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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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sprach Lukács über Adys „absolut umwälzenden Einfluß“ 4 auf ihn, über „jenes erschütternde<br />

Erlebnis“ 5 , das ihm den Zugang zu Ungarn erst eröffnet habe. Ady verkörperte den Rebellen<br />

schlechthin, gegen die Habsburger Monarchie genauso wie gegen die in diesem System groß<br />

gewordenen, mit der Doppelmonarchie versöhnten ungarischen Eliten. Auch Zoltán Horváths<br />

Geschichtswerk über Die Jahrhundertwende in Ungarn atmet tiefe Bewunderung für den 1919<br />

verstorbenen, widersprüchlichen Dichter: „Das Geheimnis von Adys Bedeutung beruht darin, daß<br />

Ady die Inkarnation alles dessen war, was ungarisch ist [...] alles für das ganze Volk dieses Landes<br />

Charakteristische. [...] Er war Bauer und Gutsherr; Gentry und hochkultivierter Intellektueller; ein<br />

unvergleichlicher Meister des geschriebenen Wortes und ein des Schreibens Unkundiger; ein<br />

kosmopolitischer Globetrotter und ein an Heimat, Volk und Scholle gebundener leidenschaftlicher<br />

Patriot; ein auf Wohlleben erpichter und Wohlleben genießender Bürger und ein die Revolution<br />

herbeisehnender, auf die Revolution hinwirkender Arbeiter.“ 6 Und er war - wie auch Kodály und<br />

Bartók - kein Jude, was für Balázs, wie sich noch zeigen wird, offenbar eine Rolle spielte. Nicht nur<br />

Balázs, auch Georg Lukács und viele andere Budapester Intellektuelle verehrten Endre Ady<br />

zeitweise wie ein Idol. Doch Balázs’ Suche nach dem ästhetischen „Erlebnis“ gemeins<strong>am</strong>er<br />

Schöpfung führte ihn zu Beziehungen, in denen er komplementäre Talente finden konnte: als<br />

„Verschmelzung“ erlebbare Zus<strong>am</strong>menarbeit. „Eine komplette, runde Welt“ 7 zu bilden, erschien ihm<br />

vor allem mit Musikern möglich. 8<br />

Zoltán Kodály verkörperte für Balázs den Idealtypus des Künstlers, den „Stachel zum<br />

Übermenschen“ 9 [dt. im Original]: „Jawohl! Ich glaube an die Zukunft, die mit uns ihren Anfang<br />

nehmen muß. Ich glaube an Kodály und mich selbst!“ 10 Balázs’ Tagebuch ist voll von<br />

schwelgerischen Bekenntnissen seiner Liebe zu Kodály, und seiner Enttäuschung über Kodálys<br />

„Unnahbarkeit“. 11 Balázs windet sich in Scheu und Verehrung: „Obwohl ich ihn unendlich liebe. [...]<br />

Aber bevor mir in seiner Gesellschaft ein inniger Ton über die Lippen kommt, fällt mir jedesmal ein:<br />

das wird er als Provokation, als Vertraulichkeit empfinden; oder aber, ich empfinde so als würde ich<br />

4<br />

Georg Lukács, Gelebtes Denken. Eine Autobiographie im Dialog. Redaktion István Eörsi. <strong>Frankfurt</strong> <strong>am</strong> <strong>Main</strong>:<br />

Suhrk<strong>am</strong>p, 1981, S. 60.<br />

5<br />

Ebd., S. 61.<br />

6<br />

Horváth, Die Jahrhundertwende in Ungarn, S. 270.<br />

7<br />

Balázs, Napló 1903-1914, S. 36. Eintrag vom 13.5.1904.<br />

8<br />

Neben Zoltán Kodály und Béla Bartók wird Balázs später u.a. auch mit Wilhelm Grosz, Egon Wellesz und Ernst<br />

Krenek zus<strong>am</strong>menarbeiten.<br />

9 Balázs, Napló 1903-1914, S. 364.<br />

10 Ebd., S. 36. Eintrag vom 6.5.1904.<br />

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