über<br />

Geografie und Akteure in den Regionen<br />

sind für den Erfolg entscheidend und<br />

natürlich technologische Überlegenheit.<br />

Die Fremdenlegion erfüllt diese<br />

Anforderungen in heutiger Ausprägung<br />

nur zum Teil. Sie ist speziell, keine Frage,<br />

jedoch im Kern eine konventionelle<br />

Truppe. Was es bräuchte, wäre also<br />

eine Art Fremdenlegion 2.0: die operationelle<br />

Umsetzung der Gegenstrategien<br />

gegen hybride Gegner, unter Aufhebung<br />

der Asymmetrie. Verlässlichkeit<br />

und Treue müssten für die Angehörigen<br />

einer solchen Truppe Grundvoraussetzungen<br />

sein, da kann die Legion<br />

étrangère ganz sicher Vorbild sein.<br />

Unabhängig davon hat das Bundesheer<br />

aktuell einen hohen Bedarf an Berufssoldaten.<br />

Wenn man darüber diskutiert,<br />

Flüchtlinge über den Arbeitsmarkt<br />

und Sozialdienste zu integrieren,<br />

muss das Bundesheer auch eine Integration<br />

über den Wehrdienst andenken<br />

dürfen. Dafür wird es keine geschlossene<br />

Legion brauchen. Doch: „Staatsbürgerschaft<br />

durch Wehrdienst“ mit einem<br />

Verpflichtungszeitraum von mehreren<br />

Jahren ist zweifellos ein Angebot.


0 2 8 h e e r & M e h r<br />

MISSION<br />

DÄDALUS<br />

Wenn im Schweizer Wintersportort<br />

Davos das jährliche<br />

Weltwirtschaftsforum über<br />

die Bühne geht, bedeutet<br />

das für das Bundesheer stets<br />

erhöhte Alarmbereitschaft.<br />

Aufgabe der rot-weiß-roten<br />

Streitkräfte war auch in<br />

diesem Jahr der verstärkte<br />

Schutz des westösterreichischen<br />

Luftraums. Im Rahmen<br />

von „Dädalus“ wurde<br />

daher über Teilen Vorarlbergs<br />

und Tirols ein Flugbeschränkungsgebiet<br />

errichtet,<br />

insgesamt 22 Luftfahrzeuge –<br />

zwölf Flächenflugzeuge und<br />

zehn Hubschrauber – kontrollierten<br />

den Luftraum und<br />

sorgten für die Sicherheit<br />

der Veranstaltung. In der<br />

Zeit von 16. bis einschließlich<br />

20. Jänner registrierte das<br />

Heer laut eigenen Angaben<br />

acht Luftraumverletzungen,<br />

rund 1.100 Soldaten kamen<br />

im Rahmen von „Dädalus“<br />

zum Einsatz.<br />

NEUE UNTEROFFIZIERE<br />

FÜR DAS BUNDESHEER<br />

die Personalsituation bei den österreichischen streitkräften<br />

ist in manchen Bereichen durchaus angespannt.<br />

so auch bei den unteroffizieren, wo nun infolge<br />

der sparmaßnahmen in den vergangenen Jahren<br />

großer nachholbedarf herrscht. Vor diesem hintergrund<br />

darf die kürzlich erfolgte ausmusterung<br />

von gleich 170 neuen unteroffizieren an der heeresunteroffiziersakademie<br />

in enns als wichtiges signal<br />

für die Zukunft verstanden werden. Verteidigungsminister<br />

doskozil gratulierte den absolventen zum<br />

abschluss ihrer ausbildung. „Ich bin stolz, so viele<br />

junge soldatinnen und soldaten beim Bundesheer<br />

willkommen zu heißen.”<br />

Foto s : B u n d e s h e e r / h a r a l d M I n I C h , B u n d e s h e e r / C a r I n a<br />

Ka r loV I ts , B u n d e s h e e r / a l B I n F u ss


BAUOFFENSIVE BEIM HEER<br />

N E W S A U S D E N S T R E I T K R Ä F T E N<br />

Das Bundesheer startet eine große Infrastrukturoffensive, bis 2020 sollen<br />

rund 500 Millionen Euro in Kasernen und Standorte fließen. Mit dem Geld<br />

wird unter anderem ein neuer Werkstätten- und Garagenbezirk in der Birago-<br />

Kaserne in Melk errichtet (im Bild unten Generalstabschef Othmar Commenda<br />

beim Spatenstich Ende Jänner). In der Landwehr-Kaserne in St. Michael<br />

in der Steiermark werden die Mannschaftsunterkünfte generalsaniert und in<br />

der Schwarzenbergkaserne in Salzburg wird eine neue Sporthalle errichtet.


0 3 0 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

Bei seiner Eröffnung im Jahr 1976 machte das Bundesheer<br />

mit dem Stellungshaus Niederösterreich einen<br />

großen Schritt hin zu einem modernen Stellungswesen in<br />

Österreich. Nun herrscht abermals Aufbruchsstimmung:<br />

Weil das Heer wächst, wird umgebaut.<br />

Text: JOHANNES LUXNER<br />

Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />

AUF<br />

UND NIEREN<br />

I<br />

n der atriumartigen<br />

Aula des Stellungshauses<br />

Niederösterreich<br />

reiht sich Sesselreihe<br />

an Sesselreihe. Dutzende<br />

junge Männer warten hier<br />

in kurzen Hosen auf die nächste<br />

Untersuchung. Einige füllen währenddessen<br />

Formulare aus oder<br />

blicken auf den großen Fernseher,<br />

auf dessen Bildschirm gerade allgemeine<br />

Informationen zum Grundwehrdienst<br />

zu sehen sind. 58 Prozent<br />

der hier Tauglichen werden später<br />

tatsächlich ihren Dienst beim Heer<br />

absolvieren. Jeden Fünften erwartet<br />

nach den eineinhalb Tage dauernden<br />

Untersuchungen ein „untauglich“.<br />

Die Einrichtung der Stellungsstraße<br />

in der St. Pöltner Hessstraße war<br />

1976 das Produkt einer umfassenden<br />

Reform des Stellungswesens, mit der<br />

ein standardisiertes medizinisch-psychologisches<br />

Testprogramm eingeführt<br />

wurde. „Das Grundgerüst des<br />

Verfahrens beruht nach wie vor auf<br />

der damaligen Reform“, erklärt der<br />

Leiter der Stellungskommission,<br />

Oberst Wilhelm Hauenschild. „Im


T R U P P E N B E S U C H<br />

DAS STELLUNGSHAUS<br />

NIEDERÖSTERREICH<br />

EIGNUNGSTEST Mithilfe computergestützter<br />

Tests werden Rückschlüsse auf die psychische<br />

Eignung der Stellungspflichtigen gezogen.<br />

SEHVERMÖGEN Der Sehtest zählt zu<br />

jenen Untersuchungen, mit denen die<br />

Stellungspflichtigen vertraut sind. Hier<br />

wird auch die Nachtsichtfähigkeit getestet.<br />

Die Geschichte des<br />

Stellungshauses<br />

Niederösterreich<br />

ist gleichzeitig die<br />

Geschichte der<br />

österreichischen<br />

Stellungshäuser,<br />

von denen insgesamt sechs existieren<br />

(Innsbruck, Klagenfurt, Linz, Graz, St.<br />

Pölten und Wien). Mit dem Standort<br />

St. Pölten wurde im Februar 1976 das<br />

erste Stellungshaus in Österreich<br />

überhaupt eröffnet. Zuvor wurde die<br />

Stellung in angemieteten Sälen, Gemeinderäumen<br />

und sogar in Gasthäusern<br />

durchgeführt. Hand in Hand<br />

mit dem neuen Haus ging die grundlegende<br />

Reform der Stellung in Österreich,<br />

die in vieler Hinsicht nicht<br />

mehr zeitgerecht war. Vorbild war damals<br />

das Stellungssystem in skandinavischen<br />

Ländern, allen voran jenes<br />

in Schweden. Dort hatte sich das System<br />

mit eigenen Stellungshäusern in<br />

der Praxis gut bewährt. Rund 10.000<br />

junge Niederösterreicher durchlaufen<br />

Jahr für Jahr die medizinischen<br />

und psychologischen Tests. Das bislang<br />

stärkste Jahr war das Jahr 2008<br />

mit knapp 13.000 Stellungspflichtigen.<br />

Rund 30 Bedienstete, darunter<br />

fünf Ärzte, zwei Psychologinnen und<br />

knapp 20 Grundwehrdiener sorgen<br />

täglich für einen reibungslosen Ablauf<br />

der medizinischen und psychologischen<br />

Untersuchungen sowie der<br />

sehr zeitintensiven administrativen<br />

Abläufe rund um die Stellung. Um<br />

weiterhin einen modernen Betrieb<br />

zu gewährleisten und somit auch den<br />

Grundwehrdienst und das Heer als<br />

Arbeitgeber entsprechend attraktiv<br />

zu machen, wird das Stellungshaus<br />

im Sommer von Grund auf saniert.<br />

Lauf der Jahre wurden aber natürlich<br />

viele der Tests erweitert und adaptiert,<br />

um aktuellen Standards zu entsprechen.“<br />

Und das war auch notwendig:<br />

Mit jährlich rund 10.000 niederösterreichischen<br />

Stellungspflichtigen<br />

haben in den mehr als 40 Jahren des<br />

Bestehens der Einrichtung weit über<br />

400.000 junge Männer die medizinischen<br />

und psychologischen Tests des<br />

Stellungsverfahrens durchlaufen.<br />

Rund 60 Stellungspflichtige sind hier<br />

pro Tag anwesend. Hör- und Sehfähigkeiten<br />

werden ebenso getestet,<br />

wie etwa Wirbelsäule,<br />

Herz und Lunge genau untersucht<br />

werden. Aber auch<br />

Kraft- und Ausdauer ist ein wichtiger<br />

Parameter, um die generelle Verfassung<br />

der jungen Männer einstufen zu<br />

Niederösterreich<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 3 2 H E E R & M E H R<br />

