Bionik â Von der Natur gelernt - TÃÂV NORD Gruppe
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04 - explore: 3/2005<br />
MENSCH Denken, Lernen, Vergessen<br />
DENKEN, LERNEN,<br />
<strong>Von</strong> Dörte Saße<br />
„Da stelle mer uns ma janz dumm...“, sagte Lehrer Bömmel in <strong>der</strong> Feuerzangenbowle und<br />
dozierte vor seinen Schülern über die „Dampfmaschien“. Ganz falsch, sagen Hirnforscher –<br />
obwohl Bömmel immerhin in einfachen, plastischen Begriffen erklärte. Doch vorne stehen, reden<br />
und bei Null anfangen, das ist in etwa die schlechteste Methode, Schülern etwas beizubringen.<br />
Lehrer Bömmel macht alles falsch. Wieso?<br />
Schlimmer wird es nur, wenn <strong>der</strong><br />
Lehrer eine Atmosphäre <strong>der</strong> Angst und<br />
Einschüchterung aufbaut – die klassische<br />
Lehrmethode noch um 1960. In<br />
solchem Stress kann das Hirn den<br />
Lernstoff we<strong>der</strong> aufnehmen noch abrufen,<br />
selbst wenn es ihn schon gut<br />
verarbeitet und gespeichert hat.<br />
Stresshormone blockieren die Kontaktstellen<br />
<strong>der</strong> Hirnzellen, um den<br />
Körper auf die Flucht vorzubereiten;<br />
denn die Evolution hat den Menschen<br />
dazu konstruiert, bei Angst und Gefahr<br />
das Denken abzuschalten und einfach<br />
zu rennen...<br />
Kleiner Ausflug in die Hirnforschung:<br />
Es ist Pech für den Homo sapiens <strong>der</strong><br />
Mo<strong>der</strong>ne, dass sein Hirn im Prinzip<br />
immer noch so strukturiert ist wie das<br />
seiner Vorfahren. Behandelt man es<br />
allerdings richtig, kann das „urtümliche“<br />
Denkorgan beim Lernen und Merken<br />
trotzdem erstaunliche Leistungen zeigen.<br />
Lernen ist überhaupt nur möglich, weil<br />
das Hirn bis zum Tod verän<strong>der</strong>bar<br />
bleibt. Zwar liegt die wichtigste Phase<br />
<strong>der</strong> Hirnbildung vor <strong>der</strong> Pubertät: Die<br />
100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen),<br />
die schon das Neugeborene<br />
besitzt, wachsen, vermehren und ver-<br />
zweigen sich in den ersten drei Lebensjahren<br />
und bilden zunächst doppelt<br />
so viele Kontaktstellen (Synapsen)<br />
untereinan<strong>der</strong> wie beim Erwachsenen.<br />
Das Hirn ist noch sehr langsam aber<br />
schon bereit für alle Arten von Lerninhalten:<br />
unterschiedlichste Sprachen<br />
o<strong>der</strong> Verhaltensweisen, das Überlebenswissen<br />
im südamerikanischen<br />
Dschungel wie auch im hochtechnisierten<br />
Japan.<br />
Dabei wird das Gelernte nicht an einzelnen<br />
Gehirnzellen abgelegt, son<strong>der</strong>n<br />
als Muster im ganzen Geflecht. Die<br />
Meldungen laufen als elektrische Signale<br />
kreuz und quer über die Neuronen<br />
und in Form chemischer Botenstoffe<br />
über die Synapsen. Treten bestimmte<br />
Eindrücke immer wie<strong>der</strong> auf,<br />
so nehmen die Signalketten zunehmend<br />
denselben Weg, die Neuronen<br />
entlang des Wegmusters<br />
werden dicker, leiten<br />
die Signale schneller<br />
und bilden<br />
immer mehr<br />
und längere<br />
Seitenarme und<br />
Synapsen aus.<br />
Ergebnis: Üben und<br />
Lernen prägen im Kin<strong>der</strong>hirn<br />
die individuelle<br />
Struktur, mit <strong>der</strong> es später<br />
aus <strong>der</strong> Pubertät herauskommen<br />
wird; wenig genutzte Verbindungen<br />
bilden sich zurück, und die<br />
erwachsenentypische Synapsenzahl<br />
bleibt übrig. In jenen Fel<strong>der</strong>n, in denen<br />
das Kind schon eine Grundlage erworben<br />
hat, kann <strong>der</strong> Erwachsene später<br />
leichter hinzulernen. Doch das ist nicht<br />
unverän<strong>der</strong>lich: Bis ins hohe Alter lässt<br />
sich diese Struktur durch (Um-)Lernen<br />
beeinflussen. Auch wenn es nicht<br />
mehr gar so leicht fällt, prägen sich<br />
neue Bahnen ein und ungenutzte verkümmern.<br />
Deshalb tun Menschen gut<br />
daran, sich auch im Alter vielfältig zu<br />
interessieren und beweglich zu halten.<br />
Dabei haben Erwachsene auch Vorteile.<br />
Geht es um neue körperliche<br />
Fähigkeiten, um logische Zusammenhänge<br />
und Faktenwissen, dann können<br />
Erwachsene im Gegensatz zu<br />
Kin<strong>der</strong>n schon auf Vorhandenem aufbauen<br />
und schneller lernen.<br />
Die Ohren auf Durchzug....<br />
Lehrer Bömmel stand vorn und dozierte.<br />
Dabei hatte er sträflich vernachlässigt,<br />
dass vor ihm ganz unterschiedliche<br />
Lerntypen saßen. Unterschiedlich<br />
in den individuell bevorzugten Wahrnehmungskanälen,<br />
auf die sich Menschen<br />
schon in <strong>der</strong> frü-<br />
Sendendes Neuron Empfangendes Neuron<br />
Nucleus<br />
Dendrit<br />
Axon<br />
Dendrit<br />
Axon<br />
Synaptische<br />
Verbindung<br />
Lernen: elektrische Signale laufen über<br />
die Neuronen und in Form chemischer<br />
Botenstoffe über die Synapsen.<br />
hen Kindheit festlegen:<br />
Die<br />
einen müssenLernstoffgelesen<br />
und<br />
Experimente<br />
beobachtet haben(optisch-visueller<br />
Typ), die<br />
an<strong>der</strong>en müssen<br />
die Dinge anfassen<br />
o<strong>der</strong> nach-<br />
ahmen (haptisch-kinästhetisch).<br />
Manch einer lernt am besten durch<br />
Vortrag und Gespräch (auditiv), an<strong>der</strong>e<br />
müssen mit Begriffen und Formeln die<br />
innere Logik durchblicken (abstraktverbal).<br />
Im klassischen Unterrichtsstil<br />
sind die letzten beiden Personengruppen<br />
klar im Vorteil. Die an<strong>der</strong>en