04.05.2017 Aufrufe

05/2017

Fritz + Fränzi

Fritz + Fränzi

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Monatsinterview<br />

>>> Definitiv! Die Chance, ein<br />

Gymnasium zu besuchen, hängt<br />

nicht nur von den Fähigkeiten und<br />

vom Elternhaus ab, sondern vor<br />

allem vom Wohnort. In Basel-Stadt<br />

ist die statistische Chance für den<br />

Besuch eines Gymnasiums doppelt<br />

so gross wie im Kanton St. Gallen.<br />

Warum das?<br />

Der Kanton Basel-Stadt hat sich stärker<br />

auf die Nachfrage nach der gymnasialen<br />

Ausbildung ausgerichtet.<br />

Zum einen entspricht dies einem<br />

Bedürfnis der Schülerinnen und<br />

Schüler beziehungsweise ihrer<br />

Eltern, zum andern kann es aber<br />

auch als Reaktion auf den Fachkräftemangel<br />

interpretiert werden. Es<br />

gibt mehr gymnasiale Ausbildungsplätze<br />

als in anderen Kantonen. Weil<br />

es in Basel nicht mehr intelligente<br />

Schülerinnen und Schüler gibt als im<br />

Kanton St. Gallen, sind die Hürden<br />

für einen Platz im Gymnasium in<br />

Basel mit grosser Wahrscheinlichkeit<br />

niedriger als in St. Gallen. Aus der<br />

Perspektive der Bildungsgerechtigkeit<br />

betrachtet, wäre es wünschenswert,<br />

dass die Anforderungen für<br />

bestimmte Ausbildungen in jedem<br />

Kanton gleich sind.<br />

In einer unserer letzten Ausgaben<br />

berichteten wir über ChagALL, ein Förderprogramm<br />

für begabte Migranten<br />

(Das Schweizer ElternMagazin<br />

Fritz+Fränzi, Februar <strong>2017</strong>), die durch<br />

zusätzlichen Unterricht fit für das<br />

Kurzzeitgymnasium gemacht werden<br />

sollen. Ihre Eltern können ihnen diese<br />

Unterstützung nicht bieten. Helfen<br />

solche Programme?<br />

Sehr sogar, weil das Programm<br />

einem Bedürfnis entspricht und die<br />

Jugendlichen ein Ziel vor Augen<br />

haben: den Übertritt in die Mittelschule.<br />

Dabei treffen zwei wesentliche<br />

Erfolgsfaktoren aufeinander: Die<br />

Schüler sind hochmotiviert, und die<br />

Betreuung im Programm ist ausreichend<br />

und effektiv. Beide Faktoren<br />

sind notwendige Bedingungen für<br />

den Erfolg eines Förderprogramms.<br />

Wie sehr sollten sich Eltern dafür einsetzen,<br />

dass ihre Kinder ihre Chancen<br />

ergreifen? Sollte ich beispielsweise<br />

als Mutter täglich die Hausaufgaben<br />

meines Kindes begleiten?<br />

Es kommt darauf an, wie Sie das<br />

machen. Sich als Lehrperson auszugeben<br />

und dem Kind ständig zu<br />

erklären, wie es geht und was es zu<br />

tun hat, ist sicher nicht zielführend.<br />

Aber dass man ab und zu nachfragt:<br />

«Sag mal, hast du die Hausaufgaben<br />

erledigt?», oder: «Hast du dir auch<br />

schon einmal Gedanken gemacht,<br />

was du später tun möchtest?», ist<br />

sicher nicht falsch. Ich finde es wichtig,<br />

dass man die Kinder begleitet<br />

und ein ganz normales Interesse an<br />

schulischen Angelegenheiten und<br />

später an den beruflichen Interessen<br />

zeigt. Allerdings immer mit Mass<br />

und unterstützend.<br />

«Wenn meine<br />

Töchter eine<br />

Lehrperson toll<br />

finden, möchte ich<br />

immer wissen,<br />

weshalb.»<br />

Nehmen sich Eltern, gerade wenn sie<br />

viel arbeiten, heute zu wenig Zeit für<br />

so etwas?<br />

Das kann ich nicht beurteilen.<br />

Kinder brauchen keine langen Ge -<br />

spräche über Hausaufgaben, aber<br />

emotionale Zuwendung und Unterstützung.<br />

Wie haben Sie es mit Ihren beiden,<br />

heute fast erwachsenen Töchtern<br />

gehalten?<br />

Ich habe immer mit meinen Kindern<br />

über ihre Hausaufgaben gesprochen,<br />

weil mich das von Berufes wegen<br />

interessierte. Und ich habe mit ihnen<br />

auch über ihre schulischen und<br />

beruflichen Ziele gesprochen. In<br />

einer frühen Phase musste ich sie hin<br />

und wieder darauf hinweisen, dass<br />

sie etwas tun müssen, wenn sie ihre<br />

Ziele erreichen wollen. Aber so etwas<br />

lässt sich in einem ganz normalen<br />

Alltagsgespräch klären. Je älter sie<br />

wurden, desto selbstständiger wurden<br />

sie.<br />

Davon träumen viele Eltern.<br />

Ich sage nicht, dass es in allen Fällen<br />

so reibungslos laufen muss. Ich habe<br />

diesbezüglich mit meinen Kindern<br />

Glück gehabt. Aber ich habe auch<br />

von Anfang an ein gewisses Interesse<br />

an ihrer Schullaufbahn gezeigt,<br />

ohne sie mit ständigem Nachfragen<br />

oder Kontrollieren zu nerven. Wir<br />

unterhalten uns auch heute noch<br />

gerne über die Schule und die berufliche<br />

Zukunft.<br />

Und worüber genau?<br />

Ein grosses Thema ist, ob der Unterricht<br />

interessant ist und ob die Lehrpersonen<br />

gerecht sind. Wenn sie eine<br />

Lehrperson besonders toll finden,<br />

möchte ich immer wissen, weshalb.<br />

Und selbstverständlich sprechen wir<br />

darüber, was nach der Schule alles<br />

möglich ist.<br />

Können Eltern ihre Kinder auch zu<br />

sehr puschen?<br />

Natürlich – und es mag auch diese<br />

unglücklichen Kinder an den Gymnasien<br />

geben, die überfordert und<br />

fehl am Platz sind; aber es sind wohl<br />

kaum so viele, wie man aufgrund<br />

dieser Diskussionen immer wieder<br />

hört. Puschen bringt nichts, Unterstützung<br />

und angemessene Erwartungen<br />

hingegen schon. Wenn man<br />

auf die Kinder eingeht, merkt man<br />

meist, wo ihre Interessen liegen und<br />

wie man sie unterstützen kann.<br />

Und wenn ein Kind etwas anderes<br />

anstrebt als eine höhere Schullaufbahn,<br />

dann sollte man dem nachgeben?<br />

Unbedingt. Ein Kind, das weder die<br />

kognitiven Voraussetzungen noch<br />

die Motivation mitbringt, kann man<br />

nicht durchs Gymnasium peitschen.<br />

Dafür sind die Anforderungen der<br />

Gymnasien in der Schweiz zu hoch.<br />

Und wenn das Kind zu einem späteren<br />

Zeitpunkt die Matura nachholen<br />

und studieren möchte, bestehen in<br />

der Schweiz genügend Chancen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!