GUT BEI PUSTE Im Stellungshaus Niederösterreich wird nicht nur die generelle<br />

Lungenfunktion untersucht. Jungen Rauchern wird die Gelegenheit geboten, in ein<br />

Atemluftana lysegerät zu blasen, um so zu zeigen, welche durch das Rauchen bedingten<br />

Giftstoffe in der Atemluft nachweisbar sind. Das Stellungshaus kooperiert in diesem<br />

Bereich mit der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse.<br />

können. Im Lauf der Jahre seien hier<br />

durchaus Veränderungen spürbar,<br />

wie der ärztliche Leiter des Hauses,<br />

Oberstarzt Gernot Baumgartner,<br />

erklärt: „Wie in der gesamten Bevölkerung<br />

haben auch bei den jungen<br />

Männern Allergien, Asthma und<br />

Neurodermitis zugenommen.“ Auch<br />

dass sich junge Männer weniger bewegen<br />

als früher und daher vermehrt<br />

zu Übergewicht neigen, sei eine der<br />

Auffälligkeiten, die sich im Lauf der<br />

Jahre gezeigt haben. Baumgarnter:<br />

„Das generelle Aufkommen von<br />

Computern und Bildschirmen<br />

korreliert mit dem Anstieg des<br />

Body Mass Index – nicht nur bei<br />

jungen Männern.“<br />

Eine der wichtigsten Reformen der<br />

Siebzigerjahre bedeutete die Einbindung<br />

einer psychologische Ebene, die<br />

„Das Heer wird jetzt viel positiver dargestellt.“<br />

Der 17-jährige SEBASTIAN<br />

RIEMER hat im Februar die<br />

Stellungsstraße in St. Pölten<br />

durchlaufen und ist tauglich.<br />

Militär Aktuell hat ihn zu seinen<br />

Erfahrungen und seinen<br />

Zukunftsplänen befragt.<br />

Welche Eindrücke haben die eineinhalb<br />

Tage im Stellungshaus hinterlassen?<br />

Mein Bruder, der bereits beim Heer war,<br />

hat mir die Abläufe vorher beschrieben,<br />

deshalb gab es für mich keine großen<br />

Überraschungen. Es läuft hier natürlich<br />

alles genau nach Vorschrift ab, doch<br />

weder mit zu viel noch mit zu wenig<br />

Enthusiasmus. Es hat alles gepasst. Dass<br />

ich mich ein Jahr freiwillig verpflichten<br />

werde, steht aber schon länger fest.<br />

Und daran wird sich auch jetzt nach<br />

der Stellung nichts ändern.<br />

Wie ist die Entscheidung für einen<br />

längeren Militärdienst als nötig<br />

zustande gekommen?<br />

Das Militär hat mich immer schon interessiert<br />

und dass ich einen Dienst für mein Land leisten<br />

will, spielt hier auch mit. Und natürlich<br />

ist die Bezahlung, die dann doch höher ist,<br />

als viele glauben, ein Faktor. Ich habe mich<br />

auch schon mit dem Gedanken gespielt,<br />

eine längerfristige Laufbahn beim Heer einzuschlagen.<br />

Es muss zwar nicht gleich die<br />

Militärakademie sein, aber eine zweijährige<br />

Verpflichtung mit Auslandseinsatz würde<br />

mich prinzipiell auch interessieren.<br />

Welche Waffengattungen stehen in<br />

der engeren Auswahl? Gab es jemals<br />

den klassischen Fliegerwunsch?<br />

Fliegen hat mich eigentlich nie gereizt.<br />

Mich würde eine Ausbildung zum Sanitäter<br />

grundsätzlich sehr interessieren. Ich<br />

will wissen, wie man Menschen helfen<br />

kann. Außerdem bin ich in diese Richtung<br />

vorbelastet, weil ich auch bei der<br />

Freiwilligen Feuerwehr bin. Ich denke<br />

mir, dass eine Sanitäterausbildung auch<br />

in der Zukunft hilfreich ist. Sie hilft mir<br />

im Alltag mehr als ein Pilotenschein.<br />

Inwiefern ist der Imagewandel des<br />

Heeres bei den Stellungspflichtigen<br />

angekommen?<br />

Der ist auf jeden Fall spürbar und auch<br />

bei uns angekommen. Das Heer wird<br />

jetzt generell viel positiver dargestellt.<br />

Auch die Betrachtung ist anders: Als<br />

mein Bruder bei der Stellung war, wurde<br />

der Grundwehrdienst wesentlich stärker<br />

als aufgezwungene Pflicht wahrgenommen<br />

– da war die Botschaft, dass man<br />

ihn halt machen muss. Jetzt schwingt<br />

da ein anderer Enthusiasmus mit. Auch<br />

wenn es darum geht, längerfristig beim<br />

Heer zu arbeiten.


T R U P P E N B E S U C H<br />

heute in Form eines computerunterstützen<br />

Testverfahrens durchgeführt<br />

wird. „Im Grunde untersuchen wir<br />

die psychische Leistungsfähigkeit,<br />

die Belastungsfähigkeit und die<br />

Anpassungsfähigkeit“, erklärt Claudia<br />

Sarg, die leitende Psychologin<br />

im Stellungshaus St. Pölten. Im<br />

Anschluss an den Test folgt ein<br />

psychologisches Gespräch.<br />

Auch sonst gibt es im Stellungshaus<br />

viel zu administrieren. Beginnend bei<br />

der Aufnahme diverser Daten bis hin<br />

zur Auszahlung der Fahrtspesen an<br />

die Stellungspflichtigen. Ebenso wird<br />

über die Möglichkeiten beim Heer<br />

mit Vorträgen und Filmen informiert.<br />

Aus gutem Grund: In einer Zeit,<br />

in der das Bundesheer wächst, ist<br />

die Stellung nämlich ein wichtiges<br />

Instrument, um ausreichend Nachwuchs<br />

zu finden. „Das Personalwesen<br />

und das gesamte Stellungswesen ist<br />

die Prioritätsaufgabe Nummer eins<br />

des Bundesheeres“, verdeutlicht Bri-<br />

KRAFT BEWEISEN<br />

Mitunter kommen<br />

die jungen Niederösterreicher<br />

während<br />

der eineinhalb<br />

Tage bei der Stellung<br />

etwas ins Schwitzen.<br />

Dieses Spezialgerät<br />

dient der Kraftmessung.<br />

Die Beanspruchung<br />

dieser<br />

Infrastruktur ist bei<br />

jährlich rund 10.000<br />

Stellungspflichtigen<br />

entsprechend hoch<br />

und bedarf hochwertiger<br />

Ausstattung.


0 3 4 H E E R & M E H R<br />

PRIORITÄTSAUFGABE<br />

Niederösterreichischer<br />

Militärkommandant Brigadier<br />

Martin Jawurek (links) sieht<br />

in der Personalwerbung die<br />

Prioritätsaufgabe Nummer<br />

eins des Bundesheeres.<br />

Oberst Wilhelm Hauenschild<br />

(rechts) leitet das Stellungshaus.<br />

gadier Martin Jawurek, der als niederösterreichischer<br />

Militärkommandant<br />

auch „oberster Personalwerber“<br />

ist, die augenblickliche Herausforderung.<br />

Die Stellung ist der erste unmittelbare<br />

Kontaktpunkt der jungen<br />

Männer mit dem Heer und soll daher<br />

eine entsprechende Visitenkarte<br />

sein. Daher wird ab dem Sommer im<br />

Stellunghaus St. Pölten auch groß<br />

umgebaut. Innerhalb von acht Wochen<br />

wir das Haus erstmals in seinem<br />

Bestehen aufwendig saniert, um<br />

dann ein zeitgemäßes Bild des Heers<br />

zu vermitteln. Jawurek: „Wir müssen<br />

als Arbeitgeber attraktiv sein. Insbesondere<br />

Polizei und Justiz fischen<br />

hier in Sachen Personal in einem<br />

ähnlichen Bereich nach jungen<br />

Männern und Frauen wie wir.“ Dass<br />

der Imagewandel des Heeres bereits<br />

spürbar ist, zeigen für Jawurek die<br />

aktuellen Zahlen. Die Zivildienstrate<br />

war in Niederösterreich im Jahr<br />

2016 mit 42 Prozent erstmals nach<br />

zehn Jahren des steten Ansteigens<br />

wieder stabil.<br />

KÖRPER & SEELE Sie erlangen großflächige<br />

Einblicke in die körperliche und geistige Verfassung<br />

der männlichen Jugend Niederösterreichs: Oberstarzt<br />

Gernot Baumgartner ist der ärztliche Leiter des<br />

Stellungshauses in St. Pölten – Claudia Sarg die<br />

leitende Psychologin.


