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Vom Umgang mit einer veränderlichen Natur - Stiftung Natur und ...

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1. <strong>Natur</strong>schutz <strong>und</strong> Gesellschaft | Der Schutz der<br />

<strong>Natur</strong> genießt nach volkstümlicher Meinung einen hohen<br />

Stellenwert in unserer Gesellschaft. Zumindest berufen<br />

sich die <strong>Natur</strong>schutzverbände auf diese These, wenn es<br />

um die Legitimation ihrer Anliegen <strong>und</strong> Aktivitäten geht,<br />

insbesondere bei Zielkonflikten <strong>mit</strong> wirtschaftlichen Anliegen<br />

wie der Ausweisung von Gewerbegebietsflächen,<br />

Sied lungsflächen oder anderen flächenintensiven Infra -<br />

struk turmaßnahmen <strong>und</strong> der landwirtschaftlichen Nutzung.<br />

Die Realität lehrt uns dagegen, die Interessen des<br />

<strong>Natur</strong>schutzes werden gesellschaftlich weitaus weniger<br />

umgesetzt als die wirtschaftlichen Anliegen. Der <strong>Natur</strong>schutz<br />

zieht oft genug den berühmt-berüchtigten »Kürzeren«<br />

in diesen Zielkonflikten. Weder konnte bzw. kann eine<br />

geschützte Feldhamsterkolonie den Bau <strong>einer</strong> Sportarena<br />

noch konnte bzw. kann der Wachtelkönig den Ausbau<br />

eines Hafenterrains in Hamburg verhindern. Allerdings<br />

finden sich in der Regel bedeutsame Ausgleichsmaßnahmen,<br />

über deren Wert wiederum heftigst gestritten werden<br />

kann.<br />

Die <strong>Natur</strong>schutzbewegung ist in ihrer Historie von diesem<br />

Widerspalt gekennzeichnet. In seinen Ursprüngen<br />

entstammt der <strong>Natur</strong>schutz einigen Initiativen von reichen<br />

Honoratioren <strong>und</strong> aufgeklärten Fürsten im 17. <strong>und</strong> 18. Jahr -<br />

h<strong>und</strong>ert. Er ist eng <strong>mit</strong> der barocken Gartenkultur von großen<br />

Schlossanlagen verb<strong>und</strong>en, gefolgt von Exotenwäldern<br />

<strong>mit</strong> Baumpflanzungen fremder Gehölze, Schutz- <strong>und</strong><br />

Bannwäldern für fürstliches Jagdvergnügen sowie der<br />

Ornithologie <strong>und</strong> Vogelschutzgebieten. Erst <strong>mit</strong> dem Aufkommen<br />

der Industrialisierung gewann die zuvor in oben<br />

genannten Gärten <strong>und</strong> Schlossparks eher verplante <strong>Natur</strong><br />

<strong>und</strong> der Zugang zu den Grünbereichen eine erhöhte<br />

gesellschaftliche <strong>und</strong> soziale Bedeutung als Sphäre der<br />

Reproduktion <strong>und</strong> Entspannung. Gartenlauben, Schrebergärten<br />

etablierten sich <strong>einer</strong>seits als landwirtschaftliche<br />

Parzellen zur Eigenversorgung <strong>und</strong> Rückzug aus dem<br />

Großstadtleben <strong>mit</strong> wenig Grün <strong>und</strong> viel Schmutz, Lärm<br />

<strong>und</strong> Unruhe. Hier liegt der Kern des Bewegungsbegriffes<br />

des <strong>Natur</strong>schutzes bzw. der <strong>Natur</strong>fre<strong>und</strong>e als soziale<br />

