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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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der Abend. Auch die verzweifelte Judith wird geschmückt, für die Nacht, die nun ihr gehören wird.<br />

Die Tür schließt sich hinter ihr und Blaubart bleibt allein, für immer.<br />

Eine vermutlich von Balázs selbst korrigierte Übersetzung einer vom Libretto abweichenden<br />

Textfassung im Archiv der Ungarischen Akademie der Wissenschaften skandiert <strong>am</strong> Ende die<br />

Verbannung Judiths in die Nacht als Verhängnis des Traums: Behängt mit „aller Träume<br />

Sternenmantel“, wird das „Traumweib“ schließlich in die „ewig tiefe Träumek<strong>am</strong>mer“ gesperrt. 27<br />

Balázs wollte zu den Quellen ungarischer Kultur, aber er wollte diese auch ganz persönlich in den<br />

Olymp der europäischen Hoch-Kultur erheben. Und eigentümlich <strong>am</strong>bivalent blieb alles, was er über<br />

Ungarn schreiben sollte: „Ach Ödland Ungarn! [...] Was wird aus uns? [...] Deine Leere, dein<br />

begieriger Durst, deine unermeßliche Trauer. Wer wird diese Verzauberung lösen?“ 28 Balázs schrieb<br />

wiederholt über den Zauber, den die ungarische Landschaft auf ihn ausübte, die er selbst mythisierte<br />

und wie eine geheimnisvolle Macht schilderte. Die Landschaft der Berge, die „kosmische Situation“ 29<br />

der Gipfel und funkelnden Eishöhlen, und die Landschaft der Ebene, jenes „sonnendurchflutete[n],<br />

farbenprächtige[n] heiße[n] Meer dort unten“ 30 , die Puszta, in der ein „gefrorener, rasender<br />

dionysischer Schrei verborgen“ 31 läge, sie waren für ihn nicht nur malerische Gegensätze, sondern<br />

Inkarnationen von entgegensetzten Existenzformen, zwischen denen er sich selbst als ewigen<br />

Wanderer stilisierte und die er beide später auf die unterschiedlichen Welten seiner Kindheit<br />

zurückführen konnte.<br />

2.2 Kindheit an verzaubertem Ort<br />

Am 4. August 1884 wird Béla Balázs als Herbert Bauer in der südungarischen Stadt Szeged <strong>am</strong><br />

Rande der Puszta geboren. Sein Vater, Simon Bauer, entst<strong>am</strong>mt einer kleinbürgerlichen assimilierten<br />

jüdischen F<strong>am</strong>ilie und lehrt <strong>am</strong> Gymnasium Literatur und Philosophie. Seine Übersetzungen von<br />

Goethe und Schiller, seine Arbeiten über Pädagogik und seine Studien über die deutsche Literatur<br />

eröffnen ihm bescheidene Hoffnungen auf eine akademische Laufbahn in Budapest. Auch Balázs’<br />

27<br />

Béla Balázs, „Herzog Blaubart’s Burg“ [Übersetzung von Josef Kalmer], in: Balázs -Nachlass, MTA, Ms 5012/2.<br />

28<br />

Balázs, Napló 1903-1914. Eintrag vom 18.11.1906. Balázs’ Formulierung liest sich wie eine Paraphrase von<br />

Texten Endre Adys. Diesen Hinweis verdanke ich Júlia Bendl.<br />

29<br />

Béla Balázs, Die Jugend eines Träumers. Wien: Globus, 1947, S. 52.<br />

30<br />

Balázs, Napló 1903-1914, S. 38. Eintrag vom 19.5.1904.<br />

31<br />

Balázs, Napló 1903-1914, S. 400. Eintrag vom 11.3.1907.<br />

28

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