0 3 6 H E E R & M E H R<br />

„Wir brauchen eine moderne Stellung!“<br />

Verteidigungsminister<br />

HANS PETER DOSKOZIL<br />

über die Bedeutung eines<br />

modernen Stellungswesens<br />

für das Bundesheer und<br />

geplante Modernisierungsschritte<br />

in diesem Bereich.<br />

Als ich mein Amt als Verteidigungsminister<br />

angetreten habe, habe ich<br />

mich sehr intensiv mit den einzelnen<br />

Teilbereichen meines Ressorts beschäftigt.<br />

Dabei habe ich auch einen<br />

Modernisierungsbedarf bei der Stellung<br />

festgestellt. Schließlich ist diese<br />

der erste Kontakt vieler junger Österreicher<br />

mit der Institution Bundesheer,<br />

sozusagen der erste Eindruck,<br />

die Visitenkarte.<br />

Das Bundesheer braucht den Einsatz<br />

und die Leistungen der jungen<br />

Grundwehrdiener. Und das Bundesheer<br />

braucht und sucht junge<br />

Männer, die sich länger verpflichten<br />

wollen. Oder die überhaupt den<br />

Soldatenberuf ergreifen, um Unteroffizier<br />

oder Offizier zu werden. Die<br />

Berufsmöglichkeiten sind enorm.<br />

Die Stellung soll selbstverständlich<br />

die Gelegenheit bieten, sich über<br />

die Chancen beim Bundesheer zu<br />

informieren.<br />

Dass das sicherheitspolitische Umfeld<br />

in und rund um unser Land in Bewegung<br />

geraten ist, brauche ich Ihnen<br />

nicht näher zu erklären. Das ist<br />

mittlerweile bei den Östereicherinnen<br />

und Österreichern angekommen.<br />

Österreich, das Bundesheer, braucht<br />

daher junge, engagierte Männer, die<br />

bereit sind, sich der Verantwortung<br />

des Wehrdienstes zu stellen. Nur<br />

wenn viele bereit sind, den Wehrdienst<br />

zu leisten, können wir für die<br />

Sicherheit Österreichs garantieren.<br />

Nur wenn viele bereit sind, den<br />

Wehrdienst zu leisten oder auch den<br />

Soldatenberuf zu ergreifen, können<br />

wir unsere Einsatzfähigkeit erhalten.<br />

Das ist die Basis für die Befüllung<br />

unserer Kaderpräsenzeinheiten, die<br />

im In- und Ausland im Einsatz stehen.<br />

Uns ist klar: Stellung heißt, eine Entscheidung<br />

zu treffen – für oder gegen<br />

den Wehrdienst. Damit diese Entscheidung<br />

klar getroffen werden<br />

kann, werden wir die Stellungshäuser<br />

in der nächsten Zeit modernisieren –<br />

nicht nur als sichtbares Zeichen, dass<br />

das Bundesheer moderner und einsatzbereiter<br />

wird, sondern vielmehr<br />

als Ausdruck der Wertschätzung<br />

zukünftigen Soldaten gegenüber.<br />

FOTO : B U N D E S H E E R / P U S C H


T R U P P E N B E S U C H<br />

Geplante<br />

Modernisierungsmaßnahmen<br />

Nicht nur im Stellungshaus Niederösterreich, sondern auch an den anderen Standorten<br />

sind in den kommenden Jahren Modernisierungsmaßnahmen geplant. Ziel ist eine noch<br />

bessere Anpassung des Stellungswesens an die Bedürfnisse der Jugendlichen, die Stellung<br />

soll in Zukunft mehr Lust auf den Grundwehrdienst und eine Karriere beim Heer machen.<br />

Text: DIETER MUHR<br />

<strong>2017</strong> werden die Stellungshäuser<br />

in St. Pölten, Graz und Klagenfurt<br />

modernisiert, Wien und Linz folgen<br />

2019. Im selben Jahr wird dann auch<br />

die Stellungsstraße Wien in die Van<br />

Swieten Kaserne übersiedeln und<br />

die Stellungsstraße Linz in den<br />

Fliegerhorst Vogler in Hörsching.<br />

Dort entstehen derzeit moderne<br />

Neu- und Zubauten, Tirol wird<br />

beginnend mit 2018 generalsaniert.<br />

Als weitere Verbesserungsmaßnahme<br />

werden mit Herbst <strong>2017</strong> die<br />

Zimmer in den Stellungshäusern<br />

mit Holzkästen und Holzstockbetten<br />

ausgestattet. Dazu kommen Wasserspender<br />

und Kaffeeautomaten mit<br />

Gratis-Kaffee. Die Untersuchungsbekleidung<br />

der Stellungspflichtigen<br />

wird zudem funktioneller und geht<br />

wie jetzt auch schon in das Eigentum<br />

der jungen Männer über. Mit moderneren<br />

Blutabnahmestühle sollen<br />

die Stellungspflichtigen in Zukunft<br />

nach der Blutabnahme waagrecht<br />

liegen können, wenn beispielsweise<br />

Kreislaufprobleme auftreten.<br />

In den medizinischen Stationen soll<br />

darüber hinaus vermehrt professionelles<br />

Personal zum Einsatz kommen<br />

und Grundwehrdiener ablösen. Mit<br />

Schulungsmaßnahmen soll die Kommunikationsfähigkeit<br />

des Kaders gegenüber<br />

den Stellungspflichtigen verbessert<br />

werden. Mehr Information<br />

soll in Zukunft auch über ein modernes<br />

Informationssystem tranportiert<br />

werden. Über neu angebrachte Bildschirme<br />

werden Clips mit Informationen<br />

über das Bundesheer sowie<br />

tagesaktuelle Nachrichten in die Aufenthalts-<br />

und Warteräumen eingespielt.<br />

Mit der entsprechenden Umsetzung<br />

wird noch in diesem Jahr begonnen.<br />

Außerdem werden Vertreter<br />

der Truppe mit Ausrüstung und Gerät<br />

bei der Stellung zur Verdichtung<br />

der Information eingesetzt und stellen<br />

einen Beitrag zum Thema „Bundesheer<br />

zum Anfassen“ dar. Damit<br />

soll das Bundesheer schon bei der<br />

Stellung einen noch besseren Eindruck<br />

vermitteln als bislang und<br />

einerseits das Interesse am Grundwehrdienst<br />

und andererseits für eine<br />

berufliche Laufbahn beim Bundesheer<br />

erhöht werden.<br />

Um festzustellen, welchen Eindruck<br />

die Stellungspflichtigen über die Stellung<br />

und das Bundesheer vor und<br />

nach der Stellung gewonnen haben<br />

und welche Tendenzen vorliegen, ist<br />

bereits eine Evaluierung im Laufen.


0 3 8 H E E R & M E H R<br />

ALLES<br />

MUSS<br />

WEG<br />

Der Entminungsdienst<br />

des Bundesheeres<br />

entsorgt am Truppenübungsplatz<br />

Allentsteig<br />

jedes Jahr viele Tonnen<br />

Kriegsmaterial. Wir<br />

waren Ende des vergangenen<br />

Jahres bei einem<br />

Vernichtungssprengen<br />

mit dabei.<br />

Text: JÜRGEN ZACHARIAS<br />

Fotos: DANIEL TRIPPOLT/HBF<br />

W<br />

olfgang Korners<br />

Hände<br />

sind in ständiger<br />

Bewegung.<br />

Sie dirigieren<br />

und<br />

gestikulieren, ordnen, unterstreichen<br />

und beschreiben. Der Leiter des Entminungsdienstes<br />

ist kein Mann großer<br />

Worte – was er mitzuteilen hat,<br />

wird aber auch so deutlich. „Aufpassen“,<br />

sagt er. „Keiner geht dort ohne<br />

mich rein. Wir bleiben immer beisammen.“<br />

Mit seiner rechten Hand<br />

formt er so etwas wie ein Ausrufezeichen<br />

und lässt es für Sekunden in<br />

der Luft stehen. Danach blickt er<br />

forschend in die Runde, ob wir auch<br />

wirklich alles verstanden haben und<br />

lächelt: „Falsche Schuhe“, sagt er,<br />

„da wird es heute nasse Füße geben.“<br />

Wir, das sind in diesem Fall ein Filmund<br />

Kamerateam der Heeresbildund<br />

Filmstelle und zwei schlecht<br />

beschuhte Journalisten, die sich ein<br />

Bild vom geplanten Vernichtungssprengen<br />

des Entminungsdienstes<br />

am Sprengplatz Riegers in Allentsteig<br />

machen wollen und mit all dem<br />

Schlamm und Matsch hier nicht<br />

gerechnet haben.<br />

Dichte Wolken hängen über dem<br />

Truppenübungsplatz, vorhin hat es<br />

gerade noch geregnet, später wird<br />

es wie aus Kübeln schütten. Für die<br />

Experten des Entminungsdienstes ist<br />

das aber einerlei. Ihr Auftrag nimmt<br />

keine Rücksicht auf Wind und Wetter,<br />

innerhalb einer Woche müssen<br />

sie rund 20 Tonnen Kriegsmaterial<br />

sprengen. Granaten, Minen und Munition<br />

aus dem Ersten und Zweiten<br />

Weltkrieg, die während der vergangenen<br />

Monate österreichweit geborgen,<br />

untersucht und in drei Depots<br />

zwischengelagert wurden. 30 bis 40<br />

Tonnen kommen da laut Wolfgang<br />

Korner pro Jahr zusammen, die<br />

aufgeteilt auf zwei Termine entsorgt<br />

werden. Mit einem Unimog bringen<br />

sie die handhabungs- und transportsichere<br />

Munition („der Rest wir direkt<br />

an den Fundstellen gesprengt“)<br />

zum Sprengplatz, wo die „Entminungsdienstler“<br />

mithilfe eines Baggers<br />

im Abstand weniger Meter<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


E N T M I N U N G S D I E N S T<br />

HANDARBEIT<br />

Die Munition wird aus<br />

Sicherheitsgründen per<br />

Hand in die Mulden verfüllt.<br />

Anschließend werden<br />

die Mulden mit der<br />

deponierten Munition<br />

und den Sprengmitteln<br />

mit Erde aufgefüllt.<br />

GEWALTIGE KRAFT Mithilfe einer Kondensator-Zündmaschine werden die Sprengmittel<br />

auf Knopfdruck zur Explosion gebracht. Zurück bleiben nur tiefe Trichter. Wolfgang Korner,<br />