Bewegungen des späten 19. <strong>und</strong> des frühen 20. Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Eine weitere, spezifische Stammlinie, in der der <strong>Natur</strong>schutz<br />

als Bewegung wurzelt, ist die Ornithologie. Vögel in<br />

der <strong>Natur</strong> waren die ersten Tiere, denen der Mensch seinen<br />

Schutz angedeihen ließ; Ziervögel <strong>und</strong> deren Zucht<br />

traten hinzu. Die Gründe hierfür sind wohl vielfältig. Zum<br />

anderen wurde am zunehmenden Verschwinden von<br />

Vogelarten erstmals der negative Einfluss der Umgestaltung<br />

der <strong>Natur</strong> nach menschlichen Bedürfnissen für viele<br />

Menschen deutlich. Derweil man Bär <strong>und</strong> Wolf bewusst in<br />

heimischen Gefilden auslöschte <strong>und</strong> der Abschuss von<br />

Damwild bei Jagden das Volk weniger beunruhigte <strong>und</strong><br />

eher Stoff für Wildererdramen lieferte, gab der Rückgang<br />

der Vogelpopulationen vielen Menschen aus allen Schichten<br />

Anlass sich Gedanken über das Verhältnis von Industrialisierung<br />

<strong>und</strong> <strong>Natur</strong>schutz zu machen. Vögel waren<br />

insofern ein geeignetes Studienobjekt für frühe Umweltkrisen<br />

der industriellen Gesellschaft. Der Vogelschutz stand<br />

im Fokus früher Kritik an der ungezügelten Industrialisierung<br />

durch die Kirche <strong>mit</strong> dem Schwerpunkt auf dem<br />

Anliegen des Schutzes der gottgegebenen Evolution <strong>und</strong><br />

Vielfalt des Lebens, dem Interesse der Arbeiterschaft an<br />

»grünen Lungen« zur Erholung <strong>und</strong> Eigenversorgung <strong>mit</strong><br />

natürlichen Lebens<strong>mit</strong>teln <strong>und</strong> dem Resultat der Aufklärung<br />

im Bildungsbürgertum zum Schutz der <strong>Natur</strong> als Wert<br />

an sich. Parallel wandelte sich regional wie auch global<br />

die <strong>Natur</strong> hin zur Kulturlandschaft, die Technik ermöglichte<br />

den Menschen in immer intensiverem Maße die Umgestaltung<br />

der <strong>Natur</strong> s<strong>einer</strong> Zeit nach seinen aktuellen Bedürfnissen.<br />

Die Landwirtschaft wurde landschaftsprägend,<br />

nur in wenigen unwegsamen Gegenden verblieben über<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte »natürliche« Reservate. Diese wiederum<br />

wurden jedoch durch die globale Klima- <strong>und</strong> Umweltveränderungen<br />

inzwischen ebenso unweigerlich in Mitleidenschaft<br />

gezogen wie die beschriebenen Kulturlandschaften.<br />

Das bekannteste Beispiel ist die aktuelle Diskussion um<br />

das Abschmelzen der Polkappen infolge der Klimaerwärmung.<br />

Regionen, in denen der Mensch bisher nicht unbedingt<br />

in Massen auftrat.<br />

<strong>Natur</strong>schutz wandelte sich vom individuellen Interesse<br />

aufgeklärter, einzelner Honoratioren zum sozialen Anliegen<br />

gesellschaftlicher Kreise aus Kirchen, Arbeiterbewegung<br />

<strong>und</strong> Bildungsbürgertum. Ornithologische Vereine gründeten<br />

sich, Verbände wie die <strong>Natur</strong>fre<strong>und</strong>e konstituierten<br />

sich <strong>und</strong> in der Forstwirtschaft wurde der Gedanke der<br />

Nachhaltigkeit geboren.<br />

In s<strong>einer</strong> gesellschaftlichen Bedeutung für diese sozialen<br />

Schichten <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> seines ideologisierten Schutz -<br />

begriffs von Arten wurde der <strong>Natur</strong>schutz leicht Thema<br />

im <strong>und</strong> Aufgabe des deutschen Faschismus. Er wurde<br />

Teil der faschistoiden Wahnvorstellungen von »Blut <strong>und</strong><br />

Boden« <strong>und</strong> des antichristlichen Weltbildes von <strong>Natur</strong> <strong>und</strong><br />

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