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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Balázs scheint auf den Abschied Arankas geradezu gewartet zu haben. „Nun gibt es keinen<br />

Menschen, dem ich Menschsein schulden würde. Jetzt kann ich alle Dämonen in mir loslassen. [...]<br />

Wenn die Eine nicht, dann Alles. [...] Ein ununterbrochener Rausch. [...] Die Landstraße ist schön.<br />

Schön! Ich will nie mehr zerbrochen werden. [...] Ich fühle mich so unendlich eins<strong>am</strong>, dass ich mich<br />

gar wie ein Gott fühlen könnte. [...] Hinaus, hinaus in den grenzenlosen freien Raum, denn es gibt<br />

keine Hoffnung mehr.“ 90<br />

Am nächsten Abend betrinkt sich Balázs mit Kodály bei den Klängen von Beethovens Neunter<br />

Symphonie, und er schwelgt in Visionen von schwebenden Feen, Göttern und Wichten: „[D]as große<br />

Geheimnis wirft seine Hülle ab - doch wir schweigen - die Luft zittert - und die Wellen der Musik<br />

strömen - Feen, Götter, Wichte fliegen...“ 91<br />

Ein Jahr später veröffentlicht Balázs in der Zeitschrift Nyugat („Westen“, bzw. „Abendland“) seinen<br />

ersten literarischen Text, das Märchen „Die Stille“. Balázs’ erzählt die Geschichte eines Burschen<br />

vom Lande, Peter, der auf der Suche nach der Liebe die Welt durchwandert und dreimal einem<br />

Menschen den Tod bringt. Einen Ring, den er <strong>am</strong> Finger trägt und der sich ihm zugleich innerlich wie<br />

ein Reif um das Herz legt, ihn innerlich zus<strong>am</strong>menschnürt, soll er nur demjenigen an den Finger<br />

stecken, den er mehr liebt als alles auf der Welt. Irrt er, bedeutet es für den Beschenkten den Tod.<br />

„Wenn du ihn nicht dem Wesen gibst, das du <strong>am</strong> meisten liebst, wenn du ein anderes wählst, dann<br />

schneidest du ihm das Leben ab und der Ring an deiner Hand, der Reif um dein Herz ist wieder<br />

da.“ 92 Die Entscheidung wiegt schwer und dreimal irrt der Wanderer. Seine vorschnell urteilende<br />

Sehnsucht trifft seine Mutter, einen Musikanten und schließlich ein Mädchen.<br />

Zuerst ist es seine Mutter, die ihm den Ring gerade erst überreicht hat, die sterben muss, weil seine<br />

Liebe zu ihr eben nicht über alles geht. Dann ist es Paul, der Musiker, den er auf der Landstraße<br />

kennenlernt, der sein Freund wird und mit dem er ein Jahr übers Land zieht. Angelockt von einer<br />

fernen Musik besteigen die Wanderer den Berg des Grottenvaters, inmitten eines ungeheuren<br />

Waldes. Es ist ein Tag, an dem man hört „wenn drin im Wald eine Eichel fällt. Als wäre die Welt aus<br />

90 Balázs, Napló 1903-1914, S. 381ff., Eintrag vom 3.2.1907. Er wird Aranka dennoch in Budapest wiedersehen<br />

und ihr sein erstes Dr<strong>am</strong>a, Doktor Szélpál Margit, nicht nur widmen, sondern auch zur Übersetzung ins Deutsche<br />

überlassen.<br />

91 Balázs, Napló 1903-1914, S. 184f. Eintrag vom 4.2.1907. Am nächsten Tag kommt erneut ein Brief von Aranka:<br />

„Sie würde gerne mit mir auf einer Insel wohnen - Schade nur, dass sie in Zoltán verliebt sei.“ (S. 185. Eintrag vom<br />

5.2.1907)<br />

92 Béla Balázs, „Die Stille“, in: ders., Sieben Märchen. Wien/Berlin/Leipzig/München: Rikola Verlag, 1921, S. 115f.<br />

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