Leiter des Entminungsdienstes (Bild unten), kontrolliert die einzelnen Arbeitsschritte.<br />

bereits vier tiefe Mulden ausgehoben<br />

haben. Darin legen die Mitarbeiter<br />

nun Granate für Granate Zünder an<br />

Zünder. Dazu Sprengkörper und eine<br />

detonierende Zündschnur, die mit<br />

Kabel verbunden wird. Um auf Nummer<br />

sicher zu gehen, verlegen sie pro<br />

Trichter zwei Zündschnüre, die Zündung<br />

erfolgt später nicht gleichzeitig,<br />

sondern im Abstand einer halben Sekunde.<br />

„Dadurch wird einerseits die<br />

Wellenbildung im Boden minimiert“,<br />

erklärt Wolfgang Korner. „Andererseits<br />

können wir so durch Hörkontrolle<br />

auch feststellen, ob tatsächlich<br />

die gesamte Munition explodiert ist.“<br />

Sicherheit ist beim Vernichtungssprengen<br />

schließlich oberste Prämisse,<br />

einen Fehler mache man dabei,<br />

so Korner, „meist nur einmal.“ „Zum<br />

ersten und zum letzten Mal!“<br />

Die Zündung erfolgt aus Sicherheitsgründen<br />

von einem mehrere Hundert<br />

Meter entfernten und etwas erhöht<br />

gelegenen Bunker aus. Die Zündschnur<br />

wurde durch eine Leerverrohrung<br />

dortin hochgezogen und im<br />

Bunker mit der Zündmaschine verbunden.<br />

Mit einer Kurbelmaschine<br />

lädt einer von Korners Mitarbeitern<br />

nun den Kondensator und schaltet<br />

ihn auf Knopfdruck in den Zündkreis.<br />

Kawumm! Dumpf ist eine<br />

Detonation zu hören. Dann noch<br />

eine. Eine weitere und mit etwas<br />

Verzögerung schließlich die vierte.<br />

Wolfgang Korner lächelt. Viele Worte<br />

verliert der Chef des Entminungsdienstes<br />

auch jetzt noch nicht, aber –<br />

so viel wird klar – sein Tagwerk ist<br />

erledigt. Fünf Tonnen Kriegsmaterial<br />

sind vernichtet, morgen geht es dann<br />

mit den nächsten fünf Tonnen weiter.<br />

Und auch dann wird es egal sein,<br />

ob es regnet, schneit oder stürmt.<br />

Solange die Sicherheit garantiert<br />

werden kann, wird auch gesprengt –<br />

Schlamm und Matsch zum Trotz.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 4 0 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

1 4 5<br />

2 3<br />

RICHTIG ABWEHREN<br />

Beim Militärischen Nahkampf geht es im Ernstfall um Leben oder Tod. Oberstes<br />

Ziel ist es daher, den Gegner möglichst schnell kampfunfähig zu machen. Wie<br />

das geht? Militär Aktuell hat sich in der Heerestruppenschule in Bruckneudorf<br />

typische Nahkampf-Situationen angesehen. Text: HANS SCHNEEWEISS Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />

Nahkampftechniken kommen in<br />

militärischen Auseinandersetzungen<br />

meist dann zum Einsatz, wenn alle<br />

vorhergehenden Maßnahmen ihre<br />

Wirkung verfehlt haben und der<br />

Kontrahent bereits auf einen Soldaten<br />

losstürmt. Um sich in diesem<br />

Fall verteidigen zu können, werden<br />

im Bundesheer unter der Bezeichnung<br />

„Militärischer Nahkampf“<br />

unterschiedliche Schlag-, Abwehrund<br />

Folgetechniken gelehrt.<br />

Bei einem Stockangriff beispielsweise<br />

gilt es als erste Abwehrmaßnahme<br />

eine Kampfhaltung einzunehmen<br />

(1). Wenn der Angreifer näher<br />

gekommen ist, tritt der Soldat mit<br />

dem linken Fuß einen Schritt an den<br />

Aggressor heran, um so die Distanz<br />

zu diesem zu verkürzen (2). Der<br />

Stockschlag wird anschließend mit<br />

der Waffe abgeblockt, wobei man<br />

versuchen sollte, nicht den Stock,<br />

sondern die Hände des Gegners zu<br />

treffen (3). Als Folge davon könnte<br />

dieser möglicherweise den Stock aus<br />

der Hand verlieren, der Soldat bekommt<br />

so außerdem nicht die volle<br />

Wucht des Stockschlages zu spüren.<br />

Durch blitzschnelles Drehen der<br />

Waffe ist es außerdem möglich die<br />

Stockschläge neben den Körper abgleiten<br />

zu lassen. Als Folgetechnik<br />

geht der Soldat erneut auf den<br />

Aggressor zu und versucht ihn mit<br />

zwei bis drei Laufstößen gegen das<br />

Gesicht oder den Hals (4) zu verletzen<br />

und kampfunfähig zu machen.<br />

Ist der Soldat bei einem Angriff unbewaffnet,<br />

geht er ebenfalls in<br />

Kampfhaltung und blockt den<br />

Schlag mit seinen Händen (5) ab.<br />

Dabei versucht er den Stock des<br />

Angreifers zu fassen und dem<br />

Aggressor in der Folge einen<br />

Knietritt (6) zu verpassen.<br />

Wird ein Soldat mit einem Messer<br />

angegriffen, ist die Kampfhaltung<br />

zunächst ähnlich wie die bei einem<br />

Stockangriff – mit dem Unterschied,<br />

dass der Soldat eine etwas seitlichere<br />

Körperhaltung einnimmt. Dadurch<br />

bietet er dem Aggressor weniger Angriffsfläche,<br />

kann einen Stich leichter<br />

abgleiten lassen (7) und die Hand<br />

des Gegners greifen. In weiterer Folge<br />

versucht der Soldat dem Angreifer<br />

von hinten in dessen Knie zu treten<br />

(8) und ihn so zu Fall zu bringen.<br />

Stehen sich die beiden Kombattanten<br />

direkt gegenüber, kann sich der<br />

Soldat auch mit einem überraschenden<br />

Vorwärtsfußtritt verteidigen.<br />

Dabei tritt er dem Gegner mit voller<br />

Wucht von vorne in die Genitalien<br />

(9). Auch in diesem Fall könnte<br />

eine Folgetechnik beispielsweise<br />

ein Tritt mit dem Knie gegen den<br />

Kopf des Aggressors sein.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


S E R V I C E<br />

6 7<br />

8<br />

9<br />

AGGRESSOR UND VERTEIDIGER<br />

Die beiden Bundesheer-Wachtmeister wollen ihre<br />

Namen lieber nicht in der Zeitung lesen – wir wollen<br />

uns trotzdem für ihre Unterstützung bedanken.


