Bionik – Von der Natur gelernt - TÜV NORD Gruppe

Die Entdeckung der Aufmerksamkeit LEBEN
Soll ich Bûdô betreiben?
explore:-Autorin Dr. Doris Marszk sprach mit Prof. Dr.
Matthias von Saldern, Erziehungswissenschaftler an der
Universität Lüneburg und Lehrer für Karate-dô.
explore: INTERVIEW
explore:
Wer kann Bûdô betreiben? Welche Voraussetzungen
braucht man? Und bei wem würden Sie abraten?
Prof. Dr. Matthias von Saldern:
Abraten würde ich überhaupt nicht. Na ja, bei Karate-dô
sollten Kinder wenigstens sieben Jahre alt sein. Aber sonst
gibt es keine Einschränkungen. Wer sich dafür entscheidet,
sollte zuvor beim jeweiligen Landesfachverband anrufen
und sich einen guten Verein in seiner Nähe nennen lassen,
denn in Deutschland darf jeder einen Verein aufmachen,
egal, wie qualifiziert er ist. Es ist wichtig, dass man
zu einem qualifizierten Meister oder zu einer qualifizierten
Meisterin kommt.
explore:
Sie empfehlen ja Bûdô-Kampfkünste wie Karate-dô oder
Jûdô sogar für gewaltbereite Jugendliche. Ist es nicht
gefährlich, gerade denen zu zeigen, wie man wirkungsvoll
zuschlägt oder wirft?
Prof. Dr. Matthias von Saldern:
Es kommen tatsächlich viele Jugendliche gerade durch
Karatefilme, etwa mit Bruce Lee, zum Karate-dô. Und man
geht im Bûdô ja auch wirklich davon aus, dass übertriebene
Friedfertigkeit völlig falsch ist. Entscheidend ist aber, mit
der Aggression richtig umzugehen. Es gibt im Bûdô die
Maximen „Das Wesen des Wassers“ (Mizu no kokoro) und
„Das Wesen des Mondes“ (Tsuki no kokoro), die besagen,
dass nur aus der absoluten Ruhe heraus, verglichen mit
der unbewegten Wasseroberfläche, in der sich der Mond
spiegelt, der Sieg zu erringen ist. Emotionale Erregung wie
Wut oder Aggressivität stört die Wahrnehmung des
Kämpfers, der Blick fürs Wesentliche wird verklärt und
deshalb die Chancen für richtiges Handeln deutlich verringert.
In der körperlichen Auseinandersetzung mit einem
Partner oder einer Partnerin geht es für die Bûdôka nicht
darum, den anderen im Training oder im Turnier besiegen
oder unterwerfen zu wollen. Das Training dient der Überprüfung
des bisher Erlernten und zur Kontrolle der
Fähigkeit, maximale geistige und körperliche Kraft entwickeln
und mit der gebotenen Disziplin beherrschen zu können.
Beides dient letztlich dazu, die Bûdôka auf ihrem lan-
Professor Dr. Matthias von Saldern.
Die Anmut der Bewegung entsteht nur um den
Preis harter Arbeit und höchster Konzentration.
Jahre und Jahrzehnte braucht man, bis selbst die
kleinsten Schritte und Handgriffe halbwegs „sitzen“.
gen Weg hin zu größerer Perfektion, bis hin zur
Vervollkommnung des eigenen Selbst, ein Stückchen
weiterzubringen. Eine Anleitung zur zerstörerischen
Gewaltanwendung ist Bûdô also durchaus nicht.
explore:
Und wie ist das mit gesundheitlichen Risiken?
Prof. Dr. Matthias von Saldern:
Beim Schach verunglücken mehr Leute als beim Bûdô.
Das liegt daran, dass Schach auch viele Ältere spielen, na,
und wenn da jemand einen Herzinfarkt erleidet, treibt das
die Unfallstatistik hoch. Bûdô ist per se nicht krankmachend.
Deshalb unterstützen uns auch einige Krankenkassen.
explore: INFOBOX
Zum Bûdô gehören unter anderem:
Karate-dô („Weg der leeren Hand“)
Jûdô („Der sanfte Weg“)
Kyûdô („Weg des Bogenschießens“)
Kendô („Weg des Schwerts“)
Aikidô („Weg der göttlichen Harmonie“)
Iaidô („Weg des schnellen Schwertziehens“)
explore: 3/2005 - 35