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Von Hilde-Josephine Post 06 - explore: 3/2005 MENSCH Wissen lebt Wahren Erfolg erreichen wissensintensive Dienstleistungsunternehmen nur durch Lebensfreude und Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter; denn das sind die Wissensträger. Sie müssen ihr Wissen weitergeben wollen – es muss fließen können und gelebt werden. Die zentrale Rolle spielen hier vertrauensvolle Dialoge. „Während meiner elfjährigen Tätigkeit in unterschiedlichsten Führungspositionen fiel mir eines immer wieder auf: Unternehmen verlieren ihre Lebendigkeit, die sie zu Anfang besessen hatten“, erzählt Till Novotny, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Panlogos. Und gerade heute, in einer dienstleistungsorientierten Gesellschaft, die sich Wissen als Produktionsfaktor zu Eigen machen will, scheint das immens wichtig zu sein; denn Wissen unterscheide sich Novotny zufolge grundlegend von den klassischen Faktoren Boden, Kapital oder Arbeit. „Produktivität des Wissens lässt sich nicht durch Kostensteuerung verbessern, sondern eher dadurch, dass Wissen in Bewegung gehalten wird und wir so seine Wirkung verstärken“, erklärt der Unternehmensberater weiter. Wissen sei außerdem weitgehend an seine Träger gebunden. „Wir haben die Erfahrung gemacht“, berichtet Thomas Schlegel, Projektleiter beim Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO), „dass es eher die Situation verschlechtert, wenn man glaubt, kurzfristig Mitarbeiter und somit Wissen in Projekte holen zu können. Für wissensintensive Dienstleistungsunternehmen stellen ganz klar die Menschen das Kapital dar.“ Hire and fire sei hier kein Erfolgsbringer. Vertrauen können Ob ein Dienstleistungsunternehmen erfolgreich ist oder nicht, hängt stark davon ab, wie gut Wissensweitergabe zwischen Mitarbeitern funktioniert. Konkurrenzdenken unter Arbeitskollegen hat hier keinen Platz. Es beeinträchtige erheblich den intensiven Erfahrungsaustausch, offenbart Sibylle Hermann vom IAO in dem Buch „Wissen als Basis Wissen für den Dienstleistungserfolg“. Laut Thomas Schlegel spielten hier nicht Geld für Wissen die große Rolle, wie es zurzeit in der Praxis als Incentive genutzt werde, sondern Vertrauen und Wertschätzung. Wichtig sei deshalb die emotionale Bindung von Mitarbeitern an ein Unternehmen. „In einer kleinen Gruppe, in der sich jeder kennt, ist man am ehesten bereit, Erfahrungen auszutauschen“, hat Sabine Schulze während ihren langjährigen leitenden Tätigkeiten im Knowledge- and Learning-Bereich von Infineon feststellen können. So hätten sich bei dem Halbleiterhersteller aus dem Bedarf heraus viele informelle Teams gebildet, so genannte Communities of Practice, die Fachthemen aufbereiten und sich im kleinen Kreis helfen. „Eines unserer Ziele ist, solche Communities zu fördern und zu erhalten“, sagt Schulze. Sie räumt dennoch ein: „Bei den kurzen Produktentwicklungszeiten stehen wir aber auch unter dem Druck, Wissen sehr schnell an weltweit verteilte Fachleute weiterzugeben. Hier wollen wir verstärkt auf Web basiertes E- Learning setzen. Wir verlieren damit zwar Lerneffizienz, doch es ist Zeit und Kosten sparender als umherzureisen.“ Wo Wissensquellen versiegen Till Novotny bedauert allerdings: „Im Zuge des immer rationelleren Handelns gibt es immer weniger Gelegenheiten wie Pausen und Wartezeiten, informelle Gespräche bei Meetings zu führen, in denen früher wie selbstverständlich Wissen ausgetauscht wurde. Hinzu kommt: Man hat ältere Kollegen mit viel Erfahrung nach dem Motto ‚eigentlich ist das, was die wissen, doch irgendwo dokumentiert‘, in den Vorruhestand geschickt. Das waren einfach gravierende
Wissen lebt MENSCH lebt Fehler“ (siehe auch Seite 30). Er ist überzeugt: „Das, was über Informationen hinaus Wissen ausmacht, ist gar nicht zu dokumentieren. Man kann Wissen weitergeben, aber nur im Dialog von Person zu Person.“ In der Praxis werden Informationen und Wissen oft miteinander verwechselt und aus dem Zusammenhang genommen. Wissen sind Informationen, die in einen Erfahrungskontext eingebaut sind. Erst durch diesen Kontext, so Novotny, werde der Sinn einer Information klar, und es entstehe wirkungsvolle Handlungsorientierung. Doch da die Vielfalt der Kontexte praktisch unbegrenzt ist, sei das Wissen ständig in Bewegung. „Will man nun Wissen elektronisch festhalten, gehen die ungewöhnlicheren und deshalb für eine unternehmerische Differenzierung besonders wertvollen Teile des Wissens verloren“, betont Panlogos-Chef Novotny. Auch den IAO-Fachleuten ist das bekannt: Deshalb wurde das Service-Engineering-Konzept Like (Lösungen für integriertes Kreativitäts- und Wissensmanagement im Dienstleistungsprozess) ins Leben gerufen. „Wir wollen damit erreichen, dass Wissen im passenden Kontext bereitgestellt wird“, so Thomas Schlegel vom IAO. Lebensfreude lässt Wissen fließen Mit dem einseitigen Blick auf Rationalität und ökonomische Werte geht für Till Novotny der wesentliche Aspekt von Arbeit, nämlich die Lebensfreude, verloren: „Darunter leiden Wissensaufbau und Wissensaustausch. Erst durch Zufriedenheit der Menschen in einem Unternehmen kann Wissen frei fließen. Die Firma bleibt lebendig und damit erfolgreich.“ explore: 3/2005 - 07
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