0 4 2 H E E R & M E H R<br />

„Ich bin jetzt zum vierten<br />

Mal hier im Kosovo und<br />

immer wieder überrascht,<br />

auf welch hohem Niveau<br />

hier gearbeitet wird!“<br />

Dr. Armando Guruianu<br />

DER<br />

ZAHN<br />

DOKTOR<br />

Dr. Armando Guruianu ist einer von vier Militärzahnärzten des Bundesheeres.<br />

Wir haben den 28-jährigen Mediziner während eines Auslandseinsatzes im<br />

Einsatzlazarett der Bundeswehr in Camp Prizren im Kosovo besucht.<br />

Text: JÜRGEN ZACHARIAS Fotos: GUNTHER PUSCH<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


T R U P P E N B E S U C H<br />

INTERVIEW<br />

„Wir arbeiten hier auf<br />

allerhöchstem Niveau!“<br />

INTERNATIONALE ZUSAMMENARBEIT Die Kommunikation<br />

mit ausländischen Patienten funktioniert laut<br />

Dr. Armando Guruianu „reibungslos”. „Mit Englisch und<br />

Deutsch kommen wir gut weiter und für den Fall der<br />

Fälle verfügen wir über ein Buch mit Standardsätzen der<br />

Patientenkommunikation, die in zahlreiche Sprachen<br />

übersetzt wurden. Bislang konnten wir damit alle unsere<br />

Patienten behandeln, da gibt es keine Probleme.“<br />

ANALYSE Der Militärzahnarzt diagnostiziert und dokumentiert<br />

die Fälle computerunterstützt. Die Ausstattung<br />

ist auch in diesem Bereich auf „höchstem Niveau“.<br />

Aktuell versehen insgesamt zehn Österreicher<br />

im Einsatzlazarett (ELAZ) der<br />

Bundeswehr in Camp Prizren Dienst.<br />

Darunter mit Dr. Armando Guruianu<br />

auch ein österreichischer Militärzahnarzt,<br />

der trotz seiner erst 28 Jahre bereits<br />

zum vierten Mal im Auslandseinsatz ist.<br />

Herr Dr. Guruianu, warum haben Sie<br />

sich als Zahnarzt für eine Karriere beim<br />

Bundesheer entschieden?<br />

Mich hat die Aufgabe gereizt, Soldaten im<br />

Einsatzraum zahnärztlich zu versorgen. Es ist<br />

für mich eine wertvolle Erfahrung, in diesem<br />

Umfeld zu arbeiten. Ich bin jetzt bereits zum<br />

vierten Mal hier im Kosovo und jedes Mal<br />

wieder überrascht, auf welch hohem Niveau<br />

hier gearbeitet wird. Das Einsatzlazarett<br />

bietet allermodernste Technik auf dem<br />

Leistungsniveau eines Kreiskrankenhauses.<br />

Sie arbeiten vor Ort mit einer deutschen<br />

Kollegin zusammen?<br />

Genau. Wir sind hier zwei Zahnärzte und<br />

werden von drei Assistentinnen unterstützt.<br />

Grundsätzlich verfügen wir über<br />

geregelte Dienstzeiten, darüber hinaus<br />

sind aber entweder meine Kollegin oder<br />

ich stets über das Diensthandy erreichbar<br />

und bei Notfällen auch sofort verfügbar.<br />

Gibt es hier Notfälle? Oder anders gefragt:<br />

Mit welchen Beschwerden kommen<br />

Patienten zu Ihnen?<br />

Zahnmedizinische Notfälle kommen oft vor,<br />

erst gestern hatten wir es beispielsweise mit<br />

einem Frontzahntrauma nach einem Sportunfall<br />

zu tun. Im Regelfall kommen Patienten<br />

aber mit denselben Beschwerden, mit denen<br />

wir auch in der Heimat konfrontiert sind, zu<br />

uns: Schmerzen verursacht durch Weisheitszaḧne,<br />

die gerade durchbrechen oder sich<br />

entzünden, abgebrochene Zähne und<br />

kariesbedingte Beschwerden.<br />

Worin liegt die Besonderheit eines<br />

Einsatzes hier im Kosovo?<br />

Für mich ist das der Aspekt der internationalen<br />

Zusammenarbeit. Es kommen Soldaten<br />

aller KFOR-Nationen mit ihren Beschwerden<br />

zu uns und wir sind für die Wiedererlangung<br />

ihrer Einsatzfähigkeit verantwortlich.<br />

TOP-AUSSTATTUNG Das Einsatzlazarett<br />

(kurz ELAZ) der Bundeswehr<br />

in Camp Prizren ist eines der modernsten<br />

Krankenhäuser im Kosovo.<br />

So verfügt die Zahnarztpraxis unter<br />

anderem über ein zahntechnisches<br />

Labor und einer Radiologie mit Digitaltechnik.<br />

Das zahnärztliche Basis -<br />

instrumentarium (unten) besteht aus<br />

Sonde, Pinzette und Mundspiegel.<br />

TEAMWORK Vor Ort arbeitet<br />

Dr. Armando Guruianu mit einer<br />

deutschen Kollegin (Mitte) zusammen.<br />

Unterstützt werden sie von<br />

insgesamt drei Assistentinnen.


0 4 4<br />

S I C h E R h E I T & W I R T S C h A F T<br />

-AUF-<br />

RÜSTUNG<br />

-----------<br />

Es hätte in Abu Dhabi den neuesten<br />

SIPRI-Bericht nicht gebraucht: Dass der<br />

weltweite Waffenhandel zuletzt einen<br />

neuen Höchststand seit 1989/90 erreichte<br />

und gerade im Nahen und Mittleren Osten deutlich<br />

zulegte, war auch auf der alle zwei Jahre als<br />

größte Rüstungsmesse der Region stattfindenden<br />

„International Defence Exhibition (IDEX)“ zu<br />

sehen. Mehr als 1.200 Firmen präsentierten sich<br />

dort 105.000 Fachbesuchern und Medienleuten.<br />

Mit Erfolg: Das Volumen der direkt auf der IDEX<br />

und der parallel stattfindenden Naval Defence<br />

Exhibition (NAVDEX) abgeschlossenen Verträge lag bei<br />

mehr als fünf Milliarden Euro. Darunter ein 700-Millionen-<br />

Euro-Auftrag der VAE-Streitkräfte für 5.000 russische Panzerabwehrlenkwaffen<br />

Kornet und eine weitere VAE-Bestellung von RAM-2-Schiffsverteidigungsraketen<br />

von Raytheon USA (350 Millionen Euro).<br />

IM FOKUS<br />

DER KONZERN<br />

IM ÜBERBLICK<br />

250<br />

Mitarbeiter<br />

35 Mio. Euro<br />

Umsatz (2016)<br />

Top-Produkt<br />

Brennstoffzellen<br />

Emily, Jenny 600S<br />

SFC SMART FUEL CELL<br />

Eine mobile, autarke Energieversorgung gewinnt bei Streitkräften immer größere Bedeutung.<br />

Sowohl am Mann als auch in Kampf- und Unterstützungsfahrzeugen und<br />

allen Arten von Feldlagern nehmen Funk-, Navigations- und Nachtsichtgeräte, tragbare<br />

Computer und PDAs stetig zu. Mit bislang 34.000 verkauften Brennstoffzellen<br />

zur Energieversorgung dieser Geräte ist die mittelständische SFC Smart Fuel Cell AG<br />

oder SFC Energy aus Brunnthal bei München Marktführer bei sogenannten Systemlösungen<br />

für netzferne Stromversorgung. SFC hat die Direktmethanoltechnik (Direct<br />

Methanol Fuel Cell DMFC) perfektioniert. Methanol vereinigt außerordentliche<br />

Energiedichte mit leichter Handhabung und geringen Kosten. So sind für die Bereitstellung<br />

von zehn kWh nur acht Kilogramm Methanol nötig, dadurch können 110 Kilogramm<br />

an Lithium-Batterien eingespart werden. Emily oder die tragbare Zelle Jenny<br />

600S dokumentieren eine rund 80-prozentige Gewichtsreduktion, letztere ist seit 2010 in der Bundeswehr und<br />

für Spezialanwendungen auch im Bundesheer eingeführt. CEO des Unternehmens ist der gebürtige Österreicher<br />

Peter Podesser, der gegenüber Militär Aktuell einen aktuellen Auftrag über 80 Komplettsysteme und 3.000 Methanolpatronen<br />

für die überaus herausfordernde Energieversorgung der indischen Gebirgs-Grenztruppen bestätigte.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


N E W S A U S D E R S I C H E R H E I T S B R A N C H E<br />

china wirbt um<br />

panzer-kunden<br />

Auch die Panzerhersteller rückten auf<br />

der IDEX ihre aktuellen Produkte in den<br />

Fokus. Allen voran die beiden Marktführer<br />

Krauss-Maffei Wegmann und Nexter<br />

mit den aktuellen Ausführungen von<br />

Leopard-A7 und Leclerc. Daneben warb<br />

aber auch der Hersteller des neuen chinesischen<br />

Kampfpanzers VT-4 (auch als<br />

MBT-3000 bezeichnet) um Kundschaft.<br />

Norinco-Vertreter erklärten in bemühtem<br />

Englisch, dass die gezeigte Letztversion<br />

der Type-90-II-Familie als<br />

Hauptwaffe eine 125mm-Kanone trägt.<br />

Weiters wurde auf die GPS-gelenkte<br />

Munition, das aktive Schutzsystem des<br />

VT-4 sowie Laser-Warner hingewiesen.<br />

Explizit als für den Exportmarkt konzipiert,<br />

gibt es auch schon einen Erstkunden:<br />

Die thailändische Armee<br />

ist aus einem ukrainischen Vertrag<br />

ausgestiegen und hat 28 Stück des<br />

50-Tonners um knapp 150 Millionen<br />

Euro bestellt. Darüber hinaus besteht<br />

eine Option auf weitere 150 Stück.<br />

FOTO S : G E O r G M A D E r<br />

„DAS IST HIER EIN VITALER ZUKUNFTSMARKT“<br />

MARCUS<br />

GURTNER<br />

ist Verkaufsdirektor<br />

bei Airborne-<br />

Technologies<br />

in Wr. Neustadt.<br />

Airborne-Technologies ist eine relativ junge österreichische<br />

Firma, die auf luftgestützte Überwachungs- und<br />

Aufklärungstechnologien setzt. Wir haben mit Verkaufsdirektor<br />

Marcus Gurtner über den Messeauftritt des<br />

Unternehmens auf der IDEX, aktuelle Aufträge und<br />

die jüngste technische Entwicklung gesprochen.<br />

Herr Gurtner, warum ist Airborne hier bei der IDEX in<br />

Abu Dhabi präsent?<br />

Weil die Region für uns eine sehr interessante ist. Wir<br />

sind in Europa etabliert, wachsen in 45 Ländern weltweit,<br />

aber der Mittlere Osten ist einfach ein vitaler Zukunftsmarkt.<br />

Speziell für unsere Komplettlösungen, also ganze<br />

Flugzeuge etwa auf Basis von Twin-Turboprops wie der<br />

Beech King Air, sehen wir hier gute Chancen. Da haben<br />

wir durch einen vor der Erstauslieferung stehenden Auftrag<br />

der britischen Bundespolizei eine gute Referenz und<br />

bieten wir für Oberflächenkontaktsuche etwa die 5000eroder<br />

7000er-Serie Galileo von SELEX an. Vielversprechend<br />

entwickeln sich hier im Markt auch unseren innovativen<br />

und auf NATO- und Ostplattformen passenden<br />

Aufklärungsbehälter und überhaupt die ganze Behälterfamilie,<br />

die aus dem sogenannten S.C.A.R.-Pod entstanden<br />

ist. Dabei muss nichts verkabelt werden, der Pod<br />

generiert eine Art Bord-WLAN zum Bediener ins Cockpit.<br />

Dieser Wärmebild-Optronik-Pod ist von Fotos an slowenischen<br />

PC-9 oder der tschechischen L-159 ALCA bekannt.<br />

Genau. Darauf basierend bieten wir nun auch Behälter mit Radars<br />

an, etwa mit dem Thales Eyemaster. Hier in der Region<br />

gibt es unzählige Plattformen, die man damit ausrüsten könnte,<br />

darunter Trainer wie die Tucano oder auch Hubschrauber.<br />

Setzt sich bei einer Beschaffung – egal ob Pod oder Komplettlösung<br />

– der Einkäufer mit dem Sensorhersteller zusammen<br />

oder macht Ihr das?<br />

Wir treten als Architekt einer Gesamtlösung auf, als sogenannter<br />

„Prime“. Alle Kunden wünschen sich möglichst einen Komplettanbieter,<br />

der ihnen alles aus einer Hand liefert. Dank<br />

unserer anpassungsfähigen Firmenstruktur sind wir dabei<br />

flexibler als „Big Boys“ wie L3 oder Lockheed und können<br />

neueste Technologie wesentlich kostengünstiger anbieten.<br />

Eine andere Frage: Ihr seid hier in den Österreich-Stand der<br />

ARGE-Sicherheit der WKO eingebunden. Wärt Ihr auch ohne<br />

die Wirtschaftskammer hier?<br />

Ja, weil wir einfach hier sein müssen! Es ist aber ein unfassbarer<br />

Mehrwert, hier im WKO-Verbund aufzutreten, dadurch<br />

ergibt sich ein toller Netzwerkeffekt , man kann sich über<br />

mitunter teure Lernkurven austauschen und erfährt von<br />

den Handelsdelegierten rascher von Veränderungen bei<br />

Beschaffungsverantwortlichen in diversen Ländern. In Summe<br />

ist das für uns also eine unverzichtbare Unterstützung.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 4 6 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

KOMMUNIZIEREN<br />

Der steirische Wearable-<br />

Computing-Systeme-<br />

Spezialist Spintower<br />

Technologies hat mit<br />

D.A.R.V.I.N. live ein<br />

Produkt zur Live Video<br />

Kommunikation entwickelt,<br />

das Militärs völlig neue<br />

Möglichkeiten zur<br />

Lagebeurteilung und<br />

-einschätzung erlaubt.<br />

M<br />

ilitärs sollten die<br />

Lage stets im Blick<br />

haben. Wo ist der<br />

Gegner? Wo sind<br />

die eigenen Linien? Und mit welchen<br />

Hindernissen und Besonderheiten ist<br />

man vor Ort konfrontiert? Im Eifer<br />

des Gefechts die Übersicht zu bewahren<br />

ist nicht immer leicht, könnte nun<br />

aber mit einer Technologie „Made in<br />

Austria“ deutlich einfacher werden.<br />

Der steirische Wearable-Computing-<br />

System-Spezialist Spintower hat mit<br />

D.A.R.V.I.N. live nämlich ein kompaktes<br />

und am Mann tragbares Produkt<br />

entwickelt, das laut Beschreibung „an<br />

jedem Punkt der Erde eine Liveübertragung<br />

mit Video und Sprache ermöglicht,<br />

um wichtige und zeitnahe<br />

Inhalte verschlüsselt und in Echtzeit<br />

zu übertragen.“ Einheiten vor Ort<br />

könnten damit ihr Vorgehen deutlich<br />

besser aufeinander abstimmen. Der<br />

Kommandeur im Leitstand hätte zu<br />

jedem Zeitpunkt via Laptop, Tablet,<br />

PC oder Videowall einen perfekten<br />

Lageüberblick und bei Problemen<br />

etwa mit einem defekten Fahrzeug<br />

könnten Experten leichter Ferndia -<br />

gnosen stellen und Reparaturen anleiten.<br />

Und das völlig unabhängig von<br />

der Distanz zum Ort des Geschehens,<br />

wie Wolfgang Stiksl, Head of Global<br />

Sales and Marketing bei Spintower,<br />

gegenüber Militär Aktuell<br />

erklärt: „Die Übertragung<br />

funktioniert kabelbasierend<br />

oder wireless über<br />

wenige Meter genauso wie<br />

über 10.000 Kilometer.“<br />

Für den militärischen<br />

Bereich weiterentwickelt<br />

wurde das eigentlich für<br />

den industriegebrauch<br />

konzipierte System laut Stiksl „auf<br />

Kundenwunsch“. „2013 ist eine Spezialeinheit<br />

an uns herangetreten, die<br />

das Produkt auch in ihrem Bereich<br />

verwenden wollte. Wir hatten diesen<br />

Markt bis dahin überhaupt nicht auf<br />

dem Radar, allerdings die notwendige<br />

Expertise auf den Gebieten Netzwerktechnik,<br />

Videoverarbeitung, Datenverschlüsselung,<br />

Echtzeit-Datenübertragung<br />

und Richtfunktechnik<br />

bis hin zu Satelitenkommunikation,<br />

um das System entsprechend aufzuwerten<br />

und zu adaptieren.“ Herausgekommen<br />

ist eine autarke, hoch<br />

verschlüsselte und mobile Videokommunikationslösung,<br />

die sich innerhalb<br />

einer Minute auf- und abbauen<br />

und zum Einsatz bringen lässt. Auf<br />

Wunsch kann damit in einem Katastrophen-<br />

oder Kriegsgebiet sogar ein<br />

eigenes Kommunikationsnetz aufgebaut<br />

werden, zudem sei das System<br />

laut Stiksl „hochkompatibel“ und<br />

leicht in bestehende Kommunikationsnetze<br />

integrierbar oder als autonomes<br />

Kommunikationssystem einsetzbar.<br />

Außerdem biete es Möglichkeiten<br />

zum Datenaustausch, das integrierte<br />

GPS stelle Positionsinformationen<br />

der Einheiten sicher und das<br />

Endgerät erlaube zudem die Verbindung<br />

mit Zusatzgeräten wie beispielsweise<br />

Wärmebildkameras. „Daraus<br />

leitet sich eine extrem hohe Praktikabilität<br />

ab“, wie Stiksl versichert und<br />

wie sie sich im Einsatz auch bereits<br />

gezeigt habe. „Wir dürfen keine Kunden<br />

nennen“, so Stiksl abschließend,<br />

„aber ja, D.A.R.V.I.N. live ist bereits<br />

bei einigen Armeen in Verwendung.“<br />

FOTO S : W W W. DA RV I N .CC<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 4 8 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />

