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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Mit der Rekonstruktion der Entstehung einer Kunstphilosophie des Films - aus einer <strong>am</strong> Märchen<br />

orientierten Poetik im widersprüchlichen Werk Béla Balázs’ - verbindet sich der Versuch, aus den<br />

Konstitutionsbedingungen dieser fragmentarischen Ästhetik etwas über die Ideengeschichte dieses<br />

Jahrhunderts zu erfahren. Diese Herangehensweise überschreitet nicht nur den Rahmen einer<br />

Werkbiographie, sie sprengt notwendigerweise auch die Grenzen einer Theoriegeschichte des<br />

Mediums und seines Dispositivs - im Sinne einer raumzeitlichen Anordnung kinematographischer<br />

Wahrnehmungsbedingungen - und stellt sie in den Kontext philosophischer, psychoanalytischer und<br />

ethnographischer Deutungen, wie sie insbesondere <strong>am</strong> Beispiel Georg Simmels und Henri Bergsons,<br />

Wilhelm Worringers und Ernst Cassirers, Michael Balints und René Spitz’, Lucien Lévy-Bruhls und<br />

Arnold van Genneps vorgestellt und diskutiert werden sollen. Fluchtpunkt dieser ideengeschichtlichen<br />

Rekonstruktion ist weniger eine Semiotik des Films als eine rezeptionstheoretisch verankerte<br />

Ästhetik des Kino - und der sich für Béla Balázs darin verkörpernden Utopie einer neuen Identität<br />

von Kultur und Ritual, von Ausdruck und Erleben.<br />

Ausgehend von Balázs’ frühen, noch unmittelbar von der Lebensphilosophie geprägten<br />

Todesästhetik von 1907 und der dort schon folgenreich geprägten Bezugnahme jeder Ästhetik auf<br />

das Durchleben einer Grenzsituation zwischen Leben und Tod erscheint es sinnvoll, den Versuch zu<br />

machen, Balázs’ Schriften, seine Tagebücher und Romane, seine Dr<strong>am</strong>en und Mysterien, seine<br />

Briefe und Essays auf die Erlebnisfigur der Initiation „anzusprechen“. Die Radikalisierung der von ihm<br />

kritisch vorgefundenen Filmproduktion zu einer „neuen visuellen Kultur“ der Verschmelzung auf<br />

Distanz, die schließlich seine Kino-Theorie bestimmen wird, verweist auf einen unabgegoltenen Rest<br />

lebensgeschichtlicher und kulturphilosophischer Utopie, auf ein „Mehr“ an Motivierung, das sich<br />

einer Interpretation als Medientheorie eigensinnig widersetzt. So wird es darum gehen müssen, an<br />

das Material seines Lebens und seiner Schriften mit einem Deutungsangebot heranzugehen, das quer<br />

zu semiotischen Interpretationen des Kinos liegen wird, das das Kino weniger als Sprache, denn als<br />

symbolische Szene zu verstehen helfen wird.<br />

Dabei muss ein in Bezug auf den Film bislang zwar oft erwähntes, aber kaum grundlegend<br />

thematisiertes Genre traditionellen Erzählens ein besonderes Gewicht erhalten: die Tradition des<br />

Märchens. Balázs selbst hat immer wieder in entscheidenden Momenten seiner Biographie, so 1907,<br />

1914 oder 1921, die Form des Märchen zu aktualisieren und neu zu interpretieren versucht. Eine<br />

Auseinandersetzung mit der Geschichte und der Theorie des Märchens, in der die genannten<br />

II

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