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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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wunderbarer Sensibilität. Und sein Problem-Instinkt überflügelt sogar Weiningers. Er sagt subtile,<br />

überraschende Dinge. Aber gerade dann, wenn es <strong>am</strong> subtilsten ist, klingt das Wort <strong>am</strong><br />

allerwenigsten aufrichtig...“ 13<br />

Am 14. Dezember ist im Berliner Tagebuch zum ersten Mal von der „Todesästhetik“ die Rede, ein<br />

Vorhaben, das Balázs schon im Frühjahr in Budapest ins Auge gefasst hat 14 und dessen Spuren sich<br />

noch weiter zurückverfolgen lassen. Nun heißt es: „Die Theorie hat mich wieder verwirrt. Die bei<br />

Simmel. Ich soll <strong>am</strong> nächsten Mittwoch etwas erzählen, und er hat aus mir den Grundgedanken der<br />

Todesästhetik förmlich herausbefohlen.“ 15<br />

Bis zu Balázs’ Vortrag hat es offensichtlich noch einen Monat gedauert. Am 23. Januar 1907 notiert<br />

er stolz: „Ich habe bei Simmel die ‘Todesästhetik’ vorgelesen. Die Deutschen waren von mir<br />

beeindruckt. Es freut mich, nicht meinetwegen. Ich habe sie als Ungar beeindruckt. Sie waren völlig<br />

baff, dass ein Turanier, ein Tatare auch so etwas weiß. - Ich könnte vor Freude tanzen. Wartet nur,<br />

ihr Lumpen! Der Ungar hat auch noch was zu sagen!“ 16<br />

Ein Jahr später erscheint die „Todesästhetik“ in Budapest auf ungarisch 17 , wird aber niemals in<br />

deutscher Sprache veröffentlicht. Abgesehen von Ferenc Fehér, der in einem in den sechziger Jahren<br />

verfassten Essay die „Todesästhetik“ im Kontext des „Bündnis von Georg Lukács und Béla Balázs“<br />

diskutiert, hat sich bislang kaum jemand mit diesem frühesten Niederschlag von Balázs’ ästhetischer<br />

„Philosophie“ beschäftigt.<br />

Für Fehér eröffnet sich in der „Todesästhetik“ eine „vollständige Kunsttheorie“: „[E]s ist nicht nur die<br />

private Ars poetica Balázs’, sondern ein in ges<strong>am</strong>teuropäischer Sicht bedeutendes Dokument der<br />

13<br />

Balázs, Napló 1903-1914, S. 365f. Eintrag vom 28.11.1906.<br />

14<br />

Am 3. März 1906 erwähnt Balázs im Tagebuch ein Gespräch mit Bernát Alexander, der ihm das Stipendium für<br />

seine Dissertation zusichert. „Als er fragte, worüber ich schreiben möchte, wenn ich in Philosophie Doktor<br />

machen wollte, lag mir das richtige Wort auf der Zunge: über ‘Die Ästhetik des Todes’. - Jawohl, ich werde über<br />

die Ästhetik des Todes schreiben, wenn auch nicht jetzt als Doktorarbeit.“ (Balázs, Napló 1903-1914, S. 317f.)<br />

15<br />

Ebd., S. 371. Eintrag vom 14.12.1906.<br />

16<br />

Ebd., S. 379.<br />

17<br />

Béla Balázs, Halálesztétika [Todesästhetik]. Budapest: Deutsch Zsigmond és Társa Könyvkereskedése, 1907/8.<br />

Im folgenden zitiert aus: Béla Balázs, „Halálesztétika“, in: ders., Halálos Fiatalság. Drámák / Tanulmányok<br />

[Tödliche Jugend. Dr<strong>am</strong>en/Studien]. Hg. von Ferenc Fehér und Sándor Radnóti. Mit einem Vorwort von Ferenc<br />

Fehér. Budapest: Magyar Helikon, 1974, S. 285 - 328 [zitiert nach einer Übersetzung von Anna Bak-Gara].<br />

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