PLÄNE<br />

Die Schweizer Armee<br />

steht vor einer gewaltigen<br />

Investitionsoffensive:<br />

In den nächsten Jahren<br />

sollen neue Kampfflugzeuge<br />

beschafft<br />

werden, weitere Gelder<br />

fließen in die bodengestützte<br />

Luftverteidigung,<br />

Artillerie und<br />

die Panzerflotte.<br />

BRASILIEN<br />

Vor fünf Jahren hat Iveco mit<br />

der Auslieferung der ersten<br />

203 von vereinbarten 2.044<br />

Stück des geschützten 6x6-<br />

Personentransporters Guarani<br />

begonnen. Nun hat das<br />

Logistikkommando des<br />

brasilianischen Heeres die<br />

nächsten 1.580 Fahrzeuge<br />

bestellt. Auftragswert:<br />

1,65 Milliarden Euro.<br />

www.iveco.com<br />

IM FOKUS<br />

Militärische Beschaffungen weltweit<br />

ITALIEN<br />

Leonardo hat einen ersten<br />

Abnehmer für seinen neuen<br />

Strahltrainer M-345. Ab 2019<br />

sollen zunächst fünf Stück an<br />

die italienischen Luftstreitkräfte<br />

geliefert werden. Zudem<br />

wurde als Ersatz der AW129<br />

die Entwicklung (inkl. Protoyp)<br />

eines neuen Aufklärungs-<br />

und Begleithelikoperts<br />

beauftragt. www.leonardocompany.com<br />

m Editorial der aktuellen<br />

I<br />

Ausgabe des Schweizer<br />

Soldat ortet Chefredaktor<br />

Peter Forster „dringenden<br />

Handlungsbedarf“ im<br />

Schweizer Verteidigungsdepartement<br />

(VBS). Während sich<br />

die Großwetterlage auf dem europäischen<br />

Kontinent „weiter eintrübt“<br />

und dem alten Erdteil nach Trumps<br />

,America First‘ laut Forster „der Entzug<br />

des Schutzschirms droht“, trete<br />

in der Luftverteidigung der Schweizer<br />

Armee in den 2020er-Jahren ein<br />

„akuter Notstand“ ein. Sowohl bei<br />

der Beschaffung neuer Kampfflug-<br />

PAKISTAN<br />

2022 und 2023 will die pakistanische<br />

Marine vier U-Boote<br />

aus chinesischer Produktion in<br />

Dienst stellen. Danach sollen<br />

vier weitere Boote (eine speziell<br />

für den Export bestimmte Variante<br />

der Yuan-Klasse) mit chinesischer<br />

Unterstützung von der<br />

pakistanischen Werft Karachi<br />

Shipbuilding gefertigt werden<br />

www.karachishipyard.<br />

com.pk<br />

zeuge (der geplante Ankauf von<br />

22 Saab Gripen wurde im Mai 2014<br />

vom Stimmvolk abgelehnt) als auch<br />

bei der bodengestützten Luftverteidigung<br />

müsse nun „zügig gehandelt<br />

werden.“ Damit aber nicht genug,<br />

kommen auch Artillerie und Panzer<br />

der Eidgenossen langsam ins Alter,<br />

sind also auch in diesen Bereichen<br />

dringend Investitionen notwendig.<br />

Mit dem aktuellen Wehretat von fünf<br />

Milliarden Franken (knapp fünf Milliarden<br />

Euro) können die anstehenden<br />

Beschaffungen allerdings kaum<br />

gedeckt werden, weshalb das VBS<br />

mit zusätzlich notwendigen Finanzmitteln<br />

von neun bis 15 Milliarden<br />

Franken rechnet.<br />

Ungeachtet der damit verbundenen<br />

politischen Diskussionen dürfte der<br />

größte Teil des Investitionskuchens<br />

für die Beschaffung der neuen<br />

Kampfflugzeuge draufgehen. Alleine<br />

in die Lebensdauer-Steigerung der<br />

aktuellen F/A-18-Flotte (von 5.000<br />

auf 6.000 Stunden) fließen nun 500<br />

Millionen Franken. Für den Ankauf<br />

der neuen Jets gibt es Schweizer Medienberichten<br />

zufolge drei mögliche<br />

Szenarien: Die umfangreichste –<br />

und zugleich unwahrscheinlichste –<br />

sieht die Beschaffung von etwa 70<br />

Fliegern zu einem erwarteten Stück-<br />

FOTO S : P I L AT U S A I R C R A F T LT D. A L L R I G H TS R E S E RV E D P R O P R I E TA RY D O C U M E N T. , P I C T U R E D E S K , A N D R E G U STAVO ST U M P F, B E I G E ST E L LT W W W. L E O N A R D O CO M PA N Y.CO M<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


R Ü S T U N G S N E W S<br />

preis von 200 Millionen Franken<br />

(um 60 Millionen mehr, als die<br />

Gripen gekostet hätten) vor, was<br />

unter dem Strich Kosten von 14<br />

Milliarden Franken verursachen<br />

würde, zuzüglich weiterer vier Milliarden<br />

Franken für eine umfassende<br />

Modernisierung der bodengestützten<br />

Fliegerabwehr. Das zweite, deutlich<br />

günstigere Szenario sieht den<br />

Ankauf von 40 Jets zum Preis von<br />

acht Milliarden Franken und Investitionen<br />

in die Fliegerabwehr von einer<br />

weiteren Milliarde vor, während<br />

in der Sparvariante nur 20 Flieger<br />

beschafft werden könnten. In diesem<br />

Fall würde eine Milliarde Franken<br />

in die Modernisierung der Fliegerabwehr<br />

gesteckt. Zudem müsste<br />

man die F/A-18-Flotte Mitte der<br />

2020er-Jahre einem weiteren, millionenteuren<br />

Upgrade unterziehen,<br />

um ihre Lebensdauer bis zumindest<br />

2030 zu verlängern.<br />

Egal welches Szenario schlussendlich<br />

präferiert wird, im Idealfall sollen<br />

die neuen Jets schon zwischen 2025<br />

und 2030 zulaufen. Eine erste Typen-<br />

Vorentscheidung könnte schon im<br />

Frühjahr fallen, wenn eine zu diesem<br />

Zweck eingesetzte Expertenkommission<br />

ihre Ergebnisse vorlegt. Erwartet<br />

wird eine Eingrenzung auf die<br />

drei Modelle, die schon beim letzten<br />

Anlauf in der Auswahl waren:<br />

Gripen, Eurofighter und Rafale.<br />

AUFTRÄGE FÜR SCHWEIZER PILATUS<br />

Gute Nachrichten für die Pilatus Flugzeugwerke AG: Mit Ende<br />

Dezember vermeldete der Schweizer Hersteller den Abschluss<br />

von drei neuen Aufträgen. Insgesamt wurden 21 Stück PC-21 verkauft,<br />

wovon 17 an die französische Luftwaffe gehen und jeweils<br />

zwei an die jordanische Luftwaffe sowie an die britische QinetiQ,<br />

welche die „Empire Test Pilots’ School“ betreibt. Die PC-21 mit<br />

modifizierter Fluginstrumentierung werden dort verwendet, um<br />

Testpiloten und Flugtest-Ingenieure aus dem Vereinigten Königreich<br />

sowie von anderen internationalen Kunden zu trainieren.<br />

Die Aufträge haben zusammen einen Gesamtwert von über<br />

300 Millionen Schweizer Franken (knapp 300 Millionen Euro).


0 5 0 s c h l u s s p u n k t<br />

DIE US-AUSSENPOLITIK:<br />

AUF DEM WEG INS CHAOS?<br />

Gunther Hauser befasst sich seit 1998 mit transatlantischen Außen- und Sicherheitsbeziehungen<br />

und ist Leiter des Referats für Internationale Sicherheit am Institut für Strategie und Sicherheitspolitik<br />

der Landesverteidigungsakademie Wien. Für Militär Aktuell analysiert der Experte die<br />

sich aus der Wahl Donald Trumps zum neuen US-Präsidenten ergebenden Veränderungen und<br />

Auswirkungen auf die amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik.<br />

