Vom Umgang mit einer veränderlichen Natur - Stiftung Natur und ...
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schon früh zum Ausdruck. Hier liegt der Ursprung von<br />
<strong>Natur</strong> religionen, Tabus oder Heiligungen einzelner Organismen<br />
oder Arten (<strong>und</strong> wohl auch ein erster Keim des<br />
<strong>Natur</strong>schutzes).<br />
Das Doppelwesen der Menschen kommt auch in der<br />
Menschheitsgeschichte zum Ausdruck. Die Menschen<br />
leb(t)en<br />
– circa 40.000 Generationen in, <strong>mit</strong> <strong>und</strong> von der <strong>Natur</strong> –<br />
als Sammler, Jäger <strong>und</strong> Verzehrer,<br />
– seit r<strong>und</strong> 600 (in Mitteleuropa 325) Generationen gegen<br />
die (wilde) <strong>Natur</strong> – als Landwirte,<br />
– seit sechs Generationen auch für die <strong>Natur</strong> – als naturliebende,<br />
von den Landwirten gut ernährte Städter<br />
(eine Generation jeweils als dreißig Jahre gerechnet).<br />
<strong>Natur</strong> heißt Wandel, in ständiger Evolution – <strong>und</strong> das<br />
gilt auch für den Menschen <strong>und</strong> seine beiden widerstreitenden<br />
<strong>Natur</strong>en. Hunger <strong>und</strong> Durst, Selbsterhaltungs<strong>und</strong><br />
Fortpflanzungstrieb haben jedoch alle Menschen<br />
stets beherrscht <strong>und</strong> geben daher letztlich der Nutzung<br />
der sie umgebenden <strong>Natur</strong> Vorrang vor ihrem Schutz.<br />
Im besten Falle schützt man sie, um sie immer wieder zu<br />
nutzen, so wie viele heutige Jäger ihr Wild nicht nur bejagen,<br />
sondern auch »hegen«. Die Entwicklung von Werkzeugen,<br />
Techniken, Energiequellen diente stets der <strong>Natur</strong>nutzung<br />
<strong>und</strong> wurde geradezu von ihr angetrieben.<br />
Werfen wir aus unserer eurozentrischen Einstellung,<br />
die uns trotz Globalisierung beherrscht, einen Blick auf die<br />
Geographie der Menschheitsgeschichte. Von ihrem wahrscheinlichen<br />
Ursprungsgebiet im Osten Afrikas haben sich<br />
die Menschen schubweise in alle Kontinente der Erde ausgebreitet<br />
|Gunz et al. 2009|, <strong>und</strong> zwar schon in der Sammler-Jäger-Zeit,<br />
wobei sich letztlich nur eine Hominiden-Art,<br />
Homo sapiens, durchsetzte. Im Kontext der unter schied -<br />
lichen Gegebenheiten der <strong>Natur</strong>, welche die Menschen in<br />
den Erdteilen vorfanden, sich daran anpass ten <strong>und</strong> sie<br />
immer mehr zu ihren Gunsten veränderten, bildeten sich<br />
die verschiedenen Menschheitskulturen <strong>mit</strong> jeweils anderer<br />
Einstellung zur umgebenden <strong>Natur</strong> aus – doch immer<br />
auch bezogen auf ihre innere, biologische Na tur. Man kann<br />
zu Recht sagen, dass aus der <strong>Natur</strong>-Art Homo sapiens,<br />
die als solche trotz äußerlicher Verschiedenheiten eine<br />
biologische Einheit geblieben ist, verschiedene »Kultur-<br />
Spezies« entstanden sind. Für einen globalen <strong>Natur</strong>schutz<br />
birgt dies manche Schwierigkeiten <strong>und</strong> Probleme.<br />
Dem menschlichen Intellekt, <strong>mit</strong> dessen Hilfe sich die<br />
