Vom Umgang mit einer veränderlichen Natur - Stiftung Natur und ...
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Festzustellen ist, dass die Zahl der »Ratgeber« in Form<br />
von Richtlinien, Hinweisen, Handbüchern usw. in letzter<br />
Zeit sprunghaft in die Höhe ging <strong>und</strong> noch geht. Man will<br />
den Vorhabensträgern Hilfen an die Hand geben, <strong>mit</strong><br />
denen dann die fachlichen Probleme gelöst werden können.<br />
Diese Hilfen sollen den »Stand von Wissenschaft <strong>und</strong><br />
Technik« wiedergeben; ob sie den Anforderungen der<br />
Gerichte entsprechen, darf im Einzelnen bezweifelt werden.<br />
In den Straßenbauverwaltungen wird b<strong>und</strong>esweit der<br />
Untersuchungsaufwand erhöht. Es wird alles kartiert, was<br />
nicht schnell genug wegläuft oder wegfliegt. Meist handelt<br />
es sich um einjährige Kartierungen in eng begrenztem<br />
Raum, aus denen dann Rückschlüsse über die Verträglichkeit<br />
des Vorhabens gezogen werden.<br />
Aus den Ergebnissen der Analysen werden kosten -<br />
intensive Vermeidungsmaßnahmen konzipiert, z.B.:<br />
– Grünbrücken<br />
(ein Experiment <strong>mit</strong> ungewissem Ausgang),<br />
– Überflughilfen für Fledermäuse,<br />
– Lärmschutzwände für Vögel.<br />
Die oben genannten Vermeidungsmaßnahmen setzen<br />
eine statische <strong>Natur</strong> voraus. Dieses Vorgehen entspricht<br />
nur bedingt naturwissenschaftlichen Ansprüchen, reicht<br />
aber offensichtlich aus, die rechtlichen Hürden im Genehmigungsverfahren<br />
zu nehmen.<br />
Was ist <strong>mit</strong> der Überflughilfe für Fledermäuse, wenn<br />
»Wiebke«, »Lothar« oder wer auch immer den Wald, in<br />
dem die zu schützenden Fledermäuse leben, zerstören?<br />
Was ist, wenn Gewerbe- <strong>und</strong> Baugebiete die Nahrungsgr<strong>und</strong>lage<br />
für bestimmte Populationen sukzessive zerstören,<br />
auch wenn die Nist- <strong>und</strong> Brutstätten erhalten bleiben?<br />
Was ist, wenn sich Biotopstrukturen auf Gr<strong>und</strong> klima -<br />
tischer Einflüsse ändern? Den Genehmigungsbehörden<br />
sind solche Überlegungen fremd. Die <strong>Natur</strong> muss im<br />
Moment der Genehmigung funktionieren.<br />
Und wenn nicht? Kein Problem! Es wird ohnehin eine<br />
vorsorgliche Ausnahmegenehmigung erteilt. Die Hürde der<br />
Voraussetzungen hierfür ist nicht allzu schwer zu nehmen:<br />
Allgemeinwohl: bei großen Infrastrukturvorhaben<br />
sowieso gegeben;<br />
Alternativen: das ist meist auch nicht schwierig;<br />
notfalls erfüllt die Alternative nicht das Planungsziel.<br />
Schlussfolgerung <strong>und</strong> Ausblick | Es wurde deutlich,<br />
dass wir uns bei der Planung <strong>und</strong> der Genehmigung von<br />
34 |<br />
Infrastrukturmaßnahmen in einem »Hase-<strong>und</strong>-Igel-Spiel«<br />
befinden.<br />
Die Untersuchungsansprüche steigen immer weiter<br />
<strong>und</strong> immer wieder steht jemand auf, der noch mehr weiß:<br />
– im Detail;<br />
– noch ein Tier mehr, noch eine Pflanze mehr.<br />
Außenstehende begreifen nicht mehr, was hier passiert,<br />
wenn derzeit Baumkletterer im Trassenbereich potenzielle<br />
Fledermaushöhlen verschließen. Dies zu nutzen, nur da<strong>mit</strong><br />
dem Artenschutz Rechnung getragen werden kann, ist<br />
nicht nachvollziehbar.<br />
Aber: Das Projekt wird trotzdem realisiert – wie die<br />
großen Infrastrukturvorhaben der letzten Zeit zeigen.<br />
Was fehlt, sind Leitlinien des <strong>Natur</strong>schutzes, die für<br />
eine Beurteilung von Beeinträchtigungen herangezogen<br />
werden können:<br />
– in denen es nicht um die Störung eines Individuums<br />
geht, sondern um Populationen;<br />
– die Maßnahmenkonzepte erlauben, die auch in Zukunft<br />
Bestand haben.<br />
Wichtig ist, dass unser Tun eine gesellschaftliche <strong>und</strong><br />
wissenschaftliche Akzeptanz findet. Dies kann es nur,<br />
wenn wir von Einzelaktionen zu umfassenden Konzepten<br />
kommen, beispielsweise auch für Kompensationsmaß -<br />
nahmen.<br />
Ob allerdings das Konzept »<strong>Natur</strong>schutz durch Nutzung«<br />
das richtige ist, bezweifle ich. Hier erinnere ich an<br />
Professor Haber |siehe Beitrag in diesem Heft, S. 20 |, der<br />
meines Erachtens gute Hinweise auf die Landschaftsge -<br />
staltung <strong>und</strong> die Nutzung gegeben hat, die Katastrophen<br />
abpuffern <strong>und</strong> Veränderungen im Detail zulassen. Wichtig<br />
ist ein funktionsfähiger Biotopverb<strong>und</strong> über die gesamte<br />
Fläche. Eine breite Partizipation der Bevölkerung ist unerlässlich,<br />
um Maßnahmen, sowohl die des Vorhabensträgers<br />
als auch die des <strong>Natur</strong>schutzes, zu realisieren.<br />
Allein der Ruf nach weiteren wissenschaftlichen<br />
Erkenntnissen zur Lösung der Probleme wird nicht zum<br />
planerischen Konsens führen. Es ist unstrittig, dass ins -<br />
besondere in der Landschaftsökologie noch erhebliche<br />
Erkenntnisdefizite herrschen; die Wirkungszusammenhänge<br />
des <strong>Natur</strong>haushaltes sind in weiten Teilen noch<br />
nicht bekannt. Es ist jedoch ein Irrglauben, dass weitere<br />
wissenschaftliche Erkenntnisse planerische Entscheidungen<br />
zur Inanspruchnahme von <strong>Natur</strong> <strong>und</strong> Landschaft<br />
erleichtern werden. Es ist nicht zu erwarten, dass die<br />
Erkenntnisgewinne gleichzeitig mehr Schutz der <strong>Natur</strong> <strong>mit</strong>