Die usa gestalten unter präsident<br />

Donald trump ihre außenpolitik<br />

neu: Wie von trump im Wahlkampf<br />

angekündigt, sind die usa im Jänner<br />

aus dem transpazifischen handelsabkommen<br />

tpp ausgestiegen. an israel gerichtet<br />

betonte trump entgegen seiner erklärungen<br />

im Wahlkampf, dass der bau<br />

und die ausweitung bestehender siedlungen<br />

„nicht hilfreich“ für einen Friedensprozess<br />

seien. Diametral zum osloabkommen<br />

aus dem Jahr 1993 und zu vorigen<br />

us-Regierungen schließt trump nun<br />

auch eine einstaatenlösung nicht mehr<br />

aus. am iran-atomabkommen nehmen<br />

derzeit die usa teil, nach dem mittelstreckenraketentest<br />

des iran ende Jänner hatten<br />

die usa den iran vorerst verwarnt.<br />

2016 bezeichnete trump die nato noch<br />

als „obsolet“: Deutschlands bundeskanzlerin<br />

merkel und trump hoben jedoch<br />

ende Jänner die „fundamentale bedeutung“<br />

der nato für die transatlantischen<br />

beziehungen hervor, allerdings erfordere<br />

„eine gemeinsame Verteidigung angemessene<br />

investitionen in den militärischen<br />

Fähigkeiten“ – Ziel aller natostaaten<br />

müssten investitionen von zwei<br />

prozent des bip bis 2024 sein. mit Russlands<br />

präsidenten putin vereinbarte<br />

trump verstärkte kooperationen bei der<br />

bekämpfung des islamischen staates,<br />

beide kündigten eine „partnerschaftliche<br />

Zusammenarbeit“ in den bereichen „strategische<br />

stabilität“, nahost-konflikt, iranisches<br />

atomprogramm und konfliktbewältigung<br />

sowohl auf der koreanischen<br />

halbinsel als auch in der ukraine an. im<br />

sicherheitsrat verurteilte wenig später<br />

aber die un-botschafterin der usa das<br />

„aggressive Verhalten“ Russlands in der<br />

ukraine und koppelte eine aufhebung<br />

der us-sanktionen an die Rückgabe der<br />

krim an die ukraine. außenminister tillerson<br />

bezeichnete die annexion der krim<br />

„Der START-Vertrag ist<br />

ein weiterer schlechter<br />

Vertrag, den unser<br />

Land gemacht hat.“<br />

als „unrechtmäßig“, demnach stelle Russland<br />

„heute eine Gefahr dar.“ Russland<br />

konnte in den vergangenen Jahren im Gegensatz<br />

zu den usa den einfluss im südlichen<br />

mittelmeerraum, insbesondere in<br />

syrien, Ägypten und in libyen, massiv<br />

ausbauen. Der türkei drückte trump<br />

ebenso seine partnerschaft im kampf gegen<br />

den is aus. Ruhig verhielt sich ankara<br />

gegenüber dem „muslim ban“, des useinreiseverbots<br />

für bürger aus sieben<br />

muslimisch geprägten ländern, wohl wissentlich,<br />

die erhoffte auslieferung von<br />

präsident erdoğans erzrivalen Gülen<br />

nicht aufs spiel zu setzen. ende 2016 hatte<br />

trump noch als designierter präsident<br />

ein tabu gebrochen, indem er mit der<br />

präsidentin taiwans, tsai ing-wen, telefonierte.<br />

im Wahlkampf warnte trump<br />

china zudem vor einem handelskrieg.<br />

seit kurzem bemüht sich trump nun um<br />

ein besseres Verhältnis zu china. trump<br />

sagte staats- und parteichef Xi die Fortsetzung<br />

der ein-china-politik zu. Japan garantierte<br />

trump den „unerschütterlichen“<br />

einsatz der usa für die sicherheit des<br />

landes, hier vor allem im hinblick auf die<br />

bedrohung durch das nordkoreanische<br />

atomprogramm. im Februar testete<br />

nordkorea eine mittelstreckenrakete, die<br />

erste seit trumps amtsantritt. Verteidigungsminister<br />

mattis warnte pjöngjang<br />

umgehend: ein atomwaffenangriff des<br />

landes würde eine „wirksame und überwältigende“<br />

Reaktion nach sich ziehen,<br />

jeder angriff auf die usa oder einen Verbündeten<br />

werde niedergeschlagen.<br />

trump ist bestrebt, das atomwaffenarsenal<br />

der usa auszubauen, den staRt-Vertrag<br />

mit Russland zur Verringerung der<br />

Zahl der strategischen atomwaffen bezeichnete<br />

trump als „einseitig“ und als<br />

„weiteren schlechten Vertrag, den unser<br />

land gemacht hat.“<br />

trumps chefstratege bannon stellte klar,<br />

dass trump alle Wahlkampfversprechen<br />

umsetzen werde. Die europäischen<br />

nato-staaten scheinen nun zu verstehen,<br />

dass sie sich selbst organisieren<br />

müssen, um ein verteidigungspolitisches<br />

„Gleichgewicht“ zu den usa zu erreichen<br />

– die usa kommen mittlerweile für<br />

75 prozent der nato-Gesamtverteidigungsausgaben<br />

auf.<br />

Foto s : G e t t y i m aG e s , J u l i a W e i c h s e l b au m / h b F<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


0 5 1 P A N O R A M A<br />

Das Bundesheer investiert<br />

aktuell viel Geld in die Ausrüstung<br />

seiner Soldaten.<br />

Bereits im Zulauf sind<br />

20.000 moderne Kampfhelme<br />

aus amerikanischer<br />

Produktion.<br />

Text: HANS SCHNEEWEISS<br />

DER HIGHTE<br />

Überlegungen zur Beschaffung moderner<br />

schen Weltkriegshelmes M1 –, aber<br />

Kampfhelme gab es im Bundes-<br />

tatsächlich in großen Teilen durch<br />

heer bereits in den 1980er-Jahren. Erst einen neuen Kevlarhelm von MSA<br />

Mitte der 1990er-Jahre wurde dann Gallet ersetzt. Restbestände des M75<br />

der Stahlhelm M75 von Ulbrichts Witwe<br />

finden sich aber auch heute noch beim<br />

– ein Nachbau des US-amerikani-<br />

Bundesheer. Jetzt, 23 Jahre später,<br />

ist<br />

OBERFLÄCHE DER<br />

HELMSCHALE<br />

1.108–1.317<br />

Quadratzentimeter<br />

(Größe Medium<br />

bis XXL)<br />

I L LU ST R AT I O N E N : C L AU D I A M O L I TO R I S<br />

FACTBOX<br />

Sentry XP Mid Cut Helmet<br />

Hersteller Ops Core Inc., Boston,<br />

Massachusetts (USA)<br />

Gewicht (Medium) 869 Gramm<br />

Gewicht (XX-Large) 1.034 Gramm<br />

Stationierung & Zulauf<br />

Die Übergabe der ersten Helme an<br />

die Truppe erfolgte im November des<br />

vergangenen Jahres durch<br />

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil.<br />

Seitdem werden Verbände in ganz<br />

Österreich nach und nach mit<br />

dem neuen System ausgerüstet.<br />

STÄRKE DER<br />

HELMSCHALE<br />

7,37 Millimeter<br />

MATERIAL<br />

Der Helm besteht aus Verbundmaterialien,<br />

darunter Carbon, Polyethylen und<br />

gewobenes Aramid. Im Zusammenspiel<br />

sorgen diese Materialien für eine<br />

außerordentlich hohe Festigkeit.<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L


I N F O G R A F I K<br />

es neuerlich Zeit für eine Wachablöse:<br />

Seit Ende des vergangenen Jahres<br />

wird die Truppe Schritt für Schritt<br />

mit insgesamt 20.000 Sentry XP Mid<br />

Cut Helmets der Firma Ops-Core<br />

Inc. ausgerüstet. Die US-amerikani-<br />

sche Spezialfirma stattete vor drei<br />

Jahren auch die Deutsche Bundeswehr<br />

aus. Der neue Sentry XP Mid<br />

Cut Helmet des Bundesheeres besteht<br />

aus Verbundmaterialien und<br />

ist um fast 40 Prozent leichter<br />

CH-KAMPFHELM<br />

als das Vorgängermodell, am<br />

neuen Kopfschutz können<br />

außerdem verschiedene Ausrüstungsgegenstände<br />

befestigt werden.<br />

INTERVIEW<br />

ZUSATZAUSSTATTUNGEN<br />

Dank der verschiedenen Aufnahmesysteme<br />

wie den beiden seitlich<br />

angebrachten Picatinny-Schienen<br />

oder dem vorne mittig befestigten<br />

Skeleton Shround können direkt am<br />

Helm Zusatzgeräte montiert werden.<br />

So lassen sich beispielsweise<br />

Nachtsichtgerät, Schutzbrillen, Visiere,<br />

Kinnschutz oder ein Headset<br />

am Helm befestigen.<br />

HELMÜBERZÜGE<br />

Neben den Helmen<br />

wurden vom Bundesheer<br />

auch verschiedene<br />

Überzüge angeschafft.<br />

Für jeden Helm gibt es<br />

einen grünen und einen<br />

weißen Überzug, Tarnund<br />

UN-Bezüge sollen<br />

einsatzabhängig ausgegeben<br />

werden.<br />

„Ich fühle mich nun<br />

besser geschützt!“<br />

Korporal Anna Jurasovits<br />

vom Jägerbataillon 19<br />

wurde bereits mit dem<br />

neuen Helm ausgerüstet.<br />

FOTO : H B F/ G U N T H E R P U S C H<br />

Was ist das Besondere am neuen<br />

Kampfhelm?<br />

Er ist wesentlich leichter als der alte und<br />

bietet bessere Möglichkeiten der individuellen<br />

Anpassung – etwa durch Pads,<br />

die mittels Klettsystem im Helm befestigt<br />

werden können, um einen optimalen Sitz<br />

für jeden Soldaten zu gewährleisten. Außerdem<br />

können am Helm schnell und<br />

einfach viele Zusätze angebracht werden.<br />

Beispielsweise?<br />

Ein Visier oder ein Unterkieferschutz für<br />

CRC-Einsätze oder die Nachtsichtbrille<br />

LUCIE. Auch alle anderen Zusätze, die<br />

mit einer Picatinny-Schiene kompatibel<br />

sind, wie beispielsweise Lichtmodule,<br />

können am Helm befestigt werden.<br />

GEWICHT<br />

Dank konsequenter Leichtbauweise<br />

wiegt der Sentry XP Mid Cut Helmet<br />

mit 921 Gramm (Größe Large) fast um<br />

40 Prozent weniger als der alte<br />

Kevlarhelm, der rund 1.600 Gramm<br />

wog. Dieser Gewichtsunterschied<br />

macht sich vor allem bei längeren<br />

Einsätzen in Form eines höheren Tragekomforts<br />

bemerkbar.<br />

ANPASSUNG<br />

Mit Innenpads (inklusive<br />

Reservepads) kann der Helm<br />

individuell an die jeweilige<br />

Kopfform des Trägers angepasst<br />

werden. Für eine<br />

bessere Fixierung sorgt ein<br />

Kinnband, der alte Kevlarhelm<br />

verfügte – im Gegensatz dazu<br />

– zu einer bei den Soldaten<br />

sehr unbeliebten Kinnschale.<br />

Wie wirkt sich das um 40 Prozent<br />

geringere Gewicht im Einsatz aus?<br />

Durch einen höheren Tragekomfort,<br />

welcher sich vor allem bei längeren<br />

Einsätzen bemerkbar macht.<br />

Fühlen Sie sich mit dem neuen Helm besser<br />

geschützt als mit dem alten Modell?<br />

Ja – es ist ein innovatives Produkt und<br />

technisch gesehen am neuesten Stand.<br />

Durch die vielfältigen Adaptionsmöglichkeiten<br />

fühle ich mich optimal geschützt<br />

für das vielseitige Aufgabenspektrum<br />

unserer Inlands- und Auslandseinsätze.<br />

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