<strong>andy</strong> <strong>hope</strong> <strong>1930</strong> „der Künstler ist der Mittelsmann an der Schwelle zur hölle, doch die hölle ist das Künstlersein selbst.“ (Veit Loers, „die Rückkehr der dämonen“, in Monopol 7-8/2008) 1
2 <strong>andy</strong> <strong>hope</strong> <strong>1930</strong> Universum – Multiversum BaRBaRa FISCheR Die wissenschaftliche Forschung geht davon aus, dass dieses, unser Universum über 13 Milliarden Jahre alt ist. Vermutlich wird es fast noch einmal solange dauern, bis die Sonne zu einem roten Riesen angewachsen sein wird, der dann die Erde verschlingt. Verglichen mit der Zeit, die wir nicht kennen, sei unser Leben auf Erden wie der Flug eines Sperlings durch einen Saal, zur einen Tür herein und zur anderen hinaus, so dachte der theologische Gelehrte Beda Venerabilis im 8. Jahrhundert nach Christi Geburt. In mathematische Relationen gebracht ist dies eine sehr optimistische Einschätzung. Von hier aus gesehen würde man die Dauer eines Menschenlebens eher als das Aufblitzen einer winzigen Gegenwart bezeichnen, oder als ein Leuchten, das für eine Nanosekunde aus dunkler Vergangenheit auftaucht, um in unbestimmte Zukunft zu verschwinden. Die Schwindel erregende Anzahl von Gegenwartsmomenten, aus denen sich die Zeit zusammensetzt, wird noch multipliziert mit der Zahl der möglichen Welten und Wahrscheinlichkeiten, die als Alternativen zu der Existenz denkbar sind, in der wir uns real befinden. Und dazu kommen noch einmal die Vorstellungen, die wir uns von diesen Welten machen und gemacht haben. In all diesem findet Andy Hope <strong>1930</strong> (seit Herbst 2010 benützt Andreas Hofer ausschließlich diesen Namen) seine pluralistischen Bildwelten. Er schöpft aus den unterschiedlichsten Quellen, aus der Ästhetik der Comics, der Western, der Science Fiction, der Flohmarktbilder, der Ikonen der Moderne und der Vormoderne, um seine „Welt ohne Ende“ 1 zu erschaffen. Satanische wie christliche, mythologische wie astrologische, galaktische wie futuristisch fantastische Symbolfiguren bevölkern seine Werke, die an vielen Stellen klar auf Architektur und Kunst des Dritten Reiches Bezug nehmen. Sie wurden mitunter als Provokation verstanden (oder als ein ambivalentes Spiel mit Tabus in Frage gestellt), machen aber nur besonders deutlich, welche Bedeutung Symbole für die Orientierung in unserer Welt haben. Dabei bedient er sich verschiedenster Medien: von Malerei über Zeichnung, Computerprints, Collage, Skulptur, Video bis hin zu raumgreifenden Installationen. Andy Hopes Vorstellungswelt schließt sich an die Multiversums-Theorie der Physik an, der zufolge nicht nur unsere Welt existiert, sondern gleichzeitig unendlich viele. Das beobachtbare Universum ist demnach nur ein kleiner Teil der gesamten Wirklichkeit, zu der auch die Welten gehören, die nicht empirisch zugänglich sind. Insofern haben Begriffe von Zeit und Raum keine Bedeutung mehr und Hierarchien werden hinfällig. Der Mensch vergleicht Neues grundsätzlich mit schon Bekanntem, weil er Referenzwerte braucht, um sich die Welt erklärbar zu machen – man denke nur an die Bildung von Assoziationen. Wir leben in einer postmodernen, partiell virtuellen Welt, in der Realitäten stets neu thematisiert werden müssen, weil ihre Grenzen zur Fiktion immer mehr verschwimmen. In unserem Bemühen um eine eigene Identität und Realität bewegen wir uns auf einem Weg durch einen Dschungel scheinbar gleichberechtigter, völlig disparater subjektiver Wahrheiten. Wir wissen nicht, ob es im Universum noch einen anderen Stern gibt, um den wie um unsere Sonne ein Planet voller Leben kreist. Sollte es aber so sein, würden die Bewohner anderer Galaxien aus einer Entfernung von über 100 Millionen Lichtjahren auf uns zurückblicken. Was würden sie sehen? Sähen sie urzeitliche Ebenen in rötliches Licht getaucht, bevölkert von in unserer Realität längst ausgestorbenen Dinosauriern? Das könnte man sich vorstellen, wenn man daran denkt, dass die immense Geschwindigkeit, mit der sich unsere Galaxie von einer anderen entfernt, bewirkt, dass die Wellenlänge des Lichts an das rote Ende des Spektrums verschoben wird. Dehnt man dagegen die Spekulationen im Bereich der Multiversums-Theorie weiter aus, kommt man auf Wahrscheinlichkeiten, die plötzlich die Vervielfältigung unserer Existenz, unsere simultane Existenz in unendlich vielen parallelen Welten nicht mehr ausschließt. Oder sind wir nur ein Konstrukt denkender und kommunizierender Wesen, ein Konstrukt in einer Matrix, in einer gigantischen Simulation einer technisch hoch entwickelten Zivilisation außerhalb unserer Wahrnehmung? Andy Hope thematisiert unsere entschwindende Wirklichkeit, löst vertraute Zusammenhänge sowie ein vertrautes Raum-Zeit-Kontinuum auf. „Wie Plakate, wie Cover sollen die Bilder sein. Es darf nicht die Illusion entstehen, dass sie sich auf irgendeine Wirklichkeit beziehen“ 2 , äußert er in einem Gespräch. Ich ist ein anderer Der im Jahr 1963 in München geborene Künstler signiert seine Werke seit Ende der 1990er Jahre hauptsächlich nach des Künstlers Angaben seit Herbst 2010 ausschließlich mit „Andy Hope <strong>1930</strong>“ (häufig mit angefügtem Wiederkreuz-Symbol), aber auch mit „New Spiritual Guides (NSG)“, „Lord of Illusions“, „Psychic Alchemy“, „Dead Jesus“, „0,10“, „Ylla“, „V“ und „Nova Dreamer“. So multipel seine Signaturen, so vielfältig sind auch die Beschäftigungen, denen der Künstler im Verlauf der Jahre Gerüchten zufolge nachgegangen sein soll: Surflehrer, Trickskifahrer, Fluglotse, Astrologe und nicht zuletzt Musiker. Andy Hope <strong>1930</strong> will seine unterschiedlichen Signaturen nicht als Pseudonyme verstanden wissen, vielmehr als Alter Egos, die er bewusst zwischen sich und seine Arbeit stellt. Er befindet sich hiermit in der Tradition derer, die dem französischen Dichter Arthur Rimbaud nach-