frühen Menschen in der umgebenden <strong>Natur</strong> besser als<br />
8|<br />
andere Organismen zu behaupten <strong>und</strong> durchzusetzen<br />
suchten, sind zwei gr<strong>und</strong>legende, ja schicksalhafte Erfindungen<br />
zu verdanken, die unser Leben bis heute bestimmen:<br />
die Beherrschung des Feuers, die eine zusätzliche<br />
(zur Sonne) <strong>und</strong> viel wirkungsvollere Energieversorgung<br />
erschloss, <strong>und</strong> die Umstellung vom Sammeln <strong>und</strong> Jagen<br />
der Nahrung auf Pflanzenbau <strong>und</strong> Tierhaltung, das heißt<br />
auf Landwirtschaft | Haber 2007c. Die Ergebnisse <strong>und</strong><br />
Folgen beider Erfindungen sind unumkehrbar. Sie bedeuten<br />
schwere, ja zerstörerische Eingriffe in die gewachsene<br />
<strong>Natur</strong>, die nicht wieder gutzumachen sind. Sie schufen<br />
außerdem bleibende Abhängigkeiten: Feuer bzw. Energie<br />
von Brennstoffen (jahrtausendelang nur Holz), Pflanzen -<br />
bau von geeigneten Böden, Tierhaltung von Weideland<br />
<strong>und</strong> Futter. Sie bewirkten, weil sie insgesamt erfolgreich<br />
waren, eine ständige Vermehrung der menschlichen<br />
Bevölkerung <strong>und</strong> eine Zunahme der individuellen <strong>und</strong><br />
kollektiven An sprüche an die naturgegebenen Ressour -<br />
cen. Auf <strong>einer</strong> end lichen Landfläche konnte dies nur auf<br />
Kosten aller übrigen, nicht in die Dienste der Menschen<br />
gestellten Lebe wesen geschehen. Hier liegt ein Gr<strong>und</strong> -<br />
problem jeden <strong>Natur</strong>schutzes.<br />
Ich beziehe diese prinzipiellen Veränderungen – oder<br />
Eingriffe in den Planeten – hier vor allem auf den Übergang<br />
zur Landwirtschaft vor r<strong>und</strong> 6500 Jahren (in Mitteleuropa).<br />
Mit dieser einzigartigen, wohl wichtigsten Stufe<br />
der kul turellen Evolution wandelte sich die von Sammlern<br />
<strong>und</strong> Jägern praktizierte <strong>Natur</strong>nutzung zur heute üblichen<br />
Landnutzung. Aus den – kulturell schon differenzierten –<br />
Sammler-Jäger-Gemeinschaften entstanden selbstversorgende<br />
Agrargemeinschaften. Erst da<strong>mit</strong> schuf sich der<br />
Mensch »seine« Umwelt – auf Kosten der Umwelten aller<br />
anderen Lebewesen –, indem er dem Land, das er sich<br />
dazu aneignete, zuerst materielle <strong>und</strong> rationale, <strong>und</strong><br />
zu letzt auch immaterielle, emotionale Zwecke zuwies.<br />
Nur: zwischen den Kulturen <strong>und</strong> sogar zwischen den In -<br />
dividuen sind die Zwecke verschieden <strong>und</strong> wechseln im<br />
Vorrang! In jedem Falle unterschieden die Menschen von<br />
nun an eine wilde, gefährliche von <strong>einer</strong> domestizierten<br />
<strong>Natur</strong> als ihrer neuen Lebensgr<strong>und</strong>lage, die zwar aus der<br />
wilden <strong>Natur</strong> stammte, aber nun ständig gegen diese verteidigt,<br />
also vor ihr geschützt werden musste. »<strong>Natur</strong>schutz«<br />
– wenn es diesen Begriff damals schon gegeben<br />
hätte – war Schutz vor der »wilden« <strong>Natur</strong>, im Acker-,<br />
Garten- oder Pflanzenbau heute »Pflanzenschutz« ge -<